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Moderationen sind Werbetexte

Wie Sie Ihr Publikum durch eine pointierte Anmoderation für Ihre Beiträge gewinnen.

Sie moderieren Beiträge für Ihren Podcast, journalistische Videobeiträge für einen Social-Media-Kanal oder sprechen Fernseh- oder Radiobeiträge ein und wollen Ihr Publikum gezielt ansprechen? Stefan Wachtel, Antje Keil und Clemens Nicol geben im folgenden Buchauszug hilfreiche Tipps, wie Sie Ihr durch eine pointierte Moderation ihr Publikum überzeugen und in Ihren Beitrag führen. 

Wie bekommen wir die besten Quoten, die meisten Likes, die meisten Follower? Die Verantwortlichen in den Sendern – und die von Internetplattformen heute ebenso – wissen das: auf zwei Ebenen. Erstens: Moderator*innen, die pointiert moderieren, bekommen die besseren Quoten. Zweitens: Die Moderation soll weniger informieren als davon überzeugen, das Folgende anzusehen oder anzuhören.

Nehmen wir Anmoderationen von TV-Beiträgen, die alle das eine Ziel haben, nämlich die Landung auf dem Beginn des Anmoderierten: die hinführende Moderation. Diese Art der Moderation beginnt mit einer einfachen Feststellung, einer allgemeinen Bemerkung oder einem simplen Spruch. Damit wird eine gemeinsame Basis zwischen Zuschauer und Moderator aufgebaut: Es geht um etwas weithin Bekanntes und Akzeptiertes – ein Umfeld, in dem sich die Zuschauenden problemlos zurechtfinden. Danach folgt Satz für Satz die Eingrenzung des eigentlichen Themas. Die Moderation wird immer konkreter und landet auf dem Zielsatz: „Rauchen schadet der Gesundheit. Das wissen wir alle. Es steht ja auch auf jeder Packung. Eindringlich wird da beschrieben, welche schlimmen Krankheiten die Raucher erwarten. Doch manche lassen diese Warnungen völlig kalt. Helmut Schmidt zum Beispiel. Der ehemalige Kanzler hatte seine ganz eigene Philosophie vom Umgang mit der Zigarette.“

Die Aufgabe der Anmoderation ist also nicht nur Information, sondern sie ist vor allem ein Feld für Werbung. Ihre Aufgabe ist es, Argumente für das Ansehen des Beitrages vorzutragen. Das geschieht meist indirekt, über sprachliche Originalität, vor allem aber über die gezielte Führung zum Beitrag. Die Anmoderation muss die Vereinigung von Zuschauerinteressen, „Verkaufs“-Argumenten für den Beitrag und der Persönlichkeit des Moderators schaffen.

Reden in Trichtern: Das Zielsatz-Prinzip

Viele Moderationen leiden an einem Missverständnis journalistischen Textens: Fälschlicherweise werden auch Moderationen an den Maximen des Nachrichtenschreibens orientiert – und sind damit Opfer eines dogmatisch verstandenen Leadsatz-Prinzips. Dann beginnt die Moderation mit der „News“ (die oft zum Zeitpunkt des Magazins so „new“ nicht mehr ist), vielfach ignoriert sie auch den Einstieg des Beitrages oder sie steht ihm entgegen. Hinter dem Leadsatz-Prinzip steht das Bild einer Pyramide; das Wichtigste zuerst, danach kommen Details, alles andere unten ist streichbar.

Abb. 23: Leadsatz-Prinzip

Das ist der Aufbau, wenn man informieren möchte: das Wichtigste zuerst. Überzeugen oder zu irgendetwas motivieren sollte man so nicht. Überzeugen geschieht umgekehrt: erst hineinholen und danach hohe Gültigkeit herstellen („Flughöhe“, Wachtel 2017) und dann auf einen Punkt hin verdichten. Dieses „Zielsatz-Prinzip“ (Wachtel 2021) stellt die Pyramide auf den Kopf, nicht nur die von Nachrichtenjournalisten, auch von Strategieberatern und den allermeisten Power-Point-Präsentationen. Es entsteht eine Art Trichter:

Abb. 24: Trichter zum Überzeugen

Der Trichter ist die richtige Struktur zum Überzeugen, während das Umgekehrte, die Pyramide, zum Informieren gedacht ist. Das ist keine generelle Absage an die informierende Moderation wie in Nachrichtenmagazinen. In vielen anderen, aufgelockerten Magazinen ist aber die Aufgabe des Moderationstextes verfehlt, wenn er zu Anfang Fakten darbietet – das muss der Beitrag tun.
Die Anmoderation braucht die rhetorische Anordnung in einem Trichter. Die Schritte dieses Trichters sollten Sinnschritte sein, die im Idealfall immer kürzer werden und auf einen Zielsatz hin pointieren.

Dazu solltest du den Beginn des Beitrags sehen und den Text laut sprechen; so lässt sich der Dialog vorwegnehmen. Danach suchst du eine Aussage (oder eine Frage etc.), die direkt auf den Anfang hinführt. Danach lassen sich die Schritte suchen, die darauf hinführen. Zum Schluss muss man überlegen, wie die Moderation selbst an die Erwartungen der Zuschauer angebunden werden kann. Gesprochen wird sie wieder umgekehrt.

