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Ein schmaler Grat: Native Advertising als Herausforderung für Journalisten und Werbemacher

Mit dem Aufkommen neuer Internetportale für Millenials tritt das Thema „Native Advertising“ für Medienmacher wieder in den Vordergrund. Journalistische Angebote wie „bento“ oder „ze.tt“ versprechen nicht nur innovative Inhalte, sondern erproben auch die Nutzung neuer Werbeformate. Weil viele Nutzer inzwischen auf sogenannte Ad-Blocker zurückgreifen, verlieren Werbebanner, Pop-ups und Co. ihre Attraktivität als Werbemittel für Unternehmen. Native Advertising scheint für immer mehr Verlage die Lösung zu sein, um digital Umsätze zu erzielen. Der Leser darf dabei aber nicht außer Acht gelassen werden.

Seit dem Aufkommen der ersten Native Ads spaltet diese Werbeform die Medienwelt: Kritiker sahen und sehen in Native Ads, zu Deutsch „native Werbung“, vor allem eine Täuschung der Leser. Denn das Hauptmerkmal einer Native Ad ist, dass sie sich dem Aussehen und dem (Lese-)Gefühl der journalistischen Angebote eines Onlinemediums anpasst. Sie soll dabei vor allem einen Mehrwert für den Leser liefern – denn einen plumpen Artikel darüber, wie toll ein Produkt ist, werden die Wenigsten anklicken. Das käme der Verschriftlichung von Bannerwerbung gleich.

Stattdessen handelt es sich bei Native Ads um Artikel, die zwar von einem Unternehmen in Auftrag gegeben werden, aber mehr ein konkretes Thema und weniger ein Produkt behandeln. Das Unternehmen tritt hier sozusagen als Experte für das entsprechende Thema auf. So kann hinter einem Artikel über Tipps zum Fotografieren zum Beispiel ein Kamerahersteller stehen. Das Produkt (die Kamera) selbst wird nicht vorgestellt, ein Hinweis auf den Auftraggeber wird aber über oder unter dem Artikel platziert.

Deutliche Kennzeichnung statt Schleichwerbung

Noch wichtiger als der Mehrwert für den Leser ist die genaue Kennzeichnung des Artikels als das, was er ist – nämlich Werbung. Und hier beginnt die Krux: Wird die Native Ad nicht ausreichend und vor allen Dingen sichtbar genug als „Anzeige“, „Sponsored Post“ oder „Paid Post“ (das sind aktuell die üblichsten Titel) gekennzeichnet, fühlt sich der Leser getäuscht. Dadurch kann die Glaubwürdigkeit eines gesamten Mediums infrage gestellt werden. In der aktuellen Debatte um „Mainstream-Medien“ ist dies durchaus ein Faktor, der nicht zu leicht genommen werden sollte. Gleichzeitig verliert die Native Ad ein wichtiges Attribut, wenn der werbliche Inhalt deutlich gekennzeichnet ist. Schließlich fügt sie sich dann nicht mehr hundertprozentig in den redaktionellen Inhalt des Mediums ein – sie sticht für den Leser hervor, er kann die Werbung leichter ignorieren. Der ganze Sinn hinter Native Advertising scheint damit ausgehebelt zu werden.

Doch Werber müssen verstehen, dass PR und Journalismus nicht vermischt werden dürfen, ergo eine eindeutige Kennzeichnung Pflicht ist. Das perfekte und unauffällige Einfügen einer Native Ad zwischen den journalistischen Inhalten gibt es demnach nicht. Der Journalist und ehemalige Chefredakteur des „Handelsblatts“, Bernd Ziesemer, schreibt dazu auf seinem Blog: „Unternehmen bringen mit Schleichwerbung sich selbst und ihre Reputation in Gefahr. Denn mit vielen Mischformen aus PR und Redaktion machen sich letztlich beide Seiten billig.“ Außerdem verstoßen Medien, die werbliche Inhalte verschweigen, gegen Ziffer 7 des Pressekodex, wo es heißt: „Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen.

