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Der Schritt zum News Entrepreneur

Fördermöglichkeiten für journalistische Start-Ups

Viele Journalisten entwickeln – neben guten Stories – auch gute Geschäftsideen. Sie erfinden neue Content-Formate, planen digitale Plattformen oder entdecken Optimierungspotenziale bei bestimmten Arbeitsprozessen. Ihre Innovationsidee wird aber oft nicht umgesetzt, weder in ihrem Medienhaus noch von ihnen selbst als Einzelkämpfer. Unterstützung finden sie dann bei einer der Förderagenturen, die einige Landesmedienanstalten eingerichtet haben. Hier folgt ein Überblick über die wichtigsten Fördermöglichkeiten und darüber, wer dort wie gefördert werden kann.

Hans Onkelbach und Christian Herrendorf, die ehemaligen Lokalchefs von Rheinischer Post und Westdeutscher Zeitung, fanden, dass die lokale Presselandschaft ihrer Heimatstadt Düsseldorf zunehmend verödet und an Qualität verliert. Damit wollten sie sich nicht abfinden und haben zusammen mit zwei weiteren Kollegen das lokale Blog VierNull gestartet.

Die Journalistin Ciani Sophia Hoeder suchte lange nach einem passenden Newsmedium für sich und ihre Community – afrodeutsche Frauen in Deutschland. Sie fand keins und beschloss, selbst eines ins Leben zu rufen. Mit dem RosaMag hat sie mit mehreren Kolleginnen die erste Online-Plattform für afrodeutsche Schwarze Frauen aufgesetzt.

Marcus Pfeil ist ein erfahrener Rechercheur und Journalist, der wichtige Storys für große Titel gemacht hat. Er nutzte immer wieder Satelliten- und GPS-Daten als Quellenmaterial und musste dabei erleben, welche Probleme Medienschaffende beim Einsatz solcher Fernerkundungsdaten haben. Um das zu ändern, hat er mit einem Partner das Start-up Vertical52 gegründet.

Alle Genannten teilen, außer dem Mut zum Schritt ins Unternehmertum, noch mindestens eine weitere Gemeinsamkeit: Sie vertrauten sich mit ihrer Geschäftsidee einer der regionalen Fördereinrichtungen der Landesanstalten für Medien an und haben sich von ihr fördern lassen. Diese Einrichtungen nennen sich Innovationszentrum oder Lab – wir nennen sie im folgenden Agenturen.

Wichtige Förderagenturen für journalistische Start-ups

Zu den bekanntesten Anlaufstellen für journalistische Gründer gehören das MIZ (Medieninnovationszentrum) Babelsberg, das Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien NRW und das Media Lab Bayern. Sie beraten, coachen, finanzieren und organisieren Veranstaltungen. Ihre Netzwerke helfen dabei, gute Geschäftsideen auf den Markt zu führen.

Während im MIZ technische Innovation großgeschrieben wird, hat das Journalismus Lab NRW die publizistische Vielfalt als Auftrag und das Media Lab Bayern arbeitet besonders intensiv an den Geschäftsmodellen der geförderten Projekte. Alle aber möchten Innovationen unterstützen, journalistische Diversität steigern, einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen und dabei wirtschaftlich nachhaltige Projekte implementieren, die auf die regionale und bundesweite Medienlandschaft ausstrahlen. Dabei handeln die drei Agenturen im öffentlichen Auftrag, fördern mit öffentlichen Geldern und betreiben keine Wirtschaftsförderung im engeren Sinne, indem sie zum Beispiel Anteile oder Rechte an geförderten Projekten erwerben.

Neben den Landesagenturen gibt es in den Regionen auch privatwirtschaftlich organisierte Start-up-Förderungen, wie den Next Media Accelerator Hamburg, einen Inkubator, den die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und große Verlage für Start-ups aus der Medienbranche betreiben.

Warum Unternehmer werden?

Simone Jost-Westendorf leitet das Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien NRW.

