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Vorsicht Fake: Wie man Falschmeldungen im Netz enttarnt

Falsche Prominenten-Accounts, gefälschte Krisenpropaganda und manipulierte Bilder machen im Netz immer wieder die Runde. Gerade im Onlinejournalismus, wo Schnelligkeit Trumpf ist, gilt es daher, genau und sorgfältig zu arbeiten. Im Folgenden erhalten Sie einige praktische Tipps, wie Sie Fakes am besten enttarnen.

Pro Minute werden 300 Stunden Videomaterial auf YouTube hochgeladen. Dazu kommen Hunderttausende Fotos, Tweets, Facebook-Posts und Tausende Blogposts. Alles pro Minute. Wie das Universum dehnt sich auch die Content-Galaxie beständig aus. Natürlich ist nur ein kleiner Bruchteil davon für die journalistische Berichterstattung relevant. Aber dieser kleine Teil will gut geprüft sein. Der Journalismus hat im Digitalzeitalter seine Schlagzahl rapide erhöht, wie die Flut an Live-Tickern, Live-Blogs oder Live-Streams zeigt.

Mit der Schnelligkeit der Publikation steigt aber auch die Fehleranfälligkeit. Es gibt genügend Beispiele von Fälschungen bzw. Hacks oder falschen Verdächtigungen, wie jüngst im Fall des Piloten Andreas L., als einige Medien das Foto eines gleichnamigen, aber völlig unbeteiligten Mannes, veröffentlichten, zum Teil sogar unverpixelt. Um so mehr gilt für Journalismus im Netz der alte Grundsatz der Nachrichtenagenturen: „It’s good to be first, but first you have to be right.“

Die journalistische Sorgfaltspflicht ist besonders wichtig, um nicht auf Fälschungen hereinzufallen. Doch welche Arten von Fälschungen spielen im Journalismus eigentlich eine Rolle? Grundsätzlich kann zwischen falschen Identitäten und falschen Inhalten unterschieden werden.

Falsche Identitäten

Sieht offiziell aus, ist es aber nicht: Eines der zahlreichen falschen Merkel-Profile auf Twitter.

Sieht offiziell aus, ist es aber nicht: Eines der zahlreichen falschen Merkel-Profile auf Twitter.

Im Netz, speziell auf sozialen Netzwerken, ist es ein Kinderspiel, sich als jemand auszugeben, der man nicht ist. Ein Foto ist schnell geklaut, der Nutzername auch, fertig ist der Fake-Account. Gerade bei prominenten Personen ist das häufig der Fall. So gibt es auf Twitter mehr als hundert Angela Merkels, aber keine einzige davon ist die echte.

Mehr als ein Jahr lang betrieben die Blogger von metronaut.de den Twitter-Account @muentefering und gaben sich als damaliger SPD-Vorsitzender Franz Müntefering aus. Immer wieder übernahmen Medien Tweets des Fake-Accounts in ihre Berichterstattung – zuletzt bei der Rücktritts-Ankündigung Münteferings, die @muentefering noch vor der offiziellen Rücktrittserklärung des richtigen Franz Müntefering veröffentlichte. Aufklärung hätte jederzeit eine so simple wie selbstverständliche Recherchenmethode bringen können: Ein Anruf bei der SPD-Zentrale oder noch besser im Büro von Franz Müntefering. Das klassische Zwei-Quellen-Prinzip (zwei voneinander unabhängige Quellen verbreiten sinngemäß die gleiche Information) hat auch im Onlinejournalismus nichts von seiner Wichtigkeit verloren.

Um diesem Missbrauch vorzubeugen, haben Facebook und Twitter so genannte verifizierte Accounts eingeführt: An einem weißen Haken auf blauem Grund ist erkennbar, dass es sich tatsächlich um den Account der prominenten Person oder Institution handelt. Die Netzwerke haben in diesem Fall selbst die Identität überprüft. Leider lässt sich das nicht beantragen, Facebook und Twitter machen das nach eigenem Gutdünken. Wenn dieser weiße Haken fehlt, heißt das aber noch nicht automatisch, dass es sich um ein Fake-Profil handelt. Es gibt auch echte Profile, die eben noch nicht von den Netzwerken verifiziert wurden. Manchmal kann eine einfache Google-Suche nach Berichten über einen Fake-Account schon helfen. Doch es gibt noch weitere Wege, Original und Kopie voneinander zu unterscheiden:

  • Der Nutzername kann ein erstes Indiz liefern: Wenn er erkennbar ironisch ist oder eine hohe Zahl wie „Angela Merkel 23“ hat, ist oft schon klar, dass hier ein Spaßvogel am Werk ist.
  • Das gleiche gilt für unvorteilhafte Profilfotos. Die PR-Berater von Promis achten immer darauf, dass die (Profil-) Fotos ansehnlich und gut – sprich: professionell – inszeniert sind.
  • Die Selbstbeschreibung eines Profils kann verräterisch sein, aber auch ganz sachlich.