Native Advertising in der Praxis

Während in den USA schon seit Anfang 2014 auch einflussreiche Medien wie die „New York Times“ Native Advertising für ihre Werbekunden anbieten, halten sich etablierte deutsche Medien noch zurück. In einem Interview mit der Kommunikationsagentur Oliver Schrott sagte Jochen Wegner, Chefredakteur von „Zeit Online“, dass man auch in deutschen Verlagen langfristig nicht auf Native Advertising verzichten könne. Dennoch begegnet man dem Thema hier noch mit etwas mehr Zurückhaltung: „Die Kollegen bei ze.tt , unserem Angebot für jüngere Leser, erarbeiten gerade, wie man mit derlei bezahlten Inhalten umgehen soll. Wir bei Zeit Online trauen uns das im Moment noch nicht, zumindest nicht im gleichen Umfang. ze.tt ist für uns ein Test. Wir wollen sehen, ob das geht, ohne dass man dabei seine Seele verliert“, so Wegner in dem Gespräch.

Noch gibt es keine Native Ads bei „ze.tt“, aber die Konkurrenz macht es vor: Auf „bento“, dem Onlineangebot für Millenials von „Spiegel Online“, das im Herbst vergangenen Jahres gelauncht wurde, werden bereits Native Ads geschaltet. Obwohl „bento“ die Beiträge mit einem neongrünen Kasten und dem Zusatz „Sponsored Post“ kennzeichnet, sowohl auf der Startseite als auch im Artikel selbst, hagelte es Kritik. Dabei erklärt „bento“ sogar in seinen FAQs, was Native Advertising ist, und weist darauf hin, dass für die werblichen Artikel Mitarbeiter einer gesonderten Redaktion verantwortlich sind.

Die Trennung von Journalismus und PR beginnt also richtigerweise schon in der Redaktion. Dass die Kritiker dennoch unzufrieden mit dem Ergebnis sind – Ausgangspunkt war diese erste Native Ad auf „bento“ von einem Streaming-Media-Adapter –, lässt sich auf die Angst vor einem Vertrauensverlust in die Medien zurückführen.

Übrigens: Auch die Leser der „New York Times“ sind sich noch zwei Jahre nach der ersten Native Ad nicht einig darüber, ob Native Advertising eine akzeptable Werbeform für ein journalistisches Angebot ist. In den Kommentaren unter einem Artikel, in dem die Nutzung von Native Advertising auf „nytimes.com“ besprochen wird, beschwert sich ein Leser, dass er nun nicht nur blinkende Pop-up-Werbungen wegklicken, sondern bei jedem Artikel erst einmal nach den entsprechenden Hinweis suchen müsste, wenn er keine Native Ads lesen möchte. Einem anderen Leser ist es hingegen egal, ob und wie die „New York Times“ werbliche Inhalte integriert – die deutliche Markierung sei am wichtigsten.

Werbekunden oder Leser: Wo ist die Mitte?

Bei den Medien von Gruner + Jahr ist Native Advertising kein Tabuthema. Der Vermarkter für die Onlinemedien des Verlags, G+J e|MS, bietet Unternehmen verschiedene Werbeformate an, darunter auch Native Advertising. Dieses kann für alle Online-Angebote – von „brigitte.de“ bis „stern.de“ – gebucht werden. Im Herbst 2014 hat der Vermarkter eine Studie herausgegeben, die „das Wirkpotenzial des Werbeformats“ Native Advertising untersucht. Dabei gaben 60 Prozent der Befragten an, dass sie schon mal eine Native Ad gelesen haben beziehungsweise lesen würden.

