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Journalistische Berater im Ausland: Botschafter der Meinungsfreiheit (Teil 2)

Die Förderung der Demokratie ist ein erklärtes Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Als Schlüsselfaktor gelten unabhängige und professionelle Medien. Doch die abstrakten Ziele Demokratisierung und Professionalisierung mit Leben zu füllen, stellt für Entwicklungsberater eine große Herausforderung dar – vor allem, wenn die Meinungsfreiheit unterdrückt wird. Teil 2 des Beitrags über journalistische Berater im Ausland.

Verständnis und Anpassung – oder Kontroverse?

Wie viel Verständnis ist möglich? Wie viel Anpassung ist nötig? Das sind Fragen, die auch Torsten Fricke von der Firma TV Media in München immer wieder begegnen. Fricke verweist darauf, dass im Ausland oft ein anderes ganz anderes Menschenbild vorherrsche; das könne man als Berater nicht ändern. In Deutschland soll das Grundgesetz die Gleichbehandlung garantieren – unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht. Im Ausland seien die Rechte dagegen nicht immer so eindeutig. Auch die kulturellen Gepflogenheiten seien andere: So könne es in manchen Ländern normal sein, Frauen anders zu begegnen als Männern.

Für einen Berater ist es daher oft schwierig, die Balance zu finden zwischen Akzeptanz, Anpassung und dem Wunsch, seine eigenen ethischen Vorstellungen durchzusetzen. Allerdings sind Fricke zufolge Lösungen von außen in der Regel nur wenig dienlich, wenn sie das kulturelle Umfeld nicht angemessen berücksichtigen. Gleichzeitig müsse jeder Berater bewusst für sich selbst entscheiden: Wo sind meine Grenzen der Anpassung erreicht? Und dann klipp und klar sagen: Bis hierhin und nicht weiter.

Mangelnde Professionalität im Journalismus in Schwellenländern

Ein allgemeines Problem sind laut Transparency International auch die niedrigen professionellen Standards des Journalismus in Schwellenländern. Die Gründe sind vielfältig: fehlende Ausbildung, mangelnde Qualitätskontrolle und eine hohe Fluktuation des Personals. Das ist besonders in Afrika der Fall. Gleichzeitig führten niedrige Gehälter und unterfinanzierte Medienorganisationen dazu, dass eine wohlwollende Berichterstattung erkauft werden kann – entweder im Austausch gegen einen persönlichen Gefallen oder gegen Bestechungsgeld (vgl. Menders 2013, S. 4). Ein aktuelles Beispiel für Korruption und Vetternwirtschaft ist Ägypten: Auf der einen Seite werden unabhängige Journalisten ausgegrenzt und laufen sogar Gefahr, körperlich angegriffen zu werden. Auf der anderen Seite ist die Arbeit als Journalist schlecht bezahlt. Ein besseres Auskommen haben nur die verbeamteten Journalisten der Staatsmedien. Doch hier kommt man nur über Beziehungen und mit der richtigen politischen Einstellung an einen Posten. „Ägypten ist ein Land, das im Grunde seit den Zeiten der Pharaonen ein feudalistischer Staat geblieben ist“, sagt der Organisationsberater Ulrich Erhardt. Er ist seit Jahren immer wieder in Ägypten tätig und hat beobachtet, dass in der Verwaltung staatlicher Institutionen Stellen häufig gleich mehrfach besetzt wurden, ohne dass die Leute sinnvolle Tätigkeiten erledigen. Auch seien Angestellte oft nicht für ihre Tätigkeit qualifiziert. Derzeit wird eine Privatisierung der Staatsmedien diskutiert.

Professionalisierung bedeutet neben der Vermittlung von beruflichen Qualitätsstandards auch die Etablierung einer Berufsethik, die allen Angehörigen einer Profession gemein ist. Als Berater im Journalismus bedeutet das einerseits das praktische Üben handwerklicher Routinen und formaler Prozeduren, wie kritische Interviews oder (Gegen-) Recherche. Andererseits sollte der Berater aber auch die Bedeutung unabhängiger Berichterstattung für die Demokratie betonen, anhand von Alltagsbeispielen verdeutlichen und die eigenen ethischen Leitlinien offenlegen. Journalisten, die eine Berufsausbildung genossen haben (insbesondere, wenn sie ethisches Training einschließt), zeigen zudem eine größere Neigung, transparent und selbstkritisch zu berichten. Das ist eine von vielen Erkenntnissen der Studie „Media Accountability and Transparency in Europe“ (2013), für die 1762 Journalisten in zwölf europäischen Ländern sowie in zwei arabischen Vergleichsstaaten (Jordanien und Tunesien) repräsentativ befragt wurden (vgl. Popa/Radu 2013, S.29).

