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Das neue Portal Gruener-Journalismus.de: Ideenforum, Werkzeugkasten und Recherchehilfe

Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen haben die mediale Agenda erobert. Gleichzeitig leidet der Journalismus unter einer Finanzierungs- und Recherchekrise. Das Medienforum www.gruener-journalismus.de hilft Journalisten dabei, komplexe grüne Themen auch unter schwieriger werdenden Bedingungen zu recherchieren – und den Überblick zu behalten über die ergrünte Fachdebatte in der eigenen Zunft.

Es war zuletzt schwierig, in journalistischen Fachpublikationen nicht auf die Farbe Grün zu stoßen, anders gesagt, auf die Frage, wie die Profession mit den medial wichtiger gewordenen Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen umgeht: Die Fachzeitschrift der Wissenschaftspressekonferenz WPK Quarterly erklärt, welche Erfahrungen die Dortmunder Journalistik mit dem neuen Projekt Mediendoktor Umwelt gemacht hat. Das Magazin Message untersucht aktuell den Trend hin zu lösungsorientiertem Journalismus – und kommt hier auf grüne Themen zu sprechen. Und die Wissenswerte thematisierte in Bremen zuletzt die Frage, wie Journalisten mit dem Klimawandel umgehen. Schon 2012 veröffentlichte das Medium Magazin ein Special zu Nachhaltigkeit und Journalismus, der Fachjournalist titelte im Januar 2012 mit einer Bestandsaufnahme zum Thema Nachhaltigkeit in den Medien.

Doch nicht nur in Medienmagazinen gibt es die Debatte, sondern auch in anderen Publikationsorganen1 und auf verschiedenen Websites wie www.klimafakten.de, die sich auch an Journalisten richten.

Außerdem gibt es neuere journalistische Aus- und Weiterbildungsangebote zu grünen Themen an verschiedenen Hochschulen2.

Der Begriff „grüner Journalismus“ wird hier bewusst symbolisch und in Anlehnung an die Medienlandschaft verwendet, die in den vergangenen Jahren viele Serien, Specials, Sonderseiten, Magazine und Sendungen zu grünem Leben (ZEIT), Green living (GEO.de) oder grünen Revolutionen (Süddeutsche Zeitung) hervorgebracht hat.

Begriffliche Unschärfen und unerkannte Chancen

Im Medienmarkt gibt es keine begriffliche Sortierung, verschwimmt nachhaltige Entwicklung hinter grünen Wortschöpfungen. Klar ist: Einzelthemen zum Thema Nachhaltigkeit, ob Ernährung, Energie, Klima oder neue Mobilität, prägen die gesellschaftliche Debatte mittlerweile stark. Damit besteht ein professioneller Ordnungsbedarf und die Notwendigkeit für Journalisten, den Begriff Nachhaltigkeit in seiner ganzen, teils widersprüchlichen Breite kennenzulernen – und gleichzeitig die Traditionen und wissenschaftlichen Konzepte zu entdecken, die dahinter stehen. Nachhaltigkeit schreckt als Begriff Journalisten (und nicht nur sie) bisweilen auch ab, weil er inflationär benutzt wird – und das, ein seltener Fall, von fast allen Akteuren, seien sie aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden oder gesellschaftlichen Gruppen.

Wie aber gehen nun Journalisten mit diesem wichtigen, aber schwierigen Begriff um? Und welche Chancen und (Vermittlungs-) Probleme sind damit verbunden? Antworten auf diese Fragen zu finden war  am Institut für Kommunikation und Medien der Hochschule Darmstadt der Ausgangspunkt für die Entscheidung, ein journalistisches Forum im Internet zu starten.

Die Plattform

Anfang 2013 begannen die Arbeiten an dem Portal unter der Leitung des Ideengebers Prof. Dr. Peter Seeger. Nach nun einem Jahr der Aufbauarbeit ist das Portal www.gruener-journalismus am 22.01.2014 gestartet.

Ziel ist, die zentrale Anlaufstelle für alle Journalisten zu werden, die grüne Themen interessant finden und die auf der Suche nach Ideen, Quellen oder Experten sind. Aus- und Weiterbildung, Forschung, neue Studien, Fachdebatten, auch aus dem Ausland – über all das will das Portal ebenfalls mehrmals wöchentlich berichten.