Aus der Perspektive der Förderagenturen verfolgen Journalisten, die sich selbstständig machen wollen, oft ähnliche Ziele und Motive: „Viele, die vielleicht in einem größeren Unternehmen mit längeren Entscheidungswegen arbeiten, möchten einfach eine Idee schnell umsetzen und nicht auf Freigaben oder Finanzierungen warten müssen“, weiß Simone Jost-Westendorf, Leiterin des Journalismus Lab NRW. „Oft sind es Pain Points, die sie in ihrer Arbeit kennengelernt haben und gerne beseitigen möchten“, sagt Marion Franke, verantwortlich für die Förderprogramme  beim MIZ Babelsberg. Und Pia Lexa, Team Lead Program beim Media Lab Bayern, sieht unter den Bewerbern „viele, die schon länger vorhatten, sich selbstständig zu machen, und andere, die in ihrem Umfeld nicht so kreativ oder flexibel arbeiten können, wie sie das eigentlich möchten.“

Journalisten als Gründer

Sind diejenigen, die (freiberuflich) im Journalismus tätig sind, aber nicht automatisch bereits auch erfolgreiche (Klein-)Unternehmer und Unternehmerinnen? Sie prüfen ständig den Markt, entwickeln neue Produktideen, sorgen für Marketing und Vertrieb und müssen betriebswirtschaftlich bestehen. Sind sie nicht Gründer per se und erste Adressaten der Förderprogramme?

Pia Maria Lexa ist als Team Lead Program beim Media Lab Bayern für die Konzeption und Durchführung der Förderprogramme für Start-ups, Medientalente sowie für die Innovationsprogramme für Medienunternehmen mitverantwortlich.

„Nicht alle Medienschaffenden sind geborene Unternehmer und Journalistinnen und Journalisten haben das Unternehmertum nicht per se in ihrer DNA“,  gibt Simone Jost-Westendorf vom Journalismus Lab NRW zu bedenken. Besonders bezüglich der Vermarktung einer Idee seien Journalisten oft sehr idealistisch, glaubt Pia Lexa vom Media Lab: „Sie gehen direkt ins Doing, schreiben, nehmen Podcasts auf. Hier geht es aber um eine unternehmerische Herangehensweise, darum, Kostenfaktoren zu kalkulieren, auch die eigene Arbeitskraft.“

Zentrale Herausforderungen beim Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit sind ein Mehr an Freiheit bei weniger Sicherheit und größerer Verantwortung, speziell einer Personalverantwortung. „Darüber hinaus sind rechtliche und steuerliche Fragen eine Herausforderung, die viele überfordert. Sie kommen ja häufig aus Unternehmen, in denen es für alle Themen Fachleute gab“, sagt Jost-Westendorf.

Wer wird gefördert?

Die Zielgruppen der Agenturen sind breit gestreut. Dazu gehören Studierende mit einer ersten Idee, berufserfahrene Journalismusangehörige und ihre Teams auf dem Weg zur Gründung, bestehende Start-ups, etablierte Medienhäuser, die innovieren möchten, aber auch die regionale Medienwirtschaft, die geförderte Innovationen in ihre Unternehmen transferieren möchte.

Für all diese Zielgruppen, Interessenlagen und Bedarfe gibt es bei den drei Agenturen passende Programme und Angebote. Die sich allerdings unterscheiden bei Förderschwerpunkten, Zugangsvoraussetzungen und Konditionen. Im Folgenden wollen wir auf die Förderprogramme des MIZ, des Journalismus Lab NRW und des Media Lab Bayern für Medienprofis und Teams mit ersten Vorerfahrungen und -arbeiten schauen.

Kann ich mich als Einzelperson um Förderung bewerben?

Bewerben können sich auch einzelne Personen – in der Umsetzungsphase ist dann aber ein Team meist unerlässlich. Insbesondere die technische Expertise und das Business-Know-how müssen ins Boot geholt werden.

