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„Die Zuschauer müssen sofort verstehen, worum es geht“

Als Chefmoderator der Nachrichtensendung RTL aktuell ist er ein ausgewiesener News-Experte. Der Fachjournalist sprach mit Peter Kloeppel über die Entwicklungen im Nachrichtenressort, die Verzahnung von Fernsehen und Onlinemedien sowie sinnvolle Synergieeffekte.

Sie sind seit 35 Jahren im Nachrichtenjournalismus tätig. Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?

Meine Mutter war Gymnastiklehrerin, mein Vater Bauingenieur – familiär bedingt war meine Berufswahl also nicht. Aber bereits als Kind habe ich mit Interesse überregionale und lokale Zeitungen gelesen und als Schüler Weltspiegel und auslandsjournal geguckt. Obwohl ich mich schon immer für Nachrichten aus aller Welt interessiert habe, war es dennoch nicht mein erklärtes Ziel, Nachrichtenjournalist zu werden.

Erst während meines Studiums der Agrarwissenschaften habe ich gemerkt, dass ich mich für den Journalismus im Allgemeinen und Wissenschaftsjournalismus im Speziellen interessiere, und mich deshalb nach meinem Studienabschluss an der Henri-Nannen-Schule beworben. Als Reporter im RTLplus-Studio in Bonn habe ich dann fast ausschließlich TV-Beiträge über politische Themen erstellt. Anschließend war ich als Auslandskorrespondent knapp zwei Jahre lang in Amerika, bevor ich gefragt wurde, ob ich die Moderation übernehmen möchte.

Welche Ausbildung würden Sie jemandem empfehlen, der im Nachrichtenressort Fuß fassen möchte?

Natürlich muss man Journalist sein, daran führt kein Weg vorbei. Ich bin ein ehrlicher Verfechter einer fundierten Ausbildung. Dazu gehören für mich eine gute journalistische Grundausbildung und nach Möglichkeit auch ein Universitätsabschluss. In den vergangenen Jahrzehnten hatten die Bewerber an den Journalistenschulen fast immer mindestens einen Bachelorabschluss.

Wobei ich nie der Meinung war, dass man unbedingt Journalismus studiert haben muss, um Journalist werden zu wollen oder werden zu können. Das Studienfach spielt gar nicht so die große Rolle. Es ist einfach wichtig, dass man eine universitäre Ausbildung hinter sich gebracht hat, mit ein paar Jahren intensiven Arbeitens an bestimmten Themenfeldern.

Und wenn man den Wunsch hat, Nachrichtenjournalist zu werden, hat man mit Sicherheit auch selbst schon einige Grundlagen gelegt.

Welche Grundlagen braucht man, um im Bereich News zu arbeiten?

Man sollte sich natürlich für klassische Nachrichtenthemen interessieren: für das, was die Menschen bewegt; für die Welt, in der wir leben – und zwar nicht nur für die kleine Welt um einen herum, sondern auch für Dinge, die im nationalen und internationalen Rahmen wichtig sind.

Wichtig sind daher umfassende Kenntnisse von Politik, Wirtschaft, Kultur und anderen Lebensbereichen.

Dann sollte man komplexe Themen verständlich aufarbeiten können, sodass man sie in kurzen Nachrichtenbeiträgen präsentieren kann. Dazu gehört eine klare Sprache, auch: Dinge vereinfachen zu können, ohne dass sie an Inhalt verlieren.

Wenn man das alles mitbringt, sind das schon ganz gute Voraussetzungen, um im nachrichtenjournalistischen Bereich tätig zu sein.

Der beste Test, ob man dafür geeignet ist, ist jedoch die praktische Arbeit in einer Nachrichtenredaktion. Da merkt jeder schnell, ob sie oder er sich wirklich für die Themen interessiert, die dort diskutiert werden. Und ob man selbst interessante Vorschläge macht, wie Themen auch anders aufbereitet werden können.

So viel zu den Interessen. Und welche Eigenschaften sollte ein angehender Nachrichtenredakteur mitbringen?

