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Wie gelingt Immobilienjournalismus für die Entscheidungsebene?

Ein Gespräch mit Brigitte Mallmann-Bansa.

Sie gehört zu den 25 Top-Entscheiderinnen in der Immobilienwirtschaft: Brigitte Mallmann-Bansa. Vom Immobilien Manager Verlag IMV wurde sie in der Kategorie „Influencerin“ ausgezeichnet. Kein Wunder, schließlich ist sie Chefredakteurin der Immobilien Zeitung Fachzeitung für die Immobilienwirtschaft (IZ), dem mit ungefähr 30.000 Leser:innen, 9.000 Abonnent:innen und mehr als 60.000 Follower:innen auf LinkedIn größten Player im Immobilienfachjournalismus. Im Interview mit dem Fachjournalist erzählt sie, wie Sie ihre Zielgruppe anspricht, was guten Fachjournalismus ausmacht, wie die digitale Transformation gelingt und wen sie in ihrem Team brauchen kann.

Was machen Sie richtig?

Als Fachzeitung wollen wir berufliche Heimat sein, daher bieten wir neben Informationen und Nachrichten auch Emotionen. Letzteres beispielsweise durch Kommentare und Interviews mit meinungsstarken Persönlichkeiten, oder – wie auf der großen Gewerbeimmobilienmesse Expo Real, die gerade stattfand – durch Fotos. Dass uns das gelingt, bekommen wir zurückgespiegelt.

Welche Möglichkeiten gibt es, zum Immobilienjournalismus zu kommen?

Durch eine ganz normale journalistische Ausbildung, sofern man sich für wirtschaftliche und politische Zusammenhänge interessiert. Denn faktisch ist der Immobilienjournalismus einfach Wirtschaftsjournalismus. Man muss keine bestimmte Ausbildung, kein bestimmtes Studium oder einen bestimmten journalistischen Studiengang absolviert haben. Zudem gibt es bei uns seit diesem Jahr wieder die Möglichkeit, ein Volontariat zu machen – das war zuletzt vor gut 20 Jahren der Fall. Dies ist ein sehr direkter Weg in den Immobilienfachjournalismus.

Wie war Ihr eigener Weg von der Volljuristin zur Immobilienfachjournalistin?

Nach dem zweiten Staatsexamen habe ich ein Praktikum bei der Commerzbank gemacht – und zwar in der Abteilung „Baudienstleistungen In- und Ausland“. So bin ich in den Immobilienbereich gerutscht. Ich fand Immobilien immer spannend, weil das etwas zum Anfassen, zum Hinfahren und Angucken ist. Immobilien haben eine ganz unmittelbare Auswirkung auf unser Lebensumfeld. Das ist viel greifbarer als beispielsweise der M&A-Bereich, also Mergers & Acquisitions, der Unternehmenskäufe, Zusammenschlüsse oder Übernahmen umfasst. Damals waren Baurechtler diejenigen, die in Gummistiefeln über die Baustelle marschierten, um nach Baumängeln zu suchen, und die Mietverträge machten.

2001 habe ich als Immobilienrechtlerin in einer Großkanzlei angefangen. Nach zwei Jahren habe ich festgestellt: Rechtsanwältin in einer Großkanzlei ist nicht das, was ich bis an mein Lebensende machen möchte. Dann bin ich beim Journalismus gelandet. Ich war bei der dpa in Moskau, ich habe Agentur, Tageszeitung, Hörfunk und Fernsehen ausprobiert, war beim ZDF in Moskau. Als ich mein zweites Studium, den M. A. – Master of Arts – im Journalismus, begonnen habe, war ich noch keine 30. Nach meinem Abschluss war bei der Immobilien Zeitung, die ich aus meiner Zeit als Immobilienanwältin kannte, eine Stelle als Redakteurin für Recht und Steuern zu besetzen. Und seitdem bin ich in verschiedenen Positionen dort tätig gewesen, heute als Chefredakteurin.

Wer ist die Zielgruppe der Immobilien Zeitung?

Wir schreiben über und für alle, die mit Immobilien ihr Geld verdienen. Oder anders gesagt: Für jede:n, die oder der in seinem beruflichen Umfeld mit Immobilien zu tun hat und Entscheidungen fällen muss. Diesen Menschen, die auch unsere Interviewpartner:innen sind, geben wir Nachrichten und Informationen an die Hand. Mehr wissen, besser entscheiden, lautet unsere Idee dahinter. Wir richten uns an den B2B-Bereich, Business to Business, nicht an den einzelnen Eigenheimbesitzer – auch wenn immer mal Themen dabei sind, die Business to Consumer ausgerichtet sind, also den B2C-Bereich treffen. Unsere Zielgruppe ist tendenziell nicht die Sachbearbeiter-, sondern die Fach- und Entscheiderebene.

