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„Deine Korrespondentin“: Frauen im Mittelpunkt

Interview mit Projektinitiatorin Pauline Tillmann

Am 16. März um 23:59 Uhr endete die Crowdfunding-Kampagne von „Deine Korrespondentin“ – und das mit Erfolg: 6.555 Euro – und damit deutlich mehr als die angestrebten 5.000 Euro – nahmen die sieben Journalistinnen um Projektinitiatorin Pauline Tillmann (32) ein. Ihr Vorhaben: ein digitales Magazin zu schaffen, bei dem ausschließlich Frauen über Frauen berichten. Wie die Idee entstanden ist, welche Ziele im Mittelpunkt stehen und wie es nach der geglückten Crowdfunding-Kampagne weitergeht, verrät Pauline Tillmann, freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg, im Gespräch mit dem Fachjournalist.

Frau Tillmann, wie sind Sie auf die Idee für „Deine Korrespondentin“ gekommen?

Es war schon immer ein Traum von mir, ein eigenes Medium zu gründen. Als ich dann im vergangenen Jahr für eine dreimonatige Recherchereise in den USA war, hat sich das Vorhaben, ein digitales Magazin „von Frauen über Frauen“ zu gründen immer mehr herauskristallisiert. In den USA habe ich sehr viele journalistische Start-ups besucht und über die Zukunft des Journalismus recherchiert.

Hinzu kommt: Bei meinem ersten Crowdfunding-Projekt über „Selbstverbrennungen in Tibet“ habe ich gemerkt, dass sperrige Themen bei Redaktionen sehr schwierig unterzubringen sind. Das ist auch einer der Gründe, warum ich „Deine Korrespondentin“ gegründet habe: Ich möchte, dass wir das Publikum fordern – deshalb werden wir auch keine seichten Themen bringen. Gleichzeitig soll das Magazin schon auch Spaß machen. Wir wollen beides liefern – Information und Unterhaltung.

Auf der Crowdfunding-Seite von „Deine Korrespondentin“ ist zu lesen, dass in manchen Regionen der Welt – wie zum Beispiel im Nahen Osten oder in Afrika – nur Frauen Zugang zu anderen Frauen haben und bestimmte Themen daher von männlichen Kollegen gar nicht umgesetzt werden können. Welche Themen sind das insbesondere?

Eine der Korrespondentinnen, Veronika Eschbacher, berichtet zum Beispiel von einer Frau aus Afghanistan, die von ihrem Vater mehrfach vergewaltigt und daraufhin immer wieder schwanger wurde. Sie konnte bisher mit ihrem Schicksal nicht an die Öffentlichkeit gehen, auch innerhalb der Familie wurde das Thema tabuisiert. Ein Mann könnte niemals zu einer Afghanin gehen und sich so eine Geschichte erzählen lassen. Dabei ist uns wichtig, dass wir das große Ganze im Kleinen erzählen. Es geht darum, wie sie das Erlebte verändert hat, wie sie gestärkt daraus hervorgegangen ist. Für unsere Leser soll das Ansporn und Inspiration zugleich sein. Außerdem wollen wir mit unseren Geschichten aufzeigen, wie eine ganze Gesellschaft tickt und woran sie vielleicht auch krankt. In jedem Fall ist ein Alleinstellungsmerkmal von „Deine Korrespondentin“, dass wir in bestimmten Regionen der Welt Zugang zu Themen haben, die männlichen Kollegen verwehrt bleiben.

Wie haben Männer auf Ihr Projekt reagiert?

Negative Rückmeldungen gab es bislang nicht. Natürlich fühlen sich in erster Linie Frauen von unserem Projekt angesprochen. Auf Startnext, wo unsere Crowdfunding-Kampagne lief, bestand die Unterstützerliste zu etwa 80 Prozent aus Frauen. Aber wir haben Männer von Anfang an nicht dezidiert ausgeschlossen und wir werden auch Angebote schaffen, von denen sich Männer angesprochen fühlen. Unser Claim lautet schließlich: „Die besten Geschichten von Frauen aus aller Welt“. Dabei wollen wir nicht nur vermeintliche „Frauenthemen“ bedienen. Unser Anspruch ist es, gesellschaftliche Probleme aufzuzeigen – das ist sicher auch für Männer interessant.

Was denken Sie: Woran liegt es, dass immer noch so wenig Journalistinnen in Führungspositionen tätig sind, obwohl sie in der journalistischen Ausbildung in der Überzahl sind?

Ich glaube, dass Männer viel solidarischer untereinander sind. Wir Frauen müssten uns gegenseitig stärker unterstützen und mehr Frauennetzwerke gründen. Abgesehen davon bin ich eine große Befürworterin der Frauenquote im Journalismus. Natürlich ist es für eine Frau kein gutes Gefühl, eine Quotenfrau zu sein, aber sie bekommt dadurch überhaupt erst die Möglichkeit, sich beweisen zu können. Dass es in einem fortschrittlichen Land wie Deutschland mit Ines Pohl nur eine Chefredakteurin einer überregionalen Tageszeitung gibt, ist eigentlich ein Wahnsinn und überhaupt nicht zeitgemäß.

