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Tipps für die Entwicklung digitaler Dialogformate und Fortbildungsreihen

Ein Jahr der beschleunigten Digitalisierung liegt hinter uns. Dialogformate wie Podcast, Livestream oder Webinar boomen, nicht zuletzt wegen Lockdown und Ausgangsbeschränkung. In Kooperation mit Bildungsträgern, Medien und Industrie lassen sich daraus auch innovative Fortbildungsreihen entwickeln.

Wer bereit ist, in Wissen und Technik zu investieren, kann sich, unabhängig vom aktuellen Infektionsgeschehen, nachhaltig neue Kundschaft in der Medienwelt, im Bildungsbusiness oder in der Industrie aufbauen. Es gilt, Lösungen für Probleme zu finden und daraus ein Angebot zu machen. Aufmerksamkeit und Reichweite heißen die zeitgemäßen Währungen im Netz, die neue Möglichkeiten wie Kooperation und größeren Abverkauf bieten. Das Geld liegt in der Liste, genauer gesagt: in der Liste der eigenen Abonnenten, die Dienstleistungen, Produkte oder Medieninhalte konsumieren.

Livestreaming: nicht nur ein Trend

Nicht nur ein flüchtiger Trend ist das Livestreaming von Präsenzveranstaltungen, Reisevorträgen mit zugeschalteten Live-Speakern, Webinaren, Produktvorstellungen, Expertentalks oder auch Community-Services mit Kundendialog. Auch der „live gestreamte“ Blick hinter die Kulissen, „Behind the Scenes“, erfreut sich bei Medien und Industrie, die ihre Zielgruppe vertraulich ansprechen wollen, großer Beliebtheit. Macher und Urheber beweisen so Authentizität und betonen ihre Unternehmenswerte – wie Diversität, Wertschätzung und Transparenz.

Die ungeschnittene Nahbarkeit eines Livetalks betont auch die eigene Persönlichkeit und sorgt für Interaktion mit Kunden oder Leserschaft. Ferner wird durch dieses Videoformat zugleich die hauseigene Innovationsbereitschaft demonstriert: Man ist wandlungsfähig und kann digital unterhalten sowie mit zeitgemäßer Technik umgehen, sich somit gezielt gegen die Konkurrenz durchsetzen.

Die Nutzungsmöglichkeiten sind vielfältig: Gerade die zuletzt so gebeutelte Touristikindustrie versucht es aktuell erfolgreich mit Business-to-Business- (B2B-) und Consumer-Webinaren in Kooperation mit Trade-Partnern. Und auf Dringeblieben.de kuratieren Kultur- und Kunstschaffende sowie Nerds Online-Veranstaltungen im Lockdown. Outdoor-Brands hingegen präsentieren Produkte und pflegen ihre digitale Community.

Als Plattformen für das ortsunabhängige Livestreaming kommen Instagram, Facebook, Twitch, LinkedIn und YouTube in Betracht. Auch Skype und Zoom wurden schon genutzt.

Der eigene YouTube-Kanal

Aufgrund der möglichen Reichweite fällt oft die Wahl auf YouTube. Da man hier jedoch nur die kanaleigene Livestream-Funktion nutzen kann, wenn der eigene Account mindestens 1.000 Follower aufweist, empfiehlt sich eine Kombination mit der freien Software OBS (Open-Broadcast-Studio). So kann man die Einschränkung umgehen und auch mit wenigen oder ohne Abonnenten starten.

Auf dem eigenen YouTube-Kanal lässt sich über die Menüführung YT-Studio ein Streamingschlüssel erstellen, der dann bei der Software OBS zur Aktivierung eingepflegt wird. Die CPU-Daten von OBS zeigen die audiovisuelle Auslastung an – mit einer Pegelung von mindestens 160 für die Audiobit-Rate liegt man im sicheren Bereich für eine erste Übertragung – eine stabile Internetverbindung vorausgesetzt, ebenso eine Videobit-Rate von mindestens 5.500.