Dabei schreibt das Projektteam, das aktuell aus zwei Professoren, zwei Mitarbeitern und einer Praktikantin besteht, eigene Beiträge – auch, weil die beteiligten Dozenten schon länger Umwelt, Nachhaltigkeit und Journalismus lehren bzw. in Redaktionen dazu gearbeitet haben. Vor allem aber versteht sich das neue Portal als Sammelstelle und Forum für bereits vorhandene Ideen, Beiträge oder journalistische Werkzeuge. Entsprechend verlinkt die Redaktion auf andere Publikationen oder übernimmt Artikel, die bereits an andererer Stelle erschienen sind.

Die Plattform startet mit den Themen Energie, Mobilität und Fischerei. Weitere Dossiers zu Feldern wie Klimawandel, Ernährung, Biodiversität, nachhaltige Wirtschaft oder Zeit sind im Aufbau. Zentral ist, bisher weniger diskutierte Zusammenhänge und Verknüpfungen aufzuzeigen, etwa zwischen Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft.

Bausteine: Dossiers, Werkstatt und Quellenkatalog

Ein wichtiger Baustein sind Dossiers zu Einzelthemen der nachhaltigen Entwicklung. Grüner-Journalismus fasst diese mehr als eine Dimension denn als ein geschlossenes Thema auf, zu dem es etwa eigene Ressorts geben müsste. Die Texte erklären nicht neu, was beispielsweise die Energiewende ist oder wie sie politisch besser zu planen sei; sie arbeiten vielmehr das Feld aus einer strikt journalistischen Perspektive auf und fragen etwa, wo die mediale Debatte erhitzt ist und wo Lücken bestehen, was spannende Themenideen sind und welche Statistiken sich (daten-) journalistisch gut nutzen lassen.

Ein weiterer Baustein ist die „Werkstatt“. In diesem Bereich des Portals werden neue und experimentelle Formen der Vermittlung vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen Storytelling und Datenjournalismus. Daneben wird auf interessante journalistische Texte (Best-Practice) hingewiesen, es werden journalistische Vorbilder vorgestellt, Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung publik gemacht und grüne Fachdebatten im Ausland beleuchtet.

Der dritte Baustein ist ein Linkkatalog, der nach Bereichen wie Politik, Wissenschaft und Verbände geordnet ist und unter anderem mit Terminhinweisen schnelle Hilfe bei Recherchen bieten soll. Der Katalog wird – wie das gesamte Portal – im Laufe des Jahres ausgebaut und an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst. Dabei ist die Redaktion auf die Hilfe der Nutzer angewiesen, weshalb alle Journalisten eingeladen sind, Neuerungen und Verbesserungen anzuregen und sich mit Kommentaren oder gar eigenen Artikeln zu beteiligen.

Monatlich  informiert ein Newsletter über die relevantesten Nachrichten aus Forschung sowie Aus- und Weiterbildung , über Neues rund um das Portal und sein Netzwerk. Für den Newsletter registrieren kann man sich hier.

Unabhängig und gemeinnützig: von Journalisten für Journalisten

Das Projekt wird in seiner ersten Phase durch die Stiftung Forum für Verantwortung (Stifter Klaus Wiegandt) finanziert. Schwerpunkt der Stiftungsarbeit ist die Nachhaltigkeit, deshalb unterstützt sie ebenfalls das Magazin Zeo2, den ZEIT Wissen-Preis „Mut zur Nachhaltigkeit“ und das Lüneburger Studienprogramm sowie andere Projekte, etwa den Mediendoktor Umwelt aus Dortmund, bei dem Fachjournalisten Umweltartikel nach festgelegten Kriterien bewerten.

Mit letztgenanntem Projekt arbeitet auch Grüner-Journalismus als offizieller Partner zusammen – unter anderem, weil deren Ansatz der Qualitätskontrolle die eigenen Ziele der handwerklichen Hilfe und Einführung in Sachthemen sowie journalistische Fachdebatten gut ergänzt. Ein weiterer Grund für die Zusammenarbeit ist, dass sich beide Initiativen von anderen Ansätzen in einem wichtigen Punkt unterscheiden: Sie sind von Journalisten bzw. Journalistikern gemacht und richten sich gezielt an Journalisten, nicht allgemein an Kommunikatoren und damit auch an PR-Kollegen. Das, so die Hoffnung, schafft journalistische Glaubwürdigkeit und ermöglicht eine klare Konzeption für eine fest umrissene Zielgruppe.