Zwischen Experten- und Prozessberatung

Grundsätzlich stellt sich journalistische Beratung im Ausland als Mischung zwischen Experten- und Prozessberatung dar. Der Berater wird einerseits journalistische Standards vermitteln und andererseits Fragen zu den Prozessen aufwerfen, mit denen die Medienorganisation den restriktiven Arbeitsbedingungen vor Ort bzw. den professionellen Mängeln begegnet. Wichtig für die Prozessberatung im Ausland ist laut Organisationsberater Ulrich Erhardt vor allem ein offener und respektvoller Umgang mit den Menschen sowie die Wertschätzung von Unterschieden, etwa beim Verhältnis zur Familie oder zur Religion. Erhardt versucht dennoch, „ausreichend anders zu sein“ und „unterscheidbar zu bleiben“, das heißt, er steht Verschiedenheiten grundsätzlich positiv gegenüber und will anschlussfähig bleiben, ohne sich dabei selbst zu verleugnen: „Wir müssen zum Beispiel lernen, Südamerika zu verstehen ohne zu idealisieren, China ohne zu diabolisieren. Gleichzeitig können wir die guten Produktivitätsstandards, die Vielfalt, die Akzeptanz und die Menschlichkeit in Europa durchaus bewusst würdigen.“ Bei seinen Beratungen will Erhardt sich so authentisch wie möglich zeigen: Er ist bereit, auch seine Ängste einzugestehen, Emotionen zu zeigen und Konflikte jenseits von Hierarchien auszutragen: „Ich versuche vor allem, wirklich präsent zu sein: emotional, körperlich und mental völlig wach.“

Die Zukunft der Beratung

Tatsächlich könnte die internationale Beratung im Journalismus ein Mosaikstein für eine menschliche Globalisierung sein. Ulrich Erhardt glaubt: „Wir brauchen kulturelle Grenzgänger im Global Village, das, was früher im Mittelalter die Händler waren. Menschen, die auf beiden Seiten der Grenze agieren, die unterschiedliche Sprachen sprechen und sich in beiden Kulturen zuhause fühlen.“

Er selbst hat im Ausland die Erfahrung gemacht, dass man als deutscher Berater ein hohes Ansehen überall in der Welt genießt – „egal ob in Usbekistan oder in Bangladesch.“ Die Deutschen, so Erhardt, gelten als vertrauenswürdige Broker ohne eigennützige Hintergedanken, mit echtem Interesse an der Entwicklung eines Landes und dem Willen, tatsächlich aus der Sicht des jeweiligen Klienten zu denken. Dabei seien die sprichwörtlichen deutschen Tugenden durchaus hilfreich. Erhardt jedenfalls handelt, wie er sagt, immer nach dem Motto der „drei V: verbindlich, verlässlich, vertrauenswürdig.“ Ein Motto, das bei der Beratung ebenso seine Gültigkeit hat wie bei der journalistischen Arbeit.

Zum ersten Teil des Beitrags gelangen Sie hier.

Literatur

Menders, Mara (2013): Overview of Corruption in the Media in Developing Countries, In: Transparency International; Christian Michaelsen Institute; U4 Anti Corruption Ressource Center (Hg): U4 Expert Answer. Nr. 368 Feb. 2013, S. 1-11 (http://issuu.com/cmi-norway/docs/368/7?e=0-)

Popa, Daniela / Radu, Raduca (2013): Training is a must. Journalism education fosters media accountability. In: Mediact – Media Accountability and Transparency in Europe (Hg.) (2013): How fragile is media credibility? Accountability and transparency in journalism: research, debates, perspectives, Final Research Report, Dortmund, S. 28-29

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Der Autor Dr. Guido Vogt ist Fernsehjournalist und zertifizierter Change Manager. Als freier Trainer und Berater arbeitet er unter anderem für die Deutsche Welle Akademie – in dieser Funktion hat er zum Beispiel journalistische Organisationen in Nordafrika (Algerien, Tunesien, Marokko) und Ostafrika (Tansania, Sansibar) beraten.

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