Nachrichten sind gerade in den vergangenen Jahren immer „schneller“ geworden. Früher hatte man Zeit bis zum Redaktionsschluss, da musste um 18 oder 19 Uhr der Text abgeliefert sein. Heute wollen die User von Onlinemedien, aber auch die Fernsehzuschauer und Radiohörer viel schneller informiert werden. Das heißt, eine gewisse Stressresistenz ist wichtig, um unter diesem Zeitdruck arbeiten und gute Produkte, gute Texte, gute Einschätzungen abliefern zu können.

Unerlässlich ist auch, Spaß an der Recherche zu haben und das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden, Phrasen von Politikern als solche identifizieren zu können. Nicht zu sagen: Ich habe ein Zitat, und das reicht – sondern die Sätze auch auf ihre Relevanz zu prüfen.

Man sollte Teamarbeiter sein, mit anderen in der Redaktion gemeinsam über Themen nicht nur nachdenken, sondern auch diskutieren – und eigene Themen verteidigen, wenn man der Überzeugung ist, dass sie wichtig sind.

Und auch, wenn es banal klingt: Man darf keine Angst haben, fremde Leute anzurufen, Interviews mit schwierigen Gesprächspartnern zu führen, mit Experten zu sprechen, von denen man weiß, dass sie sich in dem Thema viel besser auskennen, an die man aber trotzdem berechtigte Fragen hat. Man sollte grundsätzlich ein kommunikationsfreudiger und durchaus hartnäckiger Mensch sein, der sich nicht gleich abschütteln lässt, wenn er bei einer Anfrage ein „Nein“, „Vielleicht“ oder „Mal sehen“ als Antwort erhält.

Und last, but not least: Spaß bei der Arbeit zu haben, ist auch hilfreich.

Wie sollte man in den Beruf einsteigen?

Aus eigener Erfahrung empfehle ich, erst einmal als Nachrichtenreporter zu arbeiten. Da heißt es, jeden Tag rauszugehen, Interviews zu führen, Themen vorzuschlagen und diese selbst umzusetzen. Das ist das klassische journalistische Geschäft, bei dem man sehr viel mit Menschen redet, die Augen offen hält und die Ohren spitzt, um mitzubekommen, was draußen los ist, was wichtig ist und wo es Fragen gibt, die wir als Journalisten beantworten können.

Das ist eine wunderbare Schule für jeden, der später Entscheidungen darüber treffen muss, welche Themen in einer Sendung, einer Zeitung oder einem Onlineauftritt nach vorne gestellt werden. Wer viel unterwegs war und Interviews geführt hat, bekommt ein Gespür dafür, ob ein Thema wirklich relevant ist, ob es einen Beitrag trägt und wo Schwerpunkte gesetzt werden.

Das ist zumindest das klassische Einstiegsgeschäft. Es gibt Nachrichtenjournalisten, die ihr ganzes Leben lang Reporter sein wollen. Das ist eine anstrengende Sache: Man muss sich jeden Tag auf ein neues Thema einlassen und immer willens sein, die warme Redaktionsstube zu verlassen. Oft bekommt man nicht im ersten Anlauf eine gute Antwort, dann ist es wichtig, am Ball zu bleiben.

Wie sieht die Arbeit in der Redaktion aus?

In der Redaktion wird entschieden: Wo schicken wir unsere Reporter hin? Welche Vorschläge unserer Reporter werden wir umsetzen? Will ich selbst aus der Redaktion heraus eine Geschichte recherchieren oder schreiben?

Es ist auch gut, wenn man sich für spezielle Felder der Informationsvermittlung interessiert. Gerade auf Smartphones, auf Tablets spielen grafische Aufbereitungen eine immer größere Rolle, weil sie dazu beitragen, Themen verständlich zu machen. Nicht ohne Grund haben Publikationen wie The New York Times in jeder (Online-)Ausgabe wunderbare Grafiken und auch in Fernsehredaktionen in Deutschland gibt es umfangreiche Grafikteams, die sich den ganzen Tag damit beschäftigen, wie man komplizierte Sachverhalte für die Zuschauer verständlich aufbereiten kann.

