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Mit handverlesenem Politikjournalismus zur Personenmarke

Die Journalistin und „NEWSiversum“-Gründerin Elisabeth Koblitz im Interview.

Sie hat es geschafft, mit ihrem umfassenden journalistischen Angebot eine Personenmarke zu werden: Elisabeth Koblitz macht handverlesenen Politikjournalismus und spricht damit über ihre Website „NEWSiversum – Deutschlands News-Plattform für Frauen“ genauso wie auf Instagram sehr viele Menschen an – ihr Account hat mehr als 130.000 Follower:innen. Was sie zu einem Role Model macht, was sie anderen (News-)Journalist:innen rät und warum sich jede:r für Politik interessieren sollte, erzählt sie im Interview.

Sie sind Newsjournalistin. Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich hatte schon früh eine Faszination für die deutsche Sprache. So bin ich in der Grundschule mit einem Sprechchor, der Gedichte rezitierte, aufgetreten. Als Jugendliche fing ich an, mich für Politik zu interessieren, damals vor allem für die US-Politik. So wählte ich in der Oberstufe Politik als Leistungskurs und begann, viel Zeitung zu lesen. Ich wollte schon immer Dinge richtig verstehen, wollte bestimmte (politische) Entscheidungen nachvollziehen und einordnen können.

Was geht mich das an, was hat das mit mir zu tun? Solche Gedanken gehen sicher vielen durch den Kopf. Warum sollte sich jede:r über News aus aller Welt informieren?

Ich bin der Meinung, dass man in einer immer komplexer werdenden Welt und wegen der Gleichzeitigkeit vieler Krisen gar keine andere Wahl hat, als möglichst informiert zu sein. Außerdem schützt man sich vor Fake News und Populismus, wenn man weiß, was tatsächlich in der Welt passiert. Wenn man politisch interessiert ist, versteht man Zusammenhänge – sowohl politische als auch gesellschaftliche.

Wie definieren Sie Ihre Rolle als Newsfluencerin?

Ich bin multimedial ausgebildete Journalistin, die News dort hinbringt, woher viele Menschen heutzutage ihre Informationen bekommen: in die sozialen Medien. Mein Ziel ist, sowohl auf Instagram als auch auf meiner Website News kompakt und verständlich zu verpacken.

Ihre Nachrichtenplattform NEWSiversum feiert ersten Geburtstag. Angefangen hat alles 2015 mit Instagram, heute beinhaltet das NEWSiversum außerdem einen täglichen Newsletter, einen samstäglichen Newsletter mit dazugehörigem Podcast, einen WhatsApp-Channel und einen monatlichen Newsletter. Haben Sie den Eindruck, dass die Leser:innen lieber „handverlesenen“ Journalismus aus einer ihnen „persönlich bekannten“ Quelle konsumieren als den von Redaktionen großer Medienhäuser?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen entweder von der schieren Nachrichtenflut überfordert sind oder klassische Nachrichtenformate meiden, weil ihnen die Ansprache nicht zusagt oder dort zu viele Vorkenntnisse vorausgesetzt werden. Oder sich sogar von Nachrichten im Allgemeinen abwenden.

Aus den bereits erwähnten Gründen finde ich diese Entwicklung besorgniserregend. Es ist für mich bis heute das größte Kompliment, wenn ich Nachrichten aus der Leserschaft bekomme, in denen mir gesagt wird, dass sie sich durch meine Arbeit zum Beispiel für die US-Wahlen interessieren, weil sie das System das erste Mal verstanden haben.

Haben Sie auch männliche Abonnenten oder richtet sich Ihr NEWSiversum ausschließlich an Frauen?

Inzwischen sind mehr als 95 Prozent meiner Follower auf Instagram und 99 Prozent meiner Leserschaft Frauen. Denn die meisten von ihnen haben einen vollgepackten Alltag: einen Job, dazu Kinder oder zu pflegende Angehörige. Mit anderen Worten: kaum Zeit für irgendetwas. Wo sollen sie da noch Muße finden, sich zu informieren?

