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E-Learning-Konzeption als spannendes Berufsfeld in der Medienbranche

Ein Gespräch mit der Redakteurin, Bildungsmanagerin und E-Learning-Konzepterin Carolina Warkentin

Für die journalistische Weiterbildungsakademie ProContent hat sie den E-Learning-Bereich mit aufgebaut. Karolina Warkentin ist hier für den digitalen Bereich zuständig. Zeit- und ortsunabhängig können Lernende Weiterbildungsangebote nutzen, die sie als Redakteurin und Bildungsmanagerin für digitale Aus-und Weiterbildung mit konzipiert. Im Interview besprechen wir, wie ihr Alltag als E-Learning-Konzepterin aussieht, was man beim Entwickeln von E-Learning-Kursen beachten sollte – und warum dies ein spannendes Berufsfeld für Journalistinnen und Journalisten ist.

Wie sieht die E-Learning-Welt nach Corona aus?

Während das E-Learning am Anfang – 2017 – bei uns eindeutig ein Experimentierfeld war, bieten wir mittlerweile viele Kurse hybrid oder komplett digital an. Bei ProContent wurden die für 2020 in Präsenz geplanten Seminare zu tagesfüllenden Live-Formaten umstrukturiert. Neue Lernende auf der Plattform finden sich – auch dank der Verbreitung von Online-Formaten durch Corona – meist nach der ersten Einweisung selbstständig zurecht. Und heute wissen alle: Digitale Formate können lebendig und kurzweilig sein, multimedial und interaktiv. Es gibt Kollaborationstools, die es ermöglichen, in Gruppen zu arbeiten – wie am Flipchart. Dadurch lassen sich viele Themen sehr gut ins Digitale übertragen.

Das E-Learning ist jetzt gleichberechtigt in unserer Akademie. Als Formate gibt es Webinare, Live-Online-Trainings, Online-Tutorials, Hybrid-Kurse oder Einzelcoachings.

Welche Online-Formate sind für wen geeignet?

Webinare eignen sich für diejenigen, die sich kurz und prägnant über ein Thema informieren möchten. Die 90-bis 120-minütigen Kurse sind daher sehr kompakt. Über einen Chat hat man die Möglichkeit, sich interaktiv mit Fragen und Anmerkungen zu beteiligen oder mit anderen Teilnehmer*innen auszutauschen. In der Regel ist man nicht in Bild und Ton zugeschaltet – auf Wunsch oder bei kleineren Gruppen ist dies aber möglich.

Wer tiefer in eine Thematik einsteigen möchte, bucht ein Live-Online-Training. In diesen Formaten informieren wir die Teilnehmenden umfassend über ein Thema – genau wie in Präsenz-Veranstaltungen. Die Live-Online-Trainings sind als digitale Workshops angelegt. Nach dem theoretischen Input werden die vermittelten Inhalte in zahlreichen praktischen Übungen erprobt und verfestigt. Die Ergebnisse aus den Übungen werden mit den Trainer*innen und der Gruppe besprochen und reflektiert. Die Live-Online-Trainings finden grundsätzlich in Form von Video-Konferenzen statt, bei denen die Lernenden in Bild und Ton zugeschaltet sind. So können sie sich unmittelbar am Kurs beteiligen und mit den Trainer*innen und der Gruppe austauschen. In den Pausen gibt es in sogenannten „Breakout Rooms“ die Möglichkeit zu netzwerken. Die Dauer der Trainings reicht von halbtägigen bis hin zu mehrtägigen Veranstaltungen. Einige Trainings sind auch modular angelegt und finden über einen bestimmten Zeitraum wöchentlich statt.

Wer tiefer in eine Thematik einsteigen, sich aber nicht an feste Kurszeiten binden möchte, für den ist ein Online-Tutorial das Richtige. Es besteht aus zeitunabhängig abrufbaren Videos und interaktiven Aufgaben. In drei bis fünf Modulen werden verschiedene Aspekte eines Themenkomplexes behandelt. Die Trainer*innen geben in fünf- bis zehnminütigen Tutorials ihr Wissen weiter. Abschließend werden jeweils Aufgaben gestellt, von Multiple-Choice-Fragen bis hin zur Ausarbeitung eines Konzepts. Auf diese Weise werden gelernte Inhalte verfestigt.