Dann gibt es spezielle Planungsredakteure, die kurz-, mittel- und langfristige Planungen für eine Redaktion erstellen – bestimmte Dinge muss man einfach mit Vorlauf planen, um ein gutes Produkt zu erstellen. Bei Bundes- oder Landtagswahlen, einer großen Messe oder einem wichtigen politischen Ereignis wie einem Parteitag geht es um Fragen wie „Was sollen die Kamerateams vor Ort machen?“, „Mit wem müssen vorher Interviewtermine abgesprochen werden?“ oder „Wie können wir unsere Ressourcen so poolen, dass wir über mehrere Redaktionen hinweg aus dem Material verschiedene Beiträge für die einzelnen Sendungen erstellen?“.

Medienhäuser sind alle multimedial aufgestellt. Und in den vergangenen Jahren ist es für sie immer wichtiger geworden, nicht mit vier verschiedenen Kamerateams zu einer Pressekonferenz zu gehen, um vier verschiedene Sendungen zu bedienen. Es geht dabei um Synergieeffekte nicht nur organisatorischer, sondern auch redaktionell-inhaltlicher Natur. Vielleicht sprechen sich die Sendungen auch untereinander ab, wo sie den Schwerpunkt in der Berichterstattung setzen.

Der Redakteur oder der Reporter, der den Beitrag macht, schreibt den Text für seinen Beitrag selbst. Die Moderatoren fertigen die Texte entweder selbst an oder greifen auf Vorschläge von Redakteuren zurück, die sich mit dem Thema schon den ganzen Tag lang beschäftigt haben. Alle arbeiten im Team, das aus Redakteur, Reporter, Moderator, Planer, Chef vom Dienst und Grafikredakteur besteht, Hand in Hand. Und jeder muss in der Lage sein, das Geschäft des anderen zu beherrschen oder zumindest zu verstehen.

Wichtig ist dabei auch ein Verständnis für die produktionstechnische Seite, ob es nun eine Zeitung, ein Fernsehsender oder eine Onlinepublikation ist.

Was beinhaltet der Arbeitsalltag eines Nachrichtenredakteurs?

Je nachdem, für welche Sendung man arbeitet bzw. wann die Sendung läuft, hat man schon mal um drei Uhr morgens Dienstbeginn oder auch um drei Uhr nachmittags.

Generell gilt: Man tauscht sich aus mit anderen Redakteuren, sammelt Themen, die an diesem Tag wichtig, relevant und interessant für unsere Zuschauer oder User sind. Die zentrale journalistische Frage lautet immer: Was ist wichtig, was ist relevant, was ist interessant an einem Thema oder Ereignis? Wie ist unser eigener Dreh bei der Geschichte? Man diskutiert darüber, wie man das aufarbeitet: wie zusätzliche Informationen zur Verfügung gestellt werden können, beispielsweise in Form eines Interviews mit einem Politiker oder einem Experten; ob man Grafiken dazu erstellt und wie diese aussehen; wie viel Zeit wir für das Thema zur Verfügung haben, was dafür gedreht werden muss, welche Interviews geführt werden müssen; welche Informationen in den Beitrag reinkommen und welche nicht. Nur eine Pressekonferenz abzubilden, ist im Normalfall nicht ausreichend. Wir überlegen: Wie bebildern wir das? Gibt es andere Meinungen zu diesem Thema? Es gibt immer mindestens zwei Meinungen, meistens sogar viel mehr. Inwieweit können wir diese Komplexität abbilden, ohne dass es zu kompliziert wird?

Das ist vielleicht der kleine Nachteil von Fernsehen, der es aber dann auch wieder zur Herausforderung macht: Wir haben nur einen einzigen Aufschlag. Wir müssen direkt mit unserer Information durchdringen. Die Zuschauer können nicht zurückblättern, sie müssen sofort verstehen, worum es geht. Das ist die Aufgabe, mit der man den ganzen Tag beschäftigt ist.

Wie spezialisiert darf oder muss ein Nachrichtenredakteur heute sein? 

