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Fünf Tools für neue Erzählformen im Onlinejournalismus

Scrollytelling, Datenjournalismus, Multimedia, kuratierte Geschichten: Das Internet hat neue Darstellungs- und Erzählformen hervorgebracht. Journalisten, die ihre Themen zeitgemäß aufbereiten möchten, tun gut daran, die entsprechenden Werkzeuge im Auge zu behalten und damit zu experimentieren.

Haben Sie schon einmal etwas von Storify gehört? Oder von Datawrapper, ThingLink, Canva oder Exposure? Falls nein, wird es höchste Zeit! Diese fünf Tools bieten (Fach-) Journalisten die Möglichkeit, ihre Geschichten online neu zu erzählen, ihre Leser zu überraschen und in die Themen einzubinden. Dieser Beitrag stellt diese fünf Werkzeuge samt Beispielen aus dem Fachjournalismus und Praxistipps vor.

Storify – Stimmen und Links aus den sozialen Netzwerken kuratieren

https://storify.com/

Was kann Storify?
Stimmen und Links aus dem Web und den sozialen Netzwerken lassen sich mit Storify unkompliziert sammeln und transparent aufbereiten. Die Quellen, aus denen kuratiert werden kann, sind vielfältig: Twitter, Facebook, YouTube, Flickr, Google+, Instagram, Tumblr, Soundcloud – oder eben Links zu spannenden Artikeln, Blogbeiträgen und Seiten. Am Ende lässt sich das Storify in die eigene Website einbetten, so wie man es von YouTube-Videos kennt.

Wie leicht ist Storify zu bedienen?
Storify ist intuitiv zu bedienen. Erstellt man ein neues Storify, kann man rechts einzelne Anbieter und Plattformen durchsuchen, zum Beispiel nach Schlagworten (Hashtags), Fotos oder Nutzernamen; generell können auch Direktlinks eingegeben werden. Je nach Anbieter erscheinen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfeinerung der Suche. Per Drag & Drop zieht man den gefundenen Inhalt dann nach links in das Storify-Feld.

Storify DragDrop

Die Elemente lassen sich verschieben und durch eigenen Text moderieren, ergänzen und einordnen. Das sollte man als Service für den Leser sehen und umsetzen, denn so lassen sich ganz eigene Geschichten spinnen. Alle Elemente beinhalten Links zur Originalquelle und weitere Funktionen.

Kostenfaktor:
Storify ist kostenfrei nutzbar. Bei Interesse kann man Storify für eine „Enterprise“-Version kontaktieren.

Beispiele:

Storify

Storify lässt sich auf vielfältige Art und Weise und mit ganz unterschiedlichen Intentionen einsetzen:

In meinem Blog „Stift & Blog“ habe ich viele weitere Beispiele aufgelistet, eingeteilt in acht Kategorien: Liste mit 8 Storify-Typen.

Bedenken: Vorsicht, Urheberrecht!
Storify verleitet dazu, massenweise Fremdinhalte einzubetten. Dabei besteht die Gefahr, gegen das Urheberrecht zu verstoßen. In der folgenden Präsentation habe ich interessante Links zur Urheberrechtsdebatte beim Kuratieren von Fremdinhalten aufgelistet:

Storify: Storytelling mit Social Media from Sonja Kaute

Welche Alternativen gibt es?
Storify wird heute von vielen  Medienmarken, auch großen wie BBC, genutzt. Dennoch gibt es einige weniger bekannte Alternativen: Die neuen Kuratier-Tools (Medium, Beitrag von 2011).

