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Modejournalismus: „Haka im Ingenieursland“

Interview mit der Modejournalistin und -dozentin Ina Köhler

In dieser Woche ist es wieder so weit: Die Modewelt blickt nach Berlin. Anlässlich der Berlin Fashion Week, die es seit 2007 gibt, werden zahlreiche international bedeutende Designer, Händler und Vertreter der Modeindustrie und Presse in der deutschen Hauptstadt erwartet. Vor Ort sein wird auch die freie Journalistin Ina Köhler, die an der AMD Akademie Mode & Design in Düsseldorf angehende Modejournalisten ihr Handwerk lehrt. Im Gespräch mit dem Fachjournalist“ erklärt sie, warum Modejournalismus hierzulande einen schweren Stand hat, sich der Einstieg in das Metier dennoch lohnt und welche Dresscodes für Modejournalisten gelten.

Frau Köhler – muss, wer über Mode schreibt, eine Fachsprache beherrschen wie Jäger ihr Latein?

Ganz so hart ist es nicht; es gibt aber eine ganze Reihe von Spezialausdrücken, die ein Modejournalist kennen sollte, um ernst genommen zu werden – etwa das Kürzel „Haka“, das für Herren- und Knabenkleidung steht. Oder die Formulierung „italienische Länge“ bei einem Kleid. Das heißt, die Rocklänge beträgt ab Saum rund 60 Zentimeter, der Rock bedeckt knapp das Knie.

Abgesehen von der Fachsprache: Was zeichnet einen guten Modejournalisten vor allem aus?

Er sollte ebenso wie andere Journalisten sein Handwerk beherrschen, also gut schreiben können. Darüber hinaus sollte er Mode als Kulturphänomen einordnen können. Also beispielsweise eine Ahnung davon haben, warum der eher konservative Preppy-Look aus den USA gerade im Trend ist.

Preppy-Look? Noch nie gehört.

Preppy kommt von Preparatory School, zu Deutsch weiterführende private Schule. Wer sich „preppy“ anzieht, trägt Bekleidung im Collegestil. Sie soll edel aussehen und vermittelt einen gewissen Status. Damit wollen die Jugendlichen unterstreichen, dass sie sich als Teil des gehobenen Bürgertums sehen. Wir leben in Zeiten, in denen in den westlichen Gesellschaften der Eindruck vorherrscht, es gehe darum, Besitzstände zu wahren und einer gesellschaftlichen Schicht anzugehören. Diese Mentalität prägt zunehmend Jugendliche. Den Kulturaspekt betone ich, um deutlich zu machen, dass Schreiben über Mode mehr ist, als über Styles und neue Produkte zu berichten. In Deutschland gilt Mode ja immer noch als seichtes Thema.

Warum ist das so?

Wir sind ein Ingenieursland und dementsprechend mental geeicht. Sich mit „harten“, sprich politischen und technischen, Themen zu befassen, gilt als erstrebenswert. Mode ist durch diese Brille gesehen nur Beiwerk und somit auch im Journalismus nur ein Nischenthema.

Im angelsächsischen Raum, in Frankreich oder Italien ist das ganz anders. Da wird gerne und intensiv über Mode geschrieben; gerade auch, weil sich in der Kleidung von Menschen gesellschaftliche Entwicklungen und Gegensätze spiegeln und bestens aufzeigen lassen. Modejournalistinnen wie Suzy Menkes oder Vanessa Friedmann von der „New York Times“ genießen in den USA großes Renommee für ihre Arbeit.

Das Thema Mode hat also einen schweren Stand in Deutschland; würden Sie es jungen Journalisten trotzdem empfehlen?

Auf jeden Fall. Gerade für Freie würde ich sagen: Der Bereich Mode- und Lifestyle trägt. Zudem eröffnet die Beschäftigung mit alltäglichen Themen wie Mode neue Horizonte.

