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Gute Texte gestalten: Leichter schreiben durch Schreibphasen

Nicht immer geht das Schreiben leicht von der Hand – und auch Textprofis profitieren von Strategien, die ihnen die Arbeit an ihren Texten erleichtern. Die Schreibmentorin Anke Ernst zeigt Ihnen in diesem Auszug aus ihrem Buch Einfach können – Gute Texte (2024), wie Sie sich das Schreiben erleichtern können, indem Sie Phasen einplanen und in Etappen schreiben.

Je inspirierender Sie Ihren Schreibprozess gestalten, desto öfter schreiben Sie. Effizienter und besser geht es, wenn Sie die Schreibphasen als unabhängige To-dos planen. So erstarren Sie nicht vor dem großen Textberg, sondern können ihn in angenehmen Etappen erklimmen. Ein weiterer Vorteil: Indem Sie mit frischem Geist in die jeweilige Phase starten, geben Sie sich den nötigen Abstand und Ihrem Text Zeit zum Reifen.

Legen Sie die Grundlage: Das Konzept

Sie können für die Konzeption zunächst die Fragen aus Kapitel II (4 Fragen zum Schreibstart, Seite 17) beantworten? Zur Erinnerung:

1. Wen soll Ihr Text interessieren?

2. In welcher Beziehung stehen Sie zur Zielperson?

3. Was ist der Kerngedanke Ihres Textes?

4. Was soll Ihr Text bewirken?

Wenn Sie diesen Punkt abhaken, haben Sie mehr als nur ein Konzept. Sie haben bereits begonnen, Verbindung zu Ihrer Zielperson aufzunehmen. Damit Sie schnell losschreiben können, lohnt es sich außerdem jetzt, fehlende Inhalte zu recherchieren.

Strukturieren Sie: Der rote Faden

Der legendäre rote Faden steigert die Attraktivität eines Textes enorm. Und zwar einerseits für Sie – denn Sie schreiben leichter und gezielter –, andererseits für die Lesenden. Er sorgt für Struktur und entscheidet somit darüber, ob die Lektüre fortgeführt oder verwirrt abgebrochen wird. Dabei ist es Ihre Aufgabe, die Inhalte, so komplex sie auch sein mögen, nachvollziehbar aufzubereiten.

Oftmals erscheint der rote Faden jedoch abstrakt und ist schwer zu finden. Schwach leuchtet er unter halbgaren Ideen, Textschnipseln, Nebenschauplätzen. Dabei ist es besonders bei nichtfiktionalen Texten vergleichsweise leicht, einen roten Faden festzulegen. Idealerweise passiert das vor dem Schreiben. Wenn Sie allerdings bereits einen Text-Wust geschrieben haben, lohnt sich der Schritt zurück.

So gehen Sie vor:

1. Notieren Sie die Kernaussage Ihres Textes (siehe Unterkapitel: Was ist der Kerngedanke Ihres Textes?, Seite 23).

2. Entscheiden Sie, wo Sie Ihre Zielperson abholen: Was weiß sie bereits?

3. Entscheiden Sie, wohin Sie Ihre Zielperson bringen: Was möchte sie durch die Lektüre Ihres Textes erfahren?

4. Wählen Sie die ideale Struktur (siehe Unterkapitel: Was soll Ihr Text bewirken?, Seite 27), um Ihre Zielperson schreibend von A nach B zu bringen.

5. Schreiben Sie auf dieser Grundlage stichpunktartig eine Outline: Kernaussage und ggf. Arbeitstitel, Zwischenüberschriften.

5 Möglichkeiten, Ihren Text zu strukturieren:

1. Listicle
Inhalt: Aufzählung an Dingen, die einen gemeinsamen Nenner haben
Beispiele: 3 Apps, die Ihnen den Arbeitsalltag erleichtern;
Wählen Sie die besten Dienstleister für unser Unternehmen: Die 5 entscheidenden Kriterien

2. Problemlösung
Inhalt: Problem, Ursachen, Lösungen und deren Vor- und Nachteile
Beispiel: Ein Memo, in dem Sie ein internes Kommunikationsproblem ansprechen und Verbesserungsvorschläge machen

3. Zeitliche Abfolge
Inhalt: Ereignisse oder Phasen in chronologischer Reihenfolge, ggf. eine Zeitleiste
Beispiel: Die Geschichte Ihres Unternehmens für eine Jubiläumsbroschüre

4. Pro und Contra
Inhalt: Vor- und Nachteile bzw. Argumente für und gegen eine Idee oder Entscheidung, Schlussfolgerung
Beispiel: Eine E-Mail, in der Sie die Vor- und Nachteile einer neuen Software abwägen

5. Frage-Antwort / FAQ
Inhalt: Häufig gestellte Fragen und deren Antworten
Beispiel: Ein Leitfaden zur Verwendung eines neuen internen Software-Tools

Schreiben Sie in ihrer Schreibstimme: Der Rohtext

Schreibstimme versus PR-Ich
Schreiben Sie im nächsten Schritt den Rohtext. Wenn Konzept und roter Faden klar sind, geht das verhältnismäßig schnell. Und das sollte es auch. Je mehr Sie nachdenken, desto eher kuscht die Schreibstimme vorm PR-Ich. Ihr PR-Ich ist Ihre innere Kritikerin oder Ihr innerer Kritiker. Es darf bei der Überarbeitung ran, jetzt aber hat es nichts zu melden. Sonst passiert das: Sie schreiben einen Satz, löschen die Hälfte, schreiben einen anderen Satz, tauschen hier ein Wort aus, checken Ihre E-Mails und gehen erst mal Kaffee trinken.

