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Filmkritik zu „Die Verlegerin“: Kampf um Augenhöhe

Steven Spielbergs Presse-Drama „Die Verlegerin“ kontextualisiert den Leak der Pentagon-Papiere 1971 zur ersten Bewährungsprobe für die „Washington Post“ und seine Herausgeberin Katharine Graham. Eine Filmkritik von Dobrila Kontić.

1976 erschien mit Alan Pakulas Die Unbestechlichen die filmische Aufbereitung der Watergate-Enthüllungen durch die „Washington Post“. Es war eine Huldigung an den Mut ihrer beiden Jungjournalisten Carl Bernstein und Bob Woodward und ihres Chefredakteurs Ben Bradlee. Nur eine Figur trat seltsamerweise nie im Film auf: Die damals verantwortliche Verlegerin (und überhaupt die erste Zeitungsverlegerin in der US-amerikanischen Pressegeschichte) Katharine Graham. In ihren Memoiren „Personal History“ (dt.: „Wir drucken! Die Chefin der Washington Post erzählt die Geschichte ihres Lebens“) erinnert sich Graham daran, wie ihr Robert Redford, Produzent und Hauptdarsteller von Die Unbestechlichen, diese Aussparung damals erklärte: Das Publikum verstehe einfach nicht, was die Aufgaben eines Zeitungsverlegers sind und dies sei für den Film unwesentlich. Regie-Ikone Steven Spielberg traut dem Kinopublikum mit Die Verlegerin (Original: The Post) da durchaus mehr zu. Geschickt verwebt sein Presse-Drama den brisanten Leak der Pentagon-Papiere 1971 zu einer Geschichte über den Kampf um Pressefreiheit und Augenhöhe.

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Die beiden Progatonisten des Films: Tom Hanks als Chefredakteur Ben Bradlee und Meryl Streep als Verlegerin Katharine Graham. Quelle: Universal Pictures

Der desillusionierte Whistleblower

Die Verlegerin setzt vor der Entstehung dieser brisanten Dokumente ein: 1966 ist Daniel Ellsberg (Matthew Rhys), Militär-Analyst des US-Außenministeriums, in Vietnam zugegen. Vor Ort drängt sich ihm der Eindruck auf, dass dieser Krieg, in den US-amerikanische Truppen seit 1964 aktiv involviert sind, aussichtslos ist. Auf Nachfrage teilt er seine Einschätzung dem amtierenden Verteidigungsminister Robert McNamara (Bruce Greenwood) mit. Zur großen Enttäuschung Ellsbergs plädiert McNamara nach außen weiterhin für eine Fortführung des Kriegs. Zugleich beauftragt er aber im Geheimen eine „Vietnam History Task Force“ damit, eine dokumentarische Analyse zur US-Verwicklung in Vietnam von 1945 bis 1967 anzufertigen. Ellsberg, Mitglied dieser Task Force, schmuggelt die einige Jahre später fertiggestellten Dokumente schließlich aus dem Geheimarchiv und fertigt Fotokopien an. Es ist die Vorbereitung für das, was später als erster Leak in die US-amerikanische Pressegeschichte eingehen soll: die Veröffentlichung der „Pentagon-Papiere“.

Die Nicht-Auserwählte

Während Daniel Ellsberg seinen ganzen Mut zusammennimmt, um diese brisanten Informationen zum Vietnamkrieg an die Öffentlichkeit zu bringen, ist Katharine Graham (Meryl Streep), Verlegerin der „Washington Post“, mit Selbstzweifeln beschäftigt. In ihrer ersten Szene bereitet sie unter großem Zaudern ein Treffen mit den Aufsichtsräten vor. Meryl Streep spielt sie als intelligente, aber von sich selbst gebremste Dame, die Mühe hat, mit den jüngsten Ereignissen in ihrem Leben Schritt zu halten. Seit dem Suizid ihres Ehemannes liegt die Zukunft der „Washington Post“ in ihrer Hand. Obgleich die Tageszeitung 1933 von ihrem Vater erworben wurde, war sie als Tochter nie als Zeitungsverlegerin angedacht. Als ihr Vater die Führung der Zeitung 1946 ihrem Ehemann Philip übertrug, habe sie sich gefreut – dass sie diese Rolle einnehmen könne, sei ihr gar nicht in den Sinn gekommen, erklärt Graham an einer Stelle.

