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Geldentschädigung – (k)eine ernste Gefahr für Journalisten?

Wenn ein Medium einen Fehler macht, gibt es eine hohe Geldentschädigung für das Opfer – das ist ein weit verbreiteter Irrtum. In den meisten Fällen gibt es gar keine Geldentschädigung, und wenn doch, erreicht diese bei weitem nicht die Höhen, die in anderen Rechtsordnungen – man denke nur an die USA – möglich sind. Jedoch ist die Androhung hoher Entschädigungsforderungen gegenüber Journalisten durchaus geeignet, diese einzuschüchtern. Mitunter führt sie sogar dazu, dass Journalisten Abstand von der Berichterstattung nehmen. Besonders „gefährdet“ sind freie Journalisten, die keine Institution wie eine Redaktion hinter sich haben, welche ihnen vielleicht den Rücken stärkt. Der vorliegende Beitrag soll deshalb etwas Licht ins Dunkel in Sachen Geldentschädigung bringen und über die tatsächliche Rechtslage aufklären.

Vorab: Normale Rechtsverletzungen sind nicht genügend „schwer“ für Geldentschädigungsansprüche. Nur schwerere Rechtsverletzungen führen zur Geldentschädigung.

Geldentschädigung und Schadensersatz

Wer mit der Materie nicht vertraut ist, verwechselt oft Geldentschädigungs- und Schadensersatzanspruch.

Der Geldentschädigungsanspruch richtet sich – wie schon der Name sagt – stets auf eine Entschädigung in Geld und ist ein Ausnahmefall, während der Schadensersatzanspruch ein regulärer Anspruch ist und auch zu ganz anderen Folgen als zu einer Geldzahlung führen kann.

Schadensersatz ist der Idee nach eigentlich auf „Naturalrestitution“ gerichtet, also darauf, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Diese Naturalrestitution hat auch Folgen für den Medienbereich: Darüber kann nämlich eine Art „Berichtigung einer Meinungsäußerung“ erreicht werden, und das, obwohl der normale Berichtigungsanspruch gerade nicht für Meinungsäußerungen greift (s. Berichtigungsanspruch). Der BGH hat ausnahmsweise einen Anspruch auf Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gegen eine Meinungsäußerung in einer Zeitung zuerkannt, wenn:

  • die Meinungsäußerung unzulässig war
  • sie öffentlich erfolgte
  • die Folgen der Äußerung noch anhalten und
  • es der Veröffentlichung der Erklärung bedarf, um den Folgen entgegenzuwirken.

Das alles kann bei einer Medienpublikation durchaus der Fall sein.

Nicht nur die Rechtsfolge, auch die Voraussetzungen von Geldentschädigung und Schadensersatz sind unterschiedlich. Schadensersatz kann beim Vorliegen einer entsprechenden Anspruchsgrundlage verlangt werden (vgl. z.B. § 823 BGB oder § 826 BGB). Für Geldentschädigung gelten besondere Voraussetzungen.

Zwei Voraussetzungen für den Geldentschädigungsanspruch

Die höchstrichterliche Rechtsprechung gewährt Geldentschädigung nur als Ultima Ratio, nur für besonders schwerwiegende Fälle, in denen es keine ausreichende andere Alternative gibt.
Der Geldentschädigungsanspruch soll dabei der Genugtuung und Prävention dienen – also begangenes Unrecht teilweise kompensieren und für die Zukunft solches vermeiden helfen.

a) Schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Nicht jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann genügen, es muss sich um eine schwerwiegende handeln. Wann das vorliegt, beurteilt der BGH „aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles“, d. h. er billigt sich einen großen Entscheidungsspielraum zu, sodass seine Entscheidungen nur sehr bedingt vorhersehbar sind. Allerdings hat er in seinen Entscheidungen bestimmte Kriterien angeführt, die zumindest eine gewisse Orientierung ermöglichen. Klar ist, dass alltägliche Rechtsverletzungen nicht gleich zur Geldentschädigung führen.

Die Schwere der Rechtsverletzung soll sich insbesondere an folgenden Punkten bemessen:

Welche Bedeutung und Tragweite hat das rechtsverletzende Verhalten? Je weitergehender Bedeutung und Tragweite sind, desto schwerer ist die Rechtsverletzung. Entscheidend ist also, wie sich die Verletzung auf das Opfer auswirkt.

