RSS-Feed

Sport-PR: Ehrenamtliche One-Man-Show oder akademisches Profiteam?

Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Beruf des Sport-Pressesprechers und fragt, unter welchen Bedingungen professionelles Kommunikationsmanagement in Vereinen und Verbänden heute abläuft. Um diese Frage zu klären, wurde an der Sportfakultät der TU München eine Online-Befragung durchgeführt, an der sich 221 Pressesprecher beteiligt haben. Ausgewählte Ergebnisse zu Aufgaben, Ausbildung und Ressourcen beschreibt dieser Beitrag.

Public Relations – auch im Sport

„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (Luhmann, N. 1996, S. 42). Transferiert auf den Sport müsste man dieses Luhmann-Zitat so umformulieren: „Was wir über die Sport-Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Sportmedien – nicht nur, aber auch dank der Sport-PR“ (Schaffrath, M. 2009, S. 5).

Die „Mediatisierung gesellschaftlicher Kernbereiche“ (Bentele, G. 1994, S. 6) und die damit verbundenen „neuen kommunikativen Herausforderungen“ (Wienand, E. 2003, S. 103) haben zu einem Boom der PR-Branche geführt. Das gilt nicht nur für die Bereiche Politik, Wirtschaft oder Kultur, sondern ganz sicher auch für den Sport. Denn seine gesellschaftliche, ökonomische und mediale Relevanz wächst immer weiter. Einschaltquoten, Sponsorengelder und Übertragungslizenzgebühren belegen dies eindrucksvoll.

Viele Athleten, Trainer und Manager erzielen heutzutage eine so große öffentliche Aufmerksamkeit, wie sie selbst Spitzenpolitiker, Wirtschaftsbosse und Kulturschaffende kaum erreichen können (vgl. Schaffrath, M. 2009, S. 7). „Vermittelnd drin statt nur dabei“ fungieren Tausende von Sportpressesprechern als kommunikative Schnittstelle zwischen Spitzensportlern und Fachjournalisten. Die zunehmende Relevanz des Sports einerseits und der Bedeutungszuwachs von Kommunikation sowie Information als die „entscheidenden Produktivitätsfaktoren der Mediengesellschaft“ (Wienand, E. 2003, S. 86) andererseits haben jedoch nicht immer und überall zu der nötigen Professionalisierung der Sport-PR geführt. Dies zeigt eine Berufsfeldstudie am neugegründeten Arbeitsbereich für Medien und Kommunikation der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaft der TU München.

Stichprobe und Rücklauf

In dieser Studie sollte ein möglichst großes Spektrum verschiedener Sportorganisationen und unterschiedlicher Sportarten berücksichtigt werden. Daher wurden die Sport-PR-Chefs des DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) sowie seiner 53 Spitzensportverbände, der 16 Landessportbünde, der 19 Olympiastützpunkte und von insgesamt 210 Erst- und Zweitliga-Clubs aus dem Fußball, Handball, Eishockey, Basketball und Volleyball sowie von 32 Erstligisten aus dem Tennis, Tischtennis und Hockey online befