RSS-Feed

Livestreaming-Apps im Journalismus – die wichtigsten Fragen und Antworten

Die Livestreaming-Apps Periscope und Meerkat haben das Zeug, den Journalismus zu verändern: Nur mit einem Smartphone ausgestattet kann jeder von fast jedem Ort der Welt live auf Sendung gehen und so Bild und Ton senden. Was vor Jahren noch aufwendiger Technik bedurfte, ist heute eine App, die es kostenfrei für iOS und Android gibt. Was bedeuten Periscope und Meerkat für den Journalismus, was sollte man bei seinen Sendungen beachten – und welche Redaktionen machen bereits Erfahrungen?

Was ist das Besondere an Periscope und Meerkat?

Beeindruckend bei beiden Apps ist die Einfachheit: Nach dem Herunterladen aus dem App oder Google Play Store muss man sich anmelden (mit Twitter-Account oder Handynummer) und die Aufnahme-Taste drücken.

Livestreaming-Apps wie Periscope sind denkbar einfach zu bedienen: Die Aufnahme-Taste drücken, dann kann’s losgehen. Foto: www.periscope.tv/press

Standardmäßig verschickt die App zum Start der Sendung automatisch einen Tweet an alle Follower mit dem Link zum Video. Das war’s. So simpel hat das noch keine App hinbekommen.

Wer braucht Periscope und Meerkat?

Gute Frage, denn mit beiden Diensten wird auch viel Unnötiges gesendet: Ein Berliner zeigt, wie er auf dem Weg ins Fitnessstudio ist und ein Autofahrer filmt seine Fahrt durch Dubai. Erkenntnisgewinn: gering.

Aber es geht auch anders: Die Redaktion der Welt nutzte Periscope intensiv, um zum Beispiel aus Griechenland zu berichten. Und die Website Flightradar24.com hat neulich den ersten Besuch in einem Airbus A350 live gestreamt und dabei schnell auf die Wünsche der Zuschauer reagiert, die mal in den Crew-Bereich oder aus dem Fenster gucken wollten.

Letztlich sind beide Apps nur eine technische Plattform, die man als Journalist sinnvoll nutzen kann. Sei es, um selbst von einem Ereignis zu berichten, oder um nach einem Unglück Streams aus der Umgebung zu finden, um einen Eindruck vom Unglücksort zu bekommen und ihn zu beschreiben. Auch Interviews lassen sich live streamen. Fragen der Zuschauer können dann sofort an den Interviewpartner weitergereicht werden, sodass das Interview interaktiv wird.

Zuschauerkommentare – wie sollte man als Journalist darauf reagieren?

Die Zuschauer können während der Sendung Kommentare posten, die auf dem Smartphone-Display angezeigt werden. Das ist – neben dem live Filmen selbst – die Herausforderung für Journalisten. Darüber hinaus können die User durch Antippen des Bildschirms „Herzen“ schicken. Sowohl die Kommentare als auch die Herzen sind für alle Zuschauer sichtbar.

Neben sinnlosen Grüßen und Lob kommen auf diese Weise aber auch Fragen und Kommentare der Zuschauer herein, auf die man als Journalist idealerweise gleich reagieren sollte. Kleiner Tipp: Für den Fall, dass Zuschauer die Frage nicht mitbekommen haben, sollte man diese kurz wiederholen und dann beantworten. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil die Apps auf Wunsch das Video zur späteren Verwendung auf dem Smartphone speichern – aber ohne Herzen- und Kommentar-Einblendungen.

Das alles im Blick zu behalten – und gleichzeitig zu filmen – ist anstrengend. Aus den Kommentaren der User kann man als Journalist aber lernen, was man beim nächsten Videodreh besser machen kann. Wo sonst kriegt man als Videojournalist so schnell Feedback?

Sollte man Periscope und Meerkat ausprobieren?

Journalisten, die im Feld unterwegs ist, sollten die Apps installieren und sich mit der Nutzung vertraut machen. Denn eines Tages ereignet sich spontan etwas Berichtenswertes – und dann kann man schnell auf Sendung gehen: eine wichtige Pressekonferenz, eine größere Menschenansammlung oder auch ein Unglück, das viele Menschen interessiert.

Periscope oder Meerkat?

Wer wenig Zeit hat, konzentriert sich direkt auf Periscope, weil diese App noch vor seinem offiziellen Start von dem Kurznachrichtendienst Twitter übernommen wurde und insgesamt durchdachter wirkt.

