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Bausparen: Wenn Verbraucherjournalismus misslingt

Aktuelle Studie des Instituts für Verbraucherjournalismus (ifv)

Eine neue Studie belegt: Medien informieren Verbraucher bei Finanzfragen häufig unzureichend. Nach der Lektüre von Presseberichten sind Verbraucher oft nicht in der Lage, sachgerecht Entscheidungen zu treffen. Die Gründe dafür: falsche Fakten, falsche Selektion, falsche Einordnung. Was das für die Qualität von Fachjournalismus bedeutet und was die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dazu sagt, lesen Sie hier.

Deutschlands Verbraucher haben einen Liebling, wenn sie nach seriösen, unabhängigen Informationen zu sie betreffenden Wirtschaftsthemen suchen. Eine Studie aus dem Jahr 2009 zeigt, dass 71 Prozent aller Deutschen bei wichtigen Entscheidungen in Fragen zu Versicherung und Geldanlagen auf die Kompetenz der regionalen Tageszeitungen vertrauen. Diese Zahl dürfte heute sogar noch höher sein – angesichts der Fülle unseriöser Informationsangebote aus dem Internet.

Der damit verbundenen Verantwortung scheinen sich allerdings nicht alle Journalisten bewusst zu sein – wie eine neue Studie des Instituts für Verbraucherjournalismus (ifv) an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg Weiden (OTH) belegt. Der Titel der Studie: „Wie Medien Verbraucher verwirren: Eine Untersuchung zur Verbraucherinformation anhand der medialen Berichterstattung zum Thema Bausparen 2016 und 2017“. Die Studie ist soeben abgeschlossen worden, Ihre Ergebnisse erscheinen exklusiv im „Fachjournalist“ für die Mitglieder des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Bausparen im Fokus der Berichterstattung

Durch eine Fülle von Beiträgen ist das Thema Bausparen in den letzten Jahren in den Fokus der journalistischen Berichterstattung gerückt. Und das durchaus zu Recht:

  • Die Deutschen verfügen über knapp 30 Millionen Bausparverträge.
  • Es gibt 23 Millionen Bausparer hierzulande.
  • Über 30 Millionen Häuser und Wohnungen konnten nach dem Krieg mithilfe des Bausparens errichtet werden.
  • Der Staat fördert seit Jahrzehnten diese Form von Kapitalbildung.
  • Besonders aktuell wurde das Thema durch die Kündigungen von bestimmten Altverträgen seitens der Bausparkassen.

Die Berichterstattung dazu zeigt eine Fülle gegensätzlicher Argumente. Sie reichen von der Unterstützung der Bausparförderung mit Wohnriester durch angesehene Institutionen wie „Finanztest“ bis hin zur völligen Ablehnung durch manche Journalisten, die in „BILD“, „FAZ“ und anderen Medien publizieren, oder auch durch einzelne Vertreter der Verbraucherzentralen. Die gegensätzlichen Pole der Berichterstattung zeigen die verschiedensten Facetten:

  • Bausparen und Schaffung von Wohneigentum lohnt sich.
  • Bei Bausparverträgen mit Wohnriester sind fast 50.000 Euro vom Staat möglich.
  • Bausparen ist unsinnig und Wohneigentum lohnt sich nicht.
  • Das System Bausparen weist Risse auf.

Die große Spannbreite dieser Argumente verwirrt die Verbraucher zunehmend. Sie können bei dieser Informationslage in vielen Fällen nicht mehr kompetent entscheiden. Die Verunsicherung steigt. Die Folge ist: Mögliche Vorteile bei bestimmten Formen der Kapitalbildung – zum Beispiel durch staatliche Förderungen – werden oft nicht mehr genutzt. Den Schaden trägt am Ende der Verbraucher davon.

Was die Studie erfragt hat

An diesem Punkt setzt die neue Studie des ifv an. Sie arbeitet in fünf Schritten, in denen die bisher veröffentlichen Argumente von einer unabhängigen Institution, der BaFin, letztlich auf Falschheit oder Richtigkeit überprüft werden.

