RSS-Feed

„An erster Stelle steht für mich die Unterhaltung“

Er hat vor laufender Kamera mit Politikerin Ursula von der Leyen über Gruppensex bei Affen diskutiert, mit Entertainer Stefan Raab über kiffende Rentiere gesprochen und dem Schauspieler Til Schweiger erklärt, warum der Borstenwurm das Lieblingstier aller Feministinnen sein müsste. Ob im Radio oder im Fernsehen, ob in Printmedien, online oder in seinem Podcast – auf allen Kanälen präsentiert Dr. Mario Ludwig Unterhaltsames aus dem Tierreich. Im Interview mit dem Fachjournalist verrät der Biologe, inwiefern Sex ihn berühmt gemacht hat, warum der Tierjournalismus so faszinierend ist und was er bei seiner Arbeit für unerlässlich hält.

Sie bezeichnen sich als Deutschlands Experte für alles Tierische. Spielen Tiere auch in Ihrer Freizeit eine Rolle?

Aber sicher! Meine Frau und ich hatten mal einen Kater, den ich nach Strich und Faden verwöhnt habe. Und im Urlaub besuche ich jeweils eine bestimmte Tierart, statt am Strand zu liegen oder ein Kulturprogramm zu absolvieren. So war ich beispielsweise in Ruanda bei Gorillas und bei Schimpansen in Tansania. In Nordthailand habe ich einen „Elefantenführerschein“ gemacht und einen der Dickhäuter gepflegt.

Ich will schließlich nach Möglichkeit aus erster Hand berichten können.

Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?

Wie die Jungfrau zum Kinde. Meine Eltern waren zwar beide Biologen, aber in der Schule habe ich Biologie sofort abgewählt, als ich die Möglichkeit dazu hatte. Wahrscheinlich war ich einfach von meinen Eltern damit überfrachtet worden.

Nach der Bundeswehr wollte ich Sport studieren; als Nebenfach dachte ich an Geografie oder Biologie. Nach vier Wochen wusste ich, dass Bio meine Sache ist und dass ich Sport in Zukunft nur als Hobby betreiben würde.

Wenn ich noch einmal vor der Entscheidung stünde, würde ich heute von Anfang an zweigleisig fahren, also Biologie und Journalismus studieren und während des Studiums parallel verschiedene Praktika bei Sendern oder Zeitschriften machen.

Sie sind promovierter Biologe. Bezeichnen Sie sich selbst als Tierjournalist?

Mittlerweile ja – auch wenn ich überhaupt keine journalistische Ausbildung habe.

Im Jahr 1990 habe ich mit Kollegen das Buch „Tiere auf Wohnungssuche“ geschrieben, ein klassisches Biologie-Lehrbuch, das sich immerhin 100.000 Mal verkauft hat. Danach habe ich mir aber gesagt: Das kann es doch nicht sein – ich möchte Geschichten aus dem Tierreich mit einem Augenzwinkern erzählen. Jetzt schreibe ich mal ein Buch über Sex im Tierreich! Ja klar, hieß es beim Verlag zunächst spöttisch, vielleicht auch mit Bildern drin? Zum Glück ist es dann doch verlegt worden – und avancierte zum Bestseller.

Mit dem Thema Sex wurde ich auch für das Fernsehen interessant. Zunächst hat mich Frank Elstner 2006 in seine Talkshow eingeladen, es folgten „3 nach 9“, „TV total“ und andere. Danach kamen dann Anfragen wie: „Wollen Sie nicht mal eine kleine Radiosendung machen, Herr Ludwig?“ Oder Angebote wie: „Es wäre schön, wenn Sie eine kleine Kolumne für uns schreiben könnten, Herr Ludwig …“

Heute berichten Sie auf allen Kanälen über Tiere – in Printmedien, online, im Radio, im Fernsehen und in einem Podcast – und werden oft für Vorträge oder Lesungen angefragt. Ihr Erfolg liegt in der Infotainment genannten Mischung aus Information und Entertainment. Kann das jeder lernen?

