RSS-Feed

Pressereisen: Sonne, Strand und schwarze Schafe

Pressereisen gehören für viele Journalisten zum Alltag. Die Einladungen dazu kommen meist von Reiseveranstaltern, Fluglinien, Hotels oder Autoherstellern. An exklusiven Stränden, in Luxussuiten, Gourmetrestaurants oder auf den „Traumstraßen der Welt“ lässt sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden – zumal für die Teilnehmer in der Regel keine oder nur geringe Kosten anfallen. Was aber, wenn der Veranstalter einer Pressereise als Gegenleistung einen bestimmten redaktionellen Beitrag erwartet oder gar auf dessen Inhalt Einfluss nimmt? Der „Fachjournalist“ leuchtet die Grauzonen im Gefälligkeitsjournalismus aus.

„Edles Holzparkett, vorzüglich gepolsterte Kanapees, viktorianische Kronleuchter, eine hervorragend sortierte Bar und dazu der scheinbar endlose Panoramablick über das Rollfeld des Flughafens: Bereits in der luxuriösen VIP-Lounge von XY Airways spüren wir das unvergleichliche Flair. Ein Flair, das uns auf unserer Reise bis über den Atlantik begleiten wird …“  So beginnt die kürzlich in einem Hochglanzmagazin erschienene Reportage über die Vorzüge der ersten Klasse einer internationalen Fluggesellschaft. Reich bebildert schildert die Story das Interieur und den Service auf dem Flug von Europa nach Kalifornien.

Doch der Autor des Artikels, ein freier Journalist aus Köln, war nie in Kalifornien. Er ist nie in der First Class jener Fluggesellschaft gereist und auch die VIP-Lounge am Abflughafen kennt er nur vom Hörensagen. Dafür kam die Herausgeberin des Magazins (nennen wir es „Luxuszeitung“) in den Genuss, begleitet von ihrem Lebensgefährten mit jener Airline First Class in die USA zu reisen. Kostenlos versteht sich, alle Annehmlichkeiten eingeschlossen. Statt „am Schalter“ hatten die beiden Luxusreporter ganz bequem im Pressebereich der Website von XY Airways „eingecheckt“. Dort können Journalisten ihre persönlichen Reisewünsche in einem Online-Formular angeben: Wunschziel, Wunschtermin, Anlass der Reise.

Es ist es nicht das erste Mal, dass die „Luxuszeitung“ mit einem Gratis-Ticket in der Tasche zu einer gesponserten Pressereise aufbricht. Das Heft ist voll mit Reiseberichten von den „schönsten Orten der Welt“, der Terminkalender der Redaktion platzt vor Gratisflügen – etwa auf die Malediven, die arabische Halbinsel, nach Französisch-Polynesien, Thailand, Vietnam, in die Karibik oder eben in die USA. Zurück in der Redaktion beauftragt die weit gereiste Herausgeberin sodann freie Autoren anhand ihrer Notizen mit der „Textkreation“ für ihre „Erlebnisberichte“. So briefte sie nach ihrem US-Trip ihren Kölner Ghostwriter per E-Mail: „Wie damals bei YZ Airways wünscht sich nun auch XY Airways einen schönen Artikel über deren Neuheiten.“

Doch diesmal musste der Texter ganz ohne die Notizen seiner Chefin auskommen: „Leider kann ich kein persönliches Feedback dazu geben, da die Marketingdame uns in eine alte Maschine mit alter Business Class eingebucht hat, sodass unser Live-Erlebnis wohl nicht annähernd dem neuen First-Class-Feeling ähnelt“, bedauert sie in ihrem Briefing. Auch war die Chefreporterin gar nicht nach Kalifornien gereist, sondern nach Florida. Doch all das, was zwingend zum journalistischen Handwerk gehört – nämlich seriöse, authentische Recherchen und deren adäquate journalistische Umsetzung – erscheint in der Glitzerwelt so mancher Redaktion entbehrlich. Und so entstand die Story in diesem Fall einzig mit dem Material, das die zwischengeschaltete PR-Agentur, nennen wir sie „Grauland“, beigesteuert hatte: jede Menge Hochglanzfotos und ein Stapel mit Pressemitteilungen voller Gloria. Dazu noch ein paar „Recherchen“ bei Youtube – fertig war die „Erlebnisreportage“.