In den Redaktionen der Tageszeitungen gibt es meistens kein eigenes Ressort für Mode. Das Thema läuft irgendwie mit und findet sich in unterschiedlichen Ressorts wie Wirtschaft, Kultur oder Unterhaltung. Die Anzahl der Publikationen hat allerdings in der Summe zugenommen. Eine Reihe von Medien fokussiert sich spezifisch auf das Thema Mode: Es fängt bei den klassischen Modemagazinen wie der „Vogue“ an, geht über Frauenzeitschriften wie „Brigitte„, die ein eigenes Ressort Mode betreuen, bis hin zu Fachmagazinen wie der „Textilwirtschaft„, die sich den wirtschaftlichen Aspekten der Modebranche widmet. Sie finden das Lifestyle-Thema Mode aber auch bei Essenszeitschriften oder als „How to build your brand“-Story im Heft für Start-up-Gründer. Ein zunehmender Bereich sind auch die digitalen Medien, insbesondere die zahlreichen Modeblogs.

Was ist mit Corporate Publishing?

Dazu wollte ich gerade kommen. Der Bereich Corporate Publishing gewinnt immer mehr an Bedeutung. Immer mehr Modeunternehmen wie H&M oder Bogner wollen ihr eigenes Magazin. Da gibt es dann beispielsweise auch Reportagen zur Firmengeschichte, um die Bedeutung der Marke zu betonen, Fotostrecken und Lifestyle-Themen. Dieser Mix macht es.

Ein typisches Geschäftsmodell für einen freien Modejournalisten ist heute zum Beispiel: journalistische Artikel für die „Textilwirtschaft“ oder „Elle online“ plus Pressetexte für Unternehmen wie Zalando und Einsätze für eine PR-Agentur auf Modemessen. Für Modejournalisten gibt es ein riesiges Betätigungsfeld – von Boulevardthemen bis zur Geschichtsreportage.

Für Neulinge, die sich profilieren möchten: Was liegt noch brach auf diesem Feld?

Seltsamerweise ist der Bereich Bewegtbild in Sachen Mode noch unterentwickelt. Im Fernsehen gibt es z. B. als Spartensender „Fashion.TV„. Dieser fokussiert sich aber eher auf Modenschauen, eine journalistische oder kulturelle Einordnung gibt es nicht dazu. Auf „ARTE“ laufen hin und wieder ein paar gute Reportagen zu Modethemen. Hier mit neuen Ideen zu kommen, wäre die beste Empfehlung für Neueinsteiger.

Stichwort Einstieg in das Metier Modejournalismus. Was gibt es hier zu beachten?

Hier gilt wie überall: Praxis ist alles. Man sollte ein Volontariat und ein spezifisches Journalistikstudium absolvieren, Fachwissen sammeln und viele Praktika machen. Die ganz großen Namen wie die „Vogue“ haben natürlich lange Wartelisten und bevorzugen Praktikanten mit Vorwissen.

Nach meiner Erfahrung mit den Nachwuchsjournalisten an unserer Akademie ist es einfacher, bei kleineren Redaktionen wie z. B. bei Männermagazinen reinzuschnuppern. Vielleicht weil diese immer noch nicht so stark wahrgenommen werden beim Thema Mode. Auch bei Presseabteilungen von Marken wie Hugo Boss und Co. oder bei PR-Agenturen, die mehrere Marken betreuen, kommt man relativ einfach an ein Praktikum.

Wer sich Modehäuser wie Hugo Boss von innen ansieht, was für ein Menschenschlag erwartet ihn da?

Sie spielen auf das Bild der exzentrischen Designer und Models an. Die gibt es, keine Frage. Die Branche als Ganzes so zu sehen, kommt aber eher von der Formel der Medien: Mode ist nur Oberfläche und damit sind auch die Menschen oberflächlich, die sie repräsentieren.

Dass Mode mehr ist, habe ich ja bereits erwähnt. Wer als Journalist im Modezirkus unterwegs ist, wird dort auf ein Publikum treffen, das sich vor allem mit drei Punkten beschreiben lässt: mehrsprachig, unkonventionell und sehr liberal.

Wie networkt man mit diesem Publikum am besten?

Modemessen oder Veranstaltungen wie die Fashion Weeks sind wichtige Orte für das Networking und die Information. Dort muss man aufschlagen, sich umsehen und mit den Leuten ins Gespräch kommen. Ein Patentrezept, wie das funktioniert, gibt es nicht. Man muss einfach dran bleiben und sich nicht entmutigen lassen. Für die Shows kann man sich allerdings nicht ohne weiteres akkreditieren, sondern sollte schon vorab einschlägige Artikel veröffentlicht haben.