Datawrapper – Geschichten mit Daten erzählen

https://datawrapper.de/

Was kann Datawrapper?
Daten visualisieren, ganz ohne Programmierkenntnisse? Mit Datawrapper geht das, zumindest wenn es um einfache, interaktive Grafiken geht. Datawrapper wurde von den bekannten Datenjournalisten Mirko Lorenz, Nicolas Kayser-Bril und Gregor Aisch entwickelt. Mit wenigen Klicks lassen sich saubere Rohdaten mithilfe dieses Tools in einfache Balken-, Säulen-, Torten- oder Liniendiagramme sowie Tabellen umwandeln, beschriften und in die Website einbetten. Und das ganz ohne Vorkenntnisse!

Wie leicht ist Datawrapper zu bedienen?
Kinderleicht! Die Menüführung ist übersichtlich und Datawrapper nimmt einem die eigentliche Arbeit größtenteils ab. Wer das Tool noch nicht so gut kennt, kann sich daran versuchen und es ausprobieren. Jeder Schritt lässt sich rückgängig machen. Bei Bedarf kann man auch noch einmal ganz von vorne anfangen oder bestehende Grafiken aktualisieren.

Kostenfaktor
Seit Dezember 2014 gibt es Datawrapper kostenfrei nur noch als sehr abgespeckte Version. Zum Ausprobieren reicht das, aber vor allem für Redaktionen kann sich jetzt eine der bezahlten Versionen lohnen, da Datawrapper in dieser Einfachheit bislang konkurrenzlos ist (siehe Preisübersicht unten bei datawrapper.de).

 Datawrapper Asyl

Beispiele:

Interview zu Datawrapper und Datenjournalismus in Deutschland
Mirko Lorenz hat mir 2012 ein Interview zu Datawrapper und Datenjournalismus in Deutschland gegeben, in dem er weitere spannende Tools zur Datenvisualisierung empfiehlt: „Man muss Ängste überwinden und nicht gleich aufgeben.“

ThingLink – sprechende Bilder statt Fließtext

https://www.thinglink.com/

Was kann ThingLink?
Mit ThingLink kann man „sprechende“ Bilder erstellen. Das heißt: Auf Fotos lassen sich Bildpunkte hinzufügen, die mit Bildern, Audios, Videos, Links oder Text verknüpft werden. So kann man zum Beispiel auf einem Foto der Dresdner Frauenkirche zeigen, wie die Glocken der Kirche klingen. Oder wie die Bauarbeiten im Zeitraffervideo aussehen. Die ThingLink-Bilder lassen sich anschließend in die eigene Website einbetten. Das kann wesentlich attraktiver sein als ein langer Fließtext und bindet den Nutzer obendrein in die Geschichte ein.

 ThingLink Seepferd

 

Wie leicht ist ThingLink zu bedienen?
Auch ThingLink ist intuitiv bedienbar. Mit einem Klick auf das Hauptbild legt man einen Bildpunkt fest; in das Extrafenster, das sich dann öffnet, fügt man den gewünschten multimedialen Inhalt ein. Bildpunkte lassen sich per Drag & Drop verschieben.

Beispiele

Kostenfaktor
ThingLink ist kostenfrei nutzbar. Mehr Funktionen gibt es im „Corporate Plan“.

Bedenken: Vorsicht, Urheberrecht!
ThingLink verleitet zu Urheberrechtsverletzungen. Natürlich darf nur Material genutzt werden, das man selbst erstellt hat oder das für die entsprechende Nutzungsart freigegeben worden ist. Wichtig ist, insbesondere beim Hauptbild den Fotohinweis nicht zu vergessen. ThingLink sieht diesen leider nicht automatisch vor, man muss ihn also als Bildpunkt einfügen, zum Beispiel in einer freien Bildecke.

Canva – Infografiken selbst erstellen

https://www.canva.com/de_de/erstellen/logos/

Was kann Canva?

Grafiken, Bilder, Karten, Infografiken – sie alle stellen Redaktionen vor Herausforderungen. Wenn kein Grafiker greifbar ist, kann Canva helfen. Egal, ob es um Schriftzüge, Fotos oder Grafiken geht: Mit dem Tool lassen sich Informationen unkompliziert visuell ansprechend darstellen – und das mit einer beachtlichen Auswahl an Schriften, Symbolen, Fotos und mehr.

