Öko-Journalismus: zwischen Stall, Ackerbau und Schreibtisch
Sie ist Chefredakteurin des bioland-Fachmagazins, der führenden Fachzeitschrift für den ökologischen Landbau. Im Interview mit dem Fachjournalist erzählt Brigitte Stein, wie ihr beruflicher Alltag aussieht, welche Learnings sie aus der Corona-Zeit gezogen hat und welche Ausbildung sie zukünftigen Agrarjournalisten empfiehlt.
Sie schreiben für Landwirte des Bioland-Verbands. Was treibt Sie an?
Von einem Sendungsbewusstsein würde ich nicht gerade sprechen – so missionarisch bin ich nicht unterwegs. Aber mich treibt schon der Gedanke an, dass es gut ist, möglichst viel Wissen über den ökologischen Landbau zu verbreiten. Denn er bietet sehr viele Lösungen für die Probleme unserer Zeit sowie für zukünftige Herausforderungen.
Mein Ansatz war von Anfang an: Ich möchte als Journalistin etwas Sinnvolles schreiben, etwas Zukunftsweisendes. Darum ist mir ganz wichtig, dass jede und jeder unser Magazin abonnieren kann, der sich für Ökolandbau interessiert – neuerdings auch als E-Paper. Das bioland-Fachmagazin ist mehr als eine Mitgliederzeitschrift.
Wie sind der ökologische Landbau und Sie ein Dream-Team geworden?
Ich komme nicht vom Hof und besitze auch keinen. Fakt ist: Ein Hof ist eine große Investition, ein Vermögenswert, der in der Familie weitergegeben wird. Ich habe großen Respekt vor dem Fachwissen der Menschen, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb leben und arbeiten.
Aber die ökologische Landwirtschaft ist für mich seit langen Jahren ein Thema, mit dem ich mich eingehend beschäftige. Ich habe mich eigentlich schon vor meinem Erststudium Ökotrophologie sehr stark für Landwirtschaft interessiert. Das Grundstudium war zu weiten Teilen deckungsgleich mit dem der Agrarwissenschaften; auch Tierernährung war ein Thema.
Über mein Aufbaustudium Journalismus bin ich dann als Redakteurin zur landwirtschaftlichen Fachzeitschrift agrarzeitung gekommen. In dieser Zeitschrift, die auf den internationalen und deutschen Handel mit Agrargütern fokussiert, habe ich stark themenübergreifend gearbeitet; die Ressorts haben ineinandergegriffen. Begonnen habe ich mit Getreidelagerung, dann habe ich mich sehr intensiv mit dem Kartoffelhandel beschäftigt, danach kamen Saatgut, Ackerbau und Pflanzenzüchtung.
Jetzt bin ich seit 2017 beim Bioland Verlag – zunächst als Redakteurin für Tierhaltung, seit vergangenem Jahr als Chefredakteurin.
Ihre Hauptzielgruppe sind die Bioland-Landwirte sowie -Verarbeiter . Das bioland-Fachmagazin publiziert jeden Monat fundierte Fachinformationen zum Pflanzenbau, zur Tierhaltung, zu Markt & Management sowie zur aktuellen Politik.
Ja, das sind die Rubriken in unserem Heft. Wobei sich Pflanzenbau noch einmal unterteilt in Ackerbau, Obstbau, Gemüsebau sowie Weinbau.
Der Vorteil beim bioland-Fachmagazin, das es bereits seit 1972 gibt: Wir haben die geballte Expertise aus 50 Jahren Bioland e. V. im Rücken. Wir verfügen über ein sehr breites Beraternetz: Für jede Tierart, jede Ackerkultur und jede Region gibt es Spezialisten, die man zurate ziehen kann. Diese prüfen unsere Artikel auf ihre sachliche Richtigkeit. Sie greifen uns Schreiberlingen beim Fachlichen unter die Arme.
Weitere Kolleginnen und Kollegen berichten über die Aktivitäten der Bioland-Landesverbände.
Wie sieht Ihr Alltag als Chefredakteurin aus?
Sehr bunt. Zum Glück jeden Tag anders. Ich freue mich über Anrufe aus der Bio-Community. Und ich telefoniere mit Fachleuten aus Wissenschaft und Politik, maßgeblichen Personen aus Verbänden und der Agrar- und Klimaforschung. Es gibt Tage mit vielen Sitzungen sowie hochinteressante Bioland-Fachtagungen. Außerdem besuche ich Bioland-Höfe, die mir von unseren Beraterinnen und Beratern empfohlen wurden.