Einige Präsenzseminare sind als Hybrid-Kurse konzipiert. Die Lernenden entscheiden, ob sie persönlich vor Ort in der Akademie teilnehmen oder sich per Videokonferenz online dazuschalten. Ein direkter Austausch mit Referent*innen und Teilnehmer*innen ist in beiden Formen jederzeit möglich.

Wie sieht Ihr Alltag als Redakteurin und Bildungsmanagerin aus?

Ich stelle die Halbjahresprogramme mit auf, konzipiere unsere Fortbildungskurse und betreue maßgeblich unseren E-Learning-Bereich in Bezug auf Inhalt und Produktion der Online-Kurse. Außerdem entwickle ich Fortbildungen für Medienschaffende und Öffentlichkeitsarbeiter*innen. Meine Schwerpunktthemen sind: Social Media, Marketing und Online-Journalismus. Mit einer Kollegin überlege ich, welche Themen wir als E-Learning umsetzen wollen. Wir bauen die Kurse gemeinsam, konzipieren die einzelnen Kurselemente und stellen die Aufgaben, Videos und das Begleitmaterial auf unsere Lernplattform. Dazu kommen administrative Aufgaben wie das Einschreiben und Austragen der Lernenden und das Übermitteln der Zertifikate. Während des Kurses schauen wir, wie die Lernenden mit den Lerninhalten zurechtkommen, wie deren Lernfortschritt ist, welche Aufgaben sie jeweils absolviert haben. Wir konzipieren die Kurse von Anfang an so, dass sie auf kleinsten Kapiteln – sogenannten Lernnuggets – beruhen.

Ist E-Learning-Konzepter ein eigenständiger Beruf?

Ja, das ist mittlerweile ein festes Berufsbild. Allerdings gibt es keine einheitliche Berufsbezeichnung, das reicht von E-Learning-Konzepter über Bildungsmanager bis hin zu Instructional Designer – je nach Umfeld.

So ist die Onlinelehre an Hochschulen seit Langem etabliert – schon 2009, am Beginn meines Politikwissenschafts-Studiums, gab es digitale Formate und E-Campi. Die Studierenden haben da eine größere Erwartungshaltung. Aber auch in Unternehmen, die zum Teil eigene Weiterbildungsakademien haben, gibt es Personen, die sich um die digitale Weiterbildung der Mitarbeitenden kümmern. Mit der steigenden Bereitschaft, digital zu lernen, ist auch der Bedarf an Menschen, welche die digitale Lernwelt kuratieren, gestiegen.

Warum ist dies ein interessantes Berufsfeld für Journalisten?

Für Journalist*innen ist das ein spannendes Berufsfeld, weil es bei der Entwicklung eines E-Learnings immer auch um Storytelling geht. Wer ist mein/e Protagonist*in vor der Kamera? Wie führe ich Lernende an ein Thema heran? Wie baue ich einen Spannungsbogen auf? Dieses Wissen und ein Gespür für gute Geschichten bringen Journalist*innen mit.

Zusätzlich braucht es didaktisches Know-how. Bei der Konzeption ist es wichtig zu wissen, wie Menschen lernen – vor allem im digitalen Umfeld. Wie kann Interaktion gesteigert werden? Wie kann Lernstoff vermittelt werden? Um diese Kompetenzen zu erwerben, gibt es Studiengänge und Weiterbildungen. Zum Beispiel bietet die FOM Hochschule für Oekonomie und Management den berufsbegleitenden Studiengang „Pädagogik und Digitales Lernen“ an. Ich persönlich finde sogenannte MOOCs, Massive Open Online Courses, zu dem Thema sehr hilfreich. Das sind Online-Kurse ohne Zugangsbeschränkungen, die meistens kostenfrei von großen Universitäten ins Netz gestellt werden. Es gibt zum Beispiel einen Kurs von der University of New South Wales zum Thema „Learning to teach online”. Die Plattform „Coursera“ bündelt diese Angebote.