Der unabhängige und gemeinnützige Ansatz, der freilich eine Förderung durch inhaltlich interessierte Unternehmen, Verbände, Institute oder Parteien ausschließt, ermöglicht ein Verständnis für das, was Kollegen im Redaktionsalltag brauchen. Tipps für grünes Storytelling, Neues aus dem Datenjournalismus, Einblicke in Praxisprojekte aus den USA, Themenideen und Quellenporträts, Interviews mit Vorbildern, Hinweise auf Preise, Detailanalysen von gekürten Artikeln – Inhalte, die das Arbeiten erleichtern, das Sachwissen erweitern und auch dabei helfen, neue Perspektiven auf vermeintlich bekannte Themen zu bekommen. Denn Ziel ist es auch (unter anderem in der Rubrik „Quer gedacht“), Trends nachzuspüren, zum Beispiel alternative Erzählformen zu diskutieren oder zu zeigen, welche grünen Magazine, Sendungen und Websites neu entstanden sind. Das Portal nimmt die Marktperspektive bewusst ein, um insbesondere freien Journalisten neue Chancen deutlich zu machen, die der grüne Thementrend schafft.

Beirat und wissenschaftliche Beratung

Um Entwicklungen einschätzen zu können und einen permanenten Draht zur Praxis zu haben, steht Grüner-Journalismus.de ein Beirat zur Seite, der in erster Linie aus erfahrenen JournalistInnen besteht,3 mit denen gemeinsam im engen Austausch das Portal Grüner-Journalismus.de entwickelt und an die Bedürfnisse der Praxis angepasst worden ist.

Wissenschaftlich beraten wird das neue Medienforum unter anderem von Gerd Michelsen, der als Professor für Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation die Lüneburger Projekte leitet und das wissenschaftlich basierte Partnerportal www.gruenes-wissen.net entwickelt. Ein weiterer offizieller Partner ist das Netzwerk Recherche, mit dem Beratungen, Veranstaltungen und der Austausch von Inhalten geplant sind.

Fazit

Das Jahr 2014 wird zeigen, wie gut das neue Medien- und Rechercheforum angenommen wird und ob es sich inmitten der anderen Initiativen als unabhängige Anlaufstelle mit strikt journalistischem Ansatz positionieren kann. Dies ist auch abhängig von Mitteln zur weiteren Finanzierung des Projekts. Die inhaltliche Konzeption hat einige Zeit in Anspruch genommen. Ebenso sorgsam wurden Netzwerk und Beirat aufgebaut und ausgewählt. Auch die in diesem kleinen Kreis geführten Diskussionen möchte Grüner-Journalismus.de in die Fachöffentlichkeit tragen – gerade in Zeiten, in denen Recherche und Weiterbildung durch die prekäre Finanzlage der Branche Not leiden.

Wie kann Qualitätsjournalismus bei Fachrecherchen geholfen werden, welche Strategien verfangen? Ist gemeinnützige Weiterbildung über ein thematisches Fachportal möglich? Ähnliche  Projekte wie etwa Mediendienst Integration zeigen, dass es gehen kann – und lassen schon jetzt über weitere Angebote wie Terminkalender, Beratung bei der Expertensuche oder telefonische Recherchehilfen nachdenken.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Foto_SchaeferDer Autor Torsten Schäfer ist seit 2013 Professor für Journalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt. Dort koordiniert und leitet er zusammen mit Peter Seeger das Medien- und Rechercheforum „Grüner Journalismus“. Zuvor arbeitete Schäfer zehn Jahre als Wissenschafts- und Umweltjournalist, u. a. als fester und freier Redakteur für GEO International und die Deutsche Welle. Er richtete für verschiedene Träger umweltjournalistische Weiterbildungsseminare aus und bietet nun selbst Kurse an (www.dasumweltinstitut.de).

  1. Die Zeitschrift Forum Nachhaltig Wirtschaften widmet „Medien und Nachhaltigkeit“ derzeit einen Schwerpunkt, inklusive der Frage, inwieweit sich Journalisten engagieren dürfen. „Grüner Journalismus“ hieß kürzlich das Titelthema des Portals für Wissenschafts- und Umweltjobs Wissenschaftsladen Bonnwo gerade die Bonner Umweltzeitung, ein Fachblatt der lokalen Öko-Szene, Umweltjournalismus als Schwerpunkt hatte. Und auch Natur publizierte 2013 Interviews zum Thema. []
  2. Hochschule Ansbach, FH Bonn-Rhein-Sieg, Universität Lüneburg (Studienprogramm „Nachhaltigkeit Journalismus“ mit angegliedertem Forschungsprojekt), Hochschule Darmstadt und an der nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Klimajournalismus-Weiterbildungsreihe „Tauchgänge“ []
  3. Dazu gehören z.B. Christiane Grefe (ZEIT), Hanne Tügel (GEO), Susanne Bergius (frei, u.a. Handelsblatt) oder Tanja Busse (frei, u.a. WDR []

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