Damit schafft die Studie argumentative Klarheit über das Thema „Bausparen“ und versetzt Fachjournalisten in die Lage, Verbraucher sachgerecht über das Bausparen zu informieren. Dies beugt der zunehmenden Verbraucherverwirrtheit vor. So können Interessierte kompetent informiert werden, um für sich individuell richtige Entscheidungen zu treffen.

Die einzelnen Schritte des Vorgehens in der ifv-Studie sind:

  1. Identifikation der Beiträge über das Bausparen
  2. Sammlung der Argumente pro und kontra Bausparen
  3. Zusammenfassung der genannten Argumente
  4. Verifizierung oder Falsifizierung der Argumente durch die Experten der staatlichen Aufsichtsbehörde BaFin, der „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ in Bonn
  5. Publikation der Ergebnisse

Durch dieses Vorgehen wird es möglich, ohne Beeinflussung durch subjektive Bewertung von Interessengruppen den Tatsachengehalt von Veröffentlichungen über das Bausparen und die tatsächlichen Fakten dieser Form von Kapitalbildung für die Verbraucher herauszuarbeiten.

Die Studienergebnisse: Veröffentlichungen zum Bausparen – und ihre Bewertung

Bei den Veröffentlichungen über das Bausparen herrschen sechs Kernthesen vor. Sie wurden in unterschiedlichen Medien thematisiert. Den Thesen gegenüber steht die offizielle Einschätzung der BaFin sowie Einschätzungen weiterer unabhängiger Finanzwissenschaftler und Institutionen wie der Stiftung Warentest („Finanztest“). Die Einschätzungen werden im Original der autorisierten Interviews zitiert.

Argument Nummer 1: „Bausparen: Risse im System“ nennt der Marktwächter der Verbraucherzentrale Bremen seine Studie. Ist das Bausparen als System in Gefahr?

Die Einschätzung des zuständigen Abteilungsleiters der BaFin, Thomas Happel, dazu lautet:

„Natürlich leidet die Ertragslage der Bausparkassen wie auch bei anderen Finanzdienstleistern unter der Niedrigzinsphase. Und Bausparkassen stehen wegen ihres besonderen Geschäftsmodells und der strengen gesetzlichen Vorgaben vor größeren Herausforderungen als viele andere Institute: Einerseits sind die Zinssätze für abgeschlossene Bausparverträge grundsätzlich nicht änderbar und daher gerät der Zinsertrag unter Druck. Andererseits können Bauparkassen nur sehr begrenzt in andere Geschäfte ausweichen, um sinkende Erträge in dem Bauspargeschäft durch Erträge aus anderen Geschäften zu kompensieren. Aber ich möchte ausdrücklich festhalten: Eine akute Gefährdung für das Bausparsystem besteht nicht. Dazu muss man wissen: Aufgrund ihrer besonderen Aufgaben werden Bausparkassen anders beaufsichtigt als normale Institute. Denn hier haben wir die besondere Bedeutung des Schutzes des Bausparkollektives. Das bedeutet: Neben der normalen Solvenzaufsicht werden von der Aufsicht auch die einzelnen Tarife geprüft und genehmigt, bevor sie angeboten werden dürfen. Das gibt es bei anderen Geschäftsbanken nicht. Bausparen ist deshalb eine der am intensivsten überwachten Finanzdienstleistungen in Deutschland.“

Weiter führt die BaFin aus, dass zudem pro privatem Bausparer – beziehungsweise Einleger – 100.000 Euro über die gesetzliche Einlagensicherung abgesichert sind. Da Bausparguthaben sehr selten 100.000 Euro übersteigen, sind diese Anlagen sehr sicher.

Argument Nummer 2: Verbraucherschützer und Journalisten weisen oft darauf hin, „dass es darauf ankommt…“, ob ein Bausparvertrag abgeschlossen werden sollte. Welchen Stellenwert sollten neu abzuschließende Bausparverträge bei der Finanzierung von Wohneigentum haben?