Gott sei Dank nicht! Ich hatte Glück: Ich kann halt ein paar Sachen – wie etwas kurzweilig präsentieren. Oder komplizierte Sachverhalte so darstellen, dass sie jeder versteht. Das ist unerlässlich im Populärjournalismus – und nichts anderes mache ich ja.

Mir ist es unglaublich wichtig, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Humor zu vermitteln. Das ist zu meinem Markenzeichen geworden.

Was ist Ihr Ziel?

Mein Ziel ist, dass die Leser, Hörer oder Zuschauer sagen: Ich habe etwas Neues gelernt – und mich gut unterhalten. Das ist bei allem, was ich tue, mein Anspruch: gute Unterhaltung zu machen.

Ich werde oft gefragt, ob ich nicht meine Bekanntheit nutzen könnte, um auf drängende Umweltprobleme hinzuweisen. Natürlich, Themen wie den Klimawandel baue ich gern in Geschichten ein, aber ewiges Ermahnen ist ermüdend und bringt nichts. Wenn ich Ihnen erzähle, dass den Eisbären in der Arktis gerade ihr Lebensraum unter dem Hintern wegschmilzt, dann werden Sie mit dem Kopf wackeln und sagen: „Ja, ja, das ist ganz schrecklich“ – und das schnellstmöglich verdrängen.

Wenn ich Ihnen aber die Geschichte vom Eisbärenknast in Kanada erzähle, Ihnen verrate, warum Pandas eigentlich im Handstand pinkeln, ein Specht beim Klopfen kein Kopfweh bekommt oder warum englische Igel ein ausgemachtes Alkoholproblem haben, werden Sie das bestenfalls nie wieder vergessen.

Wissen weiterzugeben ist natürlich eine Aufgabe des Tierjournalismus. Und wenn ich Sie nebenbei noch für die Umwelt sensibilisieren kann, ist das prima. Aber wie gesagt: An erster Stelle steht für mich die Unterhaltung.

Wie sieht Ihr Alltag aus?

Anders, als man vielleicht meinen könnte, ganz stark strukturiert.

Ich setze mich morgens von fünf bis sieben Uhr an den Schreibtisch. Dann schaffe ich am meisten, ohne dass das Telefon mich stört. In dieser Zeit schreibe ich an meinem aktuellen Buch oder verfasse einen Gesprächsleitfaden, zum Beispiel für meine wöchentliche Sendung „Das Tiergespräch“ bei Deutschlandfunk Nova. Zum Ausgleich gehe ich später eine Stunde ins Fitnessstudio. Danach geht es mit neuem Elan mit dem Schreiben weiter. Nachmittags erledige ich Bürokram oder schreibe Rechnungen. Abends halte ich oft einen Vortrag oder gehe zu einer Veranstaltung. Ich höre mir gerne andere Redner an, gehe auch zu Vorträgen von Kollegen. Manchmal muss ich über Nacht ein aktuelles Thema bearbeiten.

Ich bin ein Schreibtischhocker. Ich habe lange Arbeitstage, arbeite meistens auch am Wochenende – einfach, weil ich es gerne mache und meinen Beruf liebe! Es gibt allerdings auch Tage, da geht gar nichts. Dann muss man die Größe haben, zu sagen: Ich mache heute etwas ganz anderes – und morgen mit frischer Energie mit meinem Projekt weiter.

Sie haben zwei wöchentliche Radiosendungen. Wie kommen Sie auf immer neue Themen?

Indem ich jeden Tag etwa eine Stunde lang recherchiere. Vor zwei Tagen habe ich eine Meldung gelesen, dass Albatrosse dabei helfen können, illegale Fischerei aufzudecken. Ein tolles Thema, aber wahnsinnig kompliziert! Da muss ich mich dann einarbeiten.

Ich beschäftige mich andauernd mit neuen Forschungsergebnissen, verifiziere sie, überlege, ob sich das Thema für die Allgemeinheit eignet, wie ich es darstellen könnte. Darin sehe ich meinen Job.

