RSS-Feed

Content Curation – im Fachjournalismus mit Expertenwissen sichtbar werden

Die Inhalte anderer auf der eigenen Website, im Blog oder auf dem Twitter-Kanal zu teilen, ist heute ein normaler Vorgang. Ähnlich wie im Museum, in dem Kuratorinnen und Kuratoren Kunstwerke ausstellen, bringt Content Curation, also das Kuratieren von Inhalten, Content von anderen in einen Zusammenhang. Der Autor oder die Autorin ordnet neu ein, analysiert und leitet Schlüsse daraus ab.

Ein Meisterstück an Content Curation ist Mirko Lange, Entwickler des strategischen Redaktionsplanungstools Scompler, zum Fall „Winnetou“ gelungen. Auf seinem Blog analysiert er die Berichterstattung und die Entstehung des Shitstorms: „Der erfundene Shitstorm: Chronologie eines Medienversagens“ Er verlinkt, zitiert und ordnet ein – und erstellt eine Chronologie des Falls. Am Ende kommt er zu seinem Urteil: „Genau betrachtet gibt es aber noch eine andere Lesart als das ,Medienversagen‘. Denn was hier stattgefunden hat, ist ein sehr lauter, sehr gewalttätiger und ein sehr bedenklicher Aufschrei einer radikalen Mehrheit.“

Was also ist Content Curation?

Bernd Oswald hatte im April 2016 ebenfalls im Fachjournalist-Magazin über Content Curation geschrieben: „Das Wort nimmt Bezug auf den Kurator (vom lateinischen curare = sorgen, sich kümmern) eines Museums, der die Exponate einer Ausstellung nicht nur auswählt, sondern auch über ihre Anordnung und Präsentation entscheidet.“

Content Curation ist nicht nur die Ansammlung von Links – der Kurator oder die Kuratorin gibt vielmehr Publikationen zu einem Thema auf der eigenen Website oder in einem Blog in anderer Zusammensetzung, aber immer noch im Kontext, eine neue Bedeutung.

Vielleicht ist Content Curation auch nur ein neumodisches Wort für „inhaltliche Einordnung“ und beschreibt die bekannte Aufgabe des Journalismus, Gesendetes und Veröffentlichtes in einen Zusammenhang zu bringen und in einen Gesamtkontext einzufügen. Im Content Marketing, also dem strategischen Marketing-Ansatz, mit relevanten Inhalten Kundschaft zu gewinnen und zu binden, ist es eine Möglichkeit, sein Fachwissen unter Beweis zu stellen.

In einer Zeit, die geprägt ist von Fake News und Desinformation durch Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker und in denen falsche Informationen strategisch zur Manipulation von Meinungen und sogar als Waffe in Konflikten eingesetzt werden, wie das Beispiel Ukrainekrieg zeigt, geht es nicht mehr nur darum, Informationen zu sortieren, sondern konkret einzuordnen. In einem Zeitalter, in dem jeder zum Sender wird, muss der Journalismus als Gatekeeper funktionieren. Daher ist Content Curation nicht nur eine Marketing-Disziplin, sondern in erster Linie eine wichtige Aufgabe im Journalismus.

Mit Spezialthemen positionieren

Beim nächsten Mediengau hat Mirko Lange erneut die Möglichkeit, Aufmerksamkeit und Seitenzugriffe zu erhalten. Denn er ist mit fremden Inhalten sichtbarer geworden und wird als Experte für Medien wahrgenommen. Daher wird seine Leserschaft seine Einordnungen suchen – auch wenn er nicht als Journalist, sondern als Content Marketer auftritt. Content Curation bedeutet also nicht, eine Linksammlung zu teilen, sondern sich mit dem eigenen Expertenwissen zu positionieren. Dabei geht es um Fakten und ihre Einordnung und nicht um Meinung.

Oftmals wird behauptet, dass Content Curation einfacher sei, als den Inhalt selbst zu erstellen. Doch das Sammeln, Sortieren, Aufbereiten, Kombinieren, Einordnen und Veröffentlichen nimmt mindestens genauso viel Zeit in Anspruch, wie selbst zu schreiben, wenn nicht sogar mehr. Alles muss gelesen und verstanden werden, um es einordnen zu können. Und das ist die Domäne der Fachjournalist:innen – hier können sie ihre Stärken ausspielen.

Die richtigen Inhalte finden

Die richtigen Inhalte zu finden, ist eine Kunst. Neben Fach- und Branchenmagazinen, RSS-Feeds, thematische Newsletter, Social-Media-Accounts und Gruppen oder Themenblogs gibt es weitere mögliche Quellen:

  • Google Alerts als regelmäßige – tägliche oder wöchentliche – Benachrichtigungen zu einem selbst gewählten Fachthema samt Zusendung relevanter News;
  • Apps wie Refind, Pocket oder Flipboard, mit denen Links gesammelt und mit Schlagwörtern versehen werden, um sie dann später zu einem Thema zu kuratieren, oder Pinterest, um sich Inhalte zu merken;
  • digitale Notizbücher wie Evernote;
  • Monitoring-Tools wie Hootsuite oder Talkwalker, die einem mit oder ohne Benachrichtigung einen Überblick per Mail oder ins Dashboard senden;
  • verschiedene Content-Analyse-Tools wie Buzzsumo, Flockler oder Paper.li. Die Tools durchsuchen das Web anhand von Suchanfragen, prüfen Inhalte auf Social Media und melden die besten Inhalte zurück oder veröffentlichen sie automatisch.

Drei Ansätze für Content Curation

Linksammlungen findet man überall im Netz. Doch zum Kuratieren von Inhalten gehört mehr. Es gibt verschiedene Ansätze, Inhalte weiterzuverarbeiten – zu den verbreitetsten gehören die drei hier kurz vorgestellten.

