Coaching-Tipps für freie Medienschaffende aus der Welt des Improvisationstheaters
Business-Coach und Diplom-Schauspielerin Katharina Butting zeigt im Interview auf, wie freie Journalistinnen und Journalisten mit Hilfe von Übungen aus dem Theater besser mit beruflichen Schwierigkeiten und Veränderungen umgehen können.
Was haben Theater und freier Journalismus gemeinsam? In beiden Sparten können sich die Situationen kurzfristig stark verändern und die berufliche Zukunft ist oft ungewiss. Dabei kann Journalismus vom Theater, gerade vom Improvisationstheater, einiges lernen, wie Coaching-Expertin Katharina Butting vermittelt.
Im Theater sind die Texte meist vorgegeben, im Journalismus werden Interviews und Reportagen oft akribisch vorbereitet. Dennoch hat Spontanität einen festen Platz in beiden Genres: Auf Einwürfe aus dem Publikum oder mangelnde Textsicherheit müssen die Schauspieler ebenso reagieren wie Reporter vor Ort auf unerwartete Wendungen im Gespräch. Wer im freien Journalismus arbeitet, kann sich vom Improvisationstheater inspirieren lassen: Impro-Trainings schaffen neue Spielräume.
Wie das funktioniert, wird im Gespräch mit Katharina Butting, Geschäftsführerin und Leiterin des Improvisationstheaters „Steife Brise“ deutlich. Hier trifft Kommunikations- und Theaterexpertise auf langjährige Trainings- und Coachingerfahrung: Seit fast 30 Jahren ist sie als Improvisationsschauspielerin und Business-Coach Expertin für Veränderung, Agilität und Präsenz.
Viele Solo-Selbstständige, die im Bereich Journalismus tätig sind – etwa als Journalisten oder Pressefotografen – kämpfen mit wachsenden Veränderungen im Medienmarkt. Was können freie Kreative in Ihren Coachings lernen, um sich besser für Veränderungen zu wappnen? Welche praktischen Übungen empfehlen Sie?
Es geht zunächst immer darum, anzunehmen, was ist, und die Geistesgegenwart zu pflegen. Dann ist zu fragen: Was gibt mir diese Situation? Was kann ich daraus lernen?
Dazu haben wir einige Übungen aus dem Improvisationstheater und der Kommunikationswissenschaft entwickelt, die auch unsere eigene Philosophie spiegeln:
- „Ja genau, und …“ zu sagen statt „Ja genau, aber …“. Das hilft dabei, das Erreichte zu würdigen und eigene Gedanken zur Gestaltung des weiteren Wegs hinzuzufügen. Akzeptieren wir Vorgänge, kann mit den daraus resultierenden Erkenntnissen gearbeitet werden. Veränderungen bedeuten immer auch eine Chance.
- Der Moment ist jetzt. Dabei geht es auch um die Kunst des Zuhörens und darum, echt zu sein. Also zum Beispiel keine unangenehmen Emotionen mit in das nächste Gespräch zu nehmen. Denn damit wird oftmals die Ebene einer konstruktiven Kommunikation verlassen.
- Mut zum Risiko! Wir nennen dieses Vorgehen „Scheiter heiter“. Ziel ist, über sich selbst lachen zu können und als Mensch verletzlich zu bleiben. Dazu haben wir einige Übungen aus dem Improvisationstheater adaptiert, die mit einfachen Aufgaben wie der Weitergabe eines Klatschimpulses in der Runde beginnen. Dann fügen wir kleine Veränderungen hinzu – und sofort ist zu beobachten, dass einige Teilnehmende mit Leistungsdruck und Stress zu kämpfen haben.
Wer Struktur braucht, tut sich generell schwerer mit Veränderungen. Aber auch im Alltag lassen sich kleine Übungen einbauen, um Gewohnheitsmuster abzulegen: Den täglichen Weg zur Arbeit wechseln, ein neues Restaurant aufsuchen oder eine unbekannte Fremdsprache erlernen. Veränderungen ringen dem Gehirn Unmengen an Energie ab, darum verharren wir so gern in vertrauten Situationen.
