RSS-Feed

Teil 2: Die wichtigsten urheberrechtlichen Schranken

Journalisten müssen die Schranken des Urheberrechts kennen, um bei der Nutzung von geschützten Werken die Grenzen des Erlaubten einzuhalten. Nur so lassen sich Abmahnungen vermeiden.

Das Urheberrecht bietet reichlich Stolperfallen, die Journalisten straucheln lassen. Die Schranken erlauben sonst verbotenes Verhalten. Aber nur, wenn sie genau eingehalten werden. Dieser zweite Teil des Beitrags zeigt unter anderem auf, welche Regelungen für die aktuelle Tagesberichterstattung inklusive der Nutzung von Bildern aus dem öffentlichen Raum oder für bestimmte Zweitverwertungen gelten. Das „unwesentliche Beiwerk“ wird zum Thema – und die Besonderheiten, die bei Zitaten beachtet werden müssen. Ganz wichtig ist auch die Klärung der Frage, ab wann eigentlich der Schutz urheberrechtlicher Werke endet.

„Pressespiegel“ und ähnliche Verwertungen fremder Medienbeiträge

Werden fremde Medienbeiträge übernommen, ist dies regelmäßig – und naheliegenderweise – eine Urheberrechtsverletzung. Fremde Medienbeiträge darf man sich in aller Regel nicht einfach – ohne eine Berechtigung vom Rechteinhaber zu erhalten – aneignen.

Unter bestimmten Umständen erlaubt § 49 UrhG jedoch solche Übernahmen – für tagesaktuelle Beiträge zu politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Fragen. Wochenzeitungen und Nachrichtenmagazine können unter diese Regelung fallen, Fachzeitschriften und andere Magazine, die nicht in erster Linie über aktuelle Tagesereignisse informieren, nicht; seltener erscheinende Periodika nach Auffassung des BGH nur dann, wenn es Spezialbereiche betrifft (BGH, Urt. v. 27.01.2005 – I ZR 119/02).

Allerdings sind solche Übernahmen nur dann erlaubt, wenn der Beitrag nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen ist – der Gesetzgeber erlaubt es jedem Medium, sich mittels Rechtevorbehalt vor solchen Übernahmen zu schützen.

Dass die Übernahme erlaubt ist, bedeutet nicht, dass sie gratis wäre. Bis auf kurze Auszüge in Form einer Übersicht ist sie vielmehr entgeltpflichtig, wobei die Vergütung nur durch eine Verwertungsgesellschaft (also für Texte beispielsweise VG Wort) geltend gemacht werden kann, nicht durch den Urheber direkt. Freier sind vermischte Nachrichten tatsächlichen Inhalts und Tagesneuigkeiten (§ 49 Abs. 2 UrhG).

Tagesberichterstattung

Die Berichterstattung über Tagesereignisse durch die Medien ist eine wichtige, durch die Medienfreiheiten auch verfassungsrechtlich geschützte Funktion. Wenn dabei urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar werden (z. B. ein Gemälde im Hintergrund eines Fernseh- oder Zeitungsbildes), stellt sich die Frage der urheberrechtlichen Erlaubnis.

Soweit die Nutzung lediglich in einem durch den Zweck gebotenen Umfang erfolgt, erlaubt § 50 UrhG diese Nutzung. Das bedeutet: Auch für die Berichterstattung gibt es keinen Freibrief, zugleich soll sie aber nicht unnötig am Urheberrecht scheitern. Der BGH betont, dass die Erlaubnis der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit diene, sie solle die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse auch in den Fällen, in denen eine rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung nicht möglich ist, erleichtern. Der BGH berücksichtigt dabei auch den Zeitdruck, unter dem eine aktuelle Berichterstattung steht (BGH, Urt. v. 27.03.2012 – KZR 108/10). Medien müssen daher vernünftig mit Urheberrechten umgehen: Nur soweit die Berichterstattung vernünftigerweise nicht ohne die Nutzung möglich ist, darf sie in diesem Rahmen erfolgen. Wenn ein Medium über ein Tagesereignis berichtet und ein Foto bringt, kann ein anderes – wenn alle Voraussetzungen des § 50 UrhG vorliegen – dieses Foto gegebenenfalls übernehmen (BGH, Urt. v. 11.07.2002 – I ZR 285/99).

