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Selbstmarketing im Fotojournalismus: So generieren Sie zusätzliche Einnahmen

Sinkende Fotohonorare, Bilderflut im Internet, Heerscharen von Amateur-Fotografen: Die Branchenlage für freie Bildjournalisten ist nicht gerade rosig. Viele kämpfen heute um das reine wirtschaftliche Überleben – ein traditionelles Geschäftsmodell befindet sich vielerorts auf Talfahrt. Was also tun im Kampf gegen Dumping-Angebote und Existenznot? Der folgende Beitrag gibt Tipps, wie man auch in diesen Zeiten vom Fotojournalismus leben kann.

Das Internet ist nicht nur Feind des Etablierten, es ist auch Grundlage vieler neuer Geschäftsmodelle. Das gilt auch für Fotojournalisten. Der erste Schritt führt hier zum eigenen Portfolio und der Sichtbarkeit für neue Kunden. Positionierung, Selbstvermarktung via (englischsprachige) Website, Search Engine Optimization (SEO), Blog und Social-Media-Kanäle werden immer wichtiger. Ferner gilt es, sich neue Einkommensquellen zu erschließen.

Neue Einnahmequellen

Über ein eigenes Blog oder die eigene Website lassen sich Shop-Module verschiedenster Art integrieren, ebenso Google AdSense. Eigene Fotobücher – nicht selten via Crowdfunding finanziert – schaffen zusätzliche Reichweite und Einnahmen. Kenntnisse im Bereich Multimedia und Postproduktion können ebenfalls neue Kunden überzeugen. Online-Workshops, Webinare, Vorträge oder Fotoreisen ernähren mittlerweile nicht nur freie Bildjournalisten, sondern auch viele Reisefotografen. Andere haben sich durch Zuverlässigkeit, Qualität und Netzwerke Sponsoren für hochwertige Reportagen erschlossen.

Video-Portale wie Storyhunter experimentieren mit neuen Techniken wie Mobile Journalism oder Drohnen-Fotografie, Sportfotografen finden u. a. bei Outdoor-Firmen Lohn und Brot, die zunehmend Werbekampagnen mit einem „Editorial Approach“ inszenieren.

Aber: Den Königsweg gibt es nicht. Selbst berühmte Fotojournalisten erhalten oft genug auf ihren „Cold Pitch“, die Kaltakquise, keine Antwort. Ohne Durchsetzungsvermögen, Ausdauer und harte Arbeit wird es auch künftig nicht gehen.

Allzeit bereit – auch über globale Plattformen

„I’m with the New York Post. The mayor of New York suddenly decided to go to Hamburg today for the G20 protests and we’re scrambling to find someone who can cover it. Any chance you’re available?“ Große Events werfen ihre Schatten voraus. Nicht nur in diesem Fall lohnt es sich, globalen Plattformen wie Blink, Soply, Paydesk oder Visura beizutreten. Eine englischsprachige Website mit einem ansprechenden Portfolio – und Referenzen – verschafft hier ohne viel Aufwand eine internationale Kundschaft.

Redaktionelle Referenzen dienen aber auch als Schaufenster für kommerzielle Verträge. Und diese werden immer wichtiger: Kaum ein freier Fotojournalist, der heute noch ausschließlich redaktionell arbeitet. Selbst Magnum-Fotografen fertigen seit Jahren Business Reports für kommerzielle Kunden.

Das Angebot: visuelle Kommunikation

Folglich sollte der eigene Bauchladen – wo kann man noch Geld verdienen? – auf die wachsenden Bedürfnisse der visuellen Kommunikation von E-Commerce, Lifestyle und Werbung zugeschnitten werden. Nicht nur im Motorsport benötigen Hersteller von Reifen, Helmen und anderem Zubehör ständig neue Produktfotos oder Videos. Auch die Social-Media-Kanäle vieler Firmen, NGOs und Stiftungen wollen gefüttert werden. Es empfiehlt sich also ein Portfolio mit Bildmaterial, das der künftige Kunde auch erwartet: Bedarf wecken, Kompetenz ausstrahlen, Lösungen anbieten.

Arbeitsproben und Referenzen bieten hierbei wichtige Entscheidungshilfen. Bei entsprechender Spezialisierung – was alle können, bringt wenig Geld – und hochwertiger Präsentation mit guter Suchmaschinenoptimierung hat man die wichtigste Grundlage für die Akquise damit bereits gelegt.