Selbstsabotage, Zweifel und Ängste bremsen manchmal den Erfolg bereits bei der Akquise. Eine Ablehnung von Themenvorschlägen wird häufig persönlich genommen. Wie kann ich meine vertrieblichen Handlungsoptionen umsetzen, ohne meine Agilität zu verlieren? Gibt es dazu praktische Übungen in Ihrem Coaching-Programm?
Es ist hilfreich, die eigenen Werte zu pflegen. Sich die Frage zu stellen: Für oder mit wem möchte ich eigentlich gern arbeiten und was sind meine besonderen Fähigkeiten? Es geht darum, sich nicht dem Preisdumping auszuliefern, sondern von der eigenen Arbeit gut leben zu können.
Bei unseren Vertriebsübungen orientieren wir uns an der Methode „Design Thinking“: Es wird immer der Perspektivwechsel trainiert, also der Blick auf das eigene Angebot durch die Brille der Kundschaft geschult. Dabei stellen sich folgende Fragen: Was habe ich dem Kunden für einen Nutzen oder Mehrwert zu bieten? Mit wem rede ich eigentlich, wer ist meine Zielgruppe? Dabei heißt es wieder, im Moment – im Jetzt – zu sein und mich mit der Perspektive meines Gegenübers zu beschäftigen. Die Kernfrage lautet doch: Welches Problem beschäftigt den Kunden und wie kann ich das mit meinem Angebot lösen?
Mit einer passgenauen Ansprache oder auch einem zielgerichteten Exposé lassen sich bereits viele Türhüter und Neinsager überzeugen.
Im Kundengespräch werden manchmal endlose Korrekturschleifen gefordert, die nicht im Honorar inbegriffen sind. Wie gehen Journalisten im Konfliktmanagement mit schwierigen Situationen um?
Dabei hilft, einen Konflikt auch als Chance zum Lernen zu sehen. Bei auftretenden Schwierigkeiten kann es zunächst sinnvoll sein, das eigene Portfolio oder andere Stellschrauben zu überarbeiten. Ich empfehle bei diesem Beispiel, der Angebotskalkulation eine klar strukturierte Aufstellung beizufügen, aus der sogar die detaillierte Anzahl der Service-Telefonate oder einzelner Nachbesprechungen hervorgeht.
Dahinter steht auch die Frage: Was bin ich mir wert? Als Mensch sollten wir handlungsfähig bleiben und die Einzigartigkeit unseres Angebots unterstreichen. Natürlich besteht immer die Gefahr, ausgebootet zu werden, aber mit einem selbstbewussten Mindset lassen sich Ego-Falle und emotionale Reiz-Reaktions-Kette kleinhalten.
Wer seine individuellen Ziele im Auge behält, lässt sich weniger ärgern. Und man sollte akzeptieren, dass Widrigkeiten und Konflikte zu jedem Lebensweg gehören. Indem wir das verinnerlichen, verändert sich bereits die Art und Weise, wie wir in Resonanz zum Leben stehen.
Auftragsflaute, Schreibblockade, Krisenstimmung. Bei Solo-Selbstständigen gibt es auch immer wieder schwierige Phasen. Wie kann man diese Planlosigkeit (Ambiguitätstoleranz) besser aushalten? Lässt sich das trainieren?
Absolut! Unsere Übungen aus dem Improvisationstheater trainieren die Agilität des Gehirns. Wir werden spontaner und sind auch mehr in der Gegenwart.
