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Nachrichten für Millennials – die Strategien der neuen Jugendportale

Jugendportale sprießen derzeit im Internet wie Pilze aus dem Boden. Ob „Zeit Online“, „Spiegel Online“ oder „Bild.de“ – viele etablierte Medienmarken wollen jüngere Nutzer mit ihren neuen Angeboten zu sich locken. Die Einbindung sozialer Medien spielt dabei eine besondere Rolle, ebenso die lockere und nicht immer ganz ernste Ansprache. Doch wie sind Jugendsprache und Übertreibungen im Nachrichtengeschäft einzuordnen? Und wie unterscheiden sich verlagsunabhängige Angebote von denen großer Medienhäuser? Ein Überblick.

Der Medienwandel schreitet voran – das zeigen nicht nur die Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) für Printformate aus dem 3. Quartal 2015. Gerade die sogenannten Millennials, also jüngere Nutzer, die im Internetzeitalter aufgewachsen sind, greifen immer seltener auf klassische Medienangebote wie Tageszeitungen zurück. Stattdessen informieren sie sich online auf diversen Kanälen. Doch auch hier können sich die etablierte Medien wie „Spiegel Online“ oder die Websites der regionalen und überregionalen Tageszeitungen nur bedingt über junge Nutzer freuen. Denn die surfen vor allem in sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Snapchat und werden dort auf Nachrichten aufmerksam. Es braucht also neue Strategien, um die Altersgruppe der 14- bis 30- Jährigen nicht zu verlieren beziehungsweise diese überhaupt erst für sich zu gewinnen. In jüngerer Zeit sind speziell auf diese Zielgruppe hin entwickelte Formate auf den Markt gekommen, die neue Modelle für den Onlinejournalismus ausprobieren, darunter „Hyperbole TV“, „bento“ und „ze.tt“.

Leser in den sozialen Medien abholen

Galt es früher, die Leser durch einen anregend geschriebenen Teaser zum Klick auf einen Artikel zu verleiten, müssen Medien ihre Konsumenten heute bei Facebook und Co. abholen. Eine eigene Facebook-Seite, auf der für Artikel geworben wird, ist inzwischen Pflicht. Doch wie macht man in der Fülle an Beiträgen in den sozialen Medien auf sich aufmerksam? Auf Clickbaiting, also reißerische Überschriften à la heftig.co, das vor allem im Jahr 2014 viel Aufmerksamkeit auf sich zog, wird zunehmend verzichtet. Die neuen Jugendportale wollen ihre Nutzer durch unterhaltende, aber auch informative Inhalte locken. Doch wie schafft man es, den schmalen Grat zwischen Unterhaltung und Nachrichten nicht zu übertreten? Wie unterscheiden sich verlagsunabhängige Angebote („Hyperbole TV“) von denen großer Medienhäuser („bento“ von der „Spiegel Online“ GmbH; „ze.tt.“ von der „Zeit“ Verlagsgruppe)?

Während „ze.tt“ und „bento“ im Sommer beziehungsweise Herbst 2015 auf den Markt gekommen sind, ist das Videonetzwerk „Hyperbole TV“ bereits 2014 gestartet. Als Teil des Forschungsprojektes Grundversorgung 2.0 der Leuphana Universität Lüneburg, das untersuchte, wie sich der öffentliche Rundfunk im digitalen Zeitalter gewandelt hat und wie seine Zukunft aussehen kann, wurde das Videoportal als Praxistest gemeinsam von der Universität und Bastian Asdonk, in Kooperation mit der Styleheads Gesellschaft für Entertainment, entwickelt. Seitdem haben die Macher unterschiedliche Videoformate zu den Themen Gesellschaft, Politik, Musik und Kultur ausprobiert.

„Hyperbole TV“ hat sowohl seinen eigenen Youtube-Kanal als auch eine Facebook-Seite. Die beiden Kanäle funktionieren hier jedoch am besten als Einheit. So werden für die Rubrik „Frag ein Klischee“ die Fragen zu einer Person, die aufgrund ihres Aussehens oder Berufes bestimmten Stereotypen entspricht, von den Nutzern auf der Facebook-Seite gesammelt. Eine Auswahl dieser Fragen wird dann wiederum während der Produktion des Videos an das „Klischee“ gestellt. Zum Beispiel wird dann auch mal ein Kiffer gefragt, woran er gutes Gras erkennt, oder ein Mensch, der auf Pflege angewiesen ist, ob er schon mal Suizidgedanken hatte. Läuft das fertig produzierte Video dann auf dem Youtube-Kanal, diskutieren die Nutzer hier wieder über Frage und Antwort. Gelungener kann man seine Nutzer nicht einbinden. Nicht umsonst hat das Videonetzwerk den diesjährigen Grimme Online Award in der Kategorie Kultur und Unterhaltung bekommen. Die Begründung der Jury: „Abseits des Mainstreams verbindet Hyperbole TV gesellschaftlich relevante Themen mit Unterhaltung und Witz und schafft so einen außergewöhnlichen YouTube-Kanal mit großer Vielfalt.“