Vor der Veröffentlichung legte die „Luxuszeitung“ den Text dann noch einmal bei der zuständigen PR-Agentur zur Freigabe vor. Zufrieden befand „Grauland: „Vielen Dank für den tollen Artikel über XY Airways. Die Tatsache, dass XY Airways nicht mit dem Dreamliner nach Miami fliegt, haben Sie wunderbar gelöst. Gerne geben wir Ihnen hiermit die Freigabe.“ Zwar verzichtete XY Airways in diesem Fall darauf, sich nicht nur mit Flugtickets im Handelswert von rund 15.000 Euro zu bedanken, sondern auch eine bezahlte Anzeige in der Nähe des Artikels zu platzieren. Doch bereits in der nächsten Ausgabe buchte eine Partnergesellschaft von XY Airways den kompletten Rücktitel des Magazins für eine ihrer Werbeanzeigen. Kostenpunkt laut Mediadaten: 22.000 Euro.

Als die zuständige PR-Agentur schließlich mit der Frage konfrontiert wurde, wie sich diese Art von „Pressearbeit“ eigentlich mit ihrem Selbstverständnis verträgt, antwortete deren Geschäftsführerin knapp: „Wir haben dem Magazin Tickets für eine individuelle Pressereise zur Verfügung gestellt – was unseres Erachtens ein völlig normales Vorgehen ist.“ Wirklich ein „völlig normales Vorgehen“? Oder vielmehr ein schwerer Verstoß gegen einschlägige Gesetze und berufsethische Richtlinien?

Normales Vorgehen – oder strafbare Handlung?

In Deutschland stehen solcher Art von „Advertorials“ eine Reihe rechtlicher Bestimmungen und journalistischer Ethik-Grundsätze entgegen:

1. Die Landespressegesetze schreiben vor, dass von Dritten finanzierte Inhalte deutlich als Anzeige zu kennzeichnen sind. So heißt es etwa in § 9 des Berliner Landespressegesetzes:

Haben die Verleger eines periodischen Druckwerks oder die Verantwortlichen ( … ) für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so haben sie diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen.

Diese Gesetzesvorschrift, die sich in ähnlicher Form auch in den Pressegesetzen aller anderen Bundesländer findet, kann von den jeweils örtlich zuständigen Polizeibehörden auf sämtliche in ihrem Zuständigkeitsbereich erscheinenden Publikationen angewendet werden. Bei einem bekannt gewordenen Verstoß kann in jedem Einzelfall eine Geldbuße von bis zu 5.000 Euro verhängt werden.

2. Sind Redakteure öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Geschäfte mit unzulässig finanzierten redaktionellen Beiträgen verwickelt, tritt unter Umständen sogar die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Denn Redakteure von ARD, ZDF oder anderen Sendern mit „öffentlichem Auftrag“ werden nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in solchen Fällen „Amtsträgern“ gleichgestellt. Bei der Annahme von Vorteilen für die Platzierung bestimmter Inhalte drohen ihnen daher strafrechtliche Ermittlungen wegen möglicher Vorteilsnahme oder Bestechung – und bei einer Verurteilung entsprechend hohe Haftstrafen.

3. Printmedien verstoßen mit der Annahme von Vorteilen im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung gleich mehrfach gegen den Pressekodex des Deutschen Presserats. So heißt es unter Ziffer sieben zur „Trennung von Werbung und Redaktion“:

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

Und weiter:

Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen ( … ) Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.

Wichtig auch:

Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.

Auch die Annahme von Vergünstigungen ist im Pressekodex unter Ziffer 15 geregelt:

Die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, ist mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig (…) Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion könne beeinträchtigt werden, ist zu vermeiden. Journalisten nehmen daher keine Einladungen oder Geschenke an, deren Wert das im gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß übersteigt (…) Recherche und Berichterstattung dürfen durch die Annahme von Geschenken, Einladungen oder Rabatten nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden. Verlage und Journalisten bestehen darauf, dass Informationen unabhängig von der Annahme eines Geschenks oder einer Einladung gegeben werden.

Last, but not least legt der Deutsche Presserat im Pressekodex – ebenfalls unter Ziffer 15 – den Redaktionen eine Kennzeichnungspflicht bei bezahlten Pressereisen auf:

Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.

4. Auch in den Ethik-Richtlinien der Berufsverbände spiegelt sich das Gebot wider, sich nicht für redaktionelle Beiträge schmieren zu lassen. Der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV) hat hier in Ergänzung zum Kodex des Deutsche Presserats und in Abstimmung mit seinen Mitgliedern, Rechtsanwälten und Wissenschaftlern verbindliche Leitlinien entwickelt. Gemäß § 3 Absatz 2 des Ethik-Kodex des DFJV „soll die Redaktion anfallende Kosten (z. B. Reisekosten) für die Berichterstattung selbst tragen“, um die „Unabhängigkeit der Berichterstattung“ zu wahren.

5. Viele Medienhäuser legen selbst großen Wert darauf, nicht in den Ruch der Bestechlichkeit zu geraten. Als vorbildlich kann hierbei der Code of Conduct des Axel Springer Verlags gelten, der „jegliche unlautere Vorteilsgewährung verurteilt und selbst kleinere Zuwendungen (etwa eine Einladung zu einem Geschäftsessen) nur unter strengen Auflagen gestattet.