Für wen konzipieren Sie E-Learnings?

Unterteilt sind unsere Fortbildungen in Volontärskurse, offene Kurse und den Inhouse-Bereich. Für den offenen Kursbereich konzipieren wir eigene E-Learnings, die alle Interessierten buchen können. Im Inhouse-Bereich kommen Redaktionen und Unternehmen auf uns zu und wir entwickeln maßgeschneiderte Online-Kurse. Wir unterstützen bei Konzeption, Produktion und liefern die Infrastruktur. Für einen Verlag haben wir beispielsweise Kurzvideos im Bereich Social Media, Videoproduktion und digitales Storytelling ausgearbeitet und zur Verfügung gestellt und für ein Unternehmen werden wir Tutorials zur Gestaltung von PowerPoint-Präsentationen produzieren.

Wir werden in Zukunft auch im Bereich Medienkompetenz für Eltern und Schüler E-Learnings produzieren, in Kooperation mit Schulen und einer Stiftung.

Wie läuft bei Ihnen die Entwicklung von Online-Formaten ab?

Wenn wir ein E-Learning für unseren offenen Kursbereich entwickeln, schauen wir uns an, welche Themen gerade sehr gefragt sind und sich sinnvoll als Online-Tutorial umsetzen lassen. Im Inhouse-Bereich kommt ein Kunde mit seinem Thema und Bedarf auf uns zu. Der Ablauf nach dieser „Initialzündung“ ist dann prinzipiell gleich.

Wir besprechen – unter uns oder gemeinsam mit dem Kunden –, wie das digitale Format aussehen kann, welche thematischen und inhaltlichen Wünsche bestehen. Auf dieser Basis erarbeiten wir ein Storyboard als individuelles Konzept und Grundlage für den Kurs und suchen Expert*innen.

Dann gehen wir mit den Expert*innen in den Dialog: Wie kann man das Tutorial als Videokurs umsetzen? Welches Begleitmaterial brauchen wir dazu? Welche Aufgaben können wir stellen? Meine Rolle ist die didaktische Abnahme. Durch meine Erfahrung kann ich einschätzen, was man den Lernenden zumuten kann.

Das fertige Konzept wird anschließend intern vorgestellt oder dem Kunden vorgeschlagen: Das wäre der Umfang, das soll produziert werden.

Wenn alle mit dem Storyboard einverstanden sind, geht es an die Produktion, die auch wir übernehmen können. Offene Kurse werden beispielsweise in unserem kleinen TV-Studio gedreht, Inhouse-Kurse teils auch vor Ort, beim Kunden.Für die Videos wird ein Skript geschrieben, dann kommt ein Kameramann ins Haus. Die meisten Drehs erfolgen als Bild-in-Bild-Einstellung vor einem Green Screen, wobei in einer Ecke die/die Dozent*in zu sehen ist.

Das fertige Online-Format wird über unsere Lernplattform angeboten – oder über die digitale Lernwelt des Kunden.

Mit welcher Plattform arbeiten Sie?

Nach dem Testen vieler Software-Angebote nutzen wir nun meistens Zoom – das ist die intuitivste Plattform für virtuelle Meetings. Für unsere digitale Lernplattform nutzen wir die Open-Source-Technologie Open edx.

Worauf müssen Sie als E-Learning-Konzepterin achten? Was sind Fallstricke?

Mein Learning aus den letzten Jahren: Man sollte tunlichst vermeiden, Lehrende vor die Kamera zu holen, die sich dabei nicht wohlfühlen – das funktioniert nicht. Wir arbeiten vielfach mit Leuten, die das zum ersten Mal machen. Natürlich sind die anfangs nervös, aber wir erklären vorher, wie der Drehtag abläuft, worauf sie achten müssen und bauen keinen zeitlichen Druck auf. Wir beginnen mit dem Vorstellungsvideo. Wenn die Trainer*innen mit der Kamera warm geworden sind, läuft das in der Regel auch. Die Referierenden müssen sympathisch wirken – und auch ein bisschen Unterhaltungswert haben. Die Lernenden müssen sich gut mit den Lehrenden identifizieren können, um sich aufmerksam mit den Inhalten auseinanderzusetzen.

