Teil II: Crossmediale Journalistenausbildung in Deutschland
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Generalist vs. Spezialist
Es wird immer relevanter, in allen dem crossmedialen Entwicklungsprozess zugrundliegenden Schritten ein grundlegendes Verständnis zu besitzen: Recherche, Aufnahmeprozesse, Produktion und Design sind hier nur einige der zentralen Bereiche. Ein crossmedial ausgebildeter Journalist kann sich leichter an die sich ändernden Berufsbilder anpassen, Entwicklungsmöglichkeiten bestenfalls sogar antizipieren. Gerade am Anfang einer journalistischen Berufslaufbahn ist es wichtig, in verschiedenen Bereichen agieren zu können, zumindest ein Grundverständnis für die Möglichkeiten zu besitzen.
Es ist hierbei nicht das Ziel, alle Medien bis zur Perfektion zu beherrschen. Aber die Kommunikation mit den Profis in den einzelnen Gebieten muss gewährleistet sein. Ein Journalist wird auch in Zukunft in den meisten Fällen kein Programmierer sein, allerdings wird er mehr und mehr zum Mediengestalter.
Eine spätere Spezialisierung innerhalb des großen crossmedialen Spektrums ist nicht nur möglich, sondern auch nötig. Denn oft wird den Absolventen vorgeworfen, dass sie von allem ein bisschen wissen, aber nichts so richtig können; das meint auch Alexandra Trixner, Fachbereichsleiterin des Studiengangs „Cross-Media Communications and Publishing“ an der SAE Berlin. Deshalb muss es ihnen ermöglicht werden, sich innerhalb des breiten Spektrums zu spezialisieren. Sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der Produktionsebene werden Spezialisten gebraucht.
Sadrozinski geht davon aus, dass es in Zukunft zwei Arten von Journalisten geben wird: auf der einen Seite den Generalisten, der eher im Hintergrund steht, Themen plant und organisatorisch tätig wird, auf der anderen Seite die Spezialisten, die dann in einzelnen Themenfeldern arbeiten und über Fachkompetenz in einem bestimmten Themengebiet oder Ressort verfügen sollten bzw. müssen.
Herausforderungen
Einzelne Bereiche werden einen immer stärkeren Anteil in der crossmedialen Ausbildung einnehmen. Hierzu zählen etwa Mobile- und Datenjournalismus sowie die intelligente Einbindung und Nutzung sozialer Medien. Gerade letztgenannter Bereich ist nach Meinung der befragten Ausbildungsleiter noch lange nicht ausgeschöpft und bietet gerade als Rechercheinstrument noch viel Potenzial. Auch der Bereich Web-TV verlangt etwa laut Moll von der Electronic Media School nach einer stärkeren Integration in die Ausbildung.
Die teilweise doch recht kurze Dauer der Ausbildung macht es manchmal schwierig, spontan auf Entwicklungen in der Branche zu reagieren oder diese gar vorausschauend zu integrieren. In der Planung ist die Ausbildung also nicht so flexibel, wie es oft wünschenswert wäre. Auch die technische Ausstattung ist mit hohen Kosten für die Ausbildungseinrichtungen verbunden. Sadrozinski sieht das mit großer Sorge, da die Bereitschaft von Medienunternehmen, in eine gute Ausbildung zu investieren, nicht sehr hoch sei (Sadrozinski, J. in: Bruns, F. 2013, S. 71).
Eine weitere Schwierigkeit ist die Ausweitung der journalistischen Kompetenz. Immer mehr Lerninhalte erhalten Einzug in die Ausbildung, was die Gefahr der oberflächlichen Vermittlung birgt. Es ist eben nicht nur wichtig, die Mediengattungen zu einem crossmedialen Produkt vernetzen zu können und die technischen und organisatorischen Fähigkeiten zu besitzen. Im Vordergrund müssen weiterhin journalistische Grundlagen stehen, um die Berichterstattung trotz Zeitdruck auf einem hohen Qualitätsniveau zu halten. Journalistische Qualität zu sichern war, ist und bleibt somit die oberste Maxime der Ausbildung.
Und in Zukunft?
Die befragten Ausbildungsleiter gehen davon aus, dass es noch wichtiger wird, prozessorientiert zu denken und das Zusammenwachsen der Mediengattungen zu unterstützen. Journalismus definiert sich nicht mehr über seine Form sondern vielmehr über die Inhalte. Geschichten werden im Sinne von multioptionalem Storytelling erzählt; die Vorteile der einzelnen Medienkanäle werden ausgenutzt und die Nachteile ausgeglichen, um den Inhalt optimal zu transportieren. Diese Entwicklung muss in den Köpfen der zukünftigen Journalisten verankert werden, damit die vielfältigen Kombinations- und Vernetzungsmöglichkeiten von Medien und Darstellungsformen, die durch das Internet entstehen, noch stärker in die journalistische Arbeit integriert werden.