Wenn wir uns für ein bestimmtes Thema interessieren, nennen sie uns Leuchtturm-Betriebe, also Höfe, die das besonders gut machen oder viel Erfahrung mit etwas haben. Das ist für mich immer ein Highlight. Die Bioland-Landwirte untereinander verstehen sich als Gemeinschaft, besuchen sich und helfen sich gegenseitig gerne aus mit Tipps. Das Ziel ist immer, Probleme zu lösen, sich weiterzuentwickeln, Themen voranzutreiben. Es geht allen Produzenten darum, die Kollegen an ihrer Expertise teilhaben zu lassen, zu überlegen, wie man etwas besser, umweltschonender, tiergerechter machen kann.
Kommen Sie denn noch selbst zum Schreiben?
Ja, ich bin mindestens zwei Mal im Monat bundesweit „im Bioland“ unterwegs. Und wenn sich die Landwirte Zeit für einen genommen haben, ist man natürlich in der Pflicht, darüber auch etwas zu schreiben.
Wir sind mit sechs Personen – fünf Redakteurinnen und einem Redakteur – ein kleines Team. Da könnte ich es mir gar nicht leisten, irgendwohin zu fahren, ohne darüber zu schreiben. Zudem möchte ich das, was ich an Interessantem zu sehen bekomme, auch unbedingt mit anderen teilen.
Meine Arbeit macht mir solchen Spaß, dass ich gar keinen eigenen Hof mehr haben will – denn so komme ich doch viel mehr herum und darf dann für andere darüber berichten.
Was sollte man tun, um im Agrarjournalismus erfolgreich zu sein?
Vor allem natürlich Respekt vor der Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte und der nachgelagerten Branchen haben.
Was das Fachliche angeht: Das gängigste Vorgehen für Agrarfachjournalisten ist, mit einem Ressort anzufangen, sich dort hineinzuvertiefen und sich eine eigene Expertise zu erarbeiten. Um Themen zu finden, ist Neugier ein ganz wichtiger Charakterzug. Außerdem ist es wichtig, zu versuchen, in die Zukunft zu denken: Welche Entwicklungen zeichnen sich ab, was könnte interessant werden für unsere Leserschaft?
Welche Ausbildung ist gefragt?
Alle in unserem Team haben ein abgeschlossenes Studium. Nicht jeder hat Landwirtschaft studiert und auch nicht alle Journalismus. Das muss jede und jeder dann für sich zusammenführen. Wer schreiben kann, braucht Interesse für die Landwirtschaft. Wenn jemand „nur“ Landwirtschaft studiert hat, muss er sich zwingend für Sprache und das Schreiben interessieren.
Was würden Sie interessierten Nachwuchskräften raten?
Ein Agrarstudium mit einer journalistischen Ausbildung zu kombinieren. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus halte ich die journalistische Ausbildung unbedingt für das Wichtigste.
In der Praxis erlebe ich es häufig, dass ganz am Anfang die praktische Arbeit in der Landwirtschaft steht. Wer fängt schon als Fachjournalist an? Das ist selten bei einer Fachzeitschrift, diesen Weg gehen nur ganz wenige.
Ganz allgemein ist man – wie immer im Journalismus – gut beraten, Respekt zu haben vor Dingen, die man nicht weiß oder ahnt. Genau zuzuhören, nachzufragen, bis man ein Thema ganz umfänglich begriffen hat. Und notfalls halt noch einmal anzurufen.
Wie reagieren Mitmenschen, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, auf Ihren Beruf?
Meistens positiv. Aber viele haben die Erwartung, dass es sich bei unserem Magazin um eine Verbraucherzeitschrift handelt, die über die ökologische Landwirtschaft informiert.
Dass es für die Landwirtinnen und Landwirte selbst eine eigene Zeitschrift gibt – darauf muss man erst mal kommen. Und dann in unserem Fall auch noch zugespitzt auf die Bio-Landwirtschaft und da wiederum mit dem Fokus auf die Produzenten des Bioland-Verbands. Da kann man in der Tat von einer Nische sprechen.
Wie finanziert sich Ihr Heft?
