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Abmahnfalle Internet – worauf Sie als Journalist achten müssen und was sie tun können

Welche besonderen Abmahngefahren bestehen für Journalisten im Internet? Was ist eine Abmahnung? Wie hoch ist das Kostenrisiko? Wie kann man Abmahnungen vorbeugen und was ist zu tun, wenn eine Abmahnung eintrifft? Antworten gibt dieser Beitrag.

Immer wieder kommt es – auch von teils dubioser Seite – zu Versuchen, Betreiber von Internet-Diensten und Web-Seiten abzumahnen. Journalisten sind besonders gefährdet, da sie einerseits auf das Internet zur Beschaffung und Verbreitung von Informationen angewiesen sind, andererseits aber auch im Blickpunkt der Öffentlichkeit und damit unter besonderer Beobachtung der Personen und Institutionen „hinter den Themen“ stehen. Bei vermeintlichen Fehlern wird versucht, über eine Abmahnung Druck auf die Berichterstattung auszuüben oder schlichtweg „abzuzocken“. Ist das – trotz Pressefreiheit – zulässig?

Was ist eigentlich eine Abmahnung?

Eine Abmahnung ist ein Hinweis auf eine Rechtsverletzung. Der Abmahner teilt darin dem Abgemahnten mit, dieser habe die Rechte des Abmahners verletzt, verbunden mit der Aufforderung, dies künftig zu unterlassen.

Dieser Hinweis soll dem Abgemahnten die Gelegenheit geben, sein Verhalten zu überprüfen und so eine außergerichtliche Beilegung ermöglichen. Im eigenen Interesse sollte der Abgemahnte diesen Hinweis ernst nehmen.

Sind Journalisten im Internet denn nicht haftungsbefreit?

Ganz klar: nein! Es tauchen zwar immer wieder entsprechende Gerüchte auf, mal unter Hinweis auf die verfassungsrechtliche Pressefreiheit, mal unter Bezugnahme auf das Telemediengesetz (TMG), doch eine allgemeine Haftungsfreistellung für Journalisten gibt es im Internet nicht.

Die Pressefreiheit wirkt nur in Ausnahmefällen rechtfertigend. Das TMG vermag Journalisten auch nur in – seltenen – Ausnahmefällen zu helfen und hilft vor allem da nicht, wo es für Journalisten besonders gefährlich wird. Die – kostenträchtigen – Unterlassungsansprüche sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nämlich in keinem Fall ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10).

Auch mit Disclaimern/Haftungsbeschränkungen kann der Journalist die Haftung für Rechtsverletzungen nicht einfach ausschließen. Es gibt zwar eine Vielzahl von kreativen und für den Journalisten möglicherweise „überzeugend klingenden“ Versuchen, die Rechtsprechung akzeptiert diese Wege aber nicht.

Das bedeutet: Auch Journalisten müssen im Internet bei Rechtsverletzungen mit Abmahnungen rechnen und sollten sich entsprechend vorbereiten.

Welche Bereiche sind für Journalisten besonders gefährlich?

Drei Bereiche sollen hier besonders hervorgehoben werden, weil dort für Journalisten eine besondere Gefahr besteht, abgemahnt zu werden. Selbstverständlich muss jeder Einzelfall gesondert geprüft werden, denn wenn das Gericht in seiner Prüfung zu einem anderen Ergebnis gelangt als Sie, kann das für Sie erhebliche – insbesondere finanzielle – Nachteile haben. Es ist daher höchste Sorgfalt angezeigt. Im Zweifelsfall sollten Mitglieder des DFJV die Rechtsberatung des Verbandes in Anspruch nehmen.

a) Urheberrechtsverletzungen

Journalisten arbeiten mit Texten, Grafiken, Bildern und anderem „Content“. Dieser „Content“ ist in der Regel urheberrechtlich geschützt (vgl. § 2 Urheberrechtsgesetz). Übernimmt der Journalist einen solchen „Content“ oder lehnt er sich zu dicht an ein fremdes Werk an (zum Beispiel, indem er einen fremden Text lediglich leicht umschreibt), begeht er eine Urheberrechtsverletzung. Dann folgt häufig sehr schnell eine Abmahnung.

Wie kann man vorbeugen?