Zitatrecht

Immer wieder missverstanden und dementsprechend falsch angewendet wird das Zitatrecht (§ 51 UrhG).
Im urheberrechtlichen Sinn ist ein Zitat eine Übernahme eines fremden Werkes. Zitiert werden kann aus allen Werkarten, also aus Sprach-, Lichtbild- und Filmwerken. Ist das Werk urheberrechtlich geschützt, bedarf die Übernahme einer Berechtigung, um keine Urheberrechtsverletzung darzustellen.

Da Zitate in manchen Fällen für eine Berichterstattung (und auch z. B. in der Wissenschaft) notwendig sind, erlaubt der Gesetzgeber sie in bestimmten Fällen auch ohne Erlaubnis des Rechteinhabers. Dafür genügt es aber – anders als viele Journalisten glauben – nicht, einfach das Zitat in Anführungszeichen zu setzen und die Quelle anzugeben.

Ein zulässiges Zitat darf in der Regel nur einen Teil eines Werkes („Stellen eines Werkes“) umfassen, kann aber in Ausnahmefällen auch das gesamte Werk einschließen (z. B. ein ganzes Foto oder einen ganzen Text).

Erlaubt ist ein Zitat nur, wenn das Werk, aus dem zitiert wird, bereits veröffentlicht ist und das Zitat „zum Zweck des Zitats“ erfolgt sowie „die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist“. Die Rechtsprechung legt besondere Bedeutung in den „Zitatzweck“: Zulässig ist ein Zitat danach nur, wenn das Zitat der geistigen Auseinandersetzung dient, und zwar als Beleg oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden. Der Zitierende soll sich nicht lediglich eigene Ausführungen ersparen. Es muss also eine innere Verbindung zwischen dem Zitierten und den eigenen Ausführungen des Zitierenden hergestellt werden (BGH, Urt. v. 29.04.2010 – I ZR 69/08). Übernimmt der Zitierende also beispielsweise einfach einen Absatz, um sich Arbeit zu ersparen – z. B. weil er meint, besser könne man das entsprechende Thema nicht beschreiben –, ist die Übernahme unzulässig. Übernimmt der Zitierende dagegen einen Absatz und erläutert  daran den Schreibstil des zitierten Autors, setzt er sich damit geistig auseinander und erfolgt das Zitat „zum Zweck des Zitats“.

Das Zitat darf jedoch nicht zu ausführlich sein – es muss sich auf das Notwendige beschränken, es darf nur so viel zitiert werden, wie zum Zitatzweck notwendig.

Ein Beispiel: Wenn ein Gedicht interpretiert werden soll, kann es in dem für die Interpretation notwendigen Umfang wiedergegeben werden – nicht jedoch in größerem Umfang, beispielsweise um es auf den Leser unkommentiert wirken zu lassen. Das unkommentierte „Wirkenlassen“ war Gegenstand der „TV-Total“-Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 20.12.2007 – I ZR 42/05), in der der BGH deutlich aufgezeigt hat, dass dies vom Zitatrecht nicht umfasst ist.

Unwesentliches Beiwerk

Fotos enthalten gelegentlich einen „Beifang“, z. B. ein urheberrechtlich geschütztes Werk. So können abgelichtete Politiker vor einem Gemälde stehen, dessen Schutzdauer noch nicht abgelaufen ist. Handelt es sich dabei nur um ein „unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand“, sieht § 57 UrhG hierfür ausnahmsweise eine Erlaubnis vor. „Unwesentliches Beiwerk“ ist der Gegenstand natürlich nicht, wenn es in Wirklichkeit genau darum geht. Anders als immer wieder kolportiert wird, hilft es also nicht, schlicht einige Personen links und rechts vom urheberrechtlich geschützten Gegenstand zu positionieren. Es kommt dabei auch nicht etwa auf die Anzahl von Personen an, um einem weiteren Mythus entgegenzuwirken. Entscheidend ist der Gesamteindruck, der entsteht – was sich besonders in den Vordergrund drängt, was das Bild prägt, kann nicht „unwesentliches Beiwerk“ sein.

Gebäude und andere Werke in der Öffentlichkeit

Werke, die sich nicht nur vorübergehend an öffentlichen Straßen und Plätzen befinden, dürfen durch Fotos vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden, das erlaubt § 59 UrhG. Das betrifft z.B. Gebäudefassaden, Denkmäler und andere Gegenstände in der Öffentlichkeit. Solche können durchaus urheberrechtlich geschützt sein (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG). Das Fotografieren beispielsweise ist dann eine urheberrechtlich erhebliche Handlung, ebenso wie der Abdruck in einem Medium oder die Veröffentlichung im Internet.