Wir finanzieren uns über Abos und Anzeigen. Wir sind frei abonnierbar für jeden Landwirt und jede Landwirtin; man muss also nicht Bioland-Mitglied sein, um uns zu beziehen. Als Mitglied erhält man die bioland-Zeitschrift übrigens kostenlos. Zum Glück ist unser Heft auch bei Anzeigenkunden sehr beliebt. Die Firmen haben großes Interesse daran, eine Anzeige zu schalten.
Wie wichtig sind Social Media für Sie?
Bioland als Verband hat einen großen Social-Media-Auftritt. Der richtet sich allerdings zu großen Teilen an die Verbraucher. Wir als Fachmagazin haben ja die andere Zielgruppe, die der Produzenten, im Blick.
Was Social Media angeht, sind wir bald auf Facebook aktiv. Neben dem Print-Heft veröffentlichen wir noch Online-News und wir verschicken einen monatlichen Newsletter mit einem Rückblick auf den Monat. Seit Juni dieses Jahres haben wir das E-Paper im Angebot, das alternativ zur Printausgabe abonniert werden kann. Dass wir zwölf Mal im Jahr erscheinen, ist einmalig in der Biopresse.
Hat Ihr Magazin unter den Auswirkungen der Coronazeit gelitten?
Nein, wir hatten keine Krise, weil die Landwirtschaft nicht gelitten hat – und die Biolandwirtschaft schon gar nicht. Viele Menschen haben einen Hofbesuch genutzt als einzige Möglichkeit, irgendwo hinzugehen und gleichzeitig einzukaufen.
Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf Ihre Berufssituation? Wie haben Sie die Coronazeit redaktionsintern gemanagt?
Das dezentrale Managen der Redaktionsarbeit ist uns sehr, sehr leicht gefallen. Die Redaktion sitzt in Mainz, aber das ganze Bioland ist mit Büros in verschiedenen Städten sowieso dezentral organisiert.
Das Einzige, was schwierig war: auf Veranstaltungen und Hofbesuche zu verzichten. Bioland organisiert selbst viele Veranstaltungen, normalerweise gehören dazu auch Betriebsbesuche. Wir haben das mit Filmen und Interviews überbrückt, sehr schnell auf Online-Veranstaltungen umgeswitcht. Das hat das Bioland-Veranstaltungsmanagement ganz toll umgesetzt. Hinzu kommt, dass die Landwirte es seit jeher gewohnt sind, Lösungen zu finden für Dinge, die anfangs nicht möglich scheinen.
Welche Learnings haben Sie als Chefredakteurin aus der Coronazeit gezogen?
Der Lerneffekt für uns war, dass man als Team leichter zusammenarbeitet, wenn man zusammensitzt. Die kleinen Kontakte tagsüber sind sehr nützlich. Man hört, worüber die Kollegin oder der Kollege telefoniert, kann sich darüber in der Mittagspause austauschen.
Für die Zukunft haben wir Arbeitsmodelle entwickelt, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen: Alle Bioland-Mitarbeiter können wählen, ob sie mehr remote oder im Büro arbeiten wollen. Auf jeden Fall planen wir eine Mischung aus Homeoffice und Präsenz. Von Anfang an hatten wir nicht die Sorge, dass ein Teammitglied zu Hause die Füße hochlegt und nicht arbeitet. Dafür lieben wir das, was wir tun, alle viel zu sehr.
Das Gespräch führte Ulrike Bremm.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV)
Brigitte Stein, Jahrgang 1964, hat ihr Studium der Ökotrophologie an der Justus-Liebig-Universität mit dem Diplom abgeschlossen und danach von 1989 bis 1991erfolgreich den Aufbaustudiengang Journalismus an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz absolviert. Parallel dazu war sie als Praktikantin im Lokaljournalismus, in einer Agentur und im Hörfunk tätig. Ab 1992 arbeitete sie als Redakteurin beim Deutschen Fachverlag in der Redaktion der agrarzeitung, die zu Beginn noch den Titel „Ernährungsdienst“ trug, dabei mehr als zehn Jahre als Blattmacherin des integrierten Titels „Kartoffelwirtschaft“ und ab 2009 im Ressort Saatgut. Ab 2017 ist sie beim monatlich erscheinenden bioland-Fachmagazin, zunächst als Redakteurin für Tierhaltung, seit Oktober 2021 als Chefredakteurin. Das Magazin ist das „Flaggschiff“ des Bioland-Verlags und hat sich seit 1972 zur wichtigsten Fachzeitschrift für die ökologische Landwirtschaft entwickelt.