Welchen Anlass und Beweggrund hatte der Äußernde? Welcher Verschuldensgrad trifft ihn? Bewusst bösartige Äußerungen werden eher schwerwiegend sein als solche, die ein zu billigendes Motiv verfolgten. Geht es einem Medium nur um Schmähung, spricht das für die Schwere, geht es ihm um Aufklärung und die Erfüllung der pressemäßigen Aufgaben, auch wenn dies für den Betroffenen unangenehm ist, spricht das gegen eine Schwere. Im letzteren Fall wird die Äußerung aber oft schon gar keine Rechtsverletzung sein – damit erst recht keine schwerwiegende.

b) Keine anderweitige ausreichende Lösung
Geldentschädigungsansprüche sollen nach dem BGH die Ausnahme bleiben. Kann die Rechtsverletzung auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden, bedarf es der Geldentschädigung nicht. Nur wenn dem Betroffenen „gerechterweise eine Genugtuung in Geld zuzusprechen ist“, kommt Geldentschädigung in Betracht. Ist der Rechtsverletzer zur Unterlassung verurteilt, bedarf es daher mitunter keiner Geldentschädigung mehr.

Dass hohe Anforderungen an den Geldentschädigungsanspruch zu stellen sind, hat der BGH jüngst – am Ende seines Urteils vom 21.04.2015 – VI ZR 245/14 – nochmals klargestellt.

Geldentschädigung für prozessuale Äußerungen

Journalisten können – wie jeder Bürger – verklagt werden und müssen dann ggf. ihr angegriffenes Verhalten verteidigen. Vor Gericht darf man sich dabei freier äußern als außerhalb. Jeder soll die Möglichkeit haben, seine Interessen vor Gericht unbefangen wahrnehmen zu können und sich nicht aus Angst vor Rechtsverfolgung unnötig beschränken müssen. Deswegen sind solche Äußerungen in aller Regel keine Rechtsverletzung, sodass es auch keine Geldentschädigung gibt.

Manche versuchen es allerdings trotzdem. So musste das Landgericht Darmstadt (23 O 171/14) im vergangenen Jahr genau einen solchen Fall entscheiden: Eine Webforum-Betreiberin wehrte sich prozessual gegen einen deftigen NS-Vergleich, die Beklagte dieses Prozesses versuchte dann, den Prozess zu manipulieren, indem sie der Klägerin bestimmte Formulierungen untersagen und Geldentschädigung auferlegen lassen wollte.

Höhe der Geldentschädigung

Wenn die Voraussetzungen für eine Geldentschädigung vorliegen, muss das Gericht bemessen, welcher Betrag unter den Umständen des konkreten Einzelfalls zum Ausgleich erforderlich ist. Dabei hat das Gericht zwangsläufig einen größeren Spielraum. Dementsprechend breit gefächert sind auch die Beträge, die Gerichte bisher zugesprochen haben. Für den gleichen Sachverhalt können verschiedene Gerichte zu völlig verschiedenen Ergebnissen gelangen.

Geldentschädigung im Urheberrecht

Eine Geldentschädigung gibt es übrigens auch im Urheberrecht: § 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG. Das Gesetz gewährt diesen Anspruch, wenn dies der „Billigkeit entspricht“. Der BGH stellt dabei die gleichen Anforderungen wie zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 – I ZR 148/13 – Motorradteile, Rn. 38).

Fazit

Das Thema Geldentschädigung ist also ernst zu nehmen, aber für den sorgfältig arbeitenden Journalisten keine ernste Gefahr. Nur bei schwerwiegenden Rechtsverletzungen droht Ungemach.

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Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Frank C. BiethahnDer Autor Frank C. Biethahn ist Inhaber einer u. a. auf Urheber- und Medienangelegenheiten spezialisierten Kanzlei bei Hamburg. Er ist bundesweit tätig. Als Vertragsanwalt des DFJV ist er für die Mitglieder-Rechtsberatung zuständig, zudem ist er Lehrbeauftragter an Hochschulen in Hamburg.

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