Zu Beginn darf die Moderatorin die Zuschauererwartungen ignorieren. Sie muss sogar den Beitrag für möglichst viele Zuschauer interessant machen. So entscheidet sich schon beim Einstieg alles. Immer eignen sich dazu Sprichwörter, auf jeden Fall etwas, das sich die Zuschauer vorstellen können, das sie kennen. In der Anmoderation ist ausnahmsweise auch eine direkte Anrede möglich. Auch die Zuschauer mit „wir“ anzureden, ist möglich. Vorsicht ist damit allerdings immer geboten, das funktioniert nur, wenn diese Gemeinsamkeit wirklich vorausgesetzt werden kann. Im folgenden Beispiel gelingt das nur mäßig:

Wir lieben Orgelmusik, weil sie uns so sehr an unsere Kindheit
erinnert. Wir beginnen mit einem Orgelkonzert von Georg Friedrich
Händel. Es wird interpretiert von Daniel Chorzempa an der Alten
Katholischen Kirche von Haarlem. Mit dem Organisten musiziert das
Concerto Amsterdam unter der Leitung von Jaap Schröder.

Vielmehr solltest du dich fragen, was dich persönlich an dem Beitrag interessiert, was macht ihn so spannend für dich? In diesen Beispielen gelingt die Einbindung des Zuhörenden sehr gut:

Durch emotionale Empathie:

Sie ist jung, vielseitig, lebensfroh: die Kölner Pianistin Olga Scheps.
Als Kölnerin muss sie ja Karneval feiern, aber sie macht das auch
ausgesprochen gern. Wie der große Scherzkeks Mozart: Klassik
lieben und trotzdem albern sein. Musikalisch konzentriert sich Olga
Scheps aber gern auf Komponisten der Romantik, neben Chopin
auch Tschaikowsky, Schubert und Schumann. Sie hören sie hier bei
RADIO CLASSICO mit den 12 Walzern für Klavier Opus 77 von Franz
Schubert …

Durch Aktualitätsbezug die Zuhörerschaft abholen/an die Hand nehmen:

Die US-Amerikaner*innen halten uns ja im Moment durch die Wahl
mal wieder ganz schön in Atem – alle Blicke sind auf Amerika
gerichtet, der Kampf ums Präsidentenamt droht wieder zu einer
„never ending story“ zu werden. Da bleiben wir doch musikalisch
einfach auch in dieser schillernden „Grand Nation“ und in diesem in
letzter Zeit auch manchmal sehr fremden – aber doch eigentlich
auch sehr faszinierenden Land. Wir steigen also ein mitten ins
20. Jahrhundert, ins Reich der Musicals von Leonard Bernstein und
George Gershwin …

Durch eine kleine Geschichte, die neugierig macht:

Die Brüder Anthony und Joseph Paratore sind ein international
bekanntes Klavierduo. 4 Jahre sind sie auseinander, schließen ihr
Klavierstudium in Boston ab. Sie beginnen aber zuerst eine solistische
Laufbahn. Bis eine Lehrerin in New York ihr geniales Zusammenspiel
entdeckt, wie sie gleichsam „zusammen zu atmen“
scheinen. 1974 gewinnen die Paratore-Brüder den ersten Preis beim
Internationalen Musikwettbewerb der ARD als erstes Klavierduo
überhaupt. Sie hören die beiden jetzt hier in KULTUR GLOBAL in
einer Bearbeitung der ersten Sinfonie C-Moll von Felix Mendelssohn
Bartholdy für zwei Klaviere zu vier Händen …

Eine Ausnahme gibt es, bei der dennoch das Leadsatz-Prinzip die Moderation diktieren darf und muss: wenn es der Moderatorin zukommt, über eine wirkliche Neuigkeit zu informieren. Wenn eine ganz aktuelle Meldung ins Studio gereicht wird, muss das Wichtigste zuerst gesagt sein, etwa so:

Vor zwanzig Minuten ist die Filiale der Beamten Bank in Zuffenhausen
überfallen worden. Drei Täter haben Geiseln genommen und
sich im Gebäude verschanzt. Unsere Reporterin Caroline Meyer ist
vor Ort …

Der gute Moderationstext braucht also eine klare Struktur:

• einen Einstieg, der neugierig macht
• eine logische und knackige Satzfolge, die mitnimmt
• eine klare Pointierung auf den Beginn des Beitrags hin

Oder, sehr verkürzt ausgedrückt, es ist wichtig, in folgenden Schritten zu denken:

A: Aufhänger
B: Begründung
C: Zentrieren
D: Durchführen
E: Endsatz

Genannte Quellen (Ausschnitt aus dem Anhang):

Wachtel, Stefan: Executive Modus. 12 Taktiken für mehr Führungswirkung.
2. Aufl. München 2017

Wachtel, Stefan: Das Zielsatz-Prinzip. Wie Pointierung unsere
Wirkung erhöht. 2. Aufl. 2021

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV)

 

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Sprechen und Moderieren in Radio, Fernsehen und Social Media“ von Stefan Wachtel, Antje Keil und Clemens Nicol, das 2022 in 7. Auflage im Herbert von Halem Verlag erschienen ist.

Das Buch erörtert die Theorie des Sprechens und vermittelt die Basis zu einem zeitgemäßen Stimm- und Sprechtraining. Es enthält Beispiele zu Betonung, Ausdruck, Aussprache, Moderation und Interview. Für die spezielle Situation in Studios, im Außeneinsatz und in Smartphone-Settings auf engstem Raum.

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