Eine gute Übung ist das Assoziieren, das bewusste oder unbewusste Verknüpfen von Gedanken: Gibt jemand zum Beispiel in der Gruppe das Wort „U-Bahn“ vor, können die anderen dazu passende Worte ergänzen, die mit einer Strichliste festgehalten werden. Auch ein Zwischenruf bei einer Präsentation kann ein Geschenk sein, weil unsere Spontanität trainiert wird. Wir schärfen unsere Wahrnehmung des Gegenübers und trainieren die Handlungsfähigkeit in dynamischen Prozessen.
Wichtig ist, dass wir uns aus unserer Komfortzone herausbewegen und die kognitive Stimulanz suchen: Gegen Krisenstimmung hilft manchmal in der Praxis schlicht, einen spannenden Workshop zu besuchen oder sich mit Kollegen zu verbünden.
Falscher Bauchladen, falsche Kundschaft. Wie kann ich die produktive Kraft meiner Fehler nutzen, um mich neu aufzustellen und neue Märkte zu erschließen?
Oftmals müssen zunächst Denkbeschränkungen aufgelöst werden. Dabei hilft es, den Fehler in die Mitte zu stellen und dann drumherum eine Art Mindmap zu bauen: Was resultiert daraus? Wie kann ich handlungsaktiv bleiben? Wie kann es weitergehen?
Wir haben auch dazu eine spielerische Gruppenübung entwickelt: Die Teilnehmenden bilden einen Kreis, in deren Mitte eine als Zombie geschminkte Person steht. Diese geht auf eine andere in der äußeren Runde zu, die sich nur durch namentliche Ansprache eines oder einer weiteren Teilnehmenden befreien kann. Läuft der Zombie dann zur aufgerufenen Person, muss diese ein weiteres Gruppenmitglied mit Namen ansprechen, um sich ebenfalls erlösen zu können.
Man lernt: Ich kann mich nicht allein retten! Ich muss in Kontakt zu anderen Menschen treten, um mich in Sicherheit zu bringen. Und man lernt, mit Starre, Panik und Stress umzugehen.
Natürlich lässt sich diese einfache Übung noch erweitern und mit zusätzlichen Herausforderungen anreichern, aber die Kernbotschaft lautet: Traue dich, Fehler einzugestehen, und suche Gemeinschaft. Oder etwas dramatischer: „Ich komme wieder!“, frei nach Arnold Schwarzenegger.
Als Freiberufler oder Solo-Selbstständiger muss man die Kundschaft von sich selbst überzeugen, auch mit einer gelungenen Online-Präsenz oder Gesprächsführung. Welche effektiven Übungen aus Ihrem Theater stärken unsere Kontaktkompetenz und vermitteln echtes Selbstbewusstsein?
Wir arbeiten mit Trainingseinheiten, die Auftreten und Wirkung im Berufsalltag verbessern. Es gibt aber keine richtige oder falsche Präsenz, sondern lediglich verschiedene Techniken für bedarfsgerechte Situationen. Also steht vorab die Frage: Wie will ich eigentlich wirken, welche Körpersprache wäre passend?
Auf der Bühne ist eine souverän-dominante Wirkung vorteilhaft, auf der beruflichen Sachebene hilft eine aufrechte und nahbare Haltung und beim Zuhören öffnet das Zurücklehnen den Raum für andere Personen. Mit unserem Kommunikationshandwerk lernen Teilnehmende auch, nicht frontal auf ihr Gegenüber zu reagieren, sondern sich bei einer Debatte seitlich voneinander zu positionieren.
Im Verkaufsgespräch kann die Bridging-Technik helfen, indem Fragen oder Einwände zum Beispiel wie folgt gekontert werden: „Ein guter Einwand! Aber was wäre, wenn deshalb Ihre Leserschaft auf diesen exklusiven Artikel mit Mehrwert verzichten müsste?“
Bei Zoom-Konferenzen hingegen ist es ganz wichtig, in die Kamera zu blicken und nicht auf die Bilder der anderen Teilnehmenden. Mit einer externen Webcam lässt sich zudem der Bildausschnitt etwas vergrößern, sodass auch die Arme für ergänzende Gesten zu sehen sind. Und eine gute Ausleuchtung ohne Schlagschatten sorgt für eine professionelle Präsenz in jedem Online-Meeting.
