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Trotz ADAC-Skandal: Die Award-Show geht weiter

Was Fachjournalisten künftig dabei beachten sollten

Während der ADAC mit viel Geld und Engagement dabei ist, sein Image wieder aufzupolieren, sollten Fachjournalisten und PR-Verantwortliche innehalten und Bilanz ziehen. Welche Lehren für die Praxis ergeben sich aus der Aufdeckung des Skandals? Die Antwort hat Tragweite. Denn Leserwahlen und Auszeichnungen gibt es zuhauf, nicht nur in der Motorbranche. Die ADAC-Auswahlmethode allerdings könnte, ungeachtet des Entdeckerrisikos, weitverbreitet sein.

Die Aufräumarbeiten beim größten Automobilclub Deutschlands dauern nach wie vor an. Als Zwischenfazit lässt sich feststellen, dass Politiker, Führungsspitzen der Automobilkonzerne und die meisten Clubmitglieder das bisherige Großreinemachen als richtig einstufen. Besonders der Auftrag an die Beratungsgesellschaft Deloitte, für rückhaltlose Aufklärung zu sorgen, und die Einrichtung eines Beirats finden Beifall (siehe Kasten: Der ADAC-Skandal). Vonseiten der Journalisten wird der Prozess der Erneuerung weiterhin kritisch verfolgt. Denn der ADAC-Skandal und das Drumherum ist ein Mega-Thema, schon allein aufgrund der rund 19 Millionen Clubmitglieder. Eine weitere Berichterstattung hält die Aufmerksamkeit bei Lesern, Hörern und Zuschauern wach, entsprechend der alten Regel: Auch wenn es nur noch Gutes zu berichten gibt – dabei kann auf den „interessanten“ Skandal verwiesen werden. Die Presseverlage freut es, dass der Club, der bisher bei der Anzeigenwerbung eher durch Zurückhaltung auffiel – die Mitgliederakquise vor dem Supermarkt hatte Vorrang –, jetzt eine millionenschwere Imagekampagne mit Annoncen fährt.

Warum haben Kollegen der „Süddeutschen Zeitung“ und des „Spiegel“ die Machenschaften beim ADAC enthüllt und nicht Fachjournalisten, also Motorjournalisten? Aus der Redaktion des Automagazins „auto motor und sport“ ist als Begründung zu hören, dass es bei ihnen in erster Linie um Autos geht, die vorgestellt, getestet und bewertet werden. Ähnlich äußern sich Kollegen bei der „Auto Zeitung„. Ein „Auto Bild„-Redakteur meint, dass die ausschlaggebende Frage lautet: Wer erhält zuerst die Insider-Informationen, die den Stein ins Rollen bringen? Das seien in der Regel nicht die Fachmedien, sondern die branchenunabhängigen investigativen Blätter – wie eben die „Süddeutsche“ und der „Spiegel“. Haben diese Organe ein negatives, wahrheitsgetreues Branchenthema in die Öffentlichkeit gebracht, berichtet die Fachpresse im Zuge der Chronistenpflicht nach. Die Fachpresse bei Skandalthemen also nie voraus, immer nur hinterher? Schwer zu glauben!

Der ADAC-Skandal
Mit dem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" am 14. Januar 2014 über eine mögliche Manipulation bei den "Motorwelt"-Leserstimmen für den Autopreis "Gelber Engel" begann alles. Die Unternehmensberatung Deloitte stellte Wochen später in ihrem Prüfbericht fest, dass bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen schon seit gut zehn Jahren nicht nur bei den Teilnehmerzahlen, sondern auch bei der Rangfolge der Siegerautos getrickst wurde. Auf dem Podest sollten nicht alljährlich immer die gleichen Fahrzeughersteller stehen; eine größere Markenvielfalt war erwünscht, jeder Anbieter sollte irgendwann mal Sieger sein. Deloitte kritisierte obendrein eine allgemein undurchsichtige Datenlage, permanent veränderte Bewertungskriterien sowie fehlende Gesprächsprotokolle über relevante Entscheidungen.

