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„Satire darf alles“ – oder doch nicht?

Freiheiten und Grenzen der Satire

Selten erlangte Satire solche Aufmerksamkeit wie in der „Böhmermann-Affäre„. Doch auch dann, wenn sie nicht dermaßen im Fokus des öffentlichen Interesses steht, gilt: Satire ist ein wichtiges publizistisches Mittel von außerordentlicher Bedeutung für die freiheitliche Demokratie und von der Verfassung besonders geschützt. Sie bietet zum Beispiel die Möglichkeit, Kritik besonders pointiert zu vermitteln.

Satire ist Meinung – und Meinung hat Grenzen

Satire ist eine subjektive Darstellung der Wirklichkeit und damit eine Meinungsäußerung. Die Meinungsfreiheit ist aber nicht schrankenlos gewährt. Sie findet ihre Schranken „in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre„.

Zu den allgemeinen Gesetzen gehört beispielsweise der Beleidigungstatbestand des Strafgesetzbuches (§ 185 StGB). Eine Beleidigung liegt nach dem Bundesgerichtshof und damit dem obersten Gericht in Strafsachen – von Ausnahmefällen abgesehen – schon bei „Kundgabe der Missachtung bzw. Nichtachtung“ vor. Das ist schnell einmal geschehen, denn das Wesen der Satire besteht ja in Kritik, Verspottung oder gar Anprangerung.

Fazit bis jetzt: Die Grenzen der Satirefreiheit sind vielleicht doch eher eng – wäre da nicht noch Weiteres.

Satire ist aber auch Kunst

Auch die Kunstfreiheit muss man berücksichtigen, hat man es mit Satire zu tun. Mit der Definition, was Kunst ist, tut sich die Rechtsprechung schwer. Eine Definition ist gewissermaßen bereits eine Einschränkung, die mit einer freien Kunst schwer vereinbar ist; ohne eine Definition ist aber unklar, was geschützt ist und was nicht, sodass ein Gericht nicht entscheiden könnte.

Das Bundesverfassungsgericht spricht z. B. in seiner „Sampling“-Entscheidung in Bezug auf Kunst von „freie[n] schöpferische[n] Gestaltungen, in denen Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse der Künstler durch das Medium einer bestimmten Formensprache, hier der Musik, zur Anschauung gebracht werden“. Das ist auf Satire genauso anwendbar. Satire ist daher Kunst.

Kunst ist besonders geschützt

Das Grundgesetz schützt die Kunstfreiheit in besonderem Maße. Es sieht keine ausdrückliche Schranke für die Kunst vor, sondern erklärt die Kunst einfach nur für „frei“. Wäre die Kunst aber wirklich bedingungslos frei, wäre in ihrer Ausübung alles erlaubt. Das würde zwangsläufig dazu führen, dass massive Eingriffe in andere, ebenfalls durch die Verfassung geschützte, Rechte erlaubt wären. Es wäre dann beispielsweise gestattet zu morden, wenn es die Kunst nur erforderte (z. B. um einen Massenmord künstlerisch abzubilden).

Das Bundesverfassungsgericht löst dieses Dilemma dadurch, dass es eine Einschränkung der Kunstfreiheit durch sogenanntes „kollidierendes Verfassungsrecht“ annimmt. Andere verfassungsrechtliche Positionen können dazu führen, dass der Kunstfreiheit Schranken angelegt sind. Nur sind diese weiter als die der Meinungsfreiheit gesetzten.

Fazit nunmehr: Satire genießt recht deutliche Freiheiten.

Satire als Kunst – wo hört die Freiheit auf?

Grenzenlos ist aber auch Satire nicht erlaubt. Wenn gesetzliche Vorschriften Satire beschränken, ist –  zum Schutz der Kunstfreiheit – eine „kunstspezifische Betrachtung“ geboten; bei Satire ist eine genaue „Ermittlung des Aussagekerns“ notwendig, „damit sodann der Aussagekern und seine Einkleidung gesondert daraufhin überprüft werden können, ob sie eine Kundgabe der Missachtung gegenüber der karikierten Person enthalten“ (so das Bundesverfassungsgericht).

Das bedeutet: Als erstes ist zu ermitteln, welche „Botschaft“ die Satire vermittelt. Diese Botschaft ist dann darauf zu prüfen, ob sie zulässig ist oder nicht, also ob sie z. B. Schmähkritik oder unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Neben diesem „Aussagekern“ ist auch die „Einkleidung“ zu prüfen, d. h. die Darstellungsart. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verfremdung der Satire gerade „wesenseigen“ ist. Dementsprechend gilt hier ein großzügigerer Maßstab. Die Grenze ist dann erreicht, wenn die Satire „zu weit geht“; etwa Persönlichkeitsrechte in einem Maße berührt werden, die der Betroffene nicht hinnehmen muss. Das kann beispielsweise bei einem Eingriff in die Intimsphäre als dem „Kernbereich“ des Persönlichkeitsrechts oder einem Eingriff in die Menschenwürde der Fall sein. Bekannte Fälle sind z. B. die Darstellung einer Person in der Romanfigur „Esra“ sowie eines Politikers als „sich sexuell betätigendes Schwein“.

Personen der Öffentlichkeit müssen sich, gerade in Bezug auf die von ihnen vertretenen Positionen, mehr gefallen lassen. Nicht jeder sexueller Bezug ist dabei immer auch ein Eingriff in Intimsphäre bzw. Menschenwürde. Was jemand sich gefallen lassen muss, hängt stark davon ab, wie er sich selbst positioniert hat – wer selbst deutliche Worte verwendet, muss sich selbst auch mehr gefallen lassen: „Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert“.

Für Fotomontagen, wie sie für satirische Darstellungen gerne verwendet werden, greifen dabei Besonderheiten. Durch die Montage entsteht eine bewusst veränderte Aussage. Ob das erlaubt ist, hängt u. a. davon ab, ob die Manipulation für den Betrachter erkennbar ist. Wird eine Entstellung des Betroffenen vom Betrachter als karikaturistisch erkannt, ist mehr zulässig. Nicht erkennbare Manipulationen hingegen können zu einer unwahren Aussage führen, die das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen kann und zur Unzulässigkeit der Satire führt. Für satirische Fotomontagen sollte also darauf geachtet werden, dass der Betrachter erkennen kann, dass eine satirische Verfremdung vorliegt.

Neben Persönlichkeitsrechten kann eine Satire auch Rechte aus dem Urheberrechtsgesetz und andere Rechte verletzen.

Fazit

In Deutschland besteht Satirefreiheit in gewissen Grenzen. Satire darf nicht alles, aber sie darf doch sehr viel. Innerhalb des Rahmens ist sehr deutliche und drastische Kritik möglich.

Wie hilft der DFJV seinen Mitgliedern beim Thema Urheberrecht? Der DFJV bietet seinen Mitgliedern eine kostenfreie, individuelle und zügige Rechtsberatung (Erstberatung) an. Mehr Informationen erhalten Sie hier. Zudem informieren wir in Rechts-News zu wichtigen Themen. Bei komplexen, auch rechtlichen Fragestellungen hilft Ihnen der DFJV darüber hinaus durch verschiedene Leitfäden.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Frank C. BiethahnDer Autor Frank C. Biethahn ist Inhaber einer u. a. auf Urheber- und Medienangelegenheiten spezialisierten Kanzlei bei Hamburg. Er ist bundesweit tätig. Als Vertragsanwalt des DFJV ist er für die Mitglieder-Rechtsberatung zuständig, zudem ist er Lehrbeauftragter an Hochschulen in Hamburg.

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