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Nachrichten-App „Resi“: Journalismus im Chat-Format

Interview mit "Resi"-Gründer Martin Hoffmann

Messenger-Dienste wie WhatsApp, Skype oder Threema erfreuen sich großer Beliebtheit. Nun versucht auch der Journalismus davon zu profitieren und experimentiert mit Nachrichten im Chat-Format. Vorreiter für diese neue Form des Journalismus – auch „Conversational Journalism“ genannt – ist die App „Quartz“ aus den USA. Mit „Resi“ gibt es seit Kurzem auch ein deutschsprachiges Angebot, das Nachrichten in Gesprächsform präsentiert. Wird sich dieser Ansatz im Journalismus durchsetzen? Ein Gespräch mit „Resi“-Gründer Martin Hoffmann.

Martin, wie bist Du auf die Idee gekommen, die App „Resi“ zu entwickeln?

Die Idee ist letzten Sommer entstanden – und zwar durch „Lark„. Das ist eine Gesundheits-App, die unter anderem anzeigt, wie viele Schritte man am Tag macht, wie viele Stunden man in der Nacht schläft oder was man den Tag über isst. Daraus ableitend erstellt ein Bot, mit dem man über ein dialogisches Interface kommunizieren kann, Empfehlungen für einen gesünderen und besseren Lebensstil.

Irgendwann habe ich mir gedacht: Wie wäre es, wenn man über ein solches dialogisches Interface journalistische Inhalte verbreitet? Da war die Idee für „Resi“ geboren. Schließlich habe ich dann beschlossen, meinen Job bei der „Welt“ zu kündigen und mich hauptberuflich um das Projekt zu kümmern.

Wofür steht der Name „Resi“ – und wie funktioniert „Resi“ genau?

Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Nutzer zu Bots mit einem weiblichen Namen eher eine Bindung aufbauen. Außerdem haben wir nach einem möglichst deutschen Namen gesucht, um unsere Herkunft zu betonen – und Resi klingt ja schon urbayerisch.

Resi_BeispielIch und mein Team haben ein Content-Management-System entwickelt, das komplett anders ist als die Content-Management-Systeme, die man sonst aus Redaktionen kennt. Unsere Variante ist nur für das Messaging-Format gemacht. Das heißt, wir können Fragen und Antworten schreiben und über Widgets Gifs, Fotos sowie perspektivisch auch Video- und Audiodateien integrieren. So lässt sich ein Gespräch konstruieren, bei dem der Nutzer den Verlauf bestimmen kann: Je nachdem, wo seine Prioritäten liegen, kann er seine Themengebiete auswählen. Dadurch entwickelt sich dann ein Dialog.

Wie muss man sich die Abläufe bei „Resi“ vorstellen: Arbeitet Ihr wie eine klassische Redaktion?

Wir sind derzeit noch ein sehr kleines Team von etwa sechs bis acht Personen, darunter Programmierer, Grafiker und Redakteure. Die Themen für „Resi“ wählen wir recht spontan aus. Wir beobachten den Nachrichtenmarkt und schauen, worüber viel gesprochen wird. Dann bereiten wir die Meldungen für unser Format auf, indem wir sie in eine unterhaltsame Dialogform bringen. Mittelfristig gesehen wollen wir natürlich auch eigene Themen setzen, aber zurzeit können wir noch keine exklusiven Recherchen durchführen.

Wer ist die Zielgruppe von „Resi“?

Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren sind die Kernzielgruppe unserer App. Aber wir richten uns nicht nur an Jugendliche, sondern an alle, die ein gewisses Nachrichteninteresse haben, aber sich selbst nicht zu den News-Junkies zählen und den ganzen Tag bei Twitter und Co. abhängen. „Resi“ bietet grundlegende Informationen; für weiterführende Informationen verlinken wir auf klassische Verlagsangebote wie etwa das „Zeit“-Dossier zum Thema „Syrien“.

Hinter Apps wie „Resi“ und „Quartz“ aus den USA steckt das Konzept des Conversational Journalism. Dieses will Nachrichten interaktiv und dialogorientiert vermitteln – der Nutzer steht dabei im Mittelpunkt. Ist das die Zukunft des Journalismus?