Wenn man frühzeitig weiß, dass man sich beispielsweise für Wirtschaft interessiert und vielleicht auch schon Wirtschaftswissenschaften studiert hat, spricht überhaupt nichts dagegen, sich darauf zu spezialisieren. Aber wer sich erst einmal umgucken möchte, kann sich durchaus nach ein paar Jahren noch einmal umorientieren. Wir brauchen auf der einen Seite Spezialisten, die sich richtig gut auf einem Gebiet auskennen, aber immer auch Generalisten, die mehrere Themen bearbeiten können. Am besten ist es natürlich, wenn man sowohl Spezialist als auch Generalist ist.

Die klassische Nachrichtenredaktion gibt es nur noch an wenigen Stellen. Ob das bei Zeitungen ist, in Online- oder Fernsehredaktionen: Es wird ja viel mehr erwartet, als dass man sich ausschließlich mit der Verfassung von Nachrichten beschäftigt.

Bei uns, der Mediengruppe RTL, aber auch bei anderen Sendern ist es so, dass wir einen Teil der Arbeit in einer neuen Matrixstruktur organisiert haben. Die Redaktion von RTL aktuell ist klassischerweise eine Nachrichtenredaktion. Aber seit etwa einem Jahr arbeiten wir sehr stark mit anderen Ressorts wie Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Sport zusammen. Jemand, der sich innerhalb des Nachrichtenjournalismus spezialisieren möchte, ist in einem dieser Ressorts gut aufgehoben.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit der Ressorts?

In den jeweiligen Ressorts werden Beiträge für die Fernseh- und die Onlineformate von Nachtjournal, Guten Morgen Deutschland oder Punkt 12 erstellt – und zwar senderübergreifend für RTL, n-tv, VOX, für RTL.de oder n-tv.de.

Das bedeutet für uns Nachrichtenredakteure, dass wir crossmedial denken müssen. Auch wenn wir Fernsehen machen, überlegen wir grundsätzlich immer, wie wir dieses Thema online präsentieren könnten bzw. inwiefern eine Onlineredaktion uns unterstützen kann. Beispielsweise wurde online ein Aufruf gestartet, in dem die User Fotos von sich mit Maske schicken sollten. Diese Bilder werden dann auch an uns weitergegeben; wir können dann entscheiden, ob wir die Fotos in einen Beitrag einbauen oder ein Kamerateam losschicken. Die Verbindung zu den Zuschauern wird durch Onlineredaktionen sehr viel direkter, unmittelbarer und schneller hergestellt. Und man erhält so auch viel umfassendere Informationen, als wenn eine Fernsehredaktion mit zwei Kamerateams auf die Straße geht.

Ein weiterer Punkt: Oft sind die User viel eher bereit, ein Foto von sich zu schicken, als sich vor eine Kamera zu stellen mit all der Technik und Licht drumherum. Manchmal erhält man online auch sehr viel spontanere Antworten. Diesen Input können wir dann auch für uns als Fernsehsendung nutzen.

Es geht uns immer darum, uns gegenseitig zu bereichern und zu stärken. Wir wollen dem anderen nichts wegnehmen, uns nicht gegenüber dem anderen profilieren, sondern die Stärke des jeweiligen Mediums nutzen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

RTL Chefmoderator Peter Kloeppel – Forocredit TVNOW Stefan Gregorowius

Nach seinem Abschluss als Diplom-Agraringenieur besuchte Peter Kloeppel die Henri-Nannen-Schule. In dieser Zeit sammelte er praktische Erfahrungen bei der Taunus Zeitung, der Stuttgarter Zeitung, beim Stern und bei RTLplus. Von 1985 bis 1987 war er als Redakteur für RTLplus im Studio Bonn tätig, von 1987 bis 1990 als Studioleiter. Danach berichtete er knapp zwei Jahre lang als RTL-Korrespondent aus New York. Seit April 1992 ist er Chefmoderator von RTL aktuell, zwischen 2004 und 2014 war er außerdem Chefredakteur. Seit 1994 präsentiert er RTL-Wahlsendungen und Sondersendungen zu aktuellen Ereignissen, seit 2002 ist er Autor und Moderator verschiedener zeitgeschichtlicher Dokumentationen. Von 2001 bis 2015 war er Direktor der von ihm gegründeten RTL Journalistenschule. Peter Kloeppel wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis, dem Deutschen Fernsehpreis, dem Bambi und der Goldenen Kamera.

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