Dazu stellt Thomas Happel von der BaFin fest: „Bausparen ist für breite Bevölkerungskreise eine „gelernte“ Verhaltensweise: Durch Vorsparen wird Eigenkapital für den Erwerb von Wohneigentum gebildet, mit dem Ziel, den Traum vom Wohneigentum zu verwirklichen und Altersvorsorge zu betreiben. Das Bausparen ist durch die Kombination aus Ansparphase und den Erwerb eines Anspruchs auf ein Bauspardarlehen zu festen, marktzinsunabhängigen Zinssätzen gekennzeichnet. Zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Bausparvertrages ist unklar, wie sich das Zinsniveau entwickeln wird; Bausparer kaufen also ein Stück Zinssicherheit und müssen sich natürlich überlegen, ob sie das wirklich wollen und bereit sind, den Preis dafür zu bezahlen.“

3. Verbraucherschützer und Journalisten weisen gerne darauf hin, dass Verträge, die die Zuteilungsreife schon vor zehn und mehr Jahren erreicht haben, wegen ihrer hohen Zinsen nicht vom Sparer gekündigt werden sollten, um die günstigen Zinsen zu nutzen. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Unter welchen Bedingungen sollten die sogenannten übersparten Verträge weiter bespart oder ausgesetzt werden? Und inwiefern sind diese Tipps ein Vorteil für Verbraucher oder eine Gefahr für das Kollektiv der Bausparer?

Bausparen ist klassisch in zwei Phasen unterteilt. Die Ansparphase und die Darlehensphase. Das BaFin betont diese Dualität explizit, die in vielen Beiträgen der Medien untergeht: „Beim Bausparen geht es nicht alleine um die Einlagen, sondern auch um den Erwerb eines Anspruchs auf ein Darlehen. Bausparen sollte zwar grundsätzlich nicht nur unter Geldanlageaspekten betrachtet werden, als Anlagemöglichkeit boten sich die Hochzinstarife Ende der Achtzigerjahre aber durchaus an. Viele Bausparer wollten damals wegen der hohen Marktzinsen ein relativ günstiges Bauspardarlehen, die Wartezeiten für die Bausparer drohten, stark zu steigen. Diese Tarife waren in der damaligen Situation geeignet, mehr Geld in das System zu bringen und die Wartezeiten zu stabilisieren.“

4. Wie wirkt sich der Einsatz von Förderungen wie „Wohnriester“ auf das Bausparmodell für den Verbraucher aus?

Hierzu macht die BaFin keine Angaben. Allerdings haben Studien, zum Beispiel die des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP), ergeben, dass die Kombination von Bausparen und Wohnriester besonders für Familien mit Kindern über 40.000 Euro zusätzliches Kapital bringen kann.

5. Bausparen wird auch als „Versicherung gegen steigende Zinsen angeboten. Ist dieses Argument zutreffend?

Klarer könnte das Urteil der BaFin nicht ausfallen: „Man kann Bausparen tatsächlich als Versicherung gegen hohe Zinsen betrachten. Wir hatten historisch gesehen stets relativ hohe und vor allem schwankende Zinsen in Deutschland. Und die Guthaben der Bausparer wurden immer unter Marktzins verzinst. Die üblicherweise relativ geringe Guthabenverzinsung ist eine Art Optionsprämie. Denn die Bausparer haben die Verträge mit der klaren Perspektive abgeschlossen, in Zukunft die Möglichkeit zu haben, ein Darlehen zu festen, genau bekannten Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.“

6. Die Beratung zum Thema Bausparen kommt fast ausschließlich von der Anbieterseite. Gibt es eine Handreichung oder eine Einrichtung – außer den Verbraucherzentralen – die als Informationsquelle empfehlenswert ist?

Bausparen ist und bleibt ein Finanzdienstleistungsprodukt, das an die persönlichen Verhältnisse des Kunden angepasst werden muss. Eine generelle Aussage nach dem Motto „so oder so“ ist nicht möglich. Das ist in der Fachwelt von den Verbraucherschützern über die Wissenschaft bis hin zu den Anbietern Konsens.