Schreiben in Sprints
Schreiben Sie lieber in Sprints, frei Schnauze, am PR-Ich vorbei. Stellen Sie einen Timer auf beispielsweise zehn (auch möglich: 15 oder 20) Minuten. Lassen Sie los und schreiben Sie. Korrigieren Sie nicht. Wenn Ihnen eine Information fehlt, setzen Sie einen Platzhalter ein, zum Beispiel »XXX« (dieser Platzhalter hat den Vorteil, dass Sie ihn leicht über die Suchfunktion wiederfinden; recherchieren können Sie später). Lassen Sie verrückte Gedanken zu, egal wie albern sie klingen mögen. Wenn Sie blockiert sind, denken Sie daran: Nur Sie kennen den Rohtext. Er ist nicht für die Veröffentlichung gedacht. Sein einziger Sinn ist, dass er existiert.

Längere Texte unterteilen Sie vorab mit Zwischenüberschriften. Die Outline unterstützt Sie dabei, den gesamten Text im Auge zu behalten, und gibt Ihnen die nötige Struktur. Schreiben Sie einen Abschnitt pro Sprint. Starten Sie mit einem, der Sie besonders anspricht, oder schlicht beim Anfang. Machen Sie eine kurze Pause und beginnen Sie mit dem nächsten Abschnitt.

Mit Freude schreiben
Schreiben in Ihrer Schreibstimme darf und sollte Freude machen! Es ist schließlich Ihre Lebenszeit. Außerdem macht sich das im Text bemerkbar. Zwischen den Zeilen spüren Lesende, wenn Sie sich abgequält haben oder sich lieber verstecken möchten. Sie spüren, wenn Sie mit angezogener Handbremse schreiben und Ihre Persönlichkeit einschränken, statt sie im Text aufblitzen zu lassen. Sie merken, wie Sie zum Thema Ihres Textes stehen und ob Sie den Mut haben, Kante zu zeigen.

Formulieren Sie besser: Die Überarbeitung

Jetzt darf Ihr PR-Ich ran. Schließlich wollen Sie einen Text veröffentlichen, hinter dem Sie stehen können. Sie haben zwei Ziele: Klarheit und Ihre Schreibstimme weiter herauszuarbeiten. Und natürlich dürfen Sie die Formulierungen löschen, die Ihnen doch zu privat oder unpassend sind.

Idealerweise liegt zwischen dem Schreiben und dem Überarbeiten eines Textes oder Textabschnitts eine Nacht – oder zumindest ein Spaziergang. Überarbeiten Sie von Maxi zu Mini.

Reihenfolge der Überarbeitung:

1. Vogelperspektive: Leuchtet der rote Faden? Führen Sie Ihre Zielperson
zu einer neuen Erkenntnis?

2. Textabschnitte (siehe Unterkapitel Bessere Textabschnitte schreiben, Seite 41): Sind Sie schlüssig formuliert? Sind Übergänge sinnvoll?

3. Sätze (siehe Unterkapitel Bessere Sätze formulieren, Seite 53): Sind sie aktiv und elegant formuliert?

4. Worte (siehe Treffendere Wörter wählen, Seite 56): Sind es die Ihren?

⇒ Tipp: Versionen speichern
Speichern Sie den Text in jeder Version neu ab, bevor Sie ihn überarbeiten. Sie werden sich selbst noch dankbar dafür sein – nämlich wenn Sie feststellen, dass die ursprüngliche Version doch besser war.

Sorgen Sie für Qualität: Das Korrektorat

Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik – die sollten stimmen. Versteht sich von selbst, oder? Ihren Text jetzt erst dahingehend zu überprüfen hat den Vorteil, dass Sie nur eine Korrekturschleife drehen müssen. Andernfalls würden Sie unnötig oft zwischen Überarbeiten und Korrigieren hin und her springen.

Inzwischen können künstliche Intelligenzen Ihre Texte Korrektur lesen. Und das sogar, mit Einschränkungen, kostenlos. Bei wichtigen Texten sollten Sie dennoch in die Fähigkeiten einer Korrektorin oder eines Korrektors investieren. Korrekte Texte bilden schließlich die Grundlage für Qualität und wirken professioneller.

lllustration: Esther Schaarhüls.

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV)


Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Einfach können – Gute Textedas 2024 im Duden-Verlag erschienen  ist.

Die Autorin Anke Ernst ist Schreibmentorin und zertifizierte Bildungsreferentin. Sie unterstützt Berufstätige dabei, in ihrer Schreibstimme zu schreiben. Ihr Blog „Die Welt in Deinen Worten“ und ihr wöchentlicher Newsletter inspirieren zu besseren SEO-Blogartikeln, Newslettern und Sachbüchern. Ihr Ziel: Texte, die gefunden und gerne gelesen werden. Ihr Motto: Schreiben ist kein Hexen-, sondern Handwerk.

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