Wer sind diese Entscheider:innen im Einzelnen?

Bei Immobilien spricht man von einer Wertschöpfungskette. Zunächst haben wir das flache Grundstück, bei dem – sofern es nicht Grünfläche bleiben soll – überlegt wird: Was soll darauf gebaut werden? In den Kommunen gibt es Bebauungspläne; Stadtentwickler bewerten, ob Wohnungen gebraucht werden oder eher Einzelhandel oder doch lieber Verwaltungsgebäude.

Wenn gebaut wird, gibt es Leute, die den Bau planen, ihn finanzieren, das Gebäude errichten, es schließlich abnehmen. Dann muss es jemand betreiben und entscheiden, wer darin wohnt oder arbeitet. Wer die Miete einzieht, schaut darauf, dass die Immobilie gut in Schuss bleibt, die Fenster heil sind und die Heizung funktioniert, damit die Mietparteien bereit sind, ihre Miete zu zahlen. Vielleicht ist es auch ein Objekt, das in einen Immobilienfonds eingebracht wird.

In Berufen – m/w/d – gesprochen: Stadtentwickler, Stadtplaner, Immobilienbanker, Bauträger, Bauunternehmer, Bauingenieure, Architekten, Gutachter, Makler, Einzelhändler in Form von Mietern und Vermietern, Immobilienmanager, Facility-Manager und viele mehr.

Sie berichten mit der IZ wöchentlich über das Geschehen auf dem Immobilienmarkt, liefern Hintergründe, Marktdaten, Personen- und Unternehmensnachrichten. Was sind thematische Schwerpunkte?

Unsere Themenbereiche sind so vielfältig wie die Branche selbst. Wir schreiben unter anderem über Themen wie Heizen, Energiesparen, Abrechnungsfallen, Schimmelbildung oder neue Rechtsverordnungen – bis hin zu Studien darüber, welches Land im Meer versinkt und wie viel Wohnraum dann verschwindet. Darüber, ob die Menschen lieber in der Stadt oder auf dem Land leben. Über Hochhaus- oder Stellplatzverordnung, Grunderwerbssteuer, Grundsteuer, Flächenversiegelung, Pro-Kopf-Flächenverbrauch, Mietspiegel, Mietpreisbremse. Darüber, was mit den Büros in den Städten passiert, die durch Homeoffice leer stehen. Oder darüber, wie viel Logistikfläche eine Stadt vertragen kann. Wir schauen auf den Transaktionsmarkt in allen Immobilienarten und wie sich die Büro- und Arbeitswelt verändert.

Welche Ressorts bedienen Sie?

Das ist nicht so ganz einfach zu beantworten, weil es da bei Print und Online eine unterschiedliche Aufteilung gibt. Besser lässt es sich an der Frage festmachen, worüber die Kolleg:innen schreiben.

Jede:r in der Redaktion hat einen Spezialistenschwerpunkt. Ein Kollege schreibt beispielsweise über Einzelhandelsthemen, Ladenflächen und -schließungen, Zusammenschlüsse. Ein anderer Kollege hat Facility-Management als Schwerpunkt. Eine Kollegin beschäftigt sich mit Job- und Karrierethemen, eine weitere schaut auf die Fondsbranche. Im Grunde haben wir Fachressorts, die sich nicht 1:1 im Produkt abbilden. Der für den Bereich Hotels zuständige Redakteur beschäftigt sich damit, wie es den Hotelketten geht, wie viele Hotels gebaut oder verkauft werden, wie viele Hotels zum Beispiel eine Stadt wie Berlin überhaupt haben sollte. Er ist in unserem Nachrichtenressort angesiedelt. Wie das in dem einzelnen Kanal ausgespielt wird, ist unterschiedlich.

Daneben haben wir Regionalressorts mit Kolleg:innen vor Ort in Hamburg, München, Berlin, Stuttgart, die jeweils Projekte und Vorhaben in Norddeutschland, in Berlin und dem Osten, in Bayern und in Baden-Württemberg beobachten. Die Regionen haben ein Extra-Buch in unserem Blatt. Wir geben dem Regionalen sehr viel Raum, da viele Immobilienthemen von lokalem Interesse sind. Das ist eine Art Lokaljournalismus mit Immobilienbezug.

Welche digitalen Produkte bieten Sie an? Wie gelingt der IZ die digitale Transformation?