6. Nimmt ein Journalist Geld oder einen wie auch immer gearteten geldwerten Vorteil (zum Beispiel eine Gratisreise) an, hat schließlich auch das Finanzamt ein Wörtchen mitzureden. Denn im deutschen Steuerrecht gelten selbst strafrechtlich relevante Bestechungsgelder als Einkommen. Wer solche Zahlungen oder Vorteile nicht in seiner Steuererklärung angibt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen.

7. Erfährt ein Mitbewerber vom unlauteren Geschäftsgebaren eines Verlags im Zusammenhang mit dessen Publikationen, kann es ebenfalls richtig teuer werden. Bereits kleinste Verstöße gegen das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) berechtigen zu kostenpflichtigen Abmahnungen oder Unterlassungsklagen. Die betroffenen Herausgeber müssen daher unter Umständen mit empfindlichen Kosten rechnen, falls ein Mitbewerber Kenntnis von unzulässigen geschäftlichen Handlungen im Sinne des § 3 UWG erlangt. Dazu zählt insbesondere „der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung).

Oberstes Gericht in Österreich erstaunt mit Urteil zu Gefälligkeitsberichten

Zurück zur „Luxuszeitung“ und zu deren „Geschäftsmodell“, sich ihre Berichterstattung etwa durch Pressereisen oder Werbeanzeigen (mit-)finanzieren zu lassen. Wollte man die Verantwortlichen in diesem Fall zur Rechenschaft ziehen, gingen die deutschen Rechtsnormen wohl weitgehend ins Leere: Zwar zählt Deutschland zum Verbreitungsgebiet des internationalen Magazins, doch der Firmensitz des Verlags liegt … in der Schweiz. Und dort sind die rechtlichen Bestimmungen weit weniger restriktiv als hierzulande.

Ähnlich verhält es sich in Österreich, wo erst kürzlich ein höchstrichterliches Urteil für Verwirrung sorgte: Laut einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OHG) in Wien müssen nämlich Gefälligkeitsartikel in der Alpenrepublik künftig nicht mehr ausdrücklich gekennzeichnet werden. Unter dem Aktenzeichen 40b60/16a kamen die Wiener Richter zu dem Schluss:

„Der durchschnittlich aufmerksame und kritische Leser geht heute davon aus, dass auch redaktionelle Beiträge in periodischen Medien nicht ‚neutral‘ sind …“

Die in dem Verfahren vom Kläger beanstandete Nutzung von PR-Texten als – für den Leser als solche nicht erkennbare – Schleichwerbung sei, so der OGH, daher nicht zu beanstanden. Die überraschende Entscheidung ist seither nicht nur in Österreich hoch umstritten. Unmittelbar nach Bekanntwerden warnte die Vorsitzende des österreichischen PR-Ethikrats, Gabriele Faber-Wiener, gegenüber dem „Standard“ davor, dass nun „Tür und Tor für Kopplungsgeschäfte und damit für das Täuschen der Leser“ geöffnet würden.

Fazit: Ohne Glaubwürdigkeit verliert der Journalismus seine Geschäftsgrundlage

Berufsspezifische Rabatte, wie sie seit jeher analog zu anderen Berufsgruppen wie zum Beispiel Ärzten, Apothekern, Polizisten, Lehrern, Kirchenangestellten oder Anwälten auch Journalisten zugutekommen, dürfen grundsätzlich als rechtlich unbedenklich gelten – immer vorausgesetzt, die Vorteile bewegen sich im üblichen Rahmen und stehen in keinerlei Zusammenhang mit der Berufsausübung des Begünstigten. Ganz anders verhält es sich bei der Annahme großzügiger Geschenke, begleitender Werbung oder gar direkter Bezahlung für redaktionelle Inhalte. Journalisten und Medienhäuser, die sich auf derartige Deals einlassen, handeln nicht nur korrupt, sie zerstören auch die wichtigste Geschäftsgrundlage zwischen den Medien und ihren Nutzern: ihre Glaubwürdigkeit.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Uwe HerzogDer Autor Uwe Herzog ist Fachjournalist für Innovationen, Design und Lifestyle. Er war langjähriger Autor der ARD und Nachrichtenredakteur bei Privatsendern wie Radio ffn und Radio Victoria. Darüber hinaus ist der ehemalige Mitarbeiter von Günter Wallraff Koautor zweier investigativer Sachbücher über Innere Sicherheit. Derzeit arbeitet Uwe Herzog an einem Buch über Ethik in der journalistischen Praxis.

Kommentare sind geschlossen.