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Ablauf des Urheberrechts – was Sie als Journalist beachten müssen

Wann ist ein Beitrag urheberrechtsfrei? DFJV-Vertragsanwalt Frank C. Biethahn hat im Fachjournalist dazu bereits wichtige Fragen beantwortet. Jetzt zeigt er auf, wann das Urheberrecht zeitlich erlischt – und, dass es dabei die eine oder andere Falle gibt. Denn manchmal taucht das Urheberrecht in anderer Form unerwartet wieder auf, manchmal greifen noch ganz andere Rechte. In diesem Jahr ist das Thema „Ablauf von Urheberrechten“ besonders relevant: Schließlich enden die Rechte von NS-Tätern und -Opfern, die 1945 gestorben sind.

Viele Journalisten wissen nicht recht, wann Urheberrechte auslaufen – und was dann passiert. Im Jahr 2016 hat das eine makabre Besonderheit, weil die Urheberrechte von NS-Tätern (aber auch Opfern), die 1945 starben, auslaufen. Wichtig ist, die Fristen genau zu kennen – und sie auch berechnen zu können. Sonst stellt sich eine vermeintlich erlaubte Nutzung schnell als Urheberrechtsverletzung (Abmahngefahr!) heraus.

Das Urheberrecht ist begrenzt

Der Gesetzgeber hat das Urheberrecht begrenzt. In sachlicher Hinsicht gibt es z. B. sogenannte „Schranken“, die bereits näher erläutert wurden. Auch zeitlich gilt das Urheberrecht nicht ewig. Es erlischt in der Regel 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG).

Warum ist das so? Nach einer gewissen Dauer soll ein Werk „gemeinfrei“ sein, soll nicht mehr den Einschränkungen des Urheberrechts unterliegen. Damit will der Gesetzgeber einen gerechten Ausgleich zwischen dem Urheber auf der einen Seite und der Allgemeinheit schaffen.

Nach dem Schutz – was dann?

Wenn der urheberrechtliche Schutz abgelaufen ist, „erlischt“ das Urheberrecht (§ 64 UrhG). Das Werk ist dann „gemeinfrei“, es besteht nach dem Urheberrecht keinerlei Schutz mehr. Das bedeutet z. B.: Das Werk kann frei nachgedruckt werden, es kann sogar verfälscht werden. Weder muss eine Berechtigung für die Nutzung eingeholt werden noch irgendjemandem für die Nutzung etwas gezahlt werden. Mit dem Urheberrecht erlöschen ebenso etwa erteilte Nutzungsrechte. Hat der Urheber z. B. einem Verlag Nutzungsrechte eingeräumt, entfallen sie, sobald das Urheberrecht erlischt. Auch der Verlag kann eine Nutzung durch andere dann nicht mehr untersagen.

Ein Beispiel: Friedrich Schiller ist im Jahr 1805 gestorben. Das Urheberrecht ist also lange erloschen. Deswegen können etwaige Nachkommen keine Urheberrechte an seinem Werkschaffen mehr geltend machen. Jeder kann es frei verwerten.

Fallen – „Schutz nach dem Schutz“

Aber Vorsicht: Auch wenn das Urheberrecht ausgelaufen ist, können doch noch andere Rechte – oder sogar nochmals das Urheberrecht! – greifen. Die Nutzung kann beispielsweise dem Markenrecht entgegenstehen oder durch das Eigentum erschwert oder unmöglich gemacht werden.

Beim Markenrecht ist dabei beispielsweise das Werktitelschutzrecht (§ 5 Abs. 3 MarkenG) interessant. An einem Werktitel (z. B. Buchtitel) können auch nach Ablauf des urheberrechtlichen Schutzes noch Rechte bestehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Eigentümer das Fotografieren auf seinem Grundstück untersagen und ebenso das Nutzen von Fotos, die dort ohne seine Genehmigung aufgenommen worden sind. In diesen Fällen kann ein Werk über den Eigentumsschutz weiter geschützt sein. Praktisch betrifft das vor allem Gemälde in Museen.

Sogar das Urheberrecht kann (doch noch) Wirkungen zeitigen: Wenn das Werk selbst frei geworden ist, betrifft das nicht automatisch auch „Bearbeitungen“ des Werkes. Eine Übersetzung eines gemeinfrei gewordenen Werkes ist beispielsweise ebenfalls urheberrechtlich geschützt, ihre Laufzeit bemisst sich unabhängig von der des Werkes.