Oft sind Gebäude in der Berichterstattung als „Beiwerk“ anzutreffen, dann greift schon die Schranke des § 57 UrhG. § 59 UrhG erlaubt darüber hinaus eine noch weitergehende journalistische Nutzung, nämlich eine Abbildung sogar als „Hauptwerk“. Journalisten dürfen daher auch Beiträge fertigen, die solche Werke aus der Perspektive eines Passanten wiedergeben – erlaubt ist ein Foto vom Gehweg aus, nicht jedoch aus einem Straßenbaum oder aus dem Nachbarhaus. Nur die „normale“ Ansicht ist öffentlich und nur insofern entfällt der urheberrechtliche Schutz.

Nur dauerhaft für die Öffentlichkeit bestimmte Werke können für die Berichterstattung genutzt werden, das Werk darf sich nicht nur vorübergehend in der Öffentlichkeit befinden. Ist ein Kunstwerk dauerhaft in die Öffentlichkeit gesetzt, unterfällt es der Schranke – beispielsweise ein Graffito. Anders, wenn das Kunstwerk nur vorübergehend öffentlich ausgestellt wird – wie es bei der Verhüllung des Reichstages (Kunstprojekt „Verhüllter Reichstag“ von Christo und Jeanne-Claude) für zwei Wochen der Fall war (BGH, Urt. v. 24.01.2002 – I ZR 102/99). Der verhüllte Reichstag war damit urheberrechtlich geschützt.

Fahndungsfotos

Fahndungsfotos dürfen Gerichte und Behörden auch durch die Medien vervielfältigen und verbreiten sowie online stellen lassen (§ 45 UrhG). Ohne diese Berechtigung läge in der Regel die rechtswidrige Nutzung eines Lichtbildes bzw. Lichtbildwerkes vor. Der Berechtigte an dem Bild kann diese Nutzung nicht untersagen.

Zeitliche Grenze des Urheberrechts

Das Urheberrecht ist nicht endlos – es erlischt im Normalfall 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers (§ 64 UrhG). Bei mehreren Urhebern kommt es in der Regel auf den Längstlebenden an (vgl. § 65 UrhG). Bei anonymen oder pseudonymen Werken gelten Besonderheiten (vgl. § 66 UrhG), ebenso bei Werken, die mit Fortsetzungen geliefert werden (vgl. § 67 UrhG).

Auch bei der Berechnung dieser Frist sieht das Gesetz eine Besonderheit vor: Sie beginnt nicht bereits am Tag des Todes des Urhebers, sondern erst mit Ablauf des Todesjahres (bzw. entsprechend bei den abweichenden Fristen) (§ 69 UrhG). Das Werk eines im Laufe des Jahres 1944 verstorbenen Urhebers wird also zum 01.01.2015 frei – nicht etwa schon am 70sten Todestag im Jahre 2014.

Da das Urheberrecht erlischt, bestehen keinerlei Urheberrechte mehr an dem Werk. Deswegen können beispielsweise Werke von Goethe und Schiller beliebig genutzt werden.

Zusammenfassung

Der Beitrag zeigt die Bedeutung des Urheberrechts für Journalisten auf – nicht nur, wie im Falle einer Abmahnung zu verfahren ist, sondern auch, was überhaupt dem Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz unterfällt, wieso dieser Schutz gewissen Schranken ausgesetzt ist und wie Journalisten sich diese Schranken zunutze machen können. Einzelne besonders wichtige Schranken behandelt der zweite Teil des Beitrags ausführlicher.

Der DFJV hilft seinen Mitgliedern auch beim Thema Urheberrecht durch eine kostenfreie, individuelle und zügige Rechtsberatung (Erstberatung). Aktuelle Entwicklungen der oft sehr schnelllebigen Themen werden in Rechts-News dargestellt.

Zum ersten Teil des Beitrags gelangen Sie hier.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Frank C. BiethahnDer Autor Frank C. Biethahn ist Inhaber einer u. a. auf Urheber- und Medienangelegenheiten spezialisierten Kanzlei bei Hamburg. Er ist bundesweit tätig. Als Vertragsanwalt des DFJV ist er für die Mitglieder-Rechtsberatung zuständig, zudem ist er Lehrbeauftragter an Hochschulen in Hamburg.

Kommentare sind geschlossen.