Printjournalismus gibt es in der Form nicht mehr. Wir machen auch Online und Filme; mit Podcast haben wir auch experimentiert. Ich erwarte von meinem Team, dass sie nicht nur Print beherrschen, sondern umfassender arbeiten. Dabei glaube ich ganz fest an die Zukunft von Print. Das Digitale wächst zusätzlich und befriedigt ein anderes Konsumbedürfnis. Die Leser:innen eines Newsletters wollen schnell wissen, was los ist, und kein langes Hintergrundstück lesen. Wir haben zunehmend Digitalabos, bei denen manche der Printinhalte nicht verfügbar sind. Wir arbeiten crossmedial mit unseren Inhalten. Ich stoße beim Lesen von Printprodukten auch auf etwas, worauf ich digital nicht geklickt hätte.

Wir bringen neben unserer wöchentlichen Printzeitung einmal am Tag einen Newsletter namens IZ Aktuell heraus – eine Art digitale Tageszeitung, die gegen 16 Uhr online geht. Das sind unsere beiden Hauptprodukte. Daneben bespielen wir iz.de und wir bespielen LinkedIn, Facebook und X. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, welche Nachrichten in welchen Kanal gehören, welche journalistische Darstellungsform in welchem Kanal richtig aufgehoben ist. In ein gedrucktes Produkt kann ich natürlich keinen Film einbauen. Im digitalen Bereich kann ich keine große Grafik oder kein großes Foto einbinden – das funktioniert auf dem Bildschirm nicht. Dafür kann ich interaktive Inhalte anbieten.

Wie kommen Sie an Geschichten?

Auf den ganz klassischen Wegen: Wir besuchen Branchenveranstaltungen, bekommen Pressemitteilungen, sprechen mit Informant:innen, führen Interviews, gehen mit offenen Augen durch die Gegend. Die ganze Palette, die man als Journalist:in so nutzt. Wir beobachten die Politik, das Hin und Her mit dem Heizungsgesetz. Die Klima- und Energiedebatte betrifft uns im Hinblick auf Wohnimmobilien massiv. Wir müssen ganz nah dran sein am aktuellen Nachrichtengeschäft.

Uns beide hat LinkedIn zusammengeführt. Inwiefern nutzen Sie Social-Media-Plattformen für Ihre Arbeit?

Letztlich ist LinkedIn ja nur eine Form von Netzwerk – und Netzwerke hatten Journalist:innen schon immer, um Informationen oder Gesprächspartner:innen kennenzulernen. Über LinkedIn, das für den Immobilienbereich interessanter ist als XING, verteilen wir einerseits unsere Themen, andererseits nutzen wir es für die Themenrecherche. Wir verfolgen, wer welche Meinung zu einem bestimmten Thema hat und überlegen, wen wir befragen wollen. Überraschenderweise bekommen wir sehr viel Traffic über Facebook, obgleich dort B2C-Themen vorherrschen. Was immer noch eine Rolle spielt, ist X, das frühere Twitter. Diesen Kanal beobachten wir ebenso, denn er ist für den politischen Bereich relevant.

Insgesamt sind Social Media, und hier am stärksten LinkedIn, für uns ein genauso wichtiger Kanal wie die Tagesschau, Phoenix, das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages, die Newsletter von Bundestag und Bundesrat oder Pressemitteilungen von Agenturen.

Wie unabhängig berichten Sie?

Wir sind nicht das Sprachrohr der Immobilienbranche – manchmal zu deren Leidwesen. Dem Fachjournalismus insgesamt haftet dieser Verdacht ja an. Die Frage lautet: Ist man Teil der Branche, über die man schreibt, oder nicht?

Natürlich ist man als Journalist:in in gewissem Sinn Teil der Branche, bewegt sich in dieser Branche – schließlich kann man nicht über und für Leute schreiben, die man gar nicht kennt. Nichtsdestotrotz: Wenn man guten Fachjournalismus machen möchte, muss man eine professionelle und journalistische Distanz wahren. Es gibt auch genug negative Nachrichten über Immobilienunternehmen – die bringen wir natürlich auch. Wir kehren nichts unter den Teppich, um eine schöne, heile Welt zu malen. Es ist unsere Aufgabe, wahrheitsgemäß und sorgfältig zu berichten. Analysen zu erstellen, warum etwas gut oder aus unserer Sicht auch nicht so gut ist, Dinge einzuordnen oder auch mal in einem Meinungsbeitrag Kritik zu üben. Alles andere ist Lobbyarbeit – und dafür sind wir nicht zuständig, dafür gibt’s genug Verbände.

Wir arbeiten ganz klassisch nach journalistischen Grundsätzen, ziehen mehrere Quellen heran, trennen strikt zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten. Bei uns kann man keine redaktionellen Inhalte kaufen, auch wenn das dem Fachjournalismus oft nachgesagt wird.

Wer ist Ihre Konkurrenz?