Die Verantwortung für die Fälschungen übernahm ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter: Er trat zurück. Ob er allein oder zusammen mit anderen hochrangigen Funktionären kollektiv tätig war, ist bis heute eine vieldiskutierte Frage. Unabhängig davon nahmen Präsident Peter Meyer und Geschäftsführer Karl Obermair als vereinspolitisch Verantwortliche in der Folgezeit ebenfalls den Hut. Von der Fahne gingen auch erboste Clubmitglieder, kurz nach Bekanntwerden des Skandals mehr als 200.000. Autohersteller wie Daimler, BMW und VW gaben ihre Preise zurück: über 40 unglaubwürdig gewordene "Gelbe Engel".
Doch damit nicht genug: Recherchen von Journalisten brachten weitere Verfehlungen ans Licht. So ließen sich Präsidiumsmitglieder und Vorsitzende der Regionalclubs in Rettungshubschraubern des Automobilclubs, die aus Bundesmitteln, Krankenkassenbeiträgen, von den Clubmitgliedern und durch Spenden finanziert werden, zu verschiedenen Veranstaltungen fliegen; in Braunschweig wurde ein Hubschrauber dazu genutzt, einen unter Wasser stehenden Fußballplatz mit dem Wind der Rotorblätter trocken zu föhnen, damit ein Fußballspiel stattfinden konnte; eine Clubmanagerin ließ ihren Sohn und dessen Kumpel in einem ADAC-Ambulanz-Jet nach Ägypten zum Tauchurlaub bringen. Der "Spiegel" deckte auf, dass die Autofahrerorganisation rund eine halbe Milliarde Euro an Versicherungssteuern – die Clubmitgliedschaft mit der Unfall- und Pannenhilfe beinhaltet ein steuerrelevantes Versicherungsverhältnis – nachzahlen muss. Das Amtsgericht München kündigte an, den steuersparenden Vereinsstatus zu überprüfen; es soll geklärt werden, ob sich die zahlreichen wirtschaftlichen Clubaktivitäten mit dem Vereinsrecht, das Steuererleichterungen vorsieht, vertragen. Die "Süddeutsche Zeitung" brachte bei der Pannenhilfe eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ans Licht: Die Gelben Engel bevorzugten demnach bei ihren Einsätzen Autofahrer mit Hersteller-Mobilitätsgarantie, wofür der Autoclub gesondert kassiert – Clubmitglieder mussten warten.
Im Sog des Skandals meldeten sich auch andere Kenner der Materie zu Wort: Alfons Kifmann, einst ebenfalls ADAC-Kommunikationschef, veröffentlichte das Enthüllungsbuch "Die gelbe Gier", in dem er unter anderem unseriöse Produkttests anprangert. Und der Chefredakteur des "PR-Magazins", Thomas Rommerskirchen, äußerte die Ansicht, dass die Clubverantwortlichen ein personelles Qualitätsproblem zu vertreten hätten. Für 250.000 Euro, das Jahresgehalt von Ramstetter, könne man keinen Profi bekommen, der allen ADAC-Kommunikationsaufgaben gewachsen sei.
Auf zu neuen Ufern! August Markl, der die Präsidentschaft des ADAC kommissarisch übernahm, versprach eine tiefgreifende Clubreform, bei der sämtliche Tests und Statistiken auf den Prüfstand kommen, und setzte einen Beirat mit Beratungsfunktion ein. Zu diesem gehören Persönlichkeiten wie Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Jürgen Heraeus, Unicef-Deutschland-Chef, und Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Bundesverfassungsgerichtspräsident – erhoffte Garanten für den erfolgreichen Weg zurück zur Glaubwürdigkeit. Millionenteure TV- und Hörfunk-Werbespots, die die Services des Clubs hervorheben, flankieren diesen Weg ab Mai.