Die BaFin weist außerdem darauf hin: „Wichtig ist: Die Bausparsumme sollte immer den Plänen des Bausparers entsprechen. Die Bausparer sollten auf den in den Vertragsbedingungen angegebenen Regelsparbeitrag und die Abschlussprovision achten. Bausparen ist ein Baustein einer Finanzierung, nicht die gesamte Finanzierung. An der Bausparsumme hängt aber meistens die Provision für den Verkäufer. Das kann zu Zielkonflikten führen. Deshalb werden manchmal Summen angeboten, die unangemessen sind. Nicht höher abschließen als nötig – sonst befriedigt man vor allem das Eigeninteresse des Vermittlers.“

Die Verifizierung und Falsifizierung der verdichteten Argumente für und gegen das Bausparen durch die BaFin zeigt, dass die Botschaften für die Verbraucher in Bezug auf das Bausparen viel klarer sind, als es die teilweise sehr widersprüchliche Presseberichterstattung vermuten lässt.

Als ein Fazit der Untersuchung lässt sich feststellen: Verbraucherverwirrtheit rund um das Bausparen wird also offensichtlich durch bestimmte Teile der Presseberichterstattung verursacht, die einseitig O-Ton-Geber aus den wenigen Vertretern der Verbraucherverbände selektieren.

Die Bewertung der Ergebnisse durch das Forscherteam des ifv: Kritik am Bausparen ohne Substanz

Die Bewertungen des Themas Bausparen verschiedener Publikumsmedien in deren Berichterstattung der letzten eineinhalb Jahre zeigen bei der Analyse eine klare Tendenz: Auffällig ist, dass eine überschaubare Gruppe von Journalisten immer wieder negativ über das Thema Bausparen berichtet. Zudem bezieht sich der Großteil dieser Berichterstattung auf meist eine einzige Quelle.

Kritiker verweigern die Erklärung
Die vom ifv in der Analyse gefundenen und nach ihrem Inhalt zusammengefassten Fragen zum Bausparen wurden Journalisten, Wissenschaftlern und Vertretern der Verbraucherverbände vorgelegt. Die Auswahl der Befragten folgte der Häufigkeit der Zitate oder Veröffentlichungen über das Bausparen in den letzten drei Jahren.

Auffällig war, dass insbesondere prominente Kommentatoren und Kolumnisten aus der Publikumspresse die Fragen des ifv nicht beantworteten – obwohl dies für jemanden, der sich offensichtlich mit diesem Thema beschäftigt hat, in etwa 15 Minuten möglich gewesen wäre. Offen bleibt dabei, ob diese Journalisten die Antworten nicht geben konnten – oder dies nicht wollten.

Aus den Absagen an der Umfrage stach eine hervor: Sie argumentierte mit dem Hinweis auf eine besonders intensive Beschäftigung mit dem Thema Bausparen, die eine Stellungnahme verhindern würde.

Journalistische Qualität? Fehlanzeige
Für Fachjournalisten stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was die Intention einer Berichterstattung sein kann, die offensichtlich

∙ keine Orientierung,
∙ keine Selektion von Relevantem und
∙ keine Einordnung und damit
∙ keinen Nutzwert

für Entscheidungen eines Mediennutzers bietet?

Fazit
Unter der Prämisse "Qualitätsjournalismus" lässt sich mit der Bewertung von unabhängigen Experten – wie jenem der BaFin – festhalten: Der Großteil der in einigen Medien geäußerten Kritik am Bausparen scheint offensichtlich substanzlos zu sein. Dies sollte im Interesse daran, 23 Millionen deutsche Bausparer vor Verbraucherverwirrtheit zu schützen, zukünftig in der redaktionellen Arbeit von Verbraucherjournalisten berücksichtigt werden.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

CF_Passfoto-webSchwoebel_HeikoProf. Dr. Christoph Fasel ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Verbraucherjournalismus (ifv) an der Ostbayerischen Technischen Hochschule OTH Amberg-Weiden. Er ist seit 1988 in der Aus- und Weiterbildung von Journalisten und Pressesprechern tätig. Außerdem arbeitet er als Autor, Medienberater und Blattentwickler. Seit Kurzem ist Fasel zudem Chefredakteur der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“. Heiko Schwöbel ist Geschäftsführer des ifv. Nach Führungspositionen unter anderem bei der Hermes Kreditversicherung, Allianz AG und Dresdner Bank arbeitete der Diplomkaufmann als Manager von Großprojekten in Kommunikation, Marketing und Vertrieb. Schwöbel forscht auf dem Feld der Verbraucherkommunikation und ist als Verbraucherjournalist aktiv.

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