Wichtigstes Teil der passenden Hardware ist ein Regiepult der Marke ATEM Mini (ca. 300 Euro), welches von der Software OBS bei der Steckverbindung wie eine integrierte Webcam erkannt wird. An dem Regiepult lassen sich dann – zum Teil nur über Adapter – Mikrofone (auch Headsets) und Kameras (DSLR-Videokameras) für die Bild- und Tonaufnahme anschließen. Als mobiler Kontrollmonitor kann ein Tablet oder iPad damit vernetzt werden. Für die Einspielung von Fotos, Grafiken oder Videos empfiehlt sich die Verbindung mit einem zusätzlichen Notebook, sodass der Haupt-PC mit zwei extra Bildschirmen für das mobile Streamen ausgerüstet ist.

Ein Zweier-Talk mit nur einer Kameraeinstellung ist erheblich einfacher zu streamen als eine groß angelegte Pressekonferenz mit mehreren Influencern: Verschiedene Kameras wollen bedient werden, dazu kommen ein Mitarbeiter nur für die Tonkontrolle, einer für die Überprüfung der Software OBS und mindestens ein Supervisor für das Monitoring der Übertragungsqualität via YouTube. Livestreaming ist Teamwork!

Vorab sollte ein redaktioneller Drehplan erstellt werden, der an alle Protagonisten und Techniker verteilt wird. Besondere Bedeutung hat die Anmoderation: Was ist Thema, wer ist zur Gesprächsrunde eingeladen? Verschiedene Kameraeinstellungen und Bildwechsel in fotografischer Qualität verhindern dramaturgische Einbrüche beim User. Ebenso ist zu bedenken, dass viele mobile Endgeräte im Umlauf sind und die Bildsprache entsprechend angepasst sein sollte.

Ein Probelauf mit Gewerke-Check vor dem Livestreaming ist genauso unerlässlich wie etwas technische Kompetenz und ein ästhetisches Bildverständnis. Und: Im Gegensatz zu gecutteten Video-Posts – oftmals von Marketing-Profis via Plattformen wie ReelnReel.com im Netz weitflächig verteilt – wird journalistische Kompetenz mit vielen Interaktionsmöglichkeiten transportiert.

Die eigene Expertise vermarkten

Ein dauerhafter Trend für freie Journalisten ist die Entwicklung eigener Fortbildungsreihen, die über Kooperationspartner wie Bildungsträger, Journalistenverbände, Co-Working-Spaces oder auch auf Workshops spezialisierte Fotofachhändler beworben werden. Für die unabhängige digitale Vermarktung – eigene Reichweite vorausgesetzt – finden sich im Netz Plattformen wie Eventbrite.de, Elopage.de, Newsroom.de oder auch Mitgliedschaftsmodelle der Passion Economy wie Steady.de sowie Patreon.com: „Die Zukunft für unabhängige Medien und Kreative“, heißt es denn auch vollmundig dazu auf der Internetseite von Steady.de.

Auch bei Fortbildungsreihen gilt das Motto: Content, Content, Content! Im Zuge der Pandemie wurde der Markt geradezu geflutet mit Webinaren und Online-Workshops. Eine Positionierung in der massentauglichen Nische scheint sinnvoll.

Technisch funktioniert ein Webinar (Online-Seminar) durchaus mit so unterschiedlichen Konferenz-Tools wie Zoom, GoToMeeting, Jitsi oder BigBlueButton – bei Letzterem lassen sich auch Arbeitsgruppen in sogenannten Breakout-Rooms einrichten. Eher unbekannt ist das Konferenz-Tool www.sichere-videokonferenz.de – gratis, einfach und sicher ohne Registrierung oder Installation: Videokonferenz to go. Wichtig ist, ganz gleich, welche Software verwendet wird: Das Programm sollte stabil und zeitlich unbefristet laufen sowie mindestens zwölf Teilnehmer (Jitsi akzeptiert maximal 15) zulassen.

