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Rezension des Buches „Verbraucherjournalismus“: Der Journalist als Ratgeber

Immer mehr journalistische Beiträge werden mit dem Label „Verbraucherjournalismus“ etikettiert, doch nicht immer steckt Verbraucherjournalismus dahinter. Was das ist und mit welchen Techniken und Formaten der Verbraucherjournalismus arbeitet, erläutert die Professorin für Wirtschaftsjournalismus Barbara Brandstetter in einer lesenswerten Einführung in das Thema.

Schon beim Aufklappen des Buches „Verbraucherjournalismus“ stellt sich die Frage: Verbraucherjournalismus? Wie unterscheidet der sich vom Nutzwert-, Ratgeber- und Servicejournalismus? Schnell liefert Autorin Barbara Brandstetter eine Antwort: „Verbraucherjournalismus weist auf Sachverhalte, Missstände oder Probleme hin, versorgt den Leser mit ausgewogenen Informationen und gegebenenfalls Handlungsempfehlungen, die ihn befähigen, in seiner Funktion als Verbraucher im Wirtschaftsleben zu seinem Vorteil zu handeln.“ Aus der Perspektive des Nutzwertjournalismus greift der Begriff Verbraucherjournalismus zu kurz, da sich dieser ausschliesslich auf Lebenshilfe für Verbraucher bezieht (Erziehungstipps wären etwa ausgeschlossen). Der Begriff „serviceorientierter Journalismus“ wiederum umfasst auch Felder wie Wetterbericht und Veranstaltungskalender.

Neues …

Genug der definitorischen Spitzfindigkeiten. Sicher ist, dass das Leben komplexer geworden ist und immer mehr Produkte, Angebote, Dienste und Informationen zur Verfügung stehen. Da braucht es Selektion, Hilfe und Orientierung. Womit wir schon bei den Eckpfeilern für guten Verbraucherjournalismus wären: Kenntnis der Zielgruppe, akribische Recherche, verständliche Darstellung und crossmediale Aufbereitung. Zuerst gilt es aber, ein Thema zu finden. Und da lässt sich festhalten: Nachrichtenwerte im Verbraucherjournalismus unterscheiden sich kaum vom normalen Journalismus (Aktualität, geografische Nähe, Konflikt „David gegen Goliath“, Nutzwert, persönliche Betroffenheit, Relevanz, Gesprächs- und Unterhaltungswert). Die Autorin empfiehlt: „Stellen Sie sich bei jeder Nachricht die Frage, ob sich daraus Konsequenzen oder Fragen für den Leser ergeben, die beantwortet werden müssen.“ Gute Ideen für Verbraucherthemen liefern Studien.

Ein Exposé zu schreiben kann genauso hilfreich sein wie der Küchenzuruf (zentrale Aussage eines Textes in zwei bis drei kurzen Sätzen), um zu sehen, ob etwas zur Geschichte taugt. Das A und O im Verbraucherjournalismus sind Recherchen und Quellen: Verbrauchertexte enthalten oft explizite oder implizite Handlungsanweisungen. Wer Produkte oder Dienstleistungen empfiehlt, sollte die Kriterien offenlegen, nach denen Produkte ausgewählt, untersucht und bewertet wurden. Wie sollten Nutzwertjournalisten bei der Recherche vorgehen? Niemals Zitate ungeprüft aus dem Internet übernehmen, immer Primärquellen konsultieren.

…. und Bekanntes

Bekanntes über das Journalistenhandwerk enthalten die Kapitel „Formate“ (Artikel, Ratgeberseiten, Serien und Beilagen, crossmediale Aufbereitung, Vergleiche und Produkttests, Zusammenarbeit mit Tabellenlieferanten) und „Textsorten“ (Textsorten im Verbraucherjournalismus, Meldung und Bericht, Feature, Magazingeschichte, Interview und crossmediale Darstellungsformen). Auf jeden Fall haben wir es im Verbraucherjournalismus mit vielfältigen Darstellungs- und Aufbereitungsmöglichkeiten zu tun: Artikel (Gepflegte Füsse: Sieben Fragen & Antworten) mit Tabellen, Infokästen, Bildern usw., Leserfragen, Experteninterviews, Checklisten, Pro und Contra, Tests, Selbstversuche und Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Dann muss man noch „mit einem Paukenschlag einsteigen“ – was wohl für jeden Text gilt.

Einfluss der PR auf den Verbraucherjournalismus

Etwas blauäugig fällt der „Umgang mit dem wachsenden Einfluss der PR“ aus. Die PR-Seite hat sich längst professionalisiert, während Redaktionen immer weniger Zeit für Recherchen haben. Eine der Folgen kann Schleichwerbung sein, wenn eine Redaktion auf Pressemitteilungen von Unternehmen zurückgreift. Selbst bei größeren Tageszeitungen werden Immobilien-, Finanz- und Gesundheitsbeilagen mit dem Etikett „Für den Verbraucher“ versehen, ehe dann Success Stories und Firmenporträts folgen. Mittlerweile werden etwa Telefonaktionen gerne von Agenturen organisiert – die passende Berichterstattung und Experten inklusive, wiewohl der Hintergrund der Experten und die Finanzierung der Aktion gerne verschwiegen werden. Kurzum: Die journalistische Hinterbühne bleibt den Verbrauchern ganz verborgen. Ganz zu schweigen von den Ratgeberseiten, die von externen Dritten produziert werden.

Weiter stellt Brandstetter fest: Auskömmlich ist die Verbraucherberichterstattung nur für Autoren, die ihre Artikel mehrfach verwerten oder hin und wieder für Zeitschriften oder Kundenzeitschriften schreiben. Mehrfachverwertung ist im Onlinezeitalter eines der schwierigsten Unterfangen des freien Journalisten, weil alle Medien Exklusives wollen.

Fazit

Das 254-seitige, verständlich geschriebene Buch liefert einen guten Überblick über das Thema Verbraucherjournalismus, ergänzt mit vielen Beispielen, handwerklichen Anweisungen und Checklisten (Schreiben von Nutzwerttexten oder Checkliste „Telefonaktionen organisieren“). Probleme wie undurchsichtige Zusammenarbeiten mit Dritten, PR-Einfluss und „Qualitätsintransparenz“ des Publikums wischt die Autorin allzu lässig vom Tisch: Die Leser könnten sehr wohl erkennen, ob es sich um einen aufwendig recherchierten Beitrag oder um oberflächliches, mit PR gespicktes Material handelt. Wirklich?

Brandstetter-VerbraucherjournalismusAutor: Barbara Brandstetter

Titel: Verbraucherjournalismus

Preis: EUR 24,99

Umfang: 254 Seiten

Erscheinungsjahr: 11/2014, 1. Auflage

Verlag: UVK Verlagsgesellschaft

ISBN: 978-3-86764-416-7

 

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

 

Manfred_WeiseDer Rezensent Manfred Weise, geboren 1955, ist Soziologe und Politikwissenschaftler. Er lebt in der Schweiz  und arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen wie die „Neue Zürcher Zeitung“ und das „St. Galler Tagblatt“. Als Fachjournalist ist er auf die Bereiche IT, Telekommunikation und Sport spezialisiert.

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