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Die besten Tools zum digitalen Netzwerken in Zeiten der Corona-Krise

New Work 2020: Aktives Handeln und das Erlernen neuer Fähigkeiten sind nicht nur in der Pandemie-Krise für freie Journalisten unabdingbar. In der häuslichen Quarantäne findet sich nun Gelegenheit, die eigene Zusammenarbeit effizient neu zu gestalten und sogar unbekannte Märkte erfolgreich zu bespielen.

Häusliche Quarantäne unterbindet die körperliche Nähe und damit die direkte Zusammenarbeit vor Ort. Eine Lösung, sich dennoch weiter auszutauschen, ist die „Remote Collaboration“, die virtuelle Zusammenarbeit als Austausch von Gedanken, Informationen, Gefühlen und Arbeitsergebnissen. Diese hört während der Ausgangsbeschränkung nicht bei der Videokonferenz auf, sondern beinhaltet auch die souveräne Gestaltung eigener Workshops oder Livestreams von Pressekonferenzen und Events im digitalen Raum – ganz ohne Rundfunkzulassung.

Für diese Organisationsentwicklung und den erforderlichen Change-Prozess ist es wichtig, die gängigen Toolsets zu kennen, deren technische Anwendung zu beherrschen und sie aktiv zu managen. Vorteile dieser digitalen Lösungskompetenz: Verschlankung und Reisekostenersparnis für Workshops und Trainings, erhöhte Innovationsaktivitäten beim Informationsaustausch, schnellere Interaktionszyklen bei der Konzeptentwicklung, verdichtete Transformation bei Prozessen, agile Mitarbeiterentwicklung durch praxisorientiertes Anwenderwissen, Networking und Spaß. Marketing-Strategen in eigener Sache können auf diesem Wege auch indirekt an Brand Awareness, Leadgen und Content Promotion feilen.

Die Technik: Open-Source-Anwendungen

Neben der bekannten kommerziellen Videokonferenz-Software Zoom gehören kollaborative Open-Source-Anwendungen wie BigBlueButton oder Mumble (nur Audiokonferenz) zu den wichtigen Bausteinen in der digitalen Kommunikation – mit einer bewussten Abwägung zwischen Sicherheit und Anwendbarkeit. Die niedrigen technischen Hürden gewährleisten den leichten Umstieg auf diese Online-Werkzeuge, wobei die freien Softwarepakete BigBlueButton und Mumble durch einen verschlüsselten Datenverkehr und einen transparenten Quellcode auch journalistischen Sicherheitsanforderungen gerecht werden. Zoom hat zwar nachgebessert, steht aber als US-Software immer wieder in der Kritik beim Thema Sicherheit. Viele Beteiligte in der Digitalwirtschaft scheint das bisher nicht zu stören – mangels Alternativen. Ein guter Grund, sich näher mit den Open-Source-Anwendungen zu beschäftigen.

BigBlueButton beispielsweise wird– auf eigenen Servern gehostet – auch von mehreren deutschen Bundesländern für die Bildungsarbeit mit Lehrveranstaltungen (Online-Learning) in Schulen und Universitäten genutzt. Das vielseitige und kostenfreie Videokonferenz-System eignet sich somit auch für berufliche Beratungsgespräche mit Fallbeispielen, Präsentationen mit Whiteboard-Funktion, die Moderation eigener Webinare oder Online-Seminare in Echtzeit. Kopfhörer oder Headsets garantieren die bestmögliche Sprachqualität und verhindern unangenehme Nebengeräusche wie Tastenklappern oder die Aufnahme von Lautsprecherechos. Telefone und störende Benachrichtigungen via Apps sollten vor dem Online-Meeting ausgeschaltet sein.

BigBlueButton bietet den Vorteil, dass sich Teilnehmer zeitweise – zur Entlastung der Server – über Online-Buttons sowohl bei Ton als auch Bild ausschalten können; dann bleibt lediglich die Zuhör-Funktion aktiviert. Für eine Interaktion mit Wortmeldung oder Frage kann man sich dann via Chatfeld – dieses läuft nebenher, auch, um auftretende technische Probleme lösen zu können– anmelden und nach Aufforderung durch den Moderator mit Videobild und Stimme zuschalten. Das eigene Stummschalten verhindert die Übertragung von Geräuschen, die andere Teilnehmer stören könnten. Ausgenommen von dieser Stummschaltung ist immer ein Moderator oder Keynote-Speaker, der diese digitale Veranstaltung sichtbar steuert.