Viele Frauen haben mir erzählt, dass sie immer wieder unangenehme Situationen erleben, weil sie zum Beispiel beim Abendessen mit Bekannten bei aktuellen Themen nicht mitreden können. Andere schildern, dass sie die existierenden Newsangebote nicht ansprechend finden. Genau für diese Frauen, die in der Rushhour des Lebens stehen und trotzdem wissen wollen, was in der Welt passiert, sind meine Angebote gedacht.

Mein wöchentlicher Newsletter „Elli´s Saturday Morning Report“ (ESMR) beispielsweise fasst die wichtigsten Themen der Woche klar und verständlich zusammen, mit den Informationen, die man braucht, um sie wirklich zu erfassen. Am Ende folgt immer eine „Good News“, sodass man mit einem guten Gefühl informiert ins Wochenende starten kann.

Auf Wunsch meiner Leserinnen gibt es den ESMR auch als Podcast, den sie „nebenbei“ beim Bügeln, Kochen oder auf dem Weg zur Arbeit hören können. Ich möchte es meinen Leserinnen so einfach wie möglich machen, informiert zu sein. Das ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Wer tägliche News möchte, findet sie auf meiner Website.

Journalist:innen meinen oftmals, dass ihre Arbeit für sich sprechen müsste, und tun sich schwer mit Personal Branding.

Ja, gerade hier bei uns in Deutschland ist „Personal Branding“ häufiger negativ besetzt. Ganz anders in den USA, wo ich acht Jahre gelebt und gearbeitet habe. Mit dem Verlust der Glaubwürdigkeit bzw. der Abkehr von klassischen Medienmarken bei vielen Rezipient:innen glaube ich, dass in journalistischen Personenmarken ein Stück weit die Zukunft des Journalismus liegt. Menschen wollen Menschen. Wir folgen auf Social Media Menschen, mit denen wir uns identifizieren, hören ihnen zu. Natürlich bin ich mir durchaus bewusst, dass dies auch negative Seiten hat.

Für meine persönliche Arbeit spornt mich das aber an, jeden Tag mein Bestes zu geben, sorgfältigst und sauber journalistisch zu arbeiten, um das über etliche Jahre aufgebaute Vertrauen meiner Community nicht zu verspielen. Detaillierte Antworten zum Aufbau eines Personal Brandings gebe ich in Beratungen.

Wie sieht der Alltag von Elisabeth Koblitz aus?

Ich lese und recherchiere viel. Dabei versuche ich, mich möglichst breit zu informieren und, je nach Thema, bestimmte internationale Blätter und Podcasts zu lesen bzw. zu hören. Dann schreibe ich Artikel, redigiere Beiträge, führe Interviews oder konzipiere einen Instagram-Post, drehe ein Nachrichtenvideo oder eine Instagram-Story. Mit meinem kleinen Team tausche ich mich über journalistische Themen und Konzepte fürs NEWSiversum aus. Außerdem verbringe ich viel Zeit mit Community-Management, also der Beantwortung von Nachrichten und E-Mails der News-Crew und der Community.

Manchmal gebe ich auch selbst ein Interview, bin Gast in einem Podcast oder bei Podiumsdiskussionen dabei, um über meine Arbeit zu sprechen. Ab und zu berate ich Firmen in Sachen Social Media. Das sind die schönen Seiten. Natürlich gehören aber auch die typischen Aufgaben dazu, die jede:r Unternehmer:in kennt: Buchhaltung, Termine mit dem Steuerbüro oder dem Finanzamt.

Ihr News-Team besteht neben Ihnen aus vier Redakteurinnen bzw. Autorinnen und Content-Managerinnen. Wie ist die Arbeit aufgeteilt?

Mein Team besteht aus einem Entwicklerteam, ohne das das NEWSiversum gar nicht laufen würde. Mittlerweile ist das auch technisch sehr komplex; außerdem sind wir immer darauf aus, die Angebote zu verbessern und das NEWSiversum weiterzuentwickeln.