Auch wenn der Schutz eigentlich abgelaufen ist, kann neuer Schutz entstehen: Eine Übersetzung kann z. B. auch dann noch angefertigt werden, zudem können z. B. wissenschaftliche Ausgaben Schutz genießen, wenn auch nur für 25 Jahre (§ 70 UrhG). Und wer ein Werk, dessen Schutz abgelaufen ist, erstmals veröffentlicht, hat ebenfalls für 25 Jahre ein Schutzrecht (§ 71 UrhG). Mit diesem besonderen Schutz privilegiert der Gesetzgeber denjenigen, der der Allgemeinheit einen Dienst tut, indem er sich mit einem gemeinfreien Werk wissenschaftlich befasst oder ein solches erstmals veröffentlicht. Andernfalls würden gemeinfreie Werke möglicherweise schlicht „verschwinden“.

Welche Fristen gelten?

Der Gesetzgeber kann die Fristen nicht beliebig gestalten. Er ist an internationales (z. B. Welturheberrechtsabkommen) und europäisches Recht sowie das Grundgesetz gebunden.
Das Grundgesetz gibt keine konkrete Frist vor, sondern verlangt vom Gesetzgeber einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Urhebers (und seiner Erben) und der Allgemeinheit.

Für das Urheberrecht gilt als Regelfrist: Es läuft bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG).

Es gibt allerdings einige Besonderheiten:

Bei mehreren Urhebern zählt der Längstlebende (§ 65 Abs. 1 UrhG), wobei bei Film- und Musikwerken nur die wichtigsten der Urheber zählen (dazu näher § 65 Abs. 2 und 3 UrhG).

Bei anonymen und pseudonymen Werken ist der Urheber typischerweise nicht bekannt. Deswegen stellt das Gesetz auf die Veröffentlichung ab: 70 Jahre nach Veröffentlichung erlischt das Urheberrecht (§ 66 Abs. 1 UrhG). Offenbart sich der Urheber noch vorher, laufen die normalen Fristen (§ 66 Abs. 2 UrhG).

Zu beachten ist, dass nicht alles, was im Urheberrechtsgesetz steht, auch Urheberrecht ist. Die genannten Fristen gelten nur für das Urheberrecht, also Werke, wie sie in §§ 1, 2 UrhG definiert sind.
Weitere Schutzrechte, wie sie sich im 2. Teil des Urheberrechtsgesetzes finden, haben eigene Laufzeiten (vgl. z. B. §§ 70, 71 oder 72 UrhG). Das führt dazu, dass einfache Fotos einen Schutz von 50 Jahren genießen (§ 72 Abs. 3 UrhG), während Fotos, die „Schöpfungshöhe“ aufweisen, einen Schutz nach den oben genannten Regeln (also i. d. R. 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers) haben.

Falle: Die Fristen laufen etwas länger …

Das Urheberrechtsgesetz sieht eine Besonderheit bei der Frist vor: Die Fristen beginnen nicht bereits zum Todeszeitpunkt, sondern erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Tod eingetreten ist (§ 69 UrhG). Das bedeutet, sie laufen bis zu maximal einem knappen Jahr länger, als man es erwarten sollte.

In der Diskussion im Jahr 2015 und erst recht im laufenden Jahr ist in diesem Zusammenhang immer wieder Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Hitler starb am 30.04.1945. 70 Jahre später wäre – je nach Berechnung – Ende April bzw. Anfang Mai 2015. Wegen der besonderen Regelung begann die Frist jedoch erst mit dem Ablauf des 31.12.1945 und ist daher auch erst mit dem Ablauf des 31.12.2015, also am 01.01.2016, ausgelaufen.

Im Zusammenhang mit diesen Werken geht es in rechtlicher Hinsicht aber natürlich nicht nur um das Urheber-, sondern auch um das Strafrecht.

Zusammenfassend lässt sich sagen: In aller Regel gilt: Mit Ablauf des Todesjahres des Urhebers läuft das Urheberrecht 70 Jahre. Danach können die Werke des Urhebers normalerweise frei genutzt werden – wenn nicht ausnahmsweise der beabsichtigten Nutzung ein anderes Recht entgegensteht.

Bei journalistischen Rechtsfragen bietet der DFJV seinen Mitgliedern eine kostenfreie, individuelle und zügige Rechtsberatung (Erstberatung) an. Mehr Informationen erhalten Sie hier. Zudem informieren wir in Rechts-News zu wichtigen Themen. Bei komplexen, auch rechtlichen Fragestellungen hilft Ihnen der DFJV darüber hinaus durch verschiedene Leitfäden.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Frank C. BiethahnDer Autor Frank C. Biethahn ist Inhaber einer u. a. auf Urheber- und Medienangelegenheiten spezialisierten Kanzlei bei Hamburg. Er ist bundesweit tätig. Als Vertragsanwalt des DFJV ist er für die Mitglieder-Rechtsberatung zuständig, zudem ist er Lehrbeauftragter an Hochschulen in Hamburg.

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