Im Detail: Qualität, Transparenz, Zuverlässigkeit, Netzwerke, Persönlichkeit. Reklamationen dankbar aufnehmen, Service anbieten. Wichtige Trends beobachten und umsetzen, an der Bildsprache feilen und experimentieren. Kunden die Möglichkeit geben, via Newsletter neuen Projekten zu folgen. Präsenz auf Social-Media-Kanälen zeigen und diese auch regelmäßig bespielen. Mappentermine bei Agenturen und Redaktionsbesuche planen. Events für Ausstellungen, Workshops und Selbstmarketing einsetzen. Erkennbaren Nutzen anbieten und die Leitbildentwicklung vorantreiben – es zählen ausschließlich Kundenbedürfnisse: Maßgeschneiderter Content passend zur Marketing-Strategie in journalistischer Qualität. So lassen sich auch hohe Preise rechtfertigen.

Akquise – aber wie?

Hilfreiche Akquise-Tipps aus der Vogelperspektive geben der Fotograf Michael Omori Kirchner auf seiner Website https://fotografr.de oder auch die Plattform Photoshelter. Nicht zu vergessen die Business-Kanäle LinkedIn und Xing, über die Kontakte zu Artbuyern, Bildredakteuren und Marketingmanagern aufgebaut werden können. Kommerzielle Kunden finden Fotografen auch über die Portale ProductionParadise.com oder Gosee.de.

Bei all den möglichen Kanälen sollte man mit seiner Präsenz sehr wählerisch vorgehen – die beste Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit. Ein sorgfältiger Blick in das Portfolio des potenziellen Kunden und auf die dort gezeigten Referenzarbeiten, ein Abgleich mit der eigenen Außendarstellung, dann heißt es: Anrufen. Erfolg macht erfolgreich:“If you work hard, it´s impossible to fail!“

Zusatzeinnahmen sichern – Qualitätsjournalismus liefern

Zusätzliche Einnahmequellen sichern nicht nur die Existenz, sondern auch eine unabhängige Berichterstattung. Die NatGeo-Fotografin Ulla Lohmann betreibt hierzu eine Kombination aus Fotoreise, Workshop und Vortrag. Zusätzlich arbeitet sie für TV-Sender und Magazine, verfolgt eigene wissenschaftliche Themen. Sie weiß: „Man muss brennen für seine Story.“
Profi-Kletterer Stefan Glowacz – ein kleiner Blick über den Tellerrand – arbeitet seit vielen Jahren mit festen Sponsoren, die seine Expeditionen finanzieren. Zusätzlich hält er Motivationsvorträge, gründete eine eigene Klettermarke und ist seit 2014 auch Herausgeber des Bergmagazins „Allmountain“.  Eine schillernde Biografie, von der auch freie Bildjournalisten und Videographer lernen können. Zumal die Übergänge im Bereich Sport, Actionsport, Outdoor und Sponsoring beinahe fließend sind.

So setzen viele Outdoor Brands in der Werbung zunehmend auf ein redaktionelles Storytelling – Editorial Approach – statt auf verstaubte Pressemitteilungen und austauschbare Fotostrecken. Vorteil für Fotografen und Videofilmer: höheres Honorar für fast die gleiche Arbeit. Wer dann auch noch über eine stilsichere Schreibe verfügt, findet rasch bei den vielen Special-Interest-Magazinen ein zusätzliches Auskommen. Im Gegensatz zu Tageszeitungen liegen hier die Seitenhonorare noch in erfreulicher Höhe und viele Redaktionen sind für neue Vorschläge offen. Eine Win-win-Situation: Die Magazine erhalten Text und Bild aus einer Hand, während der Fotograf durch den zusätzlichen Text auch seine passenden Fotos verkaufen kann. Zitat Henri Nannen: „Sie müssen nicht nur gute Bilder machen, Sie müssen diese auch verkaufen können.“

Das Medium Video wird von vielen Fotografen immer noch unterschätzt, obwohl dessen Bedeutung – redaktionell und kommerziell – seit Jahren rasant wächst. Dabei werden die technischen Hürden immer geringer, ebenso die Anschaffungskosten für die Technik. Agenturen wie Framepool oder Transterra Media bieten z. B. auch Video Stock Footage und Raw Cuts an, die Kunden wie Werbeagenturen dann in ihre hausinternen Clips einbauen können. Wer sich mit der Postproduktion beschäftigt – Programme wie Premiere, Final Cut und After Effects – kann auch bei freien Werbeprojekten als Cutter anheuern.  Als Königsdisziplin gilt das Multimedia Storytelling, wie die Agentur Mediastorm immer wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt. Regelmäßig werden diese Clips von Medien wie der „New York Times“ veröffentlicht. Gründer Brian Storm: „Wir wollen nicht mehr Filme machen, wir wollen bessere Filme machen.“