Ein weiteres Learning war für mich: Man darf bei der Konzeption der digitalen Kurse nicht zu viel wollen, den Lernenden nicht zu viel zumuten. Dabei ist unser Grundkonzept immer dasselbe: Wir versuchen, eine gute Mischung hinzubekommen aus kleineren Aufgaben, die Quizcharakter haben, und großen Wissenstransfer-Aufgaben wie „Schreiben Sie selbst eine Storyline“ oder „Schreiben Sie einen Kommentar“. Verlangt man zu viel, werden die Aufgaben nicht gemacht, schlimmstenfalls wird der Kurs nicht abgeschlossen. Wichtig ist auch die Frage: Ist das Pensum in der vorgegebenen Zeit zu schaffen? Um das zu testen, haben wir die allerersten Kurse selbst absolviert oder Personen unseres Vertrauens dazu gebeten. Inzwischen haben wir schon viele Kurse umgesetzt und große Erfahrung. Anhand des Lernfortschritts der Teilnehmenden in den einzelnen Kursen sehen wir, ob wir etwas nachjustieren oder Aufgaben ersetzen müssen.

Für welche Anwender oder Unternehmen in der Medienbranche eignet sich das E-Learning?

Eigentlich für alle. Jeder kann von digitalen Lernformaten, die zeit- und ortsunabhängig sind, profitieren. Die technischen Voraussetzungen für alle E-Learning-Formate sind:

  • eine stabile Internetverbindung;
  • ein aktueller Internet-Browser;
  • Headset oder Kopfhörer;
  • Tablet oder Laptop. Mit dem Handy kann man die Kurse zwar auch abrufen, aber da ist das Display ein bisschen zu klein.

Es liegt bei den Lernenden, in ihrem Arbeitsalltag Zeit fürs E-Learning einzuplanen, um das nächste Kapitel zu bearbeiten – das macht man nicht nebenher. Dafür braucht es eine gewisse Selbstdisziplin. Erfahrungsgemäß ist der für einen Kurs angesetzte Zeitraum – in der Regel 30 Tage – schneller um, als den Teilnehmenden lieb ist. Also sollte die Zeit gut genutzt werden.

Gibt es Besonderheiten in der Medienbranche?

Aus meiner Sicht sind es vor allem die Themen, die E-Learnings in der Medienbranche besonders machen. Es geht nicht nur darum, neues Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, sondern auch das Reflektieren über die eigene Arbeit anzustoßen. Das versuchen wir zum Beispiel mit unserem Online-Kurs zum journalistischen Umgang mit Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Die Referentin regt an, das eigene Tun und die eigene Rolle zu hinterfragen.

Eine Schwierigkeit der Produktion von E-Learnings in der Medienbranche ist auch, dass sich vor allem bei digitalen Themen vieles sehr schnell verändert. Es kommen neue Plattformen hinzu, andere werden nicht mehr genutzt, Funktionalitäten verändern sich. Für die E-Learning-Kurse bedeutet das, dass wir diese kontinuierlich überarbeiten müssen.

Das Interview ist Teil einer Fachjournalist-Reihe, in der wir sich wandelnde journalistische Berufe und Jobprofile in den Medien vorstellen. Das Gespräch führte Ulrike Bremm.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Fotocredit: ProContent gAG

Karolina Warkentin arbeitet als Redakteurin und Bildungsmanagerin für digitale Aus-und Weiterbildung für die Medienakademie ProContent mit Sitz in Essen. Sie hat ein zweijähriges Volontariat bei der Funke Mediengruppe absolviert und sich im Bereich Online-Journalismus und Social Media spezialisiert. Für ProContent hat sie 2017/18 den E-Learning-Bereich mit aufgebaut. Sie betreut die Lernplattform der Akademie, konzipiert gemeinsam mit Expert*innen E-Learning-Kurse und begleitet die Produktion. Darüber hinaus konzipiert und betreut sie verschiedene Fortbildungsformate in Präsenz für Medienschaffende zu Themen aus den Bereichen Social Media, Online-Journalismus und Marketing.

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