Alle, die Immobilienthemen publizieren und Lesezeit von uns abziehen. Die großen Wirtschaftszeitungen sind noch stärkere Mitbewerber als andere Fachmedien, da Letztere nicht so extrem im nachrichtlichen Bereich unterwegs sind wie wir.

Wenn Sie nur auf unserer Branche schauen, gibt es hierzulande die Magazine Immobilienwirtschaft und Immobilienmanager, die beide 6x im Jahr gedruckt erscheinen und zusätzlich digitale Kanäle bespielen. Angebote wie der Immobilienbrief, Konii und Thomas Daily sind hingegen ausschließlich digital. Insgesamt gibt es im deutschsprachigen Raum – einschließlich Österreich und der Schweiz – schätzungsweise zehn Branchenmedien, abgesehen von beispielsweise reinen Architektur- und Baumedien.

Wie viele Menschen arbeiten als Immobilienfachjournalist:innen?

Das haben wir letztens auch versucht zu überschlagen. Die Frage ist: Zählen Journalist:innen mit, die auch Public Relations machen? Dann sind es vielleicht zwischen 80 und 100 in Deutschland. So richtig viele, die sich hauptberuflich als Journalist:innen den Immobilien verschrieben haben, sind es nicht. Vielleicht 60, wenn man die Kolleg:innen in den großen Wirtschaftsressorts bei Zeitungen und Magazinen wie Handelsblatt, FAZ oder WirtschaftsWoche mitzählt, die allein über Immobilienthemen schreiben. Die machen da auch einen sehr guten Job.

Die IZ gehört zur dfv Mediengruppe in Frankfurt – mit 90 Fachtiteln wie der Textilwirtschaft und der Lebensmittelzeitung einem der größten unabhängigen Fachmedienunternehmen in Europa. Es gibt in Deutschland neben unserer Zeitung noch fünf Immobilienfachmedien in verschiedenen Größen, teilweise mit maximal fünf Redakteur:innen. Die Immobilien Zeitung beschäftigt ca. 120 Leute, wenn man die Abteilungen Anzeigen, Verwaltung, Marketing, Kundenservice und Data Management mit einrechnet. In der Redaktion, inklusive Grafik und Korrektor, haben wir 35 Mitarbeitende.

Wer würde sich nicht als Mitarbeiter:in qualifizieren?

Jemand, der so gar keine Zahlen mag, ist im Immobilienjournalismus nicht ganz richtig aufgehoben. Wofür man Zahlen braucht? Da geht es um die Geschäftszahlen von Unternehmen. Um Baugenehmigungen. Um Bürovermietungen. Um die Frage, wie Immobilienfonds in den letzten Jahren performt haben oder wie lange ein Makler im Schnitt braucht, bis er eine Immobilie vermarktet hat; die Makler haben es wieder schwerer, Wohnimmobilien zu verkaufen.

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass man jede Art von Performance messen muss – und das läuft eben über Zahlen. Aber das sollte Journalist:innen nicht fremd sein – es sei denn, sie machen nur feuilletonistische Geschichten.

Und wer ist bei Ihnen richtig? Was sollten angehende Immobilienjournalist:innen mitbringen?

Wenn wir Bewerbungsrunden machen, sage ich oft: Das Immobilienhandwerk können wir jemandem beibringen – das journalistische Handwerk muss jemand schon mitbringen. Wer Immobilienfachjournalismus machen möchte, braucht eine klassische journalistische handwerkliche Ausbildung, ein Verständnis und Interesse für Wirtschaft und Politik – und muss mit offenen Augen durchs Leben gehen.

Gibt es denn Bedarf an Immobilienfachjournalist:innen?

Definitiv ja! Es gibt großen Bedarf, geradezu einen Mangel. Ich habe das Gefühl, das Wort Immobilienjournalismus macht vielen Angst. Dabei ist es einfach eine Form von Wirtschaftsjournalismus. Wer Lust auf Immobilienjournalismus hat, kann sich gern bei mir melden!

Das Gespräch führte Ulrike Bremm.

Titelillustration: Esther Schaarhüls.

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Foto: Immobilien Zeitung / © Christof Mattes

Brigitte Mallmann-Bansa ist Chefredakteurin der Immobilien Zeitung. Fachzeitung für die Immobilienwirtschaft (IZ). Sie studierte 1992 bis 1996 Rechtswissenschaft in Mainz. 2001 bis 2002 war sie in der Kanzlei Linklaters in Frankfurt a. M. als Rechtsanwältin tätig, bevor sie im zweiten Studiengang ihren Master im Journalismus machte. Seit 2005 arbeitet sie bei der IZ in Wiesbaden – zunächst als Redakteurin Recht und Steuern, dann als Chefin vom Dienst, seit 2018 als stellvertretende Chefredakteurin. 2019 wurde sie dort Chefredakteurin.

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