Es sind oftmals Kleinigkeiten, die in der Summe das große Ganze beeinflussen können.
Freie Journalisten sind oft in Verbänden organisiert, die einen digitalen Austausch oder sogar regionale Stammtische fördern. Wie kann bei dieser neuen Form von Denkflexibilität ein gemeinsamer Anker für Kooperation und den eigenen Unternehmenserfolg geschmiedet werden? Funktioniert das klassische Teambuilding hier?
Ja, das funktioniert. Zum Beispiel mit der beschriebenen Kreativtechnik, „Ja genau, und …“ zu sagen. Geht es in einer größeren Online-Runde beispielsweise um das Thema Akquise, beginnt ein Moderator mit „Freu dich …“. Dann kann jeder den Satz um ein passendes Wort erweitern und anschließend innerhalb der Gruppe weitergeben. Das kann etwa so klingen: „Freu dich … Ja genau, und … Exposé … Portfolio … Telefonat … Redaktionsbesuch … Social-Media …“.
Zur Auflockerung und zwecks Beziehungspflege können alle Teilnehmenden auch einen Gegenstand in das Online-Meeting mitbringen, der in der vergangenen Woche eine bedeutsame Rolle gespielt hat. Beispielsweise einen Kochlöffel oder ein Lehrbuch, sodass jeder kurz reflektiert: Was hat meine letzte Woche repräsentiert oder verändert?
Mithilfe dieser beziehungspflegenden Ansätze lernen wir, besser zuzuhören, und gewinnen mehr Abstand von der reinen Sachebene, die viele auch ermüdet und anspannt. Es geht darum, die Gruppenmitglieder durch Spaß zu aktivieren und dadurch einen tieferen Austausch zu erhalten. Sinn unserer Übungen ist ja, dass man zusammen lacht und somit eine lebhaftere Ebene findet, um das anschließende Miteinander positiv vorzubereiten.
Selbstorganisation und Vernetzung sind Freiberuflern geläufig. Aber das Vertrauen in die eigene Kreativität kann infolge einer schwierigen Marktlage verblassen. Wie können freie Journalisten den Glauben in die eigene Idee stärken?
Wieder durch Assoziieren. Bei dieser Übung finden wir Zugang zu abgespeicherten Gedanken in unserem Unterbewusstsein.
Ein gutes Training zur Vernetzung beider Gehirnhälften besteht darin, ohne abzusetzen einen beliebigen Text zu schreiben und dabei laut von 100 rückwärts bis auf null zu zählen. Dabei nutzen wir kreativen Input aus dem Unterbewusstsein, der sonst von unseren inneren Zensoren unter Verschluss gehalten wird.
Daher ist generell auch das Lernen so wichtig. Alles, was wir bereits können, bringt keinen Zuwachs für das Gehirn.
Das Gespräch führte Ralf Falbe.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).
Katharina Butting ist Gründerin und geschäftsführende Partnerin des Theaterunternehmens Steife Brise. Katharina Butting ist verantwortlich für die künstlerische Leitung, leitet das dazugehörige Trainingsinstitut und ist selbst als Improvisationsschauspielerin sowie als Trainerin und Einzelcoach für Persönlichkeitsentwicklung, Auftritt, Bühnenpräsenz, Präsentation, Körpersprache, Vertrieb und Konfliktmanagement in verschiedenen Unternehmen tätig. Sie ist zertifizierte Trainerin für kreative Lernprozesse und arbeitet zudem als Dozentin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und anderen Weiterbildungsinstituten. Ihr Schauspieldiplom hat sie an der Kunsthochschule Hamburg erworben.
[…] Coaching-Tipps für freie Medienschaffende aus der Welt des Improvisationstheaters […]