Bloß kein Generalverdacht

In Sachen Glaubwürdigkeit sind vor allem die Verlage und Redaktionen der straßengebundenen Branche, die auch Leserwahlen durchführen, inzwischen schwer aktiv. Sie wollen keine Angriffsfläche bieten und keinesfalls mit den ADAC-Praktiken in Verbindung gebracht werden – bloß kein Generalverdacht!

Deshalb stellen sie zum einen bisherige Wahlabläufe auf dem Prüfstand. Das hat im Springer-Fachmedienverlag ebenfalls eine Trickserei bei Leserstimmen zutage gefördert, und zwar beim Flotten-Award der Fuhrparkfachzeitschrift „Autoflotte„, bei dem die Leser online über die besten Flottenautos und -dienstleister abstimmen können. Der Chefredakteur musste seinen Schreibtisch räumen.

Zum anderen gibt es viele Bemühungen, alles ganz transparent und nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Befragte Motorjournalisten sind sich einig: Beides ist angesagt – ADAC-unabhängig, ganz allgemein und schon seit Längerem. Denn in der Motorbranche, aber nicht nur dort, sei eine Award-Schwemme festzustellen. Tendenz weiter steigend, damit auch weiter steigend die Flut an Pressemitteilungen von Initiatoren oder geehrten Firmen über verliehene oder erhaltene Awards.

Die Award-Flut

Wie groß das Award-Geschäft in der Motorbranche inzwischen ist, macht schon die Zahl der Verleihungen deutlich: pro Jahr mehr als 300. Motorjournalisten könnten an jedem Werktag über mindestens eine Auszeichnung berichten. In der Branche vergeben vornehmlich Firmen, Journalisten inklusive Blogger sowie Verlage oder Redaktionen die Ehrungen – Letztere mit und ohne Leserbeteiligung. Preise gibt es für die besten Lieferanten, die Händler mit der höchsten Kundenzufriedenheit oder Gebrauchtwagenqualität oder für vorbildliche Ausbildungsbetriebe. Awards gibt es natürlich auch für jede Fahrzeugklasse. Sozusagen obendrauf kommen noch die Sonderpreise, so für besonders innovative Entwicklungen, die beste Umweltneuheit des Jahres oder besonders verdienstvolle Persönlichkeiten. Manche Unternehmen hängen sich mit ihren Auszeichnungen auch an Presse-Awards an. Nach diesem Muster funktioniert der von der Roland Rechtsschutz-Versicherung ausgelobte „Goldene Roland„, der während der Veranstaltung „Auto der Vernunft“ an Personen mit Vorbildfunktion in puncto Sicherheit, Zivilcourage und Ritterlichkeit überreicht wird. Und ganz wie beim „Oscar“ versenden einige Firmen schon eine Pressemitteilung, wenn sie oder eines ihrer Produkte für einen Award nominiert sind.

Kfz-Auszeichnungen kommen auch aus anderen Branchen, zum Beispiel vom „Back Journal“, das den „Bäcker-Transporter des Jahres“ kürt. Den internationalen Design-Preis „Red Dot Award“ gibt es neuerdings ebenso für das Kommunikations-Design, zum Beispiel für eine Opel-App, die eine virtuelle Autoprobefahrt ermöglicht. Und umgekehrt schreibt die Autoindustrie Preise für branchenfremde Aktionen aus. So zeichnet Toyota-Nobeltochter Lexus exklusive Design-Projekte aus, Kia unterstützt den Youtube-Music-Award, Ford den Filmwettbewerb „Cannes in a Van„.