Auf Anfrage erklärt Frank Vogel, Sprecher der Geschäftsleitung von G+J e|MS, dass Lesern besonders die Glaubwürdigkeit der Kooperation zwischen einem Medium und einem Unternehmen wichtig sei. „Je besser die werbende Marke und das Umfeld zusammenpassen, desto größer die Wirkung der nativen Werbeformen. Marke und Website sowie Marke und präsentierte Inhalte müssen zusammenpassen.“ Er sagt aber auch, dass die klare Kennzeichnung von redaktionellen und werblichen Inhalten unerlässlich sei. So werden Native Ads bei Medien von Gruner + Jahr mit „Anzeige“ markiert. „Damit ist dieses Format auf den ersten Blick erkennbar und Irritationen beim User werden vermieden“, so Vogel. Für die Produktion der werblichen Inhalte ist übrigens auch hier ein gesondertes Team zuständig. Jede Native Ad muss außerdem von der jeweiligen Redaktion freigeben werden.

Die iq digital media marketing GmbH betreibt Content Marketing und Native Advertising (der Übergang zwischen beiden Werbeformen ist fließend) unter anderem für die Onlineangebote der „Süddeutschen Zeitung“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und des „Handelsblatts“. Auch Christian Herp, Geschäftsführer von iq digital media marketing, setzt sich für eine klare Kennzeichnung werblicher Inhalte ein, fügt aber hinzu: „Die Art der Kennzeichnung obliegt den Verlagsvorgaben, das ist leider noch nicht einheitlich geregelt.“ Hiermit offenbart sich ein Dilemma, dass auch von Kritikern immer wieder zur Sprache gebracht wird: Die Kennzeichnung ist nur halb so viel wert, wenn der Leser auf jeder Website nach anderen Markierungen suchen muss, um Native Ads zu entgehen. „Wir halten eine einheitliche Richtlinie für sinnvoll. Eine Kennzeichnung als ‚Anzeige‘ wäre für uns ausreichend für alle Arten von Werbung auf einem Portal“, sagt Herp. Das Problem: Bisher hat sich noch niemand gefunden, um eine einheitliche und vor allem verbindliche Richtlinie zu erstellen.

Fazit: Guter Journalismus kann nicht umsonst sein

Der Grat zwischen Native Advertising und Schleichwerbung ist ausgesprochen schmal. Die Verlage stehen vor dem Problem, im digitalen Bereich ausreichende Gewinne erzielen zu müssen, denn nur so lässt sich guter Journalismus finanzieren. Dabei greifen sie zunehmend auf Werbeformate wie Native Advertising zurück, die jedoch, wenn sie nicht richtig angewendet werden, zu einem Vertrauensverlust in das Medium führen können. Allerdings müssen sich hier auch die Leser fragen, ob sie lieber blinkende Banner und Pop-up-Werbung ertragen möchten oder einen eindeutig und im besten Fall überall einheitlich gekennzeichneten Native-Advertising-Beitrag.

Denn eins ist klar: Ohne Werbung wird die Umsonstkultur der Onlinemedien nicht mehr lange überleben können. Dennoch dürfen sich die Verlage nicht ihrer Verantwortung der unabhängigen Berichterstattung entziehen. Um diesem Vorwurf entgehen zu können, sollte die baldige Erarbeitung einer einheitlichen Vorgabe für die Nutzung von Content Marketing und Native Advertising in Onlinemedien eigentlich oberste Priorität haben. Denn ohne Leser bringt auch der interessanteste werbliche Artikel keine neuen Kunden.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Katharina PenczDie Autorin Katharina Pencz arbeitet als freie Kulturjournalistin in Berlin. Für Funkhaus Europa, Radio Bremen und DRadio Wissen ist sie als Hörfunkautorin unterwegs und berichtet über Themen aus den Bereichen Gesellschaft, Kultur und Stadtgeschehen. Außerdem bespricht sie regelmäßig Kunstausstellungen in der Berliner Zeitung und engagiert sich als ehrenamtliche Redakteurin bei dem hyperlokalen Blog Neukoellner.net.

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