Konferenzen, Webinare, Workshops

Bei Konferenzen bewährt hat sich der Einsatz von zwei Bildschirmen (z. B. Smartphone und Laptop), um Arbeitsplattform und Online-Meeting gleichzeitig im Blick zu haben. Der „Remote Knigge“ empfiehlt einen permanenten Blick in die Kamera, um nicht abwesend zu wirken und jeden Teilnehmer persönlich anzusprechen. Der Hintergrund sollte sachlich gestaltet sein. Klare Konferenzzeiten, ausreichend Pausen und eine Rollenverteilung für das Timeboxing sind hilfreich bei der Gesprächsstrukturierung, ebenso ein Schlusswort mit den festgehaltenen Ergebnissen und Erledigungshinweisen, die auch in ein Whiteboard (für jeden Teilnehmer nutzbar) geschrieben werden können.

Umfragen zu der durchgeführten Veranstaltung, gerade bei Webinaren, sind beliebt, denn Ansprüche und praktischer Nutzen können stark variieren: Die Länge eines Online-Seminars bestimmt auch Konzentration und Aufmerksamkeit der Teilnehmer, ebenso wie das Abdriften oder Vertiefen von einzelnen angekündigten Themen. Eine persönliche Fragestunde im digitalen Konferenzraum sollte daher zum Abschluss nicht fehlen. Mit begleitenden Chats, Screenshots, Fotos und eingespielten Videos (schwierige Sachverhalte lassen sich kurzweilig in Bewegtbild darstellen) lässt sich jede Konferenz oder jedes Webinar auflockern.

Für einen Workshop mit digitalem Frontalunterricht haben sich Online-Whiteboards bewährt, die ähnlich wie ein Flipchart oder die Meta-Leinwand genutzt werden können. Auch Schulungen und Weiterbildungen zu Online-Konferenzen („Mitarbeiterführung aus der Ferne“) erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit.

Journalisten als Online-Business-Coach

Sars-CoV-2 hat viele Unternehmen fast über Nacht zum schmerzhaften Umdenken gezwungen und für eine wirtschaftlichere und krisensichere Aufrüstung der hausinternen IT-Infrastruktur gesorgt. Flexible Cloud- und Managed-Services gelten als Antwort auf die aktuelle Krise. Die nötige Methodenkompetenz ist erlernbar und die Praxiserfahrung kommt mit der Zeit, kann aber auch vermittelt werden.

Freie Journalisten können hier als Online-Business-Coach mit praktischen Einführungsübungen fungieren und auf diese Weise neue Umsätze generieren, indem Grundlagen und Einsatzmöglichkeiten trainiert werden. Mittel der Wahl sind passgenaue Assessments, Sprints, Trainings, Workshops, Impulsvorträge oder Coachings – sowohl online als auch offline. Die emotionalen Herausforderungen – Angst vor Kontrollverlust, Isolation, fehlende Erfahrung – sind bei diesem krisenbedingten Veränderungsprozess allerdings nicht zu unterschätzen.

Digitale Arbeitsplattformen

Digitale Arbeitsplattformen wie Nextcloud oder Mattermost mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (Nextcloud) helfen bei der virtuellen Organisation im eigenen Homeoffice und beim Vernetzen im New Work.

Die freie Software Nextcloud funktioniert wie ein Office-Programm. Als Arbeitsplattform bietet sie viel Speicherplatz für Daten auf einem eigenen Server und kann mit einem lokalen Verzeichnis synchronisiert werden (Netzwerk-Lösung). Damit ist sie für die Entwicklung von Cloud-Strategien im digitalen Business interessant, aber auch für kreative Berufsgruppen wie Videojournalisten, Pressefotografen oder Multimedia-Produzenten, die täglich mit großen Datenmengen arbeiten. Nextcloud ermöglicht als Basisfunktion Videokonferenzen für maximal fünf Personen via Nextcloud-Talk und erlaubt mehreren Teilnehmern eine gleichzeitige und sichere Bearbeitung der Daten im Browser. Mit der Nextcloud-Deck-App lässt sich auch eine virtuelle Aufgabenverteilung managen, ähnlich wie bei dem beliebten Toolset Kanban. Aufgrund des modularen Aufbaus lassen sich zudem Plugin-Systeme wie Diagrammerstellung oder Umsetzung der Anforderung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kombinieren.

Der freie Instant-Messenger-Dienst Mattermost gestattet sowohl Einzelchats als auch Gruppenchats – die aktuelle Version läuft auch mobil über Android 1.9.3 oder macOS 4.1.2. Zur Verfügung stehen eine kostenlose „Team Edition“ und eine „Enterprise Version“, die kostenpflichtig ist.