Die Award-Flut ist ein Indikator für die Möglichkeiten und Ziele der Autobranche (siehe Tabelle: Der Award-Check). Das Wahlergebnis ist nicht selten ein Gradmesser für das Image und die Akzeptanz von Fahrzeugen und Marken – Marktforschung als Begleiterscheinung. Der Preis unterstreicht Werte wie Bekanntheit und Kompetenz und kann die Markteinführung einer neuen Technik, eines bestimmten Materials, den Vertrieb insgesamt fördern. Kunden gibt er einen Anhaltspunkt zur Orientierung auf dem unübersichtlichen Markt, bei Mitarbeitern wirkt er motivationsfördernd, die raren Fachkräfte sind eher geneigt, bei einem so ausgezeichneten Unternehmen anzuheuern. Die feierliche Preisübergabe kann als ein zentraler Branchentreff ausgestaltet werden.

Der Award-Check
Die Award-Maschinerie wächst weiter. Um seriöse von unseriösen, bedeutende von wertlosen Awards unterscheiden zu können, sollten (Fach-)Journalisten und PR-Verantwortliche folgende Punkte beachten
InitiatorWer ist der Initiator, Ausrichter oder Veranstalter? Ein Presseorgan, eine Firma, eine Messe, ein Verband oder Verein? Oder aber eine Marketing-, Werbe- oder PR-Agentur, bei der vielleicht eher der PR-Effekt im Vordergrund steht? Das Image des Initiators korrespondiert mit der Glaubwürdigkeit, Wertigkeit und Seriosität des Awards.
ZielFür was gibt es den Award, was soll mit ihm erreicht werden? Ist der Grund die Auszeichnung einer Firma für eine Produktneuheit, die Ehrung einer verdienten Persönlichkeit, die Förderung einer neuen Technik oder eines neuen Werkstoffs oder verfolgt der Veranstalter seine Gewinnmaximierung, zum Beispiel über hohe Teilnahme- und Award-Nutzungsgebühren?
TeilnahmeWer kann teilnehmen? Sind die Teilnahmebedingungen im Internet aufrufbar, sind sie logisch und verständlich, werden Ablauf und Wahlverfahren detailliert erklärt, ist die Teilnahme mit mehreren Produkten möglich? Die Faustegel lautet: Die erlaubte Teilnahme mit nur einem Produkt hebt die Wertigkeit des Awards.
RhythmusIn welchen Zeiträumen wird der Award vergeben? Wie oft wurde er schon ausgelobt? Allgemein gilt: Je öfter eine Auszeichnung im Lauf eines Jahres vergeben wird, desto wertloser ist sie.
GebührenEntstehen für die Teilnahme Kosten, zum Beispiel durch eine Nominierungsgebühr? Ist im Falle einer Auszeichnung für die werbliche Nutzung des Awards eine Lizenzgebühr fällig? Bei der Einstufung der Gebührenhöhe für die Award-Vermarktung bietet die Stiftung Warentest eine Orientierung. Wobei festzustellen ist, dass etliche Awards nicht die Strahlkraft eines Testurteils der Stiftung Warentest haben.
JuryWie kommt die Zusammensetzung der Jury zustande? Wer sind die Jury-Mitglieder, wie kompetent sind sie? Wie wird bewertet – nach einem offenen, nachprüfbaren Punktesystem oder während einer mündlichen Abstimmung hinter geschlossenen Türen? Wird ein (Fach-)Publikum, zum Beispiel die Leserschaft einer Fachzeitschrift oder eine bestimmte Zielgruppe (Fuhrparkverantwortliche, Leasingnehmer usw.), bei der Auswahl beteiligt? Der Grundsatz heißt: Eine offene Bewertung, bei der auch ein Publikum mitwirken kann, ist ideal.
AuswahlNach welchem Verfahren sind die zur Wahl stehenden Objekte bestimmt worden? Sind Einreichungen, Testresultate, Studienergebnisse, Datenbankauswertungen, Verkaufszahlen oder andere Auszeichnungen maßgeblich? Bei Testresultaten ist zu hinterfragen: Wer sind die Tester, wie wurde getestet? Bei einem seriösen Award gibt es eine Auswahl, deren Menge den Branchenvergleich tatsächlich ermöglicht. Ausgeschlossen sollte sein, dass die Anzahl der Einreichungen die Award-Vergabe beeinflusst – mit vielen zur Wahl stehenden Objekten sollte kein Award "erkauft" werden können.
AuszeichnungNach welchen Kriterien wird geurteilt? Wie sinnvoll sind die Kriterien bzw. die zu bewertenden Einzeldisziplinen unterteilt? Die Faustregel besagt, dass ab zehn Kategorien die Übersichtlichkeit und die Orientierung leiden. Die Auszeichnungsquote sollte die Grenze von zehn Prozent, bezogen auf die Gesamtzahl der zu bewertenden Objekte, nicht überschreiten
SponsorschaftWer sponsert den Preis – sind gar die Ausgezeichneten auch Sponsoren? Die mögliche Sponsorschaft beginnt bei der Bereitstellung von Shuttle-Fahrzeugen und reicht bis zur organisatorischen und finanziellen Ausrichtung der feierlichen Preisübergabe. Ein Sponsor sollte keinen Award erhalten.
PreisübergabeFindet die Preisverleihung im Rahmen einer eigenen Festveranstaltung statt oder ist sie Teil einer anderen Veranstaltung? Steht die Preisübergabe im Vordergrund oder die Unterhaltung bzw. die Show? Bei der Preisübergabe sind immer die Ausgezeichneten und der Preis das Wichtigste. Nach der Übergabe sollte ein allgemeines Come together stattfinden – die Preisübergabe auch als Branchentreff.
ServicesWelche kostenlosen und kostenpflichtigen Services bietet der Veranstalter? Wie wird mit der Veröffentlichung der Preisvergaben verfahren – erledigt das der Veranstalter oder das/die ausgezeichneten Unternehmen? Ein seriöser Award-Verleiher stellt zumindest auf seiner Website die Gewinner kostenlos vor.

