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Berichtigung: gefürchtete Konsequenz eines journalistischen Fehlers

Rechtliche Tipps für Journalisten

Medien haben rechtlich große Freiheiten, sind aber zugleich gewissen Pflichten und Obliegenheiten unterworfen. Verstöße können gravierende rechtliche Folgen haben. Zu unterscheiden sind insbesondere Unterlassungsansprüche, meist verbunden mit hohen Kosten, und Berichtigungsansprüche. Letztere sind vielfach gefürchtet, weil eine Berichtigung den Eindruck erweckt, dass das Medium einen Fehler gemacht hat. DFJV-Vertragsanwalt Frank C. Biethahn erläutert im Folgenden, welche Voraussetzungen für einen Berichtigungsanspruch vorliegen müssen, wie man ihm vorbeugen kann und was man tun sollte, wenn ein Berichtigungsbegehren eingeht.

Grundsätzlich gilt: Wer durch behauptete Fakten in seinen Rechten verletzt wird, soll nicht nur Wiederholungen unterbinden können (dafür gibt es den Unterlassungsanspruch), sondern auch den entstandenen falschen Eindruck aus der Welt räumen können. Der durch die unzulässige Berichterstattung entstandene rechtswidrige Zustand soll beseitigt werden.

So weit, so klar. Die Rechtsprechung betont jedoch auch, dass Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Berichtigungsanspruches nicht ohne weiteres feststünden, sondern in jedem Einzelfall grundrechtskonform konkretisiert werden müssten (BGH, Urteil vom 18. November 2014 – VI ZR 76/14). Das führt zu gewissen Unsicherheiten. Selbst wenn geklärt ist, dass ein Berichtigungsanspruch besteht, steht somit noch nicht fest, wie er umzusetzen ist.

Wann besteht ein Berichtigungsanspruch?

Zwei Punkte verlangt der Berichtigungsanspruch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung:

  1. eine unzulässige Tatsachenbehauptung
  2. die dadurch entstandene Beeinträchtigung dauert noch fort

Unzulässige Tatsachenbehauptung

Da nur unzulässige Tatsachenbehauptungen zu berichtigen sind, können für andere Äußerungen keine Berichtigungen verlangt werden. Meinungsäußerungen (auch wenn das in der Praxis Betroffene immer wieder versuchen) oder zulässige Tatsachenbehauptungen müssen also nicht berichtigt werden.

Was aber ist eine Tatsachenbehauptung?
Eine Tatsachenbehauptung ist eine Äußerung, die sich auf objektive Umstände bezieht, die nicht von einer Bewertung/Würdigung abhängig sind, sondern eindeutig als wahr bzw. unwahr eingestuft werden können. (Siehe hierzu: Äußerungen in der Berichterstattung: Was müssen Journalisten beachten?)

Besondere Fälle sind „Äußerungen zwischen den Zeilen„, mehrdeutige Äußerungen und Tatsachenbehauptungen, die zum Zeitpunkt der Äußerung zulässig waren, später aber nicht mehr.

„Äußerungen zwischen den Zeilen“ sind solche, die nicht per se zu beanstanden sind, also eigentlich „harmlos“ sind, die aber einen Eindruck erwecken, der als direkte Äußerung unzulässig wäre. Es besteht also eine Diskrepanz zwischen dem, was vom Journalisten geäußert wird, und dem, was vom Leser als wirkliche Botschaft wahrgenommen wird. Wenn etwas nur angedeutet wird, kann dies für den Betroffenen jedoch genauso schädlich sein, wie wenn es ausdrücklich gesagt worden wäre. Den Medien ist es aber nicht zuzumuten, sich stets so klar und eindeutig zu äußern, dass unter keinen Umständen ein irgendwie gearteter falscher Eindruck entsteht – das dürfte unmöglich sein. Deswegen kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Berichtigung nur dann in Betracht, wenn sich der falsche Eindruck „unabweisbar aufdrängt“, wenn also eine besondere Aussage quasi klar erkennbar „zwischen den Zeilen“ steht. Ist das der Fall, liegt eine eindeutige „verdeckte Aussage“ vor. Diese wird wie eine „offene“ behandelt (BGH, Urteil vom 22. November 2005 – VI ZR 204/04). So etwas wird dem Berichtenden in der Regel auch nicht versehentlich unterlaufen. Die Rechtsprechung trifft also eine Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen, auch nicht indirekt angegriffen zu werden und dem Interesse der Medien, nicht jeden etwaigen falschen Eindruck vermeiden zu müssen.