Weitere Dienste heißen Signal (nur für zwei Personen) oder Wire (für maximal zehn Personen), wobei Mattermost im Vergleich deutlich übersichtlicher angeordnet ist. Der kommerzielle Dienst Slack des US-amerikanischen Unternehmens Slack Technologies dient zur Kommunikation in Arbeitsgruppen mit gemeinsamen Bearbeitungsmöglichkeiten von Daten bei weiteren Diensten wie Dropbox oder Google Drive (Tracking personengebundener Daten ist Voraussetzung), die über ein eigenes Konto freigeschaltet werden müssen. Aus Datenschutzgründen ist dieses Programm daher nur bedingt zu empfehlen, zumal sich Nextcloud als sicherere Alternative zu Dropbox anbietet. Zotero hingegen ist ein freies, quelloffenes Tool für Redaktionssitzungen, in denen Literaturangaben und der Austausch von Textquellen im Mittelpunkt stehen. Gemeinsame Texte, Tabellen oder Präsentationen lassen sich via Etherpad oder Cryptpad bearbeiten.

Vorgehensweise zur Nutzung von BigBlueButton

Die Nutzung von BigBlueButton ist einfach. Zuerst schreibt man eine Mail an den Server-Betreiber (bbb@sixtopia.net) und bittet um einen Account. Nach Anmeldung und Programmgestaltung lässt sich dann ein Einladungslink generieren, den man per Mail zum Beispiel für ein kostenpflichtiges Webinar an die Teilnehmer versendet. Medienakademien arbeiten hier mit Bezahlsystemen wie Paypal, Vorauszahlung oder auch Rechnungsstellung.

Die Teilnehmer müssen nichts installieren, sollten aber Mikrofon und Webkamera vorab funktional ausrichten. Über den Link können sie direkt nach einem Echotest – man sagt ein paar Worte und muss angeben, ob man sich selbst gehört hat – in den digitalen Konferenzraum gelangen. Mit den Browsern Chrome/Chromium oder Safari läuft die Konferenz oder das Webinar in der Regel besser als mit Firefox. Bei schlechter Audio- oder Videoqualität sollte man die Internet-Verbindung von WLAN auf Ethernet-Kabel verlegen oder rechts oben das Menü „Data Savings“ öffnen und die Webcam-Einstellungen testweise auf OFF setzen.

Die freie Software BigBlueButton eignet sich nur für bis zu 20 Teilnehmer, da gerade die Webcam-Einsätze sehr viel Leistung der nicht-kommerziellen Server ziehen. Manchmal muss man sich auch kurz aus- und dann wieder einwählen, weil die Konferenzseite eingefroren ist und dann hakt. Insgesamt ist BigBlueButton leicht zu bedienen, kostenlos und deutlich sicherer als Zoom für öffentliche und interne Besprechungen (Redaktionssitzungen oder Ähnliches), den Austausch in Themengruppen sowie für Workshops.

Tipps: Mit einem Passwortmanager wie KeePassX oder Bitwarden behält man die Zugangsdaten aller Anwendungen sicher im Auge. Weiterbildung und Informationen zu Datensicherheit gibt es via skillsforutopia.org und privacy-handbuch.de.

Fazit

Die radikale Digitalisierung unserer Arbeitswelt ist durch das Virus Sars-CoV-2 nur beschleunigt worden. Die Krise krempelt komplett unser Leben um, bietet nun aber auch die Chance für freie Journalisten und digitale Dienstleister, sich neu aufzustellen und mit vielen unbekannten Toolsets zu experimentieren.

Es gilt: „Follow the money“. Es muss nicht immer der Medienmarkt sein, auch die Digitalwirtschaft, Stiftungen oder Weiterbildungsträger bieten lukrative Freiberufler-Jobs für Fachjournalisten. Als Berater, Referent oder Technikredakteur können sie passgenaue Workshops zu Agilität & New Work, technischen Support zu Digitalisierungsprozessen oder einen Leitfaden sowie How-Tos zu Fragen der crossmedialen Content-Produktion einschließlich Social Media anbieten.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Der Autor Ralf Falbe arbeitet als freier Bildjournalist, Videographer und Reporter. Veröffentlichungen u. a. in Stern, Sueddeutsche.de und Guardian. Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis Irland 2016 (Kategorie Online – Top 10), Bronze Winner International Photo Award IPA Philippines 2016 (Kategorie Kinder), Nominierung für den PR-Bild Award 2015 (Kategorie Tourismus, Freizeit, Sport). Mitglied beim DFJV, Nikon Professional Services NPS und der Fotoagentur Imagetrust. Weitere Informationen zu seiner Person unter www.ralffalbe.com.

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