„Im Grunde ist es dabei egal, ob sie fest angestellt in einer Redaktion oder schon lange frei gearbeitet haben – diese Expertise fehlt meist beiden Gruppen“, sagt Simone Jost-Westendorf. Das Journalismus Lab NRW etwa fördert daher mit seinem Media Innovation Fellowship Menschen, die journalistische Erfahrungen mitbringen. „Freie Journalisten könnten sich auch alleine in unserem Medienprofis-Programm bewerben – doch ganz alleine geht´s in der Regel dann doch nicht. Sie brauchen für die Umsetzung eines technischen Innovationsprojekts in der Regel ein gemischtes Team“, stellt Marion Franke vom MIZ klar. Auch Pia Lexa vom Media Lab Bayern, dort heißt das entsprechende Programm Media Startup Fellowship, sieht Teamwork als eine erste Voraussetzung: „Wir fördern in Ausnahmefällen auch Solopreneure – grundsätzlich ist für uns aber ein Team eine wichtige Voraussetzung für eine Förderung.“

Umgekehrt empfehlen die Agenturen reinen Tech-Teams eine journalistische Unterstützung, sofern es sich um Content-Projekte handelt.

Muss ich aus der Region kommen?

Weil sich Innovationen sowieso über Landesgrenzen hinaus verbreiten, räumen die Agenturen Interessierten bei diesem Thema gewisse Freiheiten ein. Während das Media Lab Bayern generell „innovative Experimente in ganz Deutschland“ unterstützt, eröffnen NRW und Babelsberg bei Bewerbungen von außerhalb des Bundeslandes zumindest Spielräume.

„Rein formal muss – in unserem Programm Media Innovation Fellowship – mindestens ein Teammitglied einen Wohn- oder Arbeitsplatz in NRW haben“, sagt Simone Jost-Westendorf vom Journalismus Lab NRW. Und Marion Franke vom MIZ achtet darauf, „dass die Projektteams eine innovative Strahlkraft auf die Region haben und dass der Innovationstransfer gewährleistet wird.“ Das vom MIZ gerne als erfolgreiche Referenz genannte Start-up Tactile News etwa sitzt in Lüneburg, arbeitet aber eng mit Medienhäusern in Brandenburg zusammen.

Was wird gefördert?

Dezidierter sind die Agenturen bei den thematischen Schwerpunkten, die sie sich jeweils gesetzt haben.

Hermance Grémion (re.) ist Standortleiterin des MIZ Babelsberg. Marion Franke (li.) verantwortet den Bereich Innovationsförderung. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen zu den Förderbedingungen, der Antragstellung und verantwortlich für die Betreuung der Projekte.

Beim MIZ liegt der Fokus auf der technischen Innovationsfähigkeit einer Projektidee. „Wir wollen Journalisten mit neuen Tools ausstatten, die ihre Arbeit erleichtern. Wir sind keine Wirtschaftsförderung, sondern eher eine Art Werkbank für technische Innovationen“, erklärt Hermance Grémion, Standortleiterin beim MIZ Babelsberg.

In Bayern spielt die wirtschaftliche Tragfähigkeit der geförderten Start-ups eine große Rolle. „Die meisten der von uns Geförderten gründen ihr Herzensprojekt ohne Startkapital. Damit wollen wir verantwortlich umgehen“, sagt Pia Lexa. Entsprechend folgen im Media-Startup-Fellowship-Programm auf eine dreimonatige Produkt-Phase eine dreimonatige Sales-Phase und dann eine dreimonatige Invest-Phase.

In NRW ist vorrangiges Ziel und Aufgabe des Journalismus Lab, die journalistische und publizistische Vielfalt in NRW zu stärken. Ganz konkrete Inhalte bleiben dabei aber zumeist außerhalb der Förderentscheidung. „Als Landesmedienanstalt dürfen und möchten wir keine Inhalte fördern“, bringt Simone Jost Westendorf dies auf den Punkt. Auch ihr ist die wirtschaftliche Trag- und Wettbewerbsfähigkeit eines geförderten Projekts wichtig.

Wie wird gefördert?

Die Förderungen bestehen in der Regel aus einem Mix aus Beratung, Coaching und Geld.