Wie leicht ist Canva zu bedienen?
Obwohl es möglich ist, mit Canva ansprechende Grafiken zu erstellen, benötigt man keine grafische Vorbildung. Die Gestaltungs- und Anpassungsmöglichkeiten sind vielfältig und selbsterklärend. Auch Canva kann man intuitiv nutzen – man braucht allerdings etwas Übung, um wirklich gute Grafiken zu erstellen. Wie die anderen hier vorgestellten Tools ist Canva browserbasiert.

Canva

 

Beispiele

Kostenfaktor
Viele wählbare Einzelgrafiken und Icons sind kostenfrei, weitere Bilder kosten 1 US-Dollar für eine einmalige Nutzung. Auf der Canva-Website gibt es Details zu den Preisen und urheberrechtlichen (Nutzungs-) Lizenzen: Prices and Royalties (kurz) und Terms of use (lang).

Alternativen
Es gibt natürlich noch mehr Grafik-Tools, darunter Piktochart und Easelly. Diese und weitere Infografik-Tools werden bei Basic Thinking und bei t3n vorgestellt.

Scrollytelling mit Exposure – bildgewaltige Multimedia-Geschichten

https://exposure.co/

Exposure

Was kann Exposure?
Exposure ist ein Tool für das sogenannte Scrollytelling. Damit sind meist multimediale, bildgewaltige Geschichten gemeint, die in modernem Design über eine Seite laufen. Oft fehlen Elemente wie Sidebars, sodass sich der Leser komplett auf die Geschichte konzentrieren kann. Bilder und Videos werden in größerem Format gezeigt als sonst üblich. Exposure macht das Erstellen solcher Beiträge einfach und die Ergebnisse sehen sehr gut aus.

Wie leicht ist Exposure zu bedienen?
Exposure ist intuitiv zu bedienen. Texte, Videos und/oder Bilder werden abschnittsweise eingefügt. Das Copyright verbleibt beim Urheber, Exposure wird lediglich die Erlaubnis erteilt, das Material anzuzeigen. Hinzugefügt werden können außerdem Überschriften, Zwischentitel, Links und Zitate. Die Geschichten sind optisch sehr ansprechend und man sieht schon bei der Bearbeitung genau, wie der Beitrag aussehen wird. Diese Einfachheit bedeutet allerdings auch: Das Grunddesign ist festgelegt und nur bedingt anpassbar. Auch die Einbindung von Elementen ist auf großformatige Einzelbilder, Galerien mit maximal neun Fotos oder Videos, die über YouTube oder Vimeo eingebunden werden, beschränkt. iFrames lassen sich beispielsweise nicht einbinden.

Beispiele


Kostenfaktor
Drei Exposure-Geschichten sind kostenfrei, danach wird es kostenpflichtig (ab 5 US-Dollar pro Monat/49 US-Dollar pro Jahr).

Alternativen
Creatavist, Pageflow und Storehouse sind Alternativen zu Exposure, mit unterschiedlichen Funktionen und Vor- und Nachteilen. Creatavist ist unübersichtlicher als Exposure, bietet aber mehr Möglichkeiten. Pageflow gibt es als Open-Source-Version (kostenlos nutzbarer Quellcode) und als von der Agentur Codevise gehostete Version mit kostenlosem Testzugang (danach ab 8,50 Euro pro Monat). Auf der Pageflow-Website gibt es mehr Infos dazu: http://pageflow.io/#oss. Storehouse-Geschichten lassen sich ausschließlich übers iPad erstellen.