Derart viele Pluspunkte können einen Marketing- oder PR-Verantwortlichen oder einen Chefredakteur – ganz unabhängig von der Branche – schon in Versuchung bringen, in die Trickkiste zu greifen, wenn es mit dem Wahlverfahren nicht richtig läuft. Doch dabei schwingt immer das Risiko mit, entdeckt zu werden. Die Gefahr besteht, dass ein Mitarbeiter über die Manipulation nicht die Geschäftsleitung, sondern gleich die Öffentlichkeit informiert. Und was dabei herauskommen kann, zeigt das Beispiel ADAC sehr deutlich: Es zeige einmal mehr, dass der Pfad der Tugend nicht verlassen werden sollte, so Presseverantwortliche bei der Stuttgarter Motorpresse, beim Springer-Verlag, bei Daimler, Ford und VW.

Kritisiert wird von befragten Motorjournalisten nicht nur, dass die Award-Vergabe immer mehr in Mode kommt, sondern auch die Zunahme des Missbrauchs. Jeder kann seinen eigenen Award entwerfen und vergeben. Nicht selten stehe nicht die Ehrung, sondern die Gewinnmaximierung im Mittelpunkt, alles laufe unter „mehr Schein als Sein“. Es gelte mehr denn je, unseriöse und wertlose Auszeichnungen von seriösen und wichtigen zu unterscheiden. Und dies betrifft sicher nicht nur die Automobilbranche.

Auswahlverfahren unter Aufsicht

Heute, nach den ADAC-Fälschungen, sind vor allem Verlage und Redaktionen sehr bemüht zu verdeutlichen, dass die Leserstimmen korrekt addiert werden. So informierte „auto motor und sport“ anlässlich der „Best Cars 2014„, dass sich exakt 115.285 Leser beteiligt haben und wie genau der Ablauf der Leserwahl vor sich ging. Erstmals wurden die eingesendeten Postkarten von einem Notar gewogen, um so das Verhältnis abgegebener Stimmen zu Kartenzahl annäherungsweise zu überprüfen. Zudem wurden dem Rechtsvertreter die Serverprotokolle der Online-Abstimmung vorgelegt. Die Stimmenauszählung wird von einem externen Dienstleister durchgeführt. Am Schluss erhält der Motorverlag einen fertigen Datensatz – und das war’s.