Meerkat war zwar schneller auf dem Markt, wurde aber schnell von Twitter ausgebremst, weil der Kurznachrichtendienst Meerkat verbot, die Twitter-Follower automatisch zu Meerkat-Followern zu machen. Auf einen Schlag konnten Meerkat-User nicht mehr automatisch die eigenen Twitter-Follower über einen neuen Stream informieren – was Reichweite kostete.

Was kann Periscope – was fehlt noch?

Neben der größeren Verbreitung spricht für Periscope auch die Tatsache, dass Videos bis zu 24 Stunden nach der Livesendung noch abrufbar sind. Praktisch für Zuschauer, die erst später von einer interessanten Sendung erfahren und dann das Video noch gucken wollen. Meerkat löscht die Videos direkt nach dem Ende der Sendung, bietet im Umkehrschluss aber eine Art „Ankündigungsfunktion“ an: Der Link zu einem Stream kann vor der Sendung gepostet werden.

Die Übersichtskarte bei Periscope zeigt an, von welchen Standorten gerade gestreamt wird. Screenshot: Sebastian Brinkmann

Ferner zeigt Periscope inzwischen auf einer Karte alle Livestreams an einem Standort an. Praktisch für die Recherche – aber auch um zu sehen, ob noch andere Periscope-Nutzer von demselben Ort aus senden. Alternativ kann man bei Twitter nach Livestreams suchen, die alle den Hashtag #Periscope haben. Meerkat-Streams findet man mit dem Hashtag #meerkat.

Was bei Periscope noch fehlt, aber laut Twitter in der Entwicklung ist, ist eine Embed-Funktion, um ein Video in die eigene Website zu integrieren. Derzeit kann man auf der Website nur einen Link zum Periscope-Stream veröffentlichen. Meerkat bietet eine solche Embedd-Funktion und kann zudem auf Wunsch einen Livestream parallel auf Twitter und Facebook ankündigen.

Praktisch wäre für einige Sendungen auch eine echte iPad-Version, weil man auf dem größeren Display die Kommentare der User und die eigene Aufnahme besser verfolgen könnte. Aktuell kann man nur die iPhone-App auch auf dem iPad installieren.

Insgesamt hat das Periscope-Entwickler-Team noch einiges an Arbeit vor sich, aber die Basis ist gut.

Wie gelingt eine gute Sendung?

Zunächst gelten dieselben Regeln wie bei einem normalen Video. Vor dem Klick auf die Aufnahme-Taste ist zu überlegen, was man aussagen, wohin man zeigen und was man aus dem Off kommentieren möchte. Der Name der Sendung – den Periscope vor der Aufnahme abfragt – sollte kurz und prägnant sein und natürlich das Interesse der Zuschauer wecken.

Wichtig ist, vor der Aufnahme das Smartphone in den Nicht-Stören-Modus zu schalten, damit die Videoaufnahme nicht durch Anrufe unterbrochen wird. In der Periscope-App kann man auch einstellen, dass das Video für eine spätere Verwendung auf dem Smartphone gespeichert wird. Auf diese Weise kann man seine Sendung später noch mal zu einem Best-of-Video schneiden und über Youtube oder andere Plattformen zugänglich machen.

Ein Problem von schnellen Liveberichten kann aber auch Periscope nicht lösen: Wer allein vor Ort ist, muss gleichzeitig filmen und recherchieren, einordnen und kommentieren – was den wenigsten gelingt. Statt also nur live draufzuhalten, sollte man sich erst einen Überblick verschaffen, bevor man auf Sendung geht.

Eher ungeeignet ist Periscope für die Übertragung einer Panel-Diskussion, in die man nicht eingreifen kann: Fragen und Kommentare der Zuschauer bleiben dann ungehört.

Was empfiehlt der Profi?

Martin Heller, Leiter der Videoredaktion von WeltN24, hat kürzlich in einer Periscope-Sendung aus seinem Berliner Büro viele Tipps aus der Praxis gegeben: Er empfahl unter anderem, den Titel der Sendung in den Zwischenspeicher des Geräts zu kopieren. Falls die App plötzlich abbricht und man die Aufnahme erneut beginnen muss, kann man den Sendungstitel direkt einfügen und ist so schneller wieder live dabei.

Da Periscope beim Start der Sendung per Twitter und Push-Mitteilung auf diese hinweist, empfiehlt es sich nach seiner Erfahrung, die Anmoderation erst rund 20 Sekunden nach dem Start der Aufnahme zu beginnen. Schließlich dauert es etwas, bis die ersten Zuschauer dabei sind.

