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Überschrift – Vorspann – Bildunterschrift: Kleine Texte ganz groß (Teil 3)

Die Bildunterschrift – dem Leser das Bild erklären

Leser einer Zeitung, einer Zeitschrift und einer Website schauen zunächst auf die Bilder. Das wissen wir aus Blickverlaufsstudien, bei denen die Augenbewegungen von Probanden beim Betrachten und Lesen aufgezeichnet werden. Doch wo fällt ihr Blick danach hin? In vielen Fällen auf die Bildunterschrift. Schade, dass viele Journalisten diesen kleinen Texten unter den Bildern zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Dabei müssten sie nur die folgenden Regeln beherzigen.

Neun von zehn Lesern einer Tageszeitung schauen einer Studie des Medienwissenschaftlers Michael Haller zufolge zuerst auf die Fotos. Für Zeitschriften dürften ähnliche Werte gelten und auch bei Online-Publikationen spielen Bilder eine gewichtige Rolle, wie der dänisch-amerikanische Usability-Forscher Jakob Nielsen herausgefunden hat. Doch wo fällt der Blick danach hin? Zumindest bei Zeitungen und Zeitschriften ist klar: in vielen Fällen auf die Bildunterschrift (BU). Nur bei Online-Seiten gibt es eine Ausnahme. Hier wird die BU, wenn überhaupt, erst zu einem späteren Zeitpunkt wahrgenommen. Bei Apps wiederum gelten oft die Regeln von Print.

Fünf Regeln für Bildunterschriften

Aus diesem Blickverlauf wird bereits die erste Regel klar:

  1. Jedes Bild bekommt eine Bildunterschrift. Sie informiert den Leser, der das Motiv nicht erkennt, was oder wer auf dem Bild zu sehen sind, wo und wann die Aufnahme entstanden ist. Falls der Leser das Motiv schon kennt (etwa bei einer bekannten Person), bestätigt ihn die Bildunterschrift, dass er richtig liegt. Deshalb steht unter einem Foto von Angela Merkel „Bundeskanzlerin Angela Merkel“, selbst wenn die meisten Leser die Kanzlerin erkennen dürften. Es könnte sich nämlich auch um Susanne Knoll handeln. Die Lübeckerin arbeitete lange als Merkel-Double. Wichtig ist auch, dass die BU eindeutig dem Bild zuzuordnen ist. Suchspiele nach dem Motto „Drittes Bild oben rechts“ schrecken den Leser ab. Aber das ist nicht die einzige Regel, darüber hinaus gilt:
  2. Die Bildunterschrift beantwortet alle Fragen, die sich ein normaler Betrachter stellen würde. Welche Fragen das sind, mag auch vom Medium und der Zielgruppe abhängen. In einer Autozeitschrift zum Beispiel wollen die Leser vermutlich wissen, um welches Modell es sich bei einem Fahrzeug genau handelt, also Marke, Baujahr und technische Besonderheiten. In einer Fachpublikation für Scheinwerferbau interessieren vermutlich zudem noch die Details zu den Scheinwerfern. In einer Fachzeitschrift für Nachhaltigkeit genügt eventuell schon der Hinweis, dass es sich um Hybridmodell eines bestimmten Herstellers handelt. Vor allem in Fachpublikationen sollte die BU allerdings möglichst konkret sein („Ein Auto“ wäre ein bisschen wenig). Sind auf einem Bild Personen abgebildet, sollten diese namentlich genannt werden, solange es sinnvoll ist (also nicht bei einem Foto der Fischer-Chöre). In der Regel wird die Grenze, je nach Umfang der BU, bei vier bis sechs Personen gezogen. Der Hinweis, in welcher Reihenfolge die Personen aufgezählt werden, kann hilfreich sein, zum Beispiel „v.l.“ oder „von links“ (dass es nach rechts weitergeht, versteht sich von selbst) oder „hintere Reihe“. Verzichtet werden sollte darauf, bei der Aufzählung hin und her zu springen. In Einzelfällen mag es geboten erscheinen, die wichtigste Person zuerst zu benennen („3. von links“).
  3. Die Bildunterschrift geht, wann immer platzmäßig möglich, über das Bild hinaus und macht den Leser neugierig auf den dazugehörigen Artikel. So ist es zum Beispiel nicht weiter hilfreich, unter das Foto einer Schale mit Erdbeeren zu schreiben „Eine Schale Erdbeeren“. Gleichwohl muss, um eine Text-Bild-Schere (siehe Regel 5) zu vermeiden, das Bildmotiv beschrieben werden – und dann liefert der Autor eine Information, die über die reine Beschreibung des Motivs hinausgeht. Etwa so: „Eine Schale Erdbeeren enthält so viel Vitamin C wie drei Zitronen.“ (Das Faktum ist hier erfunden. Es geht um’s Prinzip.)
  4. Die Bildunterschrift sollte möglichst korrekt sein. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber sie wird nicht von allen Redaktionen beachtet. Korrekt bedeutet zum einen, dass es keine Rechtschreibfehler und falschen Zahlen gibt. Wichtig ist auch: Die Namen der abgebildeten Personen sollten richtig und einheitlich geschrieben sein. Es gibt Fälle, wo der gleiche Name in der Überschrift, im Text und in der BU in unterschiedlichen Schreibweisen auftaucht. Zum zweiten bedeutet korrekt, dass die BU auch wirklich beschreibt, was auf dem Bild zu sehen ist – beispielsweise das in der BU genannte Automodell also mit dem Auto auf dem Foto übereinstimmt.
  5. Die Bildunterschrift vermeidet Text-Bild-Scheren. Sie sind ein besonders häufiger Fehler. Da zeigt das Bild zum Beispiel einen jungen Bauarbeiter in einer französischen Stadt. Die Bildunterschrift dazu lautet: „Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich ist auf einem Rekordhoch.“ Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Der junge Mann auf dem Bild hat offensichtlich eine Arbeit. Hier hängt es natürlich von den Fakten ab, wie eine korrekte BU lauten könnte. Zum Beispiel: „Nur noch wenige junge Menschen finden in Frankreich eine Stelle, so wie dieser junge Bauarbeiter in Lyon. Schuld daran ist eine Rekord-Jugendarbeitslosigkeit.“ Text-Bild-Scheren treten häufig bei Symbolbildern auf. Hier muss man manchmal kreativ sein, darf es jedoch nicht übertreiben. Ein Foto in der Süddeutschen Zeitung hat zum Beispiel den Bogen überspannt. Man sieht auf dem Foto die Beine dreier junger Frauen in langen Röcken. Sie halten einen Spaten vor sich. Die BU lautet: „Hostessen stehen zum ersten Spatenstich bereit. Hier geht es um einen Messestandort in Berlin, doch auch Firmengründer bauen einiges Neues auf. Allerdings trauen sich immer weniger Menschen, ihr eigener Chef zu werden.“ Von Hostessenbeinen mit Spaten zum Mangel an Start-up-Unternehmern ist es ein zu langer Weg – den kann keine noch so originelle Bildunterschrift überbrücken.