Einen anderen Weg geht der „taz“-Journalist Martin Kaul. „taz-Kaul kriegt auf´s Maul und beendet Livestream-Projekt“, lautete seine Bilanz während des G20-Gipfels in Hamburg via Periscope. Mithilfe der App hatte er einen Handy-Livestream vom Gipfeltreffen gesendet, der eine beachtliche Aufmerksamkeit und Reichweite generierte. Auch das Portal Storyhunter experimentiert seit geraumer Zeit verstärkt mit Livestreaming. Nun weiß man bei neuen Plattformen zwar nie so genau, wo die Reise hingeht, aber ähnliche Experimente gab es seinerzeit auch bereits mit Instagram, Twitter und Co – heute allesamt etablierte Kanäle, auf denen Influencer mit großer Reichweite schwer umworben werden. Es gilt die Devise des berühmten US-Fotojournalisten Ed Kashi: „Ever inquisitive.“

Beinahe altmodisch ist dagegen ein Blog, auf das aber kein freier Journalist verzichten sollte. Vorteil: Das Geld liegt in der Liste, genauer gesagt: in der Abonnentenliste. Neben Arbeitsproben kann man hier auf Workshops, eigene Bildbände oder Dokumentarfilme aufmerksam machen. Mithilfe des Content-Management-Systems WordPress lassen sich auch hochwertige Shop-Plugins einbauen, über die Fotoleinwände, DVDs oder andere Gimmicks angeboten werden können. Viele Blogger bieten z. B. Workshops oder Dokumentarfilme zum Download gegen Gebühr an, wie man auf der Plattform Digistore24 beobachten kann. Und das Kieler Sailing-Journal hat via ISSUU ein kostenpflichtiges Blog-Abonnentenmodell geschaffen, von dem auch freie Bildjournalisten lernen können. Für hochwertige Inhalte, die nicht von der Stange sind, wird durchaus im Netz Geld bezahlt. Das gilt auch im Print für Selfpublishing-Produkte wie gut gemachte Bildbände, die man selber via Lightroom oder Indesign erstellen kann – Vertrieb u. a. über Blurb oder BoD. Der Anbieter Calvendo bietet Fotografen zudem die Möglichkeit, eigene Bilder als Fotokalender zu verkaufen.

Wenn andere ungebeten partizipieren …

Um das hauseigene Geschäftsmodell zu schützen, sollte auch das leidige Thema Bilderklau nicht ausgeklammert werden. Oft unterschätzt, aber der Schaden kann immens sein.

Einschlägige und seriöse Dienstleister bieten hier ihre Scan-Dienste gegen Erfolgsprovision an, sodass keine laufenden Kosten oder gar Vorkasse erforderlich sind. Und man wird sich wundern, wo die eigenen Fotos überall auftauchen – ohne jemals einen Cent Honorar erhalten zu haben.

Ein ernsthaftes Problem ist auch der sogenannte Lizenzinzest – die ewige Weiterverteilung von Bildern über eine Bildagentur an etliche „Partneragenturen“, sodass letztendlich keine Kontrolle mehr über Honorar und Bildrechte besteht. Der Sumpf kann sehr tief sein – einige Bildagenturen arbeiten ohne jede erkennbare Transparenz. Und letztendlich lässt sich das Urheberrecht dann nur durch eine teure Vorauszahlung der Anwalts- und Gerichtskosten durchsetzen.

Fazit

Auch heute noch kann man als Fotojournalist Geld verdienen. Gezieltes Selbstmarketing im Netz verhilft auch dazu, neue Geschäftsmodelle zu etablieren. „Flexibel sein“ lautet das Motto, über den Tellerrand hinausblicken – und aufpassen, dass die Bildrechte in der eigenen Hand bleiben. Wer kompetent Nischen ausfüllt, guten Service bietet und sich stetig weiterentwickelt, hat auch in der Zukunft gute Marktchancen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

FalbeDer Autor Ralf Falbe arbeitet als freier Bildjournalist, Videographer und Reporter. Veröffentlichungen u. a. in Stern, Sueddeutsche.de und Guardian. Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis Irland 2016 (Kategorie Online – Top 10), Bronze Winner International Photo Award IPA Philippines 2016 (Kategorie Kinder), Nominierung für den PR-Bild Award 2015 (Kategorie Tourismus, Freizeit, Sport). Mitglied beim DFJV, Nikon Professional Services NPS und der Fotoagentur Imagetrust. Weitere Informationen zu seiner Person unter www.ralffalbe.com.

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