Tschüss Schreibblockade – Kreativitätstechniken gezielt anwenden
Der Fachjournalist stellt Ihnen Kreativtechniken vor, mit denen Sie in den Schreibflow kommen und neuen kreativen Input generieren.
Die US-amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein konnte am besten in der Natur schreiben. Der Überlieferung nach saß die Autorin immer auf einem Klappstuhl im Freien und schrieb mit Stift und Notizblock. Sie liebte es, dabei gelegentlich auf Felsen und insbesondere Kühe zu blicken – dann war die Inspiration zum Schreiben am größten. Ihre Gefährtin Alice B. Tolkas war deshalb in den Schreibphasen ständig damit beschäftigt, eine Kuh in ihr Blickfeld zu treiben. Passte eine Kuh nicht zu Steins Stimmung, fuhren die Damen mit dem Auto zur nächsten Kuh, um Steins Schreibprozess weiter anzuregen. In der Regel schrieb Stein 15 Minuten, das aber sehr schnell. Meist schaute sie sich jedoch Kühe an und ließ die Natur auf sich wirken.
Um in den Schreibfluss zu kommen, hat jeder Autor und jede Autorin ein eigenes Ritual. Es muss hierbei nicht immer die Betrachtung einer Kuh sein, um mit dem Schreiben zu beginnen. Es reicht aus, sich mit verschiedenen Schreibtechniken zu beschäftigen, um die eigene Kreativität anzuregen. Bereits der berühmte Sozialpsychologe Erich Fromm wusste: „Kreativität erfordert den Mut, alle Sicherheit fahren zu lassen.“ Insbesondere ist Aufgeschlossenheit beim kreativen Prozess sehr ratsam. Nur wer aufgeschlossen ist, kann neue Erfahrungen sammeln und zu neuen Ergebnissen gelangen.
Manchmal genügt es schon, einfach gegen seinen Rhythmus zu arbeiten. Forscher fanden heraus, dass der Einfallsreichtum gesteigert wird, wenn Morgenmenschen nachts und Nachteulen morgens arbeiten. Der Grund: Entgegen dem eigenen Rhythmus zu arbeiten, baut meist Hemmungen ab und steigert die Kreativität.
Vom seriellen Prinzip
Versagensängste beim Schreiben sind nicht ungewöhnlich. Der US-amerikanische Schriftsteller Stephen King sagte einst: „Bei jeder Geschichte, die ich schreibe, habe ich Angst, zu versagen – dass ich keine Ideen mehr habe oder ich sie nicht beenden kann.“
Um erst gar nicht in diesen Zustand zu verfallen, ist es sehr ratsam, ständig am Ball zu bleiben. Regisseur und Drehbuchautor Woody Allen produzierte 40 Jahre alle zwölf Monate einen neuen Film und nahm sich einfach keine Auszeit. Sehr raffiniert ging der Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway vor. Er beendete jeden Schreibtag in der Mitte eines Satzes. So gelang es ihm, am nächsten Tag schnell wieder in das Schreiben hineinzukommen.
Am besten ist es, wenn einem schon bekannt ist, was als Nächstes folgen soll. Oder das derzeitige Projekt wird zum Startpunkt des nächsten gemacht – eine Art serielles Prinzip. Doch was ist, wenn kein Anschlussprojekt vorhanden ist und die Schreibblockade einfach nicht weichen will?
Clustering-Methode
Um innere Blockaden beim Schreiben zu lösen, empfiehlt sich das Clustern. Bei dieser Kreativtechnik schreiben Sie einen Begriff in die Mitte eines leeren Blattes und kreisen ihn ein. Anschließend notieren Sie Assoziationen um den Schlüsselbegriff. Anknüpfend daran ergeben sich wieder neue Kennworte. Es ist wichtig, dass das Niederschreiben der Assoziationen nicht allzu lange dauert. Das Clustern können Sie beenden, wenn Ihnen nichts mehr einfällt oder die Zeit schon sehr fortgeschritten ist.
Das Verfahren ähnelt damit dem Mindmapping und fördert spontane Eingebungen. Die Assoziationsketten bzw. -netze ermöglichen das Finden eines Schreibanlasses und den Zugang zu einem Thema. Das Clustering-Verfahren eignet sich auch für Gruppen. Wichtig ist, dass die Ergebnisse des Clusterns nicht von außen bewertet werden. Den Assoziationen sind keine Grenzen gesetzt und sollten deshalb nicht von anderen kommentiert werden.
Free Writing
Eine weitere Möglichkeit, um in den Schreibfluss zu kommen, ist das Free Writing. Bei dieser Schreibtechnik schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt. Am besten ist es, den Stift nicht abzusetzen.
Ziel des Free Writings ist, den sich selbst aufgebauten Druck zu lösen. Deshalb ist es wichtig, dass Sie Ihren Gedanken freien Lauf lassen und diese in ganzen Sätzen aufschreiben. Kommt kein neuer Gedanke, können Sie schreiben „mir fällt nichts ein“ – bis dann doch wieder ein neuer folgt. Jede Emotion ist willkommen. Und Sie sollten nichts durchstreichen.