Fazit

Mal etwas anderes wagen, Geschichten neu erzählen: Im Internet sind unzählige Werkzeuge und Plattformen verfügbar, die (Fach-) Journalisten dabei helfen können. Dabei gibt es drei wichtige Voraussetzungen: Erstens die Neugierde, solche Tools zu entdecken, zweitens Freiräume, diese zu testen und drittens die Kreativität, Geschichten einmal anders zu denken und erzählen zu wollen. Die meisten dieser Tools können, wenn man sie geschickt nutzt, echten Mehrwert bieten – ein nicht zu unterschätzender Faktor in einer Zeit, in der sich alle fragen, wie man Onlinejournalismus finanzieren kann. Es lohnt sich, die Entwicklungen auf dem Markt der Tools und Plattformen aufmerksam zu verfolgen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls
Fotos/Screenshots: Sonja Kaute

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Sonja KauteDie Autorin Sonja Kaute ist seit Juli 2014 Onlinejournalistin im Medienhaus „Der neue Tag“ in Weiden in der Oberpfalz. Sie betreut das dazugehörige Oberpfalznetz sowie die Social-Media-Kanäle. In ihrem Blog Stift & Blog schreibt sie über Tools für Journalisten, bei Into the Blue über das Reisen und bei dekopause im Rahmen ihrer nebenberuflichen Selbstständigkeit über das Tauchen. Sie hat an der TU Dortmund Journalistik studiert und danach freiberuflich online bei den Ruhr Nachrichten gearbeitet.
Twitter: https://twitter.com/sonjakaute

Kommentare
  1. Petra von Schenck sagt:

    Hallo Frau Kaute,

    vielen Dank für den sehr inspirierenden und informativen Beitrag!
    Einige der Tools – wie etwa Canva – nutze ich selbst bereits, anderes werde ich im neuen Jahr gerne ausprobieren.

    Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest sowie einen guten Start in das neue Jahr

    Beste Grüße

    Petra von Schenck

  2. Sonja Kaute sagt:

    Hallo Frau von Schenck,

    vielen Dank für die schöne Rückmeldung!

    Ich wünsche Ihnen ebenfalls eine schöne Weihnachtszeit, einen guten Rutsch und natürlich viel Spaß beim Testen neuer Tools! 🙂

    Herzliche Grüße zurück!
    Sonja Kaute

  3. Stefan Domke sagt:

    Liebe Sonja Kaute,

    Sie schreiben, Pageflow gebe es „nur als kostenpflichtige Version“. Das ist nicht richtig. Pageflow wurde im Auftrag des WDR entwickelt und anschließend unter Open Source veröffentlicht. Das heißt: Der Quellcode ist von jedermann kostenfrei nutzbar. Der Axel Springer-Verlag hat diese Variante z.B. für eine Pageflow-Reportage der Zeitung „Die Welt“ genutzt.

    Parallel dazu gibt es eine so genannte gehostete Version. Diese Variante ist für all diejenigen gedacht, die nicht über Zeit oder Wissen verfügen, um sich z.B. mit der erforderlichen Programmiersprache auseinanderzusetzen. Diese gehostete Version wird von der Agentur Codevise angeboten und basiert auf dem von ihnen erwähnten Abo-Modell.

    Viele Grüße,

    Stefan Domke

    • Sonja Kaute sagt:

      Hallo Herr Domke,

      danke für Ihr sachliches Feedback, das natürlich richtig ist. Ich werde gerne eine Änderung des entsprechenden Satzes einreichen.

      Viele Grüße,
      Sonja Kaute

  4. Tolle Vorschläge, super hilfreich aufbereitet – Danke! Gerade für einen Neuling wie mich, zwar nicht journalistisch, aber im Bereich Online, extrem hilfreiche Tipps zur Weiterentwicklung meiner Internetzeitung http://www.mainzund.de. Webaffine Grüße aus Mainz!

    • Sonja Kaute sagt:

      Hallo Frau Kirschstein,
      danke für Ihr positives Feedback! Ich freue mich, wenn der Beitrag hilfreich ist. Alles Gute Ihnen und viele Grüße zurück!
      Sonja Kaute

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