  • Das Aggregieren, also das Verdichten und Anhäufen von Links zu Podcasts, Artikeln, Infografiken, Videos oder Umfragen zu einem Thema, tritt am häufigsten auf. Die gewählten Formate sind meistens Blogartikel, Newsletter oder Social-Media-Beiträge. Wichtig dabei ist, diese mit dem eigenen Fachwissen zu kommentieren und einzuordnen. Oftmals treten die Aggregationen in Form von Listen auf, also zum Beispiel „Die 10 besten Links zum Thema X“.
  • Beim Destillieren wird das Wichtigste aus verschiedenen Beiträgen zusammengetragen und die Links dazu werden an einem Ort gesammelt. Dieser Ansatz ist dem Aggregieren sehr ähnlich, allerdings wird nicht so ausführlich eingeordnet. Das Publikum findet die Inhalte an einem Ort, übersichtlich und auf das Wesentliche zusammengefasst.
  • Beim Chronologisieren sind die Journalisten die Chronisten ihrer Zeit. Sie zeigen die Entwicklung eines Themas auf – ob Coronapandemie oder Ukrainekrieg – und machen es zeitlich nachvollziehbar. Dabei werden Beiträge in zeitlicher Abfolge angeordnet.

Einen Vorteil, den eigenen Inhalt zu kuratieren, gibt es aber dennoch: Stichwort interne Verlinkung. Nicole Bonholt schrieb im Fachjournalist-Magazin schon 2014 über interne Verlinkung in ihrem Text „Der Leser im Mittelpunkt: Fünf SEO-Tipps für Redakteure“: „Damit Ihr Artikel vom Suchmaschinen-Crawler besser gefunden wird, sollten Sie ihn intern verlinken. Neben Startseiten- und Kategorie-Verlinkungen kann es gerade im Fachjournalismus zielführend sein, den neuen Artikel auch thematisch passend zu verlinken.“

10 Beispiele für Content Curation

Gute Beispiele für Content Curation im (Fach-)Journalismus sind sehr spärlich vorhanden. Aber vielleicht motiviert Sie diese Liste, selbst zum Kurator oder zur Kuratorin zu werden. Der Bildblog „6 vor 9″, piqd.de, der Social Media Watch Blog oder Krautreporter gehören zu den bekannteren Seiten. Aber Content Curation kann auch so aussehen:

  • Daniel Drepper verschickt über substrack regelmäßig kostenfrei „Daniels Recherchebrief“ und kuratiert darin Inhalte zu unterschiedlichen Themen. Ähnlich geht er mit dem Newsletter „Sachbuchliebe“ vor. Darin empfiehlt er regelmäßig Sachbücher.
  • Oskar Vitlif versendet Stellenangebote per kostenfreiem Newsletter.
  • karla ist das neue Magazin im Online-Lokaljournalismus für Konstanz und bietet in „karlas kuratierte Woche“ eine Zusammenfassung der wichtigen Termine für Konstanz.
  • Die Literaturseite des DFJV bietet eine Sammlung und weiterführende Informationen zu Fachbüchern über und für Journalistinnen und Journalisten.
  • Die Datenbank Journalistenpreise.de sammelt seit 2008 Ausschreibungen zu Medienpreisen und ist laut Website die umfangreichste Sammlung im deutschsprachigen Raum.
  • Die Redaktion der Drehscheibe sammelt Ideen aus Lokalredaktionen und liefert dazu Hintergründe. Der Redaktionskalender, der nur im Mitgliederbereich mit Login zu sehen ist, bietet einen Überblick über „Historische Ereignisse und Aktionstage – mit Tipps für Umsetzungen in der Lokalredaktion, immer einen Monat im Voraus“.

Warum sich Content Curation im Fachjournalismus lohnt

Prangert man als Klimajournalist oder Klimajournalistin die schlechte Berichterstattung darüber an, kann man mit kuratierten Inhalten die These untermauern und mit „worst practices“ arbeiten – oder mit guten Beispielen zeigen, wie es richtig geht. Leserinnen und Leser werden immer wieder zu diesem Thema zurückkommen und im besten Fall die Beiträge teilen und weiterempfehlen. Im wahrsten Sinne vernetzen sich Fachjournalisten und Fachjournalistinnen und zeigen ihrer Leserschaft und den Suchmaschinen, wofür sie stehen und dass man bei ihnen die besten Inhalte findet. So können sie für das Börsengeschehen neben den Aktienmärkten auch Inhalte für bestimmte Bereiche, wie Automobilwerte, Chemie oder Pharmazie kuratieren. Oder Fachleute für erneuerbare Energien aggregieren Informationen, Infografiken und andere Content-Formate zu Photovoltaik-Anlagen, Ökostrom, Elektromobilität und Netzbetrieb. Themen für jedes Ressort gibt es reichlich.

Durch Content Curation stärken Fachjournalistinnen und Fachjournalisten ihre Marke. Denn damit bauen sie ihren Expertenstatus auf. Als Freie stärken sie damit besonders in Verhandlungen mit Redaktionen ihre Position. Das lohnt sich – sowohl finanziell durch höhere Honorare als auch durch bessere Chancen bei der Auftragsvergabe für Spezialthemen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Die Autorin Valerie Wagner fokussiert sich auf Text und Podcast, Lokal- und Klimajournalismus, Menschen und Medien. Auf ihrem Blog kommentiert, rezensiert und glossiert sie (fast) alles, was ihr über den Weg läuft. In ihrem Podcast „Die Podcast-Reportage“ gibt sie Einblicke in ihre Recherchen und unterhält sich mit Menschen aus der kreativen und schreibenden Zunft.

Kommentare sind geschlossen.