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Keine Angst vor großen Namen: So gelingen Interviews mit prominenten Persönlichkeiten

Nicht jedes Interview ist ein Vergnügen. Manchen Gesprächspartnern muss man jedes Wort aus der Nase ziehen, andere erzählen weitschweifige Geschichten, die keinen hinter dem Ofen hervorlocken. Doch es gibt Mittel und Wege, die einen zum Plaudern zu bringen und die anderen zu bremsen und in die gewünschte Richtung umzulenken. Das Ziel bei Interviews im People-Bereich: den Menschen zu ergründen. Darzustellen, warum er zu dem geworden ist, der er heute ist. Und das Sahnehäubchen: wenn man den Prominenten dazu bringen konnte, etwas preiszugeben, was er so noch nie öffentlich erzählt hat.

„Und, wie ist der so?“, werde ich oft gefragt. Wenn ich mit Hollywood-Stars wie Kevin Costner spreche, mit Entertainern wie Hape Kerkeling oder Schauspielern wie Henning Baum und Hannelore Elsner, tue ich das stellvertretend für deren Fans. Ich schildere dem interessierten Publikum meine Eindrücke von den Prominenten und gebe deren Antworten auf Fragen wieder, die ihnen ihre Anhänger – meine Leser – vielleicht auch gestellt hätten.

Grundlegende Voraussetzung dafür ist echtes Interesse am Gegenüber. Eine gewisse Menschenkenntnis ist außerdem von Vorteil, dazu gehört auch das Deuten der Körpersprache. Und das A und O für spannende Antworten: spannende Fragen auf der Grundlage der Vorrecherche.

Die Vorbereitung

Damit es ein interessantes Gespräch wird, kommt es aber nicht nur auf die Fragen an. Die Basis ist, wie so häufig im Journalismus, die fundierte Vorbereitung samt Recherche. Im Vorfeld gilt es zu überlegen:

Wie komme ich an den Star heran? Habe ich seine privaten Kontaktdaten? Welche aktuellen Projekte hat er? Komme ich über sein Management oder eine PR-Agentur an ihn heran – die müssten doch eigentlich daran interessiert sein, ein Interview zu vermitteln? Haben wir gemeinsame Bekannte?

Soll es ein persönliches Treffen geben, oder findet das Interview telefonisch statt?
Ein Telefoninterview lässt sich leichter in den meist übervollen Kalender der Stars einschieben; es bedeutet geringeren Aufwand für beide Seiten. Ein Face-to-Face-Interview ist dem auf Distanz vorzuziehen. Dabei sollte man den Promi den Ort bestimmen lassen, denn in vertrauter Umgebung erweisen sich viele Interviewpartner als gesprächiger. Entscheidender Vorteil eines persönlichen Treffens: Ich kann mein Gegenüber beobachten, seine Kleidung, sein Äußeres, sein Verhalten, seine Mimik und Gestik. Die nonverbalen Signale helfen, die Stimmung auszuloten, um eventuell korrigierend eingreifen zu können. Fühlt sich der Star wohl, wird er offener antworten.

Gute Fragen, gute Antworten
Je mehr ich in Archiv und Internet über den Promi in Erfahrung gebracht habe, desto besser kann ich auf ihn eingehen – und desto wohler wird er sich wiederum fühlen. Insofern ist ein gelungenes Interview immer auch ein gutes Stück Psychologie. Das Auswerten bereits gegebener Interviews – Lesen, Hören und Anschauen von Print-, Audio- und Video- oder TV-Beiträgen – hilft, die Ansichten und Denkweisen, die Charaktereigenschaften des Promis und sein mögliches Verhalten während eines Interviews zu ergründen: Ist er eher zugeknöpft und einsilbig, oder stellt er sich gern mit weitschweifigen Antworten dar? Twittert er vielleicht, oder teilt er sich sogar als Blogger mit?

Am besten lässt sich jemand durch seine Ansichten und Empfindungen charakterisieren. Eine gute Leitfrage bei der Erstellung des Fragenkatalogs ist: Was hat meinen Interviewpartner zu der Person gemacht, die er heute ist?