Moll gibt zu bedenken, dass sich die Nutzungsgewohnheiten von Medien verändert haben und sich weiter verändern werden, die Öffentlichkeit in stärkerem Maße aktiv beteiligt werden will. Der Nutzer will – sei es beispielsweise auch nur über kleinere Aktionen wie Scrollen oder Anklicken – selbstständig entscheiden können, ob er zusätzliche, vertiefende Informationen erhält oder nicht.
Viele Redaktionen wünschen sich zwar fortwährend „neuen“ Input von Journalisten, deren Ideen und Ansätze werden dann aber oft nur widerwillig aufgenommen. Oscar Tiefenthal, Leiter der Evangelischen Journalistenschule, gibt zu bedenken, dass „die Annahmen dessen, was Crossmedia ist und was es leisten kann, mit der Realität in den Redaktionen oft noch sehr wenig zu tun haben“. Newsrooms und Newsdesks sind zwar längst keine Ausnahme mehr in deutschen Redaktionen, aber oft ist der neu entstandene Raum noch kein Garant für modernes crossmediales Publizieren.
In der schnelllebigen Medienwelt muss man nicht mehr nur reagieren sondern auch selbst aktiv werden und sich etwas trauen, um nicht immer einen Schritt zu langsam zu sein. Gerade in der Ausbildung gibt es hier die Möglichkeit, Experimente zu wagen, ohne ein zu großes Risiko einzugehen.
Hierfür wäre ein stärkerer Austausch zwischen den Ausbildungsmodellen und Einrichtungen sinnvoll. Die befragten Experten beobachten allerdings oft nur die Ausbildungswege genauer, die dem eigenen ähneln.
So kennen die Leiter der Journalistenschulen die Inhalte der anderen Journalistenschulen und auch die Hochschulen pflegen Kontakt untereinander. Manche werfen zusätzlich noch einen Blick auf Ausbildungswege im Ausland. Auch treffen sich die Experten auf einschlägigen Fachtagungen.
Konkrete Kooperationen finden allerdings bislang kaum statt. Hier beschränkt man sich doch eher auf den Austausch mit Medienunternehmen und nicht mit anderen Bildungsträgern.
Ein wichtiger Schritt in Richtung einer besseren Vernetzung zwischen den Ausbildungsangeboten wäre beispielsweise darüber zu erreichen, zunächst das eigene Profil zu schärfen, um so klare Anknüpfungspunkte zu offerieren. Der Austausch zu neuen, erfolgreich integrierten Lernmethoden könnte beispielsweise alle Ausbildungswege bereichern.
In einem Punkt sind sich alle Experten einig: Crossmediale Fähigkeiten werden benötigt – und das in jeder Redaktion, die mit den Entwicklungen Schritt halten will. Dies gilt für Rundfunk- ebenso wie für Printprodukte und auch für Kontexte außerhalb der journalistischen Arbeit. So weist Lars Rinsdorf darauf hin, dass etwa in den Bereichen Corporate Publishing und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ebenso umgedacht werden muss.
Ob ein Umdenken bei allen Akteuren stattfinden wird – und in Anbetracht der Ressourcen stattfinden kann – ist eine Frage, die sich im Laufe der nächsten Zeit klären muss.
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Literatur
Bruns, F. (2013): Crossmediale Journalistenausbildung in Deutschland. Umsetzung, Bedeutung, Zukunftsprognosen, Hannover.
Meier, K. (2007): Journalistik, Konstanz.
Schweiger, W. (2002): Crossmedia zwischen Fernsehen und Web. Versuch einer theoretischen Fundierung des Crossmedia-Konzepts, in: BLM-Schriftenreihe, Band 70, S. 123-135.
Nowak, E. (2007): Qualitätsmodell für Journalistenausbildung. Kompetenzen, Ausbildungswege, Fachdidaktik. Online verfügbar unter: https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/24721/2/Dissertation.pdf
Weischenberg, S. et al. (2006): Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland, Konstanz.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).
Die Autorin Friederike Bruns Bruns hat im Juli 2013 ihr Masterstudium mit einer Abschlussarbeit zum Thema „Crossmediale Journalistenausbildung in Deutschland“ erfolgreich abgeschlossen. Friederike Bruns studierte an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, an der Helsinki Metropolia University sowie am Lernradio Karlsruhe. Derzeit arbeitet sie als freie Radiojournalistin.