Übertreibungen und Witze – auch bei ernsten Themen?

Doch wie viel Witz und Unterhaltung vertragen ernste Themen? Auf hyperbole.de wirbt das Netzwerk mit dem Stichwort „Übertreibung“. Das solle, wie bei der literarischen Hyperbel, den Sachverhalt verdeutlichen. „Wenn man sich auf digitale Formate spezialisiert, wie wir es getan haben, geht es sicher darum, eine gewisse Aufmerksamkeitsschwelle zu überschreiten. Und das geht natürlich vor allem mit Dingen, die lustiger, interessanter, manchmal auch provokanter sind als andere“, erklärt Co-Gründer Bastian Asdonk. Gleichzeitig weist er aber auch daraufhin, dass „Hyperbole TV“ kein Nachrichtenmedium ist: „Wir haben immer gesagt, wir wollen politische Inhalte mit Popkultur aufladen und Unterhaltung mit gesellschaftlichen Themen.“ Das ist im Fall von „Hyperbole TV“ sinnvoll, denn sonst ist es schwer, sich gegen die Vielzahl anderer Beiträge in den sozialen Medien durchzusetzen.

Das Forschungsprojekt der Leuphana Universität Lüneburg ist inzwischen beendet worden. „Hyperbole TV“ soll es aber weiterhin geben. Wie genau es weitergeht, ist noch nicht klar, aber es sollen weitere Videoformate entwickelt werden. Außerdem gibt es schon Kooperationen mit anderen Medien – „Frag ein Klischee““ wurde zum Beispiel an „Süddeutsche.de“ lizensiert.

Nachrichtenportale statt Zeitung

Im Gegensatz zu „Hyperbole TV“ versteht sich „bento“ als digitales Nachrichtenportal. Zielgruppe sind Nutzer der Altersgruppe 18 bis 30 Jahre. Als „bento“ im September dieses Jahres gelauncht wurde, stellte ein Twitter-Nutzer fest: „bento.de ist wohl der Ableger von Spiegel Online für die Generation Hashtag. Hoffentlich wird es nicht peinlich.“ In der Tat hatte die Redaktion von „bento“ vor allem zum Start mit dem Vorwurf zu kämpfen, sie würde in ihrer Berichterstattung zwanghaft auf Jugendsprache zurückgreifen. Ole Reißmann, gemeinsam mit Frauke Lüpke-Narberhaus Redaktionsleiter von „bento“, weist diesen Vorwurf zurück: „Unter den 18- bis 30-Jährigen gibt es welche, die bereits andere Nachrichtenseiten lesen. Wir wollen die Mehrheit erreichen, die das eben nicht tut. Die angebliche Jugendsprache gibt es bei uns von Anfang an nicht, auch keine künstliche Verdummung oder Verkürzung von Texten.“

Natürlich werden auch aktuell gesellschaftlich sehr relevante Themen, wie die Flüchtlingsdebatte, auf „bento“ behandelt. Beim Blick auf die Artikel allgemein fällt jedoch auf, dass diese tendenziell kürzer als die der „erwachsenen Konkurrenz“ ausfallen. Dafür werden jedoch vermehrt Bilder, Tweets, Grafiken und Listen eingebaut. Das ist in der deutschen Medienlandschaft zwar noch recht neu, in den USA werden diese Tools jedoch schon seit Jahren, zum Beispiel bei „Buzzfeed“ und „Vice“, benutzt.

Bei all der Kritik kann man „bento“ jedoch zugute halten, dass sich die Redaktion immer wieder Feedback von ihren Nutzern einholt. Das geschieht unter anderem über die Facebook-Seite und Twitter, aber vor allem auch auf „bento“ selbst. Ähnlich wie auf dem Youtube-Kanal von „Hyperbole TV“ diskutieren die Nutzer hier zum Teil sehr ausführlich unter den unterschiedlichen Artikeln. Ganz so falsch kann das junge Portal mit seiner Ansprache und seinen Themen also nicht liegen. „Auf bento findet man beides: Es gibt News und wenn man möchte, kann man sich auch kurz ablenken. Muss man aber nicht“, erklärt Ole Reißmann.