Ist „Deine Korrespondentin“ insofern auch als Frauennetzwerk zu verstehen?

Wir haben letztlich zwei Ansprüche: Zum einen wollen wir mit unseren Geschichten interessante Frauen auf der ganzen Welt vorstellen und porträtieren. Zum anderen wollen wir aber auch die Sichtbarkeit von Korrespondentinnen erhöhen.

Ich ärgere mich, dass die Diskussionspanels auf Journalistenkonferenzen zu 90 Prozent aus Männern zwischen 40 und 60 Jahren bestehen – obwohl es viele interessante, junge Journalistinnen gibt, die auch etwas zu sagen hätten. Leider werden diese, gerade wenn sie freiberuflich tätig und nicht in der Tagesschau zu sehen sind, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Mit „Deine Korrespondentin“ sorgen wir dafür, dass das Bewusstsein für Korrespondentinnen – und auch für ihre Arbeitsbedingungen – geschärft wird.

Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?

Wir haben drei Standbeine: Das Wichtigste wird die Abonnementfinanzierung sein, weil wir keine Werbung schalten werden. Darüber hinaus werden wir uns um Stiftungsgelder bemühen. Und die dritte Säule werden Veranstaltungen und Events sein: Wir wollen regelmäßig Konferenzen und Workshops organisieren.

Gerade diese dritte Säule ist wichtig, weil wir den Austausch mit der Crowd forcieren wollen. Dialog spielt eine ganz zentrale Rolle für uns. Wir wollen, dass unsere Korrespondentinnen greifbar sind. So planen wir zum Beispiel einmal im Monat einen „Kaminabend“, um den Austausch zu intensivieren und neue Ideen zu generieren. Der direkte Kontakt zum Publikum ist von elementarer Bedeutung – auch und gerade vor dem Hintergrund der Glaubwürdigkeitskrise, in der die Medien in Deutschland derzeit stecken.

Wie viele Leser wollen Sie mit Ihrem Angebot erreichen?

Mehr als 1.000 Abonnenten – und damit zahlende Unterstützer – bis Ende des Jahres wären großartig. Mittelfristig brauchen wir 3.000 bis 5.000 Abonnenten, damit sich das Ganze auch wirklich rechnet. Das ist nicht so viel wie bei den Krautreportern, aber wir bedienen auch ein Nischenpublikum.

Eine wichtige Erkenntnis aus meinen Gesprächen mit journalistischen Start-ups in den USA war, dass es gar nicht so sehr darum geht, die Masse anzusprechen, sondern ein spitzes Publikum, das sich sehr für deine Geschichten interessiert und durch seine Mitgliedschaft Teil von etwas Großem wird. Ich denke, darin liegt die Zukunft des Journalismus.

Worauf wird es künftig im Journalismus außerdem noch ankommen?

Ich glaube, dass gerade freie Journalisten heutzutage auch Unternehmer sein müssen. Jeder Freiberufler muss sich überlegen: Wie werde ich zur Marke? Wie kann ich Projekte machen, die mein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt hervorheben?

Wir befinden uns gerade in einer Pionierzeit. In den USA konnte man es mit Händen greifen, dass der Journalismus derzeit neu gedacht wird und im Grunde alle Regeln neu geschrieben werden. Es ist eine richtig spannende Zeit, in der wir momentan leben. Wir Journalisten sollten daher aufhören zu jammern und anfangen zu handeln.

Abschließend: Wie geht’s weiter mit „Deine Korrespondentin“?

Der Launch unserer Seite ist für den 4. Mai geplant. Wir werden das auch mit einer großen Party im Kreise unserer Unterstützer in Berlin feiern! Mai und Juni werden Schnuppermonate: Da wird es die ersten 15 Artikel kostenlos geben, damit die Leute das Magazin erst einmal kennenlernen können. Ab Juli geht voraussichtlich die Bezahlschranke herunter. Für zehn Euro im Monat kann man dann zehn Beiträge pro Monat lesen.

Ich glaube, dass die Zeit reif ist für Paid Content im Onlinejournalismus – gerade ist sehr viel Bewegung im Markt.

Pauline Tillmann, vielen Dank für das Gespräch.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Foto: Paule Saviano

Foto: Paule Saviano

Pauline Tillmann (32) ist freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg, unter anderem für die ARD, und hat das Projekt „Deine Korrespondentin“ initiiert. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Reportagen und Radio-Features über soziale, kulturelle und politische Themen aus Osteuropa (v. a. Russland und Ukraine). Mehr Informationen unter: www.pauline-tillmann.de und www.torial.com/pauline.tillmann.

 

 

Hier stellen sich die Mitstreiterinnen von Pauline Tillmann in einem kurzen Video vor:

 

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