Einige Messen, die eigentlich eher Fachbesuchern vorbehalten sind, wie die gds oder The Gallery in Düsseldorf bieten speziell jungen Modebloggern an, über ihre Veranstaltungen zu berichten.

Die zahllosen Modeblogs sind inzwischen ein Phänomen, das allgemein wahrgenommen wird. Wie beurteilen sie es?

Der Trend zu Social Media macht natürlich auch vor der Mode nicht halt. Die Zeiten, in denen ein paar Edelfedern für Modemagazine die großen Schauen in Paris und Mailand besucht haben, sind für immer vorbei. Die Berichterstattung durch Modeblogger hat die Branche „demokratisiert“ und für Konsumenten geöffnet – das ist prinzipiell eine tolle Entwicklung. Es gibt einige sehr gute Formate, aber auch sehr viel Belangloses und schlecht Gemachtes.

Heute gilt: Ich kleide mich, also bin ich und schreibe darüber. Die Konsumenten sprechen viel mehr mit. Wie auch in anderen Bereichen gilt beim Modejournalismus, dass die Grenze zwischen persönlicher Meinung und journalistischem Handwerk verschwimmt. Modeblogs wie „The blonde Salad“ sind der plakative Ausdruck davon. Das sieht man aber auch am hohen Anteil von Native Advertising in Frauenzeitschriften und digitalen Formaten zum Thema Mode. Ich finde das schade, aber diese Entwicklung birgt für junge Journalisten auch das Potenzial, sich über einen Blog zu profilieren.

Wem folgen Sie denn in Sachen Modejournalismus?

Best Practice sind für mich die Artikel von Alfons Kaiser, der bei der „F.A.Z“ das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das „Frankfurter Allgemeine Magazin“ verantwortet. Der schreibt als einer der wenigen Vollblutjournalisten hierzulande regelmäßig über Mode. Das sind dann einfach gute Analysen und Reportagen zu Ereignissen und Entwicklungen der Branche.

Für Infos zu den Leuten, die ihr Geld mit Mode machen, ist der „Profashionals„-Blog bestens. Gemacht wird er von Jürgen Müller, der lange Chefredakteur der „Textilwirtschaft“ war. Aus meiner Sicht ist deren Lektüre Pflicht, wenn man wissen will, was sich am Modemarkt so tut. Und bei Modeblogs finde ich nach wie vor „Les Mads“ gut, ebenso „Modepilot“ oder „Journelles„.

Zu guter Letzt: Von Journalisten wird normalerweise nicht erwartet, im stilvollen Anzug der Arbeit nachzugehen. Ist die Modebranche hier auch nachsichtig?

Die Redensart „Schuster tragen die schlechtesten Schuhe“ trifft das Verhältnis mancher Modejournalisten zu ihrem Metier ganz gut. Dass Nachlässigkeit oder mangelndes Stilempfinden aber dazu führen, sofort verstoßen und vom Hof gejagt zu werden, wäre übertrieben. Ein gewisses Stilbewusststein bei Ihrem Auftritt auf Messen und Shows ist dennoch wichtig, Sie werden so bei Ihrem Gegenüber eher respektiert – und Profis können anhand von stilistischen Codes sehr gut einordnen, wen sie da vor sich haben. Zumindest bei Männern würde ich sagen, dass die Arbeitskleidung „schlichter Einreiher plus gute Schuhe“ eine Wahl ist, mit der sie oft auf der sicheren Seite sind. Eine gute Jeans ersetzt mittlerweile bei vielen Anlässen die klassische Hose. Bei Frauen ist das nicht so einfach, interessanterweise tragen viele Modejournalistinnen schwarz sehr gerne – die Farbe der Schiedsrichter inspiriert anscheinend auch diejenigen, die Mode kritisch bewerten.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Koehler_InaIna Köhler studierte Modedesign in Trier und Madrid. Nach ihrem Volontariat beim Deutschen Fachverlag startete sie ihre Karriere als Journalistin. Sie arbeitete im Fachjournalismus und für verschiedene Endverbraucher-Medien als freie Autorin, Redakteurin und Chefredakteurin. Seit 2002 ist sie verantwortliche Studienleiterin für Modejournalismus/Medienkommunikation an der AMD Akademie Mode & Design Düsseldorf. Dort lehrt sie als Dozentin für Modejournalismus, Modefotografie und Kostümgeschichte.

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