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Buchrezension von „Reportage und Feature“: Sendung mit der Maus als Vorbild

„Reportage und Feature“ lautet der Titel eines vor Kurzem erschienenen Werks in der Reihe „Praktischer Journalismus“ des UVK-Verlags. Darin bieten die beiden Autoren Peter Linden und Christian Bleher eine lesenswerte Einführung in diese beiden journalistischen Darstellungsformen.

Reportage und Feature sind keine einheitlich verwendeten Begriffe: In der einen Zeitung dient das Feature als Oberbegriff für Hintergrundartikel und längere Reportagen, in der anderen stehen Reportage und Feature nebeneinander, ohne dass klare redaktionsinterne Definitionen und Vorgehensweisen für die Darstellungsformen vorhanden sind. Klar ist einzig, dass Reportage und Feature erzählerisch und unterhaltsam daherkommen sollen, im Gegensatz zum sachlichen, aktuellen Bericht.

Zur Relevanz von Reportage und Feature

„Die Zukunft liegt im erzählerischen Journalismus“, heißt es zu Beginn des Buches. Begründet wird dies unter anderem mit der Leserforschung, die zeige, „dass Leser Texte, die das Kino im Kopf in Gang setzen, häufiger und ausführlicher lesen als andere Texte“. Insofern erscheint es logisch, dass Journalisten mit den erzählerischen Formen Reportage und Feature vertraut sein müssen. Die Personalisierung im Journalismus und der Trend zum Storytelling dürften dazu beitragen, dass beide Darstellungsformen weiter an Bedeutung gewinnen.

Die beiden Autoren, früher Redakteure bei der „Süddeutschen Zeitung“ und mittlerweile Journalistik-Dozenten, erläutern in ihren Texten (Linden: Reportage; Bleher: Feature) zunächst, welche Themen sich überhaupt für die jeweilige Darstellungsform eignen, um dann Tipps für die verschiedenen Recherchewege und das Schreiben einer Geschichte zu geben. Abschließend stellen sie in Textanalysen besonders gelungene Reportagen bzw. Features und ihre Charakteristika vor.

Reportage: Mensch im Vordergrund

Für Linden ist die Reportage „eine Art Filmen mit Wörtern“, wie er in der Einleitung festhält. Dabei stehen das Handeln von Personen und ihre Motive oder gar der „Einblick in das Wesen eines Menschen“ im Mittelpunkt, also Prozesse und nicht Nachrichtenereignisse. Der „Autor einer Reportage pendelt unaufhörlich zwischen dem Erzählmodus und dem Erklärmodus, er stellt einerseits die größtmögliche Nähe zu einem Geschehen her, um es doch im geeigneten Moment aus angemessener Distanz einzuordnen.“

Die Reportage kann ein Porträt sein, aber auch ein übergeordnetes Thema aufgreifen. Als Reportage-Sonderfall beleuchtet Linden sogar die Homestory, die die Gefahr in sich birgt, einer gut geplanten Inszenierung zu erliegen. Wichtig bei einer Reportage sind der „rote Faden“ und der dramaturgische Plot, der sie vom Anfang bis zum Ende durchzieht (beispielsweise detektivische Rekonstruktion, zwei Handlungsstränge, mehrere Protagonisten).

Feature: Sachverhalt im Vordergrund

Bleher greift bei der Erklärung der Darstellungsform „Feature“ auf eine Definition von Journalismus-Lehrer Walther von La Roche zurück: „Ein Feature soll wesentliche Punkte eines Sachverhaltes zwar mit den Stilmitteln der Reportage skizzieren, zugleich aber auch durch Erläuterung von Hintergründen und Zusammenhängen mehr sein als ein Dokument, nämlich eine zeitgeschichtliche Dokumentation.“ Es geht im Feature immer um „viele Menschen, die von einem Trend, einem Phänomen betroffen sind“. Bleher unterscheidet weiter zwischen Erklär-, Trend- und Thesen-Feature.

Die meisten Features illustrieren Sachverhalte anhand von Personen, die echte oder fiktionale Person, statistischer Durchschnittstyp, Ich-Erzähler sein können. Sie sind Fallbeispiele für statistische Aussagen, prognostizierte Entwicklungen und „gefühlte“ Trends. Das Feature ist auf der Erklärebene eine Art „Sendung mit der Maus“; die Themen sind oft vielschichtig und schwer vermittelbar. Hier ist Vorsicht geboten: Man muss als Autor erst selbst alles ganz genau verstehen, bevor man es erklären kann; ehe man Betroffene, Experten, verlässliche Quellen zu Wort kommen lässt und Brücken zwischen Personen und Sachverhalt baut. Und aufgepasst: Manche Trends sind nur heiße Luft aus PR-Abteilungen.

Fazit und Kritik

Ohne Zweifel erreichen die Autoren ihr Ziel einer verständlichen und nachvollziehbaren Einführung in die journalistischen Erzählformen. Vielleicht wären aber zur besseren Übersicht zusammenfassende Tipps am Ende der jeweiligen Kapitel angebracht, so wäre der Band auch ein schnelles Nachschlagewerk. Als Vorbild könnte die schöne tabellarische Darstellung in der Einleitung dienen, in der die Autoren übersichtlich Bericht (Informieren), Feature (Verallgemeinern) und Reportage (Miterleben lassen) mit ihren jeweiligen Merkmalen gegenüberstellen.

Vermisst wird ein Kapitel, das sich kritisch mit den Darstellungsformen auseinandersetzt. Etwa bei der Porträt-Reportage: Vergleicht man die eine oder andere ältere Reportage mit heutigen Skandalen, fragt man sich, ob nicht viele Reportage-Autoren Parallelwelten von Lichtgestalten wie Beckenbauer, Hoeneß und Platini (um den aktuellen Sport als Beispiel zu nehmen) ausgeklammert haben. Viele Porträt-Reportagen tun aber so, als ob der Autor den Beschriebenen durchleuchtet hätte. Vielleicht müssen Autoren hier und da auch ihr Nichtwissen eingestehen.

Bleher-Reportage-9783867644761.inddAutor: Christian Bleher/Peter Linden

Titel: Reportage und Feature

Preis: EUR 24,99

Umfang: 226 Seiten

Erscheinungsjahr: 10/2015, 1. Auflage

Verlag: UVK Verlagsgesellschaft

ISBN: 978-3-86764-476-1

 

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Manfred_WeiseDer Rezensent Manfred Weise, geboren 1955, ist Soziologe und Politikwissenschaftler. Er lebt in der Schweiz  und arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen wie die „Neue Zürcher Zeitung“ und das „St. Galler Tagblatt“. Als Fachjournalist ist er auf die Bereiche IT, Telekommunikation und Sport spezialisiert.

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