Selbst der Link entlarvt einen Fake-Account noch nicht eindeutig. Ein falscher Account kann ja immer noch den Link zur richtigen Webseite setzen. Hier lohnt der umgekehrte Check: Gibt es auf der Webseite von www.bundesregierung.de einen Link zum entsprechenden Social-Media-Profil? Aber selbst eine Webseite kann man fälschen. Falls es hier Zweifel gibt, lohnt eine „Who-Is“-Abfrage, d.h. eine Auskunft, wer eine Webseite registriert hat. Für .de-Domains ist www.denic.de zuständig. Für andere Domains gibt es internationale Who-Is-Anbieter wie www.whois.net. „Who-Is“-Abfragen sind besonders sinnvoll bei Top-Level-Domains, die keinerlei Rückschlüsse auf das Ursprungsland zulassen wie etwa .com.

Solche Anfragen lohnen vor allem dann, wenn die Webadresse bzw. die Top-Level-Domain verdächtig ist. Wenn etwa eine Seite über deutsche Waffen in Mittelamerika gehostet ist, wirft das Fragen auf. Ein prominentes Beispiel ist die Emotions-Nachrichtenseite www.heftig.co. .co ist zwar die TLD für Kolumbien, kann jedoch auch für kommerzielle internationale Seiten genutzt werden – wie im Falle von heftig.co. Hier kam erst nach wochenlanger Recherche heraus, dass zwei Deutsche hinter der urheberrechtlich problematischen Seite stecken.

Falsche Inhalte

Es gibt natürlich auch Fälle, in denen nicht die Prominenz des Absenders im Mittelpunkt steht, sondern der Inhalt brisant oder interessant ist. Wie erkenne ich nun, ob der Absender eine vertrauenswürdige Quelle ist und die Inhalte stimmen? Auch hier lohnt ein Blick auf die Profilinformationen.

Jede weitere Information über den Absender ist wertvoll:

  • Hat er eine eigene Webseite, ein Blog, Profile in sozialen Netzwerken?
  • Wer steht dort jeweils im Impressum?
  • Steckt eine Organisation oder eine Lobby dahinter? Wenn ja, welche?
  • Geben diese Präsenzen ein stimmiges Gesamtbild, sprich: Ist ein inhaltlicher Schwerpunkt und eventuell eine Expertise erkennbar?

Wenn ein Post nach einer Breaking News klingt, thematisch aber gar nichts mit dem sonstigen Schwerpunkten zu tun hat, ist Vorsicht geboten. Das Gleiche gilt, wenn ein Profil sehr jung ist und gleich mit Insider-Informationen aufwartet. Hier liegt der Verdacht nahe, dass das Profil eigens geschaffen wurde, um Falschinformationen zu verbreiten. Zum Beispiel im November 2014, als auf Twitter der Account @insideFerrari twitterte: „We are proud to welcome Sebastian Vettel as a member of the Ferrari family #forzaferrari“. Da als Klarname „Scuderia Ferrari“ (so heißt der Rennstall tatsächlich) und das richtige Logo angegeben waren, fielen viele Medien auf diesen Fake-Tweet herein. Zwar wechselte Vettel später tatsächlich zu Ferrari, aber eben noch nicht am 19. November 2014. Dass es sich bei @insideFerrari um einen Fake-Account handelt, hätte man leicht erkennen können: Zum einen fehlte der weiße Haken auf blauem Grund, zum anderen hatte der Account nur etwa 30 Follower.

Aufschlussreich kann ein Blick auf die Gefolgschaft des Accounts im jeweiligen sozialen Netzwerk sein. Hat er sehr viele oder sehr wenige Follower? Noch wichtiger: Folgen ihm bekannte und verifizierte Accounts? Natürlich ist das keine Garantie, aber es ist doch unwahrscheinlich, dass gleich mehrere arrivierte Accounts einem unseriösen Account folgen.

Manche Menschen nutzen bei Ihren Post die Geolokalisierungs-Funktion, das heißt, es ist sichtbar, von wo der Post abgesetzt wurde. Wenn nun jemand in einem Tweet behauptet, er sei Augenzeuge einer Demonstration in Köln gewesen, der Tweet aber aus Dresden kommt, kann was nicht stimmen. Auch über Angaben zur (Uhr-) Zeit und zum Wetter kann man gegebenenfalls auf Ungereimtheiten stoßen.

Gefälschte Bilder und Videos

Bilder und Videos haben eine hohe Beweiskraft – ist zumindest eine landläufige Meinung. Doch auch Bilder können leicht manipuliert werden. Schon Josef Stalin ließ seinen Rivalen Leo Trotzki aus Bildern wegretuschieren. Im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung gibt es noch ungleich mehr Möglichkeiten. Wir können hier nicht in die Foto- und Videoforensik einsteigen, in der Regel wird man nach Manipulationsspuren suchen wie etwa Verpixelungen, Retuschierungen, unnatürlich wirkende Schnitte oder Licht-Schatten-Ungereimtheiten.