Marion Franke vom MIZ unterstützt Interessierte bei der Bewerbung und bei den administrativen Prozessen. Zudem hilft sie dabei, Finanzpläne aufzustellen, führt Abrechnungs-Workshops durch und bleibt mit den Projektteams im Austausch. Wer es dann beim MIZ ins Programm Medienprofis schafft, kann bis zu zwölf Monate lang mit maximal insgesamt 50.000 Euro rechnen – darin enthalten sein muss allerdings ein Eigenanteil von 25 Prozent. Zudem können Coaching-Budgets von 1.500 Euro beantragt werden.

Das Media Lab Bayern fördert im Media Startup Fellowship neun Monate lang mit bis zu 40.000 Euro – ohne Eigenanteil. Man legt dabei großen Wert auf die Schärfung der Idee hinter dem Business-Plan. „Wir schauen uns alle Bereiche des Geschäftsmodells an. Zunächst geht es um die Value Proposition, das Wertversprechen. Gibt es für die Idee eine Zielgruppe? Welches Bedürfnis hat die? Passt die Lösung zum Bedürfnis?“, beschreibt Pia Lexa die Maßnahme.

im Media Innovation Fellowship des Journalismus Lab NRW kann ein Team für ein halbes Jahr mit 15.000 Euro als Prototyping-Budget rechnen sowie mit weiteren 15.000 Euro für projektbezogene Workshops und individuelle Coachings.

Wie erfolgreich sind geförderte Projekte?

Das Journalismus Lab aus NRW hat im Rahmen seines Media Innovation Fellowships bisher 22 Start-ups begleitet, von denen mehr als die Hälfte noch erfolgreich am Markt sind und sich weiterentwickeln. „Das ist super!“, freut sich Jost-Westendorf und nennt als Beispiele ihrer Förderpraxis refutura, die unter anderem AR-/VR- (Augmented-Reality/Virtual-Reality-)Anwendungen für lokale Nachrichtenanbieter realisieren, oder Frau Wertvoll, ein Online-Business-Netzwerk und eine Matching-Plattform für berufstätige Frauen.

Das Media Lab Bayern, seit sieben Jahren am Start, wirbt mit einer Erfolgsquote von 60 Prozent. „Das bedeutet, dass etwa 60 von 100 geförderten Teams noch im Markt aktiv sind“, rechnet Pia Lexa vor. Nach Referenzprojekten gefragt nennt sie, neben dem bereits erwähnten RosaMag-Magazin, das Gartenmagazin Plantura.

Zahlen nennen Hermance Grémion und Marion Franke vom MIZ nicht, aber Praxisbeispiele. So habe zum Beispiel ZAUBAR, ein AR-Start-up-Team frisch von der Uni, viele Preise gewonnen, mit vielen großen Medienhäusern zusammengearbeitet und beim Tech-Festival SXSW (South By Southwest) gepitcht.

Fazit

Die Agenturen bieten ein breites und gleichzeitig zielgenaues Angebot für journalistische Gründer in allen Stadien. Interessierte finden dort erfahrene, seriöse und verantwortliche Sparrings- und Förderpartner.

Dass eine Geschäftsidee zunächst intensiv auf ihre technische Innovationskraft, ihren publizistischen Mehrwert und ihre wirtschaftliche Nachhaltigkeit abgeklopft wird, bevor Geld und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden, sollte man als willkommenen Reality-Check verstehen. Wer durchhält und gründet darf hoffen, in den Netzwerken der Agenturen später auch Geschäftspartner und Kundschaft zu finden.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

© Eberhard Kehrer

Der Autor Gunter Becker schreibt seit Beginn der 1990er Jahre als freier Autor über elektronische Medien, Internet, Multimedia und Kino. Anfangs für die taz, dann für den Tagesspiegel und im neuen Millennium vorwiegend für Fachmagazine, wie ZOOM und Film & TV Kamera. Für das verdi-Magazin Menschen Machen Medien verfolgt er die Entwicklung nachhaltiger Filmproduktion, die Diversität in den Medien und neue Medienberufe.

 

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