Eine weitere Empfehlung: Je nach Thema auch mal aus der Ich-Perspektive zu kommentieren. Deshalb sei es auch sinnvoll, für An- und Abmoderation die vordere Kamera des Smartphones zu nutzen. Nebenbei: Dann ist auch der Ton besser, weil das iPhone offenbar den Ton bevorzugt aus der Richtung aufnimmt, in welche die Kamera zeigt.

Wie Martin Heller Periscope für seine Berichterstattung über den G-7-Gipfel in Bayern eingesetzt hat, können Sie hier nachlesen. Einen guten Eindruck seiner Arbeit für die „Welt“ vermittelt auch dieses Video:

Was kostet die Nutzung von Periscope?

Die App selbst ist kostenfrei und für iOS und Android verfügbar. Kosten entstehen, wenn man auf Sendung geht: Rund 4 MByte pro Minute (also rund 250 MByte pro Stunde) werden übertragen. Entsprechend sollte man – wenn irgendwie möglich – eine WLAN-Verbindung nutzen. Auch, weil diese in der Regel eine höhere Bandbreite verspricht als eine Mobilfunkverbindung. Das war’s.

Wer mehr als ein paar Minuten senden möchte, sollte einen Zusatz-Akku für sein Smartphone anschaffen und vielleicht noch einen Griff, um das Gerät besser halten zu können. Um die Qualität der Tonaufnahmen zu verbessern, kann man ein externes Mikrofon anschließen. Das eignet sich auch wunderbar für andere Videoaufnahmen mit dem Smartphone oder das spätere Nachvertonen der Sendung, wenn man daraus einen Best-Of-Zusammenschnitt erstellt.

Warum kann man mit Periscope nur im Hochformat drehen?

Das ist wirklich verrückt: Lange Zeit waren Hochformat-Videos mit dem Smartphone verpönt und den Hochformat-Filmern wurde erklärt, dass die Augen des Menschen neben- und nicht übereinander liegen und Fernseher sowie Monitore breit ausgerichtet sind und nicht hoch. Und dann sieht man auf Twitter fast nur noch Videos im Hochformat.

Der Grund ist einfach: Das Smartphone wird meist im Hochformat gehalten, was sowohl für den Sender als auch für den Empfänger angenehmer ist. Aber Periscope arbeitet nach Aussage von Twitter daran, Querformat-Videos zu ermöglichen.

Fazit: Braucht man Periscope?

Aktuell ist Periscope noch eine Nischenanwendung: Mehr als 500 Zuschauer gleichzeitig sind selten. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Ankündigung einer Sendung derzeit nur per Twitter möglich ist. Allerdings erreicht man als Journalist auf Twitter ein Publikum, das an Nachrichten interessiert ist und schnell über Ereignisse informiert werden möchte. So kann man in einem gewissermaßen etwas geschützten Raum experimentieren und Erfahrungen sammeln.

Damit Periscope für mehr Zuschauer interessant ist, müsste die Twitter-Tochter ihrem Dienst eine Embed-Funktion für Websites spendieren und die Möglichkeit einbauen, Livesendungen nicht nur per Twitter, sondern auch bei Facebook zu verbreiten. Letzteres ist eher unwahrscheinlich, denn Twitter und Facebook sind Konkurrenten.

Persönlich halte ich Periscope für einen sehr spannenden Dienst, den sich Journalisten anschauen sollten. Diese App vereint die großen Schlagwörter Mobile, Live, Social Media und Video in einer App. Noch nie war es für Journalisten ohne viel Technik-Know-how so einfach, live von einem Ort des Geschehens zu berichten und so die eigene Bekanntheit und die des dahinter stehenden Verlages zu steigern.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Sebastian BrinkmannDer Autor Sebastian Brinkmann (38) liebt Journalismus und Tools. Deshalb betreibt er seit rund anderthalb Jahren das Portal Journalisten-Tools.de, wo er Werkzeuge fürs Recherchieren, Produzieren, Veröffentlichen und Organisieren vorstellt. Hauptberuflich ist Brinkmann Director Publishing Services bei der Rheinischen Post Mediengruppe in Düsseldorf. Dort hat er zuvor volontiert und zuletzt das Portalmanagement von RP Digital geleitet.

 

 

Kommentare sind geschlossen.