Dennoch erscheint sie im Film nicht als Verlegerin wider Willen: In den Treffen mit dem von ihr eingestellten Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) zeigt sie, dass sie die Zusammenstellung des Blattes aufmerksam verfolgt und sich für die Sorgfalt und Vollständigkeit der Berichterstattung verantwortlich fühlt. In allen die Zukunft der Zeitung betreffenden Diskussionen – ob mit Bradlee oder dem ausnahmslos männlichen Aufsichtsrat – ringt Graham immer wieder um Augenhöhe. Dies wird durch die Kameraführung von Janusz Kaminski betont: In fast allen Zwiegesprächen, die Katharine anfangs mit Männern führt, blickt die Kamera von oben auf sie herab oder rauscht in der Bewegung an ihr vorbei, während sie bei Gesprächen in der Gruppe vergeblich versucht, zu Wort zu kommen.

Als sich jedoch für die „Washington Post“ die Möglichkeit ergibt, Teile der Pentagon-Papiere exklusiv zu veröffentlichen, wendet sich allmählich das Blatt. Als enge Freundin des ehemaligen Verteidigungsministers McNamara und als Mutter eines Sohnes, der als Soldat in Vietnam stationiert war, ist sie erschüttert über den Inhalt der Papiere. Unter enormem Druck muss sie entscheiden, ob ihr Blatt diese Geheimdokumente veröffentlicht. Dabei steht die Zukunft der Zeitung und ihres Familienerbes auf dem Spiel.

Zurechtgebogene Fakten

Dieser Fokus von Spielbergs Film auf die „Washington Post“ und ihre Verlegerin Katharine Graham sorgte in den USA nicht nur für Lobeshymnen: Vor allem die „New York Times“, die damals als erste Zeitung Auszüge aus den von Ellsberg überreichten Dokumenten auf die Titelseite gebracht hatte, kritisierte die einseitige Darstellung im Kontext des Leaks der Pentagon-Papiere. In Die Verlegerin wird zwar durchaus dargestellt, dass das ewige Konkurrenzblatt der „Washington Post“ die Story als Erste veröffentlichte und sich anschließend der Unterlassungsklage der US-Regierung beugen musste. Aber dies wird ausschließlich aus der Perspektive der „Washington Post“-Redaktion beleuchtet.

Es liegt auf der Hand, weshalb Spielbergs Film diese Erzählroute eingeschlagen hat – und im Gegensatz zum Originaltitel The Post bringt es der deutsche Verleihtitel auf den Punkt: Die Verlegerin soll nicht nur über die bewusste, jahrzehntelange Täuschung der amerikanischen Öffentlichkeit hinsichtlich des Vietnamkrieges erzählen. Es soll zugleich die Geschichte von Katharine Graham sein, die entgegen aller Vorsichtsmahnungen der sie umgebenden Männer eine mutige Entscheidung für die Pressefreiheit trifft. Dass Graham zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren im Amt war und in dieser Zeit ihre anfängliche Scheu schon weitgehend überwunden hatte, gehört zu den weiteren zurechtgebogenen Fakten im Drehbuch von Liz Hannah und Josh Singer.

Prolog zur Watergate-Affäre

Dennoch: Diese Geschichtsklitterung zu dramaturgischen Zwecken lässt sich nachsehen, wenn man dem Film zugesteht, bestimmte Aspekte an der Enthüllungsgeschichte hervorheben und andere in den Hintergrund drängen zu dürfen. Dies war immerhin auch einst der Fall bei Die Unbestechlichen. Und selbst mit dieser Einschränkung hat der Film noch jede Menge Gesichtspunkte zu behandeln: die schwierige Situation des Whistleblowers Daniel Ellsberg, die zeitintensiven und hektischen Recherchen der „Washington Post“-Redaktion, die um sich greifende Angst vor der Wut Richard Nixons und natürlich die aus den Pentagon-Papieren hervorgehenden Fakten zum Vietnamkrieg. Dies alles wird in Die Verlegerin dank eines ausgewogenen Drehbuchs und eines großartigen Ensembles fein ausbalanciert. Zum Ende hin leidet zwar der bis dahin sachliche Ton und es wird die Spielbergsche Kitschroute eingeschlagen. Dies schmälert aber nicht den Eindruck von Die Verlegerin als wirkungsvollem Plädoyer für Pressefreiheit und würdigem Prequel zu Die Unbestechlichen.

Die Verlegerin (Original: The Post)

USA 2018, 116 Min.

Regie: Steven Spielberg; Drehbuch: Liz Hannah, Josh Singer.

Kamera: Janusz Kaminski

Besetzung: Meryl Streep, Tom Hanks, Alison Brie, Matthew Rhys u. a.

Kinostart Deutschland: 22. Februar 2018

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Dobrila_KonticDobrila Kontić, M.A., studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Englische Philologie und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und Journalismus am Deutschen Journalistenkolleg (DJK). Sie betreibt das Onlinemagazin culturshock.de.

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