Wenn es für Sie möglich ist, nur eigenen „Content“ zu veröffentlichen, ist das der sicherste Weg.
Verwenden Sie fremden „Content“, müssen Sie die notwendigen Rechte haben. Welche das sind, hängt davon ab, was Sie vorhaben.

Eingeräumte Rechte sind in der Regel eng zu verstehen. Haben Sie Rechte für eine Printveröffentlichung, dürfen Sie nicht automatisch auch im Internet veröffentlichen.

Achten Sie daher im eigenen Interesse darauf, dass Sie – möglichst schriftlich – für genau das beabsichtigte Vorhaben eine Berechtigung erhalten.

b) Unzulässige Wort- oder Bildberichterstattung

Zum Beruf des Journalisten gehört es, sich zu äußern, sei es per Wort oder per Bild. Solche Wort- oder Bildäußerungen betreffen oft Dritte.

Ist das der Fall, müssen die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden (zum Beispiel das öffentliche Informationsinteresse gegen die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen). Je nach Ergebnis kann die Äußerung unzulässig sein. So muss sich niemand eine unwahre ehrenrührige Behauptung gefallen lassen – dabei überwiegt das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen alle anderen Interessen.

Wie kann man vorbeugen?

Journalisten sollten jede Äußerung prüfen: Welche Aussage entnimmt der Leser (Bildbetrachter) der Äußerung? Ist diese Aussage wahr oder unwahr? Wenn sie unwahr ist, sollte sie unterlassen werden; ist sie unklar, sollte sie präzisiert werden; ist sie zwar wahr, aber unverhältnismäßig anprangernd oder bloßstellend (zum Beispiel ein wahrer Bericht über das Sexualleben einer Person, ohne dass diese dazu ausreichenden Anlass gegeben hat), sollte sie ebenfalls unterlassen werden.

Auch ist zu beachten, dass der Journalist für die Weiterverbreitung von unwahren Äußerungen verantwortlich gemacht werden kann (vgl. den Fall Bettina Wulff gegen Günther Jauch).
Allgemein gilt: Je stärker die Aussage Interessen anderer betrifft, desto gründlicher muss die Prüfung sein.

Bei Bildern von Personen kommt hinzu, dass diese ohne Einwilligung der abgebildeten Person nur in Ausnahmefällen veröffentlicht werden dürfen (dazu näher § 23 Kunsturhebergesetz).

c) Impressum und andere Informationspflichten

Der Gesetzgeber sieht für Journalisten, die im Internet tätig sind, eine Fülle von Informationspflichten vor. Als Beispiele seien die „Impressumspflicht“ nach § 5 TMG und die Vorgaben der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) genannt.

Die Pflichten aus diesen rechtlichen Vorschriften überschneiden sich teilweise und sind insgesamt für den mit dieser Materie nicht vertrauten Journalisten eher verwirrend. Auch die Rechtsprechung ist dabei nicht besonders hilfreich, da nicht einheitlich. Zum Thema DL-InfoV hat der DFJV einen Leitfaden herausgegeben, der etwas Klarheit schaffen soll.

Was genau alles anzugeben ist, hängt allerdings vom Einzelfall ab – zum Beispiel, wofür die Internetseite genau genutzt werden soll –, kann also nicht pauschal beantwortet werden.

Besonders wichtig ist, dass Sie ausreichende Kontaktdaten vorhalten, mindestens Namen und Anschrift sowie E-Mail-Adresse, optimaler Weise auch eine Telefonnummer.

Die vorzuhaltenden Daten müssen „leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar“ gehalten werden. Das bedeutet: Sie müssen unkompliziert aufgerufen werden können und sollten von jeder Seite des Webangebots aus aufrufbar sein, zum Beispiel durch einen Link „Impressum“.

Ein Tipp: Es wird oft übersehen, dass die rechtlichen Vorgaben auch für Social Media-Dienste wie Facebook, Google+ und Twitter gelten. Gerade Verstöße gegen formale Vorgaben (wie Impressum und andere Pflichtangaben), die sich für Abmahner leicht überprüfen lassen, sind dort – wie auch anderswo – besonders „abmahnungsgefährdet“. Es gibt leider Massenabmahner, die gezielt nach solchen formalen Rechtsverletzungen suchen, um diese abzumahnen.

Was sollten Sie tun, wenn Sie eine Abmahnung erhalten?

In keinem Fall sollten Sie einfach untätig bleiben.