Manchmal kommt es vor, dass zwar Fotos und Videos echt sind, aber an einen anderen Ort oder in einen anderen Zusammenhang verlagert werden. Im vergangenen Jahr veröffentlichten pro-russische Separatisten aus der ukrainischen Donbass-Region das Foto eines weinenden Mädchens, das vor einer verletzten, möglicherweise toten, Frau liegt. Titel: „Stop killing Donbass people“. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Foto aus dem Spielfilm „Sturm auf Festung Brest“ stammte. Wenn man bei solchen Bildern Zweifel hat, empfiehlt sich eine umgekehrte Bildersuche, mit der sich ermitteln lässt, wer ein bestimmtes Bild zuerst hochgeladen hat. Tools hierfür sind Google Reverse Image Search oder Tin Eye.

Es kann jedoch auch passieren, dass ein richtiger Account eine gefälschte Meldung absetzt – falls er gehackt wurde. Das ist einmal der Nachrichtenagentur AP passiert. Der offizielle Twitter-Account @AP schrieb im März 2013: „Breaking: Two Explosions in the White House and Barack Obama is injured“. Die Falschmeldung sorgte für einen Kurssturz des Dow Jones, ehe AP innerhalb von Minuten klarstellte, dass der eigene Twitter-Account gehackt worden war. Auch das Weiße Haus dementierte umgehend.

Im Zweifelsfall sollte man immer versuchen, Kontakt zum Urheber der fraglichen Information aufzunehmen. Wenn ein Anruf nicht möglich ist, weil sich keine Telefonnummer recherchieren lässt, sollte man den Urheber direkt im Netzwerk ansprechen oder eine Mail mit der Bitte um Kontaktaufnahme oder Übermittlung einer Telefonnummer schicken. Je nach Standort von Urheber und Journalist ist unter Umständen sogar eine persönliche Begegnung denkbar. Falls das alles nichts fruchtet, gilt: Lieber die Finger davon lassen und nicht darüber berichten.

Fazit: Journalistische Sorgfaltspflicht wichtiger denn je

Das Internet ist ein gigantischer Fundus für wertvolle Informationen. Allerdings werden immer wieder falsche oder irreführende Informationen in diesen Fundus geschmuggelt. Deshalb ist bei der Recherche im Netz die journalistische Sorgfaltspflicht so wichtig wie nie zuvor. Man kann es vermeiden, falschen Identitäten aufzusitzen, wenn man die Herkunft des Profils hinterfragt und mit anderen Web-Profilen vergleicht. Im Zweifelsfall ist das gute alte Telefon der wichtigste Verbündete beim Überprüfen von sonderbar anmutenden Informationen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Foto: Andreas Unger

Foto: Andreas Unger

Der Autor Bernd Oswald ist freier Medienjournalist, Trainer und Trendscout im digitalen Journalismus. Er glaubt an die Macht der Daten für aussagekräftige Geschichten und eine transparentere Gesellschaft. Deswegen engagiert er sich bei Code for München und hat die Datenjournalismus-Mailingliste www.ddjdach.de mit ins Leben gerufen. Darüber hinaus zählt er zu den Gründern von Hacks/Hackers München, wo Journalisten und Programmierer neue Formate diskutieren und konzipieren. Zu diesen Themen twittert er als @berndoswald und bloggt auf www.journalisten-training.de.

Kommentare
  1. Clemens Lotze sagt:

    Nicht vergessen darf man den Grundsatz: „Traue niemals Wikipedia!“.
    In diesem Zusammenhang sei an den Fall „von Guttenberg“ erinnert, bei dem ein gewitzter Mitschreiber an der „Enzyklopädie“ kurzfristig dem Minister einen weiteren Vornamen verpasste, um – erfolgreich – auf den mangelnden Recherche-Ethos der deutschen Medien hinzuweisen.
    Dieses Eigentor der Presse brachte den damaligen Minister im Zusammenhang mit den Plagiatsvorwürfen erst einmal in Führung und einigen Presseorganen ein bis heute gebliebenes Misstrauen.

  2. Ähm … das Foto des weinenden Mädchens, das vor seiner toten Muter sitzt, die von ukrainischen Soldaten getötet worden sein soll, stammt nicht aus dem syrischen Bürgerkrieg. Tatsächlich wurde das Bild 2010 bei den Dreharbeiten für den Kriegsfilm «Brestskaja krepost» («Sturm auf Festung Brest») fotografiert.

    Siehe http://www.watson.ch/J%C3%BCrg+Vollmer/articles/332133461-So-arbeitet-das-geheime-Netzwerk-der-Russland-Propaganda

    • admin sagt:

      Hallo Herr Vollmer,

      vielen Dank für den Hinweis. Wir haben die Sache überprüft und sind zu der gleichen Erkenntnis gekommen: Das besagte Foto stammt tatsächlich nicht aus dem syrischen Bürgerkrieg, sondern – wie Sie richtig anmerken – aus dem russisch-weißrussischen Film „Sturm auf Festung Brest“ aus dem Jahr 2010. Wir haben das im Text inzwischen geändert.

      Felix Fischaleck, Chefredakteur Fachjournalist