Dann habe ich eine Redakteurin, die vor allem für das NEWSiversum, also die Website und unseren monatlichen Newsletter, großartige Texte schreibt und spannende Interviews führt. Und ich habe Unterstützung bei der Recherche, beim Fakten-Check sowie dem Designen und Umsetzen von Instagram-Postings.

Was sollte man beim Aufbau und bei der Pflege von Social Media Accounts beachten? Was sind Dos and Don´ts?

Meiner Meinung nach unterschätzen viele die Arbeit, die hinter einem Social Media Account steht, und denken sich: So schwer kann das doch nicht sein. Die fangen enthusiastisch mit ihrer Arbeit an, haben gefühlt 1.000 Ideen und merken dann schnell, wie die anfängliche Motivation schwindet und wie schwer es ist, wirklich am Ball zu bleiben. Außerdem machen sich viele im Vorhinein keine Gedanken darüber, wen sie eigentlich mit ihren Inhalten erreichen wollen.

Mein Tipp: lieber vorher die Zeit investieren, sich fragen, was will ich mit dem Account erreichen und wen? Wenn man sich am Anfang einmal gründlich mit der Zielgruppe auseinandergesetzt hat, fällt es anschließend leichter, sich ein inhaltliches Konzept zu überlegen.

Wie stärke ich durch Community Management auf Instagram die Beziehung zu meinen Leser:innen?

In dem man Community Management wirklich ernst nimmt und da viel Zeit investiert. Es heißt ja Social Media, weil Menschen sich austauschen wollen. Man verfasst einen Kommentar, damit er auch wahrgenommen wird. Deshalb ist es wichtig, dieses Feedback auch bewusst zu empfangen, auf diese Rückmeldungen zu reagieren.

Was sind Ihre Tipps für einen bewussten und gesunden Nachrichtenkonsum?

Nachrichten und das Konsumieren von Nachrichten funktionieren heutzutage ganz anders als vor 20 Jahren: Damals guckte man einmal am Tag zum Beispiel die Tagesschau und setze sich 15 Minuten mit dem News-Geschehen auseinander. Oder man las beim Frühstück die Zeitung oder hörte Radio. Nachrichten wurden also in klar abgegrenzten Zeitfenstern konsumiert, was dem Einzelnen half, Informationen besser einzuordnen und zu verarbeiten.

Heutzutage passiert alles gleichzeitig. Wir sind mit einem ständigen Strom an Nachrichten konfrontiert: Push-Benachrichtigungen, soziale Medien, Live-Ticker. Wir können in Echtzeit an der Entfaltung von Ereignissen teilhaben. Das kann überwältigend wirken: Die schiere Flut und Geschwindigkeit der Nachrichten macht es uns schwer, sie zu verarbeiten.

Mein Tipp ist daher, sich feste Zeiten zu setzen, in denen man Nachrichten konsumiert. Schaltet alle Push-Notifications aus, vermeidet, rund um die Uhr auf dem Laufenden bleiben zu wollen. Konzentriert euch stattdessen auf einige wenige Nachrichtenquellen, denen ihr vertraut, die nicht effektheischend, sondern sachlich fundiert und ruhig berichten und einem die Informationen zur Hand geben, die helfen, das Geschehen einzuordnen.

Wie schützt man sich vor Fake News – als Konsument:in, aber auch als Journalist:in?

Mit einer gesunden Skepsis! Wenn eine Nachricht, ein Bild oder eine Information eine besondere Emotion in mir hervorruft – Wut, Trauer, aber auch extreme Freude –, ist es ratsam, noch einmal tief durchzuatmen und mich zu fragen: Kann das wirklich stimmen? Und dann muss man selbst recherchieren: Wer ist der Sender dieser Nachricht, was könnte seine Intention sein? Und: Haben andere, vertrauenswürdige Quellen auch schon darüber berichtet?