Der erste Schritt ist, zu prüfen, ob die Abmahnung berechtigt ist oder nicht. Trifft der Vorwurf zu? Haben Sie das getan, was Ihnen vorgeworfen wird? Ist die „Tat“ rechtswidrig? Gibt es im Einzelfall vielleicht besondere Gründe, warum die Abmahnung trotz rechtswidriger „Tat“ nicht berechtigt ist?

Das – gerade auch den letzten Punkt – werden Sie oft nicht ohne kompetente Hilfe prüfen können. Je nach Ergebnis dieser Prüfung muss dann über das weitere Vorgehen entschieden werden. Dabei empfiehlt es sich, einen (spezialisierten!) Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Teilweise können Sie ohne Rechtsanwalt sowieso nicht vorgehen (zum Beispiel im Klageverfahren beim Landgericht); im Übrigen besteht die (erhebliche) Gefahr, dass Sie sich mehr schaden als nützen, zum Beispiel, indem Sie sich unbedacht äußern. Wegen der Komplexität der Materie gibt es eine Vielzahl an möglichen „Fallen“. Auch der nicht spezialisierte Rechtsanwalt kann Ihnen nur sehr bedingt helfen, weil es ihm an Erfahrung in diesem Bereich fehlt.

Ist die Abmahnung unberechtigt, muss sich der Journalist das nicht gefallen lassen und kann zum „Gegenangriff“ übergehen – und seinerseits Klage erheben. Ob das sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab.

Ist die Abmahnung berechtigt, geht es nur noch um „Schadensbegrenzung“, das heißt, den Schaden für Sie so gering wie möglich zu halten. Das rechtsverletzende Verhalten muss in jedem Fall sofort eingestellt werden (also zum Beispiel ist das urheberrechtswidrig online gestellte Bild zu entfernen oder das unterbliebene Impressum einzufügen).

Bestehen Zweifel, ob die Abmahnung berechtigt ist oder nicht, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die von der Sachlage und der Risikobereitschaft des Journalisten im Einzelfall abhängen. Oft wird zum Beispiel das beanstandete Verhalten eingestellt und auch eine sogenannte „Unterlassungserklärung“ abgegeben, aber keine Zahlung geleistet.

Die Abmahnung – eine ernst zu nehmende Kostenfalle?

Abmahnungen sollten auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus ernst genommen werden, denn sie sind „teuer“: Das hat sich unter Journalisten herumgesprochen. Wie teuer eine Abmahnung im Einzelfall ist, hängt davon ab, was abgemahnt worden ist.

Von den Gerichten werden oft hohe Streitwerte angesetzt, sie haben dabei aber in vielen Fällen einen großen Spielraum. Für die unzulässige Nutzung eines einzigen Fotos kann ein Streitwert von zum Beispiel 6.000 EUR angesetzt werden – Gerichte haben aber teilweise auch schon erheblich weniger oder mehr angesetzt. Bei 6.000 EUR Streitwert betragen die Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung in der Regel zwischen rund 460 und 630 EUR.

Wurden Sie abgemahnt, müssen Sie die Kosten allerdings nur tragen, wenn die Abmahnung berechtigt war. War die Abmahnung nicht berechtigt, muss der Abmahner die Kosten selbst tragen.

Fazit

Als Journalist, der im Internet tätig ist, sind Sie ernsthaft „abmahngefährdet“. Sie sollten Vorsorge betreiben und insbesondere

  • entweder nur eigenen „Content“ verwenden oder solchen, bei dem Sie sicher sein können, dass Ihnen die notwendigen Rechte eingeräumt wurden;
  • die Aussage Ihrer Äußerungen kritisch überprüfen, ganz besonders bei Äußerungen, an denen andere Anstoß nehmen könnten;
  • die Informationspflichten einhalten.

Im Zweifel sollten Sie sich beraten lassen. Fehler können sehr teuer werden.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

 

Der Autor Frank C. Biethahn ist Inhaber einer eigenen Kanzlei bei Hamburg und ist bundesweit u. a. in Urheberrechtsangelegenheiten tätig.

Als Vertragsanwalt des DFJV ist er für die Mitglieder-Rechtsberatung zuständig, zugleich führt er als Dozent das Seminar „Presserecht“ des DFJV durch.

Er ist Lehrbeauftragter an Hochschulen in Hamburg.

 

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