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Wen fragen – und wen nicht? 5 Tipps zur Auswahl von Interviewpartnern

Prägnante Einschätzungen, witzig formulierte Lebensweisheiten, noch nie so gelesene Einblicke, die dann wie verrückt von anderen Medien aufgegriffen werden: Wenn es gut läuft, dann bringt uns ein Interview all das! Aber leider ist die Realität oft eine andere. Nicht jede Ärztin eignet sich für die „Drei Fragen zur Masern-Impfung“, nicht jeder Bundesliga-Spieler kann uns nach dem 5:0 etwas Vernünftiges in den Block diktieren, nicht jeder Schriftsteller kann im Interview pointiert und anekdotisch zum Zusammenhang zwischen Werk und Leben Auskunft geben.

Mit anderen Worten: Nicht jeder interessante oder in den Medien präsente Mensch kann auch interessant und mitreißend erzählen oder ohne Umschweife auf konkrete Fragen eingehen. Wunsch und Wirklichkeit klaffen auch beim Interview häufig auseinander. Deshalb spielen die Auswahl und Vorbereitung von Interviewpartnern eine große Rolle für eine gelungene Story. Die fünf folgenden Tipps können dabei helfen.

Vorbereitung ist alles

Je genauer Sie Ihrem Gegenüber vorab erklären können, was Sie mit Ihrem Interview wollen, desto leichter werden Sie sich tun – im Gespräch und danach, bei der Autorisierung. Schicken Sie ein Beispiel-PDF mit! Mailen Sie in der Anfrage einige (wenige!) Beispielfragen, damit Ihr Gesprächspartner weiß, worum es gehen könnte! Erklären Sie – das ist vor allem beim Experteninterview wichtig –, wer Ihre Zielgruppe ist! Für die Kinderseite in der Regionalzeitung muss der Impfexperte viel anekdotischer und viel weniger „fachchinesisch“ antworten als etwa für ein Gesundheitsmagazin.

Fachwissen alleine reicht nicht aus

Apropos Experte: Dass sich jemand auskennt in seiner Materie, ist schon mal extrem hilfreich für seine Eignung als Gesprächspartner. Wir wollen uns ja mit dem Interview die Kompetenz der Experten leihweise in unser Heft, unsere Sendung, unseren Blog etc. holen. Aber Fachwissen alleine reicht nicht aus. Vor allem im Interview zur Person und gerade für ein Publikumsmedium muss ein Experte in der Lage sein, anschaulich und simpel zu formulieren – nicht immer eine Selbstverständlichkeit bei deutschen Universitätsprofessoren. Aber es gibt auch positive Beispiele für solche Gespräche. Eines davon ist das Interview mit dem US-Psychologen Paul Ekman in der Süddeutschen Zeitung.

Informieren Sie sich also vorab bestmöglich nicht nur darüber, was Ihr avisierter Interviewpartner zu sagen hat – sondern klopfen Sie Veröffentlichungen, Radio-/TV-Interviews oder unter Umständen auch den zuständigen Pressesprecher daraufhin ab, wie diese Person erzählt, formuliert, schildert.

Was sagen die anderen?

Kennen Sie jemanden, der einen kennt, der wen kennt, der Ihren gewünschten Interviewpartner schon mal gesprochen hat? Fragen Sie ihn! Vielleicht bekommen Sie hilfreiche Hinweise darauf, was man ihn gut fragen kann – und was und wozu lieber nicht.

Zwei gewinnt – nicht immer

Das Doppelinterview hat seine Chancen – und Tücken. Wenn Gewerkschaftler und Unternehmensverbandsmann über den anstehenden Tarifkonflikt eloquent und mit guten Argumenten streiten; wenn der Altnationaltorwart und sein jugendlicher Nachnachnachfolger über die Fangkunst parlieren; wenn die Jungschauspielerin und der große, alte Bühnenmethusalem über das Leben und den Tod reden; wenn also Kontrast da ist zwischen den beiden Gesprächspartnern, dann bringt ein Doppelinterview echten Mehrwert. Aber wenn sich die beiden in allem einig sind, à la „Das sehe ich genauso!“, „Meine Worte!“, „Finde ich auch!“, dann wird es nur doppeltes Mono statt Stereo. Suchen Sie also bei der Auswahl von und der Vorbereitung auf zwei Gesprächspartner vor allem nach den Unterschieden!

Und wenn es nicht geklappt hat?

Ihr Gesprächspartner war im Gespräch verstockter, fachchinesischer, verschwurbelter als erhofft, trotz Briefing, trotz Recherche? Das kommt vor! Es gibt nicht die eine Technik, mit der Sie aus jedem alles herausbekommen. Machen Sie aus dem Interview einen Fließtext mit Zitaten, kürzen Sie oder stampfen Sie die Sache notfalls komplett ein. Denn einen langweiligen, nichtssagenden Text hat niemand verdient – nicht Ihre Leserschaft, nicht Ihr Gesprächspartner. Und Sie am allerwenigsten!

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

SDer Autor Christian Thiele lebt als Journalist, Trainer und Coach in München. Er hat als Textchef und Autor u. a. für NEON, Süddeutsche Zeitung und Die ZEIT Schauspieler, Staatspräsidenten und Skirennläufer interviewt. Thiele unterrichtet an verschiedenen Journalistenschulen und Universitäten vor allem zum Thema Interviews und ist Jurymitglied beim einzigen Interviewpreis Deutschlands – dem deutschen Reporterpreis. Für das Deutsche Journalistenkolleg hat er den Studienbrief „Interviewen“ verfasst. Sein Buch „Interviews führen“ ist im UVK-Verlag erschienen, auf www.interviewsfuehren.de bloggt er über – richtig: Interviews.

 

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