Beim „Car of the year“ wird betont, dass Manipulationen wie beim ADAC-Autopreis aufgrund des offenen Verfahrens nicht möglich sind. Zur namentlichen Abstimmung gehört, dass jedes Jurymitglied seine Stimmabgabe schriftlich begründet.

Auch der Burda-Verlag, der über „Guter Rat“ und „Super Illu“ per Leserwahl alljährlich das „Auto der Vernunft“ ausruft, begibt sich unter Aufsicht. Das komplette Auswahlverfahren überwacht künftig ebenfalls ein Notar. Das Verfahren an sich soll aber bleiben: die Auszählung der postalischen Zuschriften per Strichliste von Redaktionsmitarbeitern und die automatische Erfassung der Online-Stimmen. Offen wird zugegeben, dass gerade bei der Onlineabstimmung etwaige Mehrfachteilnahmen, jeweils unter einem anderen Namen, nicht wirklich verhindert werden können. Doch zum einen arbeite man an einer Lösung, zum anderen glaube man nicht, dass Autofirmen über Mehrfachnennungen die Wahl beeinflussen wollten. Sie ließen sich auf solch ein Niveau nicht herab.

Wirklich? Manche Awards wirken sich durchaus verkaufsfördernd aus; da geht es ums Geld. Und einige Autohersteller pumpen mit Tageszulassungen ihre Verkaufszahlen auf, um so erfolgreicher dazustehen. Klar ist: Auch mit einem Award kann man erfolgreicher dastehen.

Mitmachen wird belohnt

Verlage und Redaktionen betonen bei ihren Leserwahlverfahren heute sehr stark die Preise, die Leser gewinnen können. Das kommt nicht von ungefähr: Motorjournalisten und PR-Verantwortliche in Verlagen und Produktionsbetrieben glauben, dass das Hochschrauben der Teilnehmerzahlen nicht nötig gewesen wäre, wenn der ADAC interessantere, wertvollere Preise ausgelobt hätte – denn dann hätten mehr „Motorwelt“-Leser abgestimmt.

Bei der „Best Cars 2014“ benötigten Leser etwa eine halbe Stunde für das Ausfüllen der Fragebögen. Als Gegenleistung gab es fünf Autos im Wert von über 400.000 Euro zu gewinnen. Die Gewinnerpreise bei der Wahl „Das beste Nutzfahrzeug“ haben einen Wert von über 55.000 Euro. Und grundsätzlich wird das Mitmachen belohnt, mit einem 10-Euro-Gutschein.

Fazit

Was können Fachjournalisten, Redaktionen und Verlage in Zukunft tun, um nicht in der Award-Flut zu ertrinken? Awards sind kritisch zu prüfen, wichtige von unwichtigen zu trennen. Und immer sollte die Frage im Hintergrund stehen: Cui bono? Wem nützt es, wer verdient an der Auszeichnung. So kommt man Manipulationen auf die Schliche.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Foto_ZimmermannDer Autor Gerd Zimmermann ist Diplom-Journalist und Diplom-Betriebswirt. Er schreibt unter anderem für die Verlagsgruppe Handelsblatt und den Motor-Informations-Dienst (mid). Die von ihm gegründete Presseagentur mps mobilpress ist spezialisiert auf Wirtschafts- und Technikthemen in der Motorbranche. Für das Deutsche Journalistenkolleg ist Zimmermann als Autor und Dozent tätig. Darüber hinaus ist er Mitglied im Verband der Motorjournalisten (VdM), im DFJV-Kuratorium und Buchautor.

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