Mehrdeutige Äußerungen sind – ebenso wie „Äußerungen zwischen den Zeilen“ – kaum vermeidbar. Sie sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beim Berichtigungsanspruch – anders als etwa bei der Unterlassung – den Medien in der Regel nicht anzulasten. Das Medium muss zwar nicht berichtigen, möglicherweise aber in Zukunft diese Äußerung unterlassen. Mit anderen Worten: Das Medium soll nicht mit einer Berichtigung „bestraft“ werden, allerdings in Zukunft in diesem konkreten Punkt besser aufpassen.

Wenn eine Tatsachenbehauptung zunächst zulässig war, später aber nicht mehr zulässig ist (zunächst bestand ein Verdacht und die Berichterstattung war als Verdachtsberichterstattung zulässig, später erwies sich der Verdacht als unbegründet), kann ein Berichtigungsanspruch bestehen. Näheres hierzu können Sie dieser Rechts-News entnehmen.

Fortdauern der Beeinträchtigung

Berichtigung kann nur verlangt werden, wenn der Betroffene noch beeinträchtigt ist. Dafür ist relevant, wie lange die Veröffentlichung bereits her ist und wann der Betroffene begonnen hat, seinen Anspruch geltend zu machen. Je später der Betroffene seinen Anspruch geltend macht, desto eher steht er ihm nicht mehr zu. Die Dauer des gerichtlichen Verfahrens geht allerdings in der Regel nicht zu seinen Lasten, sodass ein Berichtigungsanspruch auch noch nach vier Jahren des gerichtlichen Rechtsstreits bestehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2014 – VI ZR 76/14). Sonst müsste das Medium den Rechtsstreit nur in die Länge ziehen, um dem Berichtigungsanspruch zu entgehen – das wäre widersinnig.

Bei Nebensächlichkeiten besteht kein Berichtigungsanspruch. Einer Berichtigung bedarf es oft auch dann nicht, wenn das Medium den betreffenden Umstand bereits von sich aus in ausreichender Form berichtigt hat. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, aufgefallene Fehler von sich aus klarzustellen – eine solche „freiwillige Korrektur“ wirkt seriös und hat oft nicht den gleichen Makel wie eine erzwungene Berichtigung.

Es gilt daher: Medien, die die ihrer Berichterstattung zugrundeliegenden Tatsachen sorgfältig prüfen und sorgsam darstellen und bei einem späteren anderweitigen Ablauf der Ereignisse ggf. ergänzend berichten (z. B. bei Berichterstattung über ein Strafverfahren über den späteren überraschenden Freispruch), haben wenig zu befürchten. Medien tun im Übrigen gut daran, wenn sie entdeckte Fehler von sich aus berichtigen, um so der Geltendmachung von Berichtigungsansprüchen zuvorzukommen.

Wie sieht die Berichtigung aus?

Liegen eine unzulässige Tatsachenbehauptung und fortdauernde Beeinträchtigung vor, besteht ein Berichtigungsanspruch. Was das genau bedeutet, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelfall zu entscheiden, die Rechtsprechung berücksichtigt die Belange des Betroffenen ebenso wie die der Medien.