GoToMeeting: Das System läuft sehr stabil, bietet aber keine Möglichkeit, Breakout-Rooms einzurichten. Über die Freigabe des eigenen Bildschirms lassen sich dann vorbereitete PowerPoint-Unterlagen hochladen, auf denen sich auch visuelle Hilfsmittel wie Folien, Grafiken, Fotos und Videos einbinden lassen.

Lernen in einem Online-Seminar ist ein Kommunikationsprozess: Bei der Einübung neuer Denkweisen und Verhaltensweisen – es geht immer um Veränderung und Wachstumsprozesse – helfen Gruppendiskussionen, Planspiele und gemeinschaftliches Reflektieren von Lösungsansätzen. Selbstzweifel sind menschlich – Machen ist der Schlüssel zum Erfolg!

Tipps zur Gestaltung eigener Online-Kurse gibt es unter anderem auf der Website von Journalism.co.uk („Design and sell media training“). Auch auf YouTube finden sich viele Video-Tutorials zu den Themen Webinar-Planung, Workshops, Livecoaching und Medientraining.

Digitale Megatrends

Die Nachfrage nach relevanten Weiterbildungen oder Coachings wächst rasant, auch das Thema Edutainment – Mischformate aus Lernen und Unterhaltung mit interaktiven Angeboten – gewinnt stetig an Bedeutung. Ebenso gilt es für freie Journalisten, im Bereich Digital Literacy – dies ist mehr als nur ein Buzzword der Plattform-Ökonomie – zu punkten, also Apps zu beherrschen, eigene Kanäle wie Blog oder Social Media zu pflegen, virtuelle Informationen zu filtern und Inhalte zu kuratieren. Aktuelle Megatrends wie New Work, künstliche Intelligenz (KI), Mobilität, Big Data, Gesundheit oder Urbanisierung bieten weitere Nischen, die eigene Expertise zu vermarkten und neue Kunden – oftmals auch prozessbegleitend – zu gewinnen. Was brauche ich für diese Schritte? Wissen, Technik, Sichtbarkeit, Mindset, eine Strategie – und natürlich Geld.

Fördermittel als Unterstützung

Bei der Erschließung neuer Märkte und Kunden (Projektförderungen) helfen auch der Bund und die Wirtschaftsbehörden: Innovationen in jeglicher Hinsicht sowie digitale Geschäftsprozesse und Dienstleistungen werden in Zeiten von Corona stark gefördert, auch über Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen.

Fördermittel können bei verschiedenen Stellen beantragt werden; aufgelistet sind diese in der Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Auch vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gibt es Zuschüsse. Freie Berufe werden oftmals nicht gefördert, aber kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden gerade mit einem neuen Bundes-Förderprogramm (2020 – 2023) sehr umworben. Findige Freelancer können somit potenzielle Kunden daraufhin ansprechen und sich als Coaches für digitale Geschäftsprozesse oder begleitende In-House-Schulungen ins Spiel bringen: Das erforderliche Honorar würde der Kunde über die aktuellen Fördermittel finanzieren können. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Aber: Fördermittel machen eine magere Geschäftsidee nicht unbedingt erfolgreicher. Die Optimierung eigener Kompetenzen und Netzwerke sollte daher zunächst an erster Stelle stehen.

Fazit

In jeder Krise liegt auch eine Chance. Mit dem Mut zur Weiterbildung und etwas technischem Einsatz lässt sich die Digitalisierung in der Corona-Situation nutzen, um auch als freier Journalist auf dem Markt nicht nur zu bestehen, sondern sogar seine Position auszubauen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Der Autor Ralf Falbe arbeitet als freier Bildjournalist, Videographer und Reporter. Veröffentlichungen u. a. in Stern, F.A.Z. und Sueddeutsche.de. Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis Irland 2016 (Kategorie Online – Top 10), Bronze-Winner International Photo Award IPA Philippines 2016 (Kategorie Kinder), Nominierung für den PR-Bild Award 2015, 2017, 2018 (Kategorie Tourismus, Freizeit, Sport). Mitglied beim DFJV und VDRJ. Weitere Informationen zu seiner Person unter www.ralffalbe.com.

 

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