Das Interviewziel sollte immer sein, etwas Neues zu erfahren – nur nicht nach dem Motto „Alles rund um Star xy“ verfahren. Um das zu vermeiden, sollte das Interview einen oder zwei Schwerpunkte haben, zu denen viele Einzelfragen gestellt werden. Der Interviewer muss sich also fragen: Was soll der Promi erzählen? Welche Antworten brauche ich dringend? Überspitzt gesagt kann man mit der gewünschten Headline im Hinterkopf ins Interview gehen. Will ich aber beispielsweise Hape Kerkeling ein Statement à la „Ich bin ein absoluter Spießer“ entlocken, und er möchte partout nichts zu dem Thema sagen, muss ich einen Plan B in der Hinterhand haben.

Damit das Gespräch eine logische Abfolge bekommt, nicht hin- und herspringt, sollte man sich an einem „roten Faden“ entlang hangeln. Also im Vorfeld festlegen: Womit beginne ich? Wie kann ich die Themen in eine logische Reihenfolge bringen?

Steht ausreichend Zeit zur Verfügung, ist es sinnvoll, mehr Fragen zu stellen als benötigt werden, um hinterher die interessanten Antworten auswählen zu können. Diese Fragen kann man als Themenplan mit Stichworten vorbereiten. Hat man jedoch nur wenig Zeit – als unterste Grenze für ein Interview gelten zehn Minuten – oder nur wenig Platz bei der Veröffentlichung, besteht die einzige Möglichkeit darin, in die Tiefe zu gehen statt in die Breite. Sprich: drei oder vier ausformulierte, präzise Fragen zu einem einzigen Aspekt stellen. Dabei gilt: Auch unter Zeitdruck muss man seine Fragen immer einzeln stellen. Andernfalls überfordert man den Interviewpartner oder gibt ihm die Möglichkeit, unliebsame Fragen unter den Tisch fallen zu lassen.

Das Interview

Um persönliche Fragen stellen zu können, ist es – wie bereits erwähnt – wichtig, eine gute Atmosphäre zu schaffen. Zum „Aufwärmen„, quasi zum Ankommen, kann man ein wenig Small Talk machen. Dafür eigenen sich Themen wie das Wetter, die Uhrzeit, die Anreise oder die Umgebung. Wenn man es schafft, Gemeinsamkeiten herzustellen, beispielsweise gemeinsame Vorlieben entdeckt, hat man den Gesprächspartner gleich auf seiner Seite. Auch Komplimente – dies ist nicht zu verwechseln mit plumpem Anbiedern! – helfen, die Stimmung zu lockern.

Ein gutes Interview ist immer auch ein Gespräch. Kein Frage-Antwort-Abhaken, sondern ein Eingehen des Interviewers auf die Antworten, ein Nachhaken und Vertiefen. Um den Prominenten zum Reden zu bringen, sind offene Fragen zu stellen, also keine, auf die er mit einem Wort wie „Ja“ oder „Nein“ antworten kann. Man will ja schließlich ein Gespräch in Gang bringen, möglichst viel vom anderen erfahren. Besser geeignet sind die sogenannten W-Fragen: wie, warum, weshalb, wodurch, wozu, woher, wohin? Der Befragte soll mit seinen Antworten erklären, erzählen oder begründen. Umgekehrt kann man geschlossene Fragen bewusst einsetzen, um zu weitschweifige Antworten zu verhindern.

Der wichtigste Grundsatz der Gesprächslenkung ist dabei: Der Interviewer muss aktiv zuhören, prüfen, ob die Aussagen die Fragen (hinreichend) beantworten und ob klar wird, was der Befragte damit sagen möchte.

Dreht sich das Interview im Kreis, gerät es in eine Sackgasse oder gefährden negative Emotionen seinen konstruktiven Fortgang, empfiehlt sich ein klärendes Gespräch über das Gespräch. Dies fällt in den Bereich „Metakommunikation“: Das eigentliche Thema wird vom Interviewer zurückgestellt, er schildert seine Eindrücke in Ich-Form und fragt nach der Einschätzung des Interviewpartners. Im besten Fall kommt man gemeinsam zu einer Lösung.