Die Berichtigung muss dem Betroffenen gerecht werden und die Medienfreiheit wahren. Deswegen darf die Berichtigung nur so weit wie notwendig und zumutbar gehen, es muss die schonendste geeignete Form gewählt werden. Eine weitergehende Berichtigung würde die Medienfreiheit zu stark einschränken. Eine Berichtigung darf z. B. keine vom Gebrauch des Grundrechts der Pressefreiheit abschreckende Wirkung haben.

Demzufolge hat die Berichtigung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vielfältige Abstufungen, insbesondere:

  • Widerruf als härteste Form (vgl. dazu BGH-Urteil vom 15.11.1994 – VI ZR 56/94)
  • Richtigstellung, wenn der Bericht entstellend einseitig ausfällt bzw. nur teilweise unwahr ist
  • Eingeschränkter Widerruf/Erklärung, dass eine Behauptung nicht aufrechterhalten wird
  • Ergänzung, z. B. wegen nachträglicher, der Berichterstattung entgegenstehender Ereignisse (z. B. ergänzende Berichterstattung über Freispruch, wenn über das Strafverfahren berichtet worden war)

Der BGH erläuterte diese Abstufungen in seinem Urteil vom 18. November 2014 – VI ZR 76/14 beispielsweise wie folgt:

[…] Dementsprechend unterscheidet die Rechtsprechung des [… BGH] zwischen verschiedenen Abstufungen des Berichtigungsanspruchs, etwa einem Widerruf […], einer Richtigstellung bei entstellender Einseitigkeit der Reportage […], einem Abrücken von übernommenen Äußerungen Dritter […] oder einer Richtigstellung, wenn eine Äußerung nur in einem Teilaspekt unwahr ist, der dem Leser durch ihren Kontext übermittelt wird […]. Auch ein von der Rechtsprechung entwickelter „äußerungsrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch“, gerichtet auf eine ergänzende Meldung oder Mitteilung bei günstigem Ausgang eines Strafverfahrens nach ursprünglich rechtmäßiger Meldung über das Verfahren, begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken […]. Schon in seinem Urteil vom 30. November 1971 […] hat der [… BGH] dem Betroffenen nach einem Bericht über seine nicht rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung einen „Ergänzungsanspruch“ hinsichtlich des späteren Freispruchs zuerkannt. Auch die Erklärung, dass eine Behauptung nicht aufrechterhalten wird, teilweise als eingeschränkter Widerruf bezeichnet […], stellt eine Konkretisierung des Berichtigungsanspruchs dar […].

Was ist zu tun, wenn ein Berichtigungsbegehren eingeht?

Wer mit einem Berichtigungsbegehren konfrontiert wird, sollte unverzüglich prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen. In diesem Fall ist weiter abzuwägen, in welcher Form die Berichtigung erfolgen soll. In keinem Fall sollte einem Berichtigungsbegehren ohne jede Prüfung sofort nachgegeben werden, denn viele Berichtigungsbegehren sind unberechtigt, und das teilweise schon offensichtlich. Etwa dann, wenn sie sich, wie oben ausgeführt, auf eine Meinungsäußerung statt eine Tatsachenbehauptung beziehen.

Wie hilft der DFJV seinen Mitgliedern beim Thema Recht und Berichterstattung?
Der DFJV bietet seinen Mitgliedern eine kostenfreie, individuelle und zügige Rechtsberatung (Erstberatung) an. Mehr Informationen erhalten Sie hier. Zudem informieren wir in Rechts-News zu wichtigen Themen. Bei komplexen, auch rechtlichen Fragestellungen hilft Ihnen der DFJV darüber hinaus durch verschiedene Leitfäden.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Frank C. BiethahnDer Autor Frank C. Biethahn ist Inhaber einer u. a. auf Urheber- und Medienangelegenheiten spezialisierten Kanzlei bei Hamburg. Er ist bundesweit tätig. Als Vertragsanwalt des DFJV ist er für die Mitglieder-Rechtsberatung zuständig, zudem ist er Lehrbeauftragter an Hochschulen in Hamburg.

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