Bildunterschriften sind leider jene Kleintexte, die unter den ohnehin vernachlässigten Kleintexten am meisten missachtet werden. Vielfach schreiben die Redakteure „noch mal schnell eine BU“. Dabei sollte sich jeder Autor klarmachen: Wenn der Leser bereits durch eine langweilige Bildunterschrift abgeschreckt wird, war die ganze Arbeit am Artikel für die Katz.

Fazit

Viele Journalisten vernachlässigen in der täglichen Arbeit die Kleintexte. Klein heißt aber nicht unwichtig. Im schlimmsten Falle bleibt ein Artikel unbeachtet, weil bei Überschrift, Vorspann und Bildunterschrift geschlampt wurde. Wer die zwei Hauptaufgaben der Kleintexte berücksichtigt, Leser zu informieren und sie neugierig zu machen, und die Tipps aus den drei Beiträgen zum Thema hier beachtet, verschafft seinen mühsam recherchierten und formulieren Texten die gebührende Aufmerksamkeit.

Literatur:

Reiter, Markus (2009): Überschrift, Vorspann, Bildunterschrift, 2. Aufl., UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz.

Schneider, Wolf/Esslinger, Detlef (2007): Die Überschrift, 4. Aufl., Econ Verlag, Berlin.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Markus ReiterMarkus Reiter ist Schreibtrainer für Redaktionen und Unternehmen. Zudem berät er Verlage und Redaktionen beim Launch und Relaunch von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Auftritten. Er war unter anderem Reporter und stellvertretender Chefredakteur von Reader’s Digest Deutschland und Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Reiter arbeitet als Dozent in der Aus- und Weiterbildung von Journalisten an mehreren Journalisten-Akademien, für das Deutsche Journalistenkolleg ist er als Autor tätig.

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