Es empfiehlt sich, vor dem Free Writing einen Timer zu stellen. In der Regel sollte die Schreibübung nicht länger als 15 Minuten dauern. Bei der Methode des Niederschreibens dessen, was Ihnen durch den Kopf geht, können Sie nebenbei verworrene Emotionen ordnen. Das schafft Klarheit und Struktur. Zudem können Sie aus dem Geschriebenen neue Ideen entwickeln. Hilfreich ist es, am Ende die wichtigsten Stellen zu markieren.
Memory Work & Future Work
Auch bei der nächsten kreativen Schreibtechnik werden ein leeres Blatt und ein Timer benötigt. Lassen Sie sich von einem Freund oder Bekannten einen Oberbegriff geben – beispielsweise „Auto“ – und schreiben Sie hierzu einen Text innerhalb von 20 Minuten.
Bei der Methode Memory Work greifen Sie auf Ihre Erinnerungen zurück. Hier können Sie zum Beispiel einen Text über Ihr erstes Auto schreiben. Die W-Fragen (wann, wo, weshalb, warum, wie, was, wer) können Ihnen beim Textschreiben helfen. Etwa so: Wie sah ihr erstes Auto aus? Wie ist es gefahren? Wann haben Sie es erhalten? Wer hat es bezahlt? Am Ende haben Sie einen Text über Ihr erstes Auto und sind durch Ihre Erinnerung in den Schreibfluss gekommen.
Bei der Methode Future Work wird zu dem Oberbegriff ein Text geschrieben, der sich mit der Zukunft beschäftigt. Diese Methode ist im Gegensatz zur Memory Work etwas anspruchsvoller, da hierbei besonders Ihre Kreativität gefordert wird. Als Thema könnten Sie aufgreifen: Wie sehen Autos in 50 Jahren aus? Wichtig dabei ist, ohne jeglichen Anspruch zu schreiben. Es zählen das Beginnen und Üben.
Das Zufallsprinzip
Bekanntlich ist der erste Satz eines Textes immer der, der einem am schwersten fällt. „Der Tanz um den ersten Satz“ kann umgangen werden, indem er einfach ausgelassen und erst am Ende oder im Verlauf des Verfassens des Textes geschrieben wird.
Auch bei Schreibübungen kann der erste Satz eine Herausforderung sein. Nicht schlimm! Schlagen Sie willkürlich eine Seite eines Buches auf und lesen Sie ein paar Sätze. Hören Sie dann auf zu lesen und schreiben Sie diesen Text einfach weiter. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf – es muss auch nicht alles 100-prozentig Sinn ergeben. Wichtig ist, dass Sie überhaupt schreiben und sich wieder daran gewöhnen. Sie können aber auch das Ende eines Romans umschreiben, wenn Ihnen der Schluss nicht gefallen hat, oder eine Fortsetzung verfassen.
Alphabetmethode
Auch das Alphabet kann Ihre Schreibblockade durchbrechen. Beginnen Sie mit dem A als erstem Buchstaben des Alphabets einen Satz und lassen Sie den zweiten Satz mit einem Wort anfangen, dessen erster Buchstabe das B ist – und so weiter. Schreiben Sie insgesamt 26 Sätze – folglich endet der letzte Satz mit dem Anfangsbuchstaben Z. Ihr Text muss nicht unbedingt Sinn ergeben. Wichtig ist, fortlaufend Sätze zu verfassen.
Sich einfühlen
Sollten Sie Ihre Künste beim Beschreiben verbessern wollen, so stellen Sie sich vor, Sie müssten einem Blinden einen Gegenstand erklären. Hierbei erzeugen Sie Bilder in den Köpfen Ihrer Leserschaft und lernen nebenbei, bildhaft zu schreiben. Das ist nicht leicht, aber eine gute Übung für das detaillierte Beschreiben. Doch beherzigen Sie Stephen Kings Rat: „Beschreibung beginnt in der Fantasie des Autors, sollte jedoch in der des Lesers enden.“
Sprachmemo
Ist Ihr Schreibfluss derart blockiert, dass die vorherigen Übungen nicht zum gewünschten Ergebnis führten, dann nehmen Sie keinen Stift in die Hand. Stattdessen kommt das Diktiergerät zum Einsatz.
Sprechen Sie Ihre Gedanken oder Einstiegssätze in das Gerät ein und sortieren Sie später Ihre Sprachmemos. Durch das Einsprechen Ihrer Gedanken wird das Schreiben erst einmal umgangen. Sie können ganz ungezwungen, frei von Blockaden, artikulieren.
Schreiben bzw. tippen Sie danach die Sprachnotizen ab und geben Sie ihnen anschließend eine Struktur. Später können Sie kürzen und verbessern. Diese Methode eignet sich auch hervorragend zum Brainstormen.
Fazit
Am Ende ist Ihnen nur noch der Ratschlag der Kreativtechnikerin Jocelyn Glei ans Herz zu legen: „Hör auf, dich an dem zu orientieren, was andere tun, und blicke auf das, was du erreicht hast. Schau nicht zur Seite, sondern in die Richtung, in die du gehst.“
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).
Florian Beißwanger studierte im Bachelor Politikwissenschaft und Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an den Universitäten in Jena und Antwerpen. Seinen Master absolvierte er im Studiengang Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Seit Beendigung seines Volontariats arbeitet er beim DFJV und ist für die Bereiche Online-Redaktion und Kommunikation verantwortlich.