Wenn der Absender unbekannt ist und ich keine zweite, unabhängige Quelle finde, die ebenfalls darüber berichtet, würde ich die Finger davon lassen.

Was sind die Chancen und Herausforderungen für Journalist:innen in der heutigen Zeit?

Vor 15 Jahren hieß es: Der Journalismus wird sterben. Und natürlich: Gerade viele klassische Medienhäuser und Verlage mit traditionellem Finanzierungsmodell stehen unter immensem wirtschaftlichen Druck. Das ist nach wie vor eine echte Bedrohung für unseren Qualitätsjournalismus.

Aber gleichzeitig haben sich in den letzten 10, 15 Jahren auch neue Chancen eröffnet, die man so nicht hat kommen sehen. Durch Social Media und Co. haben wir die Möglichkeit, Inhalte viel schneller und einfacher zu verbreiten und immer wieder neue Zielgruppen zu erreichen. Es gibt zahlreiche neue Erzählformate, um Geschichten anschaulich und zugänglich zu präsentieren. Wir haben vielfältige Einnahmequellen – wie Abonnements für Online-Formate, Crowdfunding und Werbepartner.

Die Herausforderung ist, in der Flut an Informationen die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen und zu halten. Durch die Verbreitung von Fake News muss das Vertrauen der Leserschaft immer wieder verteidigt werden; durch das Erstarken der Populisten ebenfalls, die stetig versuchen, das Vertrauen in den Qualitätsjournalismus zu untergraben.

Was würden Sie Nachwuchsjournalist:innen im Allgemeinen und im Politikressort im Besonderen raten?

Offen zu bleiben. Alles ist in Bewegung und verändert sich stetig: der Journalismus, Plattformen, das Konsumverhalten. Wollen wir Journalist:innen in diesem Umfeld erfolgreich sein, müssen wir innovativ und anpassungsfähig bleiben, um Chancen zu nutzen und Herausforderungen zu bewältigen.

Wie sieht Ihr Finanzierungsmodell aus?

Mein NEWSiversum, aber auch meine ganzen anderen journalistischen Digitalprodukte finanzieren sich ausschließlich über Abos.

Die Arbeit auf Instagram finanziere ich über sehr wenig Werbung. Das war während des Aufbaus der Website mehr, ist aber aktuell sehr wenig. Einfach nur, um ein Gefühl zu bekommen: In diesem Jahr hatte ich bisher acht geschaltete Anzeigen von Kooperationspartnern, die auf meinem Instagram-Kanal Werbung buchen.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft bzw. für die Zukunft des Journalismus?

Ich wünsche mir, dass ich weiterhin das tun kann, was ich liebe: Menschen für Themen zu interessieren, die eben manchmal schwer bekömmlich sind, und für Politik zu begeistern. Dafür gehe ich gerne immer neue Wege. Ich hoffe, dass ich mir die Neugierde und den Glauben an mich selbst bewahren kann – allem Stress zum Trotz.

Für den Journalismus wünsche ich mir, dass wir es schaffen, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in „die Medien“ wieder herzustellen. Das gelingt nur, wenn wir die Menschen wirklich ernst nehmen, ihnen genau zuhören und so berichten, dass es für alle verständlich ist.

Das Gespräch führte Ulrike Bremm.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Foto: Mareike Klindworth

Elisabeth Koblitz berichtet seit 2016 auf Instagram über gesellschaftspolitische Themen. Von 2013 bis 2020 hat sie in Washington, D. C., in den USA gelebt, als freie Journalistin und TV-Producerin (unter anderem für das ZDF) gearbeitet und ihren Instagram-Kanal aufgebaut. Heute führt sie einen der bekanntesten privaten Instagram-Nachrichten-Kanäle in Deutschland mit 129.000 Follower:innen. Von September 2021 bis Mai 2023 war sie Herausgeberin und Chefredakteurin ihres monatlich erscheinenden Magazins „Facts&Feelings“. Seit Juni 2023 ist sie Herausgeberin der Online-Newsplattform NEWSiversum.com.

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