Ich glaube, dass Nachrichten in Gesprächsform ein wichtiger Bestandteil im Journalismus der Zukunft sein werden. Das wird einerseits über Messaging-Apps wie Facebook Messenger oder WhatsApp geschehen. Andererseits werden sich komplett neue Formate herausbilden, die über das hinausgehen werden, was wir oder „Quartz“ machen.

Deshalb begreifen wir uns auch als Unternehmen, das nicht nur auf die App festgelegt ist. Wie haben viele Ideen: Wir wollen eine Plattform entwickeln; außerdem denken wir darüber nach, wie man auch auf anderen Plattformen wie zum Beispiel Facebook wirklich dialogischen Journalismus machen kann.

Die „Resi“-App ist der erste Schritt, um die Marke zu etablieren und erste Nutzer zu gewinnen. Das Grundprinzip, dass Journalisten mehr und intensiv mit ihren Nutzern kommunizieren, wird uns in den nächsten Jahren definitiv sehr beschäftigen.

„Resi“ versteht sich als Nachrichten-App. Besteht der Anspruch, Meldungen stets neutral und objektiv zu transportieren?

Prinzipiell ja. Obwohl Objektivität im klassischen Sinn in meinen Augen eher ein journalistisches Feigenblatt ist – in Wirklichkeit wird nicht immer neutral berichtet. Aber wir achten natürlich darauf, dass die Fakten stimmen – da folgen wir klassischen journalistischen Regeln.

Gleichzeitig wollen wir jedoch pointiert berichten: „Resi“ hat durchaus mal eine Meinung zu einem Thema. Wenn zum Beispiel Mitglieder der „Identitären Bewegung“ auf das Brandenburger Tor klettern, dann sagt „Resi“, dass sie das scheiße findet. Das ist vollkommen legitim aus unserer Sicht, denn so eine Aktion richtet sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Grundsätzlich ist es so, dass wir uns, langfristig gesehen, durchaus vorstellen können, verschiedene „Resis“ oder Bots mit den Leuten reden zu lassen. Um ein breites Meinungsspektrum anzubieten, könnte es dann zum Beispiel den Andreas von der „FAZ“, den Timo von der „Welt“ oder die Susanne von der „Zeit“ geben. Ich glaube, dass pointierte Berichterstattung und Meinungsstärke dazu führen werden, dass sich die Leute stärker mit „Resi“ identifizieren und eine emotionale Bindung zu der App aufbauen.

„Resi“ ist bisher kostenlos. Wie finanziert ihr euch derzeit und welches Geschäftsmodell ist in Zukunft vorgesehen?

Bisher haben wir die Entwicklung komplett aus eigener Tasche bezahlt. Jetzt beginnen wir gerade mit der Investorensuche und sind offen für Kooperationen.

Wir werden wahrscheinlich – bei allem, was man über den digitalen Journalismus weiß – nicht die eine Erlösquelle finden, die wie früher zur Gelddruckmaschine wird. Das Ziel ist deshalb, aus unterschiedlichen Quellen finanzielle Mittel anzuzapfen. Zum Beispiel über Native Advertising, In-App-Käufe oder Abo-Modelle. Wenn wir es schaffen, dass die Nutzer eine emotionale Bindung zu „Resi“ aufbauen, sind sie sicherlich auch bereit, einen kleinen monatlichen Betrag zu zahlen.

Aber im Moment geht es in erster Linie darum, dass die User die App regelmäßig öffnen. Im nächsten Schritt geht es um Nutzerwachstum, dann erst um die Finanzierung.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

foto-martin-hoffmannDer Gründer der App „Resi“, Martin Hoffmann, war bis Ende 2015 Leiter der Social-Media-Redaktion von „WeltN24“. Davor arbeitete er unter anderem als Redakteur für den MDR Sachsen-Anhalt. Ausführliche Informationen zu seiner Vita finden sich auf dem Weblog von Martin Hoffmann.

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