Ist der Star unmotiviert, lässt er sich alles „aus der Nase ziehen“, gibt er nur einsilbige Antworten und bleibt an der Oberfläche? Manchmal nützt es, darauf hinzuweisen, dass er dadurch beim Rezipienten unsympathisch rüberkommt oder dass man mit dem Interview Werbung für seine aktuellen Projekte machen will. Notfalls das Gespräch abbrechen! Wenn jemand unsicher ist oder jedes Wort auf die Goldwaage legt, kann man vereinbaren, dass die Zitate vor Drucklegung gegengelesen werden dürfen – wenn das nicht – wie so häufig – schon vorab Bedingung für die Interviewzusage war. Dann fühlt sich der Promi „sicherer“, redet freier. Kehrseite der Medaille: Oft fallen dann gerade die interessantesten Stellen dem Rotstift zum Opfer.

Ein Interview zur Person bedient immer auch einen gewissen „Voyeurismus“, ist eine Aufforderung an den Promi, die Fans in seine Seele schauen zu lassen. Zum Thema „Was darf man fragen und was nicht?“ gilt das Zitat von Oscar Wilde: „Fragen sind niemals indiskret – Antworten bisweilen schon.“ Ob man eine Antwort bekommt und welche, hängt entscheidend davon ab, wie man die Frage stellt. Dabei spielen Formulierung, Tonfall und nonverbale Signale eine Rolle. Der Einfluss der Interviewer-Persönlichkeit ist insgesamt erheblich größer, als man glaubt. Die empirische Sozialforschung weiß, dass Antworten auf gleich lautende Fragen ganz unterschiedlich ausfallen können, je nachdem, wie sich der Fragende verhält. Manchmal bewirkt allein ein fordernder Tonfall, dass sich der Interviewte in die Ecke gedrängt fühlt.

Neben dem gesprochenen Wort ist die nonverbale Kommunikation von nicht zu unterschätzender Bedeutung (weiterführende Literatur: z. B. Markus Tirok „Moderieren“). So spricht die Körperhaltung des Interviewpartners eine deutliche Sprache. Ein Warnsignal für den Interviewer: quergestellte Füße und übereinandergeschlagene Beine mit dem oben liegenden Oberschenkel als Breitseite gegen den Journalisten. Dies sind deutliche Hinweise auf den Wunsch nach Distanz vonseiten des Promis. Doch es gilt nicht nur, die Körpersprache des anderen zu entschlüsseln. Der Interviewer kann auch ganz bewusst nonverbale Signale senden, um ein positives Gesprächsklima zu schaffen. Körpersprache-Experten wie Samy Molcho wissen, dass man die Gestik des Gegenübers imitiert, wenn man ihn sympathisch findet, ihn sozusagen spiegelt. (Weiterführende Informationen hierzu findet man unter den Stichworten „Neuro-Linguistisches Programmieren“ (NLP) oder „Pacen“/“Pacing„.) Habe ich zehn Minuten für das Interview mit Hollywood-Star Nick Nolte („Herr der Gezeiten“) zugesagt bekommen, und wir sitzen uns anderthalb Stunden später nicht mehr am Tisch, sondern mitten im Raum gegenüber mit jeweils hinter dem Kopf verschränkten Händen: gewonnen!

Welche Tricks gibt es, Überraschendes zu erfahren? Überraschende Fragen stellen und den Promi nicht mit 1.000 Mal gehörten Fragen langweilen, auf die er routinemäßig, quasi wie auf Autopilot, seine Antworten abspult. Dann macht das Interview allen Beteiligten Spaß – nicht zuletzt dem Leser, für den es ja schließlich gedacht ist.

Fazit

Wer fragt, führt – so ein bekannter Spruch aus der Managementlehre. Das gilt auch für Interviews: Mit dem hier gezeigten Rüstzeug ist es möglich, Interviews zu planen und zu lenken, damit der Interviewer als Stellvertreter für das Publikum Neues erfahren kann.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Ulrike BremmDie Autorin Ulrike Bremm arbeitet als freie Journalistin und lebt in Windeck bei Köln. Sie studierte Politische Wissenschaften, Neugriechisch und Spanisch und führt Interviews mit Prominenten aus allen Branchen – in fünf Sprachen. Seit bald zwei Jahrzehnten trifft sie Schauspieler und Sportler, Partygänger und Politiker, Moderatoren und Musiker (www.frau-bremm-schreibt.de).

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