Ein ähnliches Angebot wie das von „bento“ liefert „ze.tt“ – das Jugendportal der Zeit Verlagsgruppe. Dieses soll seit Juli 2015 vor allem ergänzend zu dem Angebot von „Zeit Online“ stehen. Doch auch hier hagelte es Kritik: Karoline Meta Beisel schrieb beispielsweise auf „Süddeutsche.de„, dass das Angebot von „ze.tt“ wenig originell sei. Die Macher hätten sich vor allem bei US-Vorbildern bedient. Auch wenn die Redakteure meist nicht viel älter als ihre Zielgruppe sind, scheint es noch an größeren Ideen für einen Onlinejournalismus zu fehlen, der sich gegen soziale Medien durchsetzen kann.

Die inhaltliche Richtung ist hingegen klar: „ze.tt will mit inspirierenden Geschichten für Gesprächsstoff in WhatsApp-Gruppen und WG-Küchen sorgen, mit einer Mischung aus eigenen Beiträgen und kuratierten Social News“, erklärt Sebastian Horn, Redaktionsleiter von „ze.tt“. So finden sich auf dem Jugendportal Artikel zu Internetthemen wie Emojis, aber auch zur aktuellen Lage in Israel. Etwas verwirrend ist, dass es keine richtigen Rubriken zu geben scheint. Die Startseite ist eine Ansammlung von diversen Artikeln zu diversen Themen. Die Aufbereitung der einzelnen Beiträge ähnelt der von „bento“. Sebastian Horn probiert auf „ze.tt“ aktuell noch viel aus: „Wir wollen bei ze.tt viel mit unterschiedlichen Darstellungsformen und Formaten experimentieren. Videos laufen zum Beispiel gut, aber auch lange Reportagen, Listicles oder Grafiken. Wir schränken uns da nicht ein und werden beobachten, was bei den Usern am besten ankommt.“ Auch hier steht der Nutzer also an erster Stelle.

Fazit

Alle drei Angebote haben gemein, dass sie auf verschiedenen sozialen Medien in Kontakt mit ihren Nutzern treten. „ze.tt“ und „bento“ weisen neben Facebook (jeweils rund 11.000 Gefällt-mir-Angaben) und Twitter via Instagram auf ihre Inhalte hin. Für „ze.tt“ sollen bald weitere Kanäle hinzukommen, so Sebastian Horn. „bento“ ist hier schon etwas experimentierfreudiger, erzählt Ole Reißmann: „Facebook ist uns am wichtigsten, aber wir schauen gerade, was wir auf Instagram machen können. Mit WhatsApp verschicken wir morgens News und haben da noch mehr vor. Aktuell probieren wir außerdem erste Geschichten auf Snapchat aus.“

Darüber hinaus sind die Seiten für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets optimiert, denn hiermit konsumieren die Millennials Unterhaltung und Nachrichten – egal, ob unterwegs oder zu Hause. Die Technik stimmt also, ebenso der Weg über die sozialen Medien. Wie es mit den Inhalten weitergehen wird, hängt vor allem von den Nutzern ab. Denn eine Neuerung haben die Portale gegenüber etablierten Nachrichtenseiten definitiv: Sie werden zu Experimentierfeldern, gehen dabei auf die Konsumenten ein und passen ihr Angebot dementsprechend an. Dabei stellt sich aber auch die Frage, ob es den Redaktionen der jungen Portale an eigenen Ideen fehlt.

Inwieweit die Nutzer auf das Feedbackangebot eingehen und wie sich digitaler Journalismus entwickelt, wenn die Redaktionen sich auf Input von außen ein- und verlassen, bleibt abzuwarten.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Katharina PenczDie Autorin Katharina Pencz arbeitet als freie Kulturjournalistin in Berlin. Für Funkhaus Europa, Radio Bremen und DRadio Wissen ist sie als Hörfunkautorin unterwegs und berichtet über Themen aus den Bereichen Gesellschaft, Kultur und Stadtgeschehen. Außerdem bespricht sie regelmäßig Kunstausstellungen in der Berliner Zeitung und engagiert sich als ehrenamtliche Redakteurin bei dem hyperlokalen Blog Neukoellner.net.

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