Ich schreibe natürlich nicht vom Hamburger Abendblatt ab, sondern lese Fachzeitschriften aus den USA. Nature und Science sind die Flaggschiffe des Wissenschaftsjournalismus. Bei den Artikeln in diesen Publikationen hat man große Sicherheit, dass alles stimmt. Das sind gut recherchierte und mehrfach gegengecheckte Berichte. Und im Bedarfsfall rufe ich sogar noch den Autor an und frage: Gibt´s vielleicht noch mehr Fleisch an die Knochen? Denn die nüchternen Forschungsergebnisse gilt es ja interessant zu präsentieren.

Schlagen Sie den Radiosendern vor, worüber man mal berichten könnte? Oder gibt es bestimmte Wünsche aus den Redaktionen?

Bei Radio Bremen heißt es oft: „Wir würden gerne dies und jenes machen, könnten Sie uns dazu etwas liefern?“ Bei Deutschlandfunk Nova schlage ich meistens Themen vor. Dort bin ich seit mehr als zehn Jahren, habe über 600 Sendungen produziert. Da muss man schon aufpassen, dass sich nichts doppelt und Listen mit bereits gesendeten Themen führen.

Generell bekomme ich auch oft Anfragen von meinen Auftraggebern, altbekannte Geschichten neu zu präsentieren. Oder mit neuen Erkenntnissen zu vermischen. Zum Beispiel rief letztens ein Kollege an, dass ein Panda im Berliner Zoo plötzlich rückwärts läuft. Den Hinweis des Zoodirektors, dass das Tier in der Pubertät ist, habe ich genutzt, um in meinem Bericht etwas über die Pubertät bei Tieren zu erzählen.

Als ein journalistischer Grundsatz gilt, eine gewisse kritische Distanz zu wahren. Inwiefern gelingt das bei der Tierberichterstattung?

Mir wird manchmal vorgeworfen, Tiere zu vermenschlichen. Aber ich selbst mag es nicht, wenn dies jemand tut. Ich würde eher sagen: Ich betrachte sie aus der menschlichen Perspektive.

So können die Leute Vergleiche ziehen und verstehen das besser. Und es wird auch interessanter, wenn man zum Beispiel fragt: „Flirten Tiere genauso wie wir Menschen?“

Wenn Sie so zurückblicken: Was hat sich im Laufe der Jahre in Ihrem Ressort verändert?

Man muss heute politisch korrekt sein – selbst im Tierjournalismus. Die Sender achten sehr darauf, bloß keinen Anstoß zu erregen und einen Shitstorm auszulösen.

Ich finde das schade, denn dadurch wird Unterhaltung ziemlich eingeschränkt. Das soll doch keine staubtrockene Angelegenheit sein – ein gewisser Pep gibt dem Ganzen doch erst die richtige Würze.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Fotocredit: Elisa Reznicek

Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Dr. Mario Ludwig durch seine zahlreichen Auftritte in TV-Talkshows und anderen Fernsehsendungen, z. B. bei „Johannes B. Kerner“, „3 nach 9“, Frank Elstners „Menschen der Woche“, „Galileo Mystery“, „Welt der Wunder“, „Planet Wissen“ oder „TV Total“. Er schreibt unterhaltsame Sachbücher über Tiere, die regelmäßig in den Bestsellerlisten landen. Wöchentlich stellt er in seiner eigenen Sendung „Das Tiergespräch“ in Deutschlandfunk Nova und „Tiere“ bei Radio Bremen neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft vor – nur aufregend und außergewöhnlich sollten sie sein. Das Tiergespräch läuft mittwochs um kurz nach 10 Uhr im Digitalradio und lässt sich auch als Podcast abonnieren. Außerdem schreibt er regelmäßig für die Berliner Morgenpost, die Pforzheimer Zeitung sowie Zeitschriften wie „Tierwelt Schweiz“, „All4Pets“ und „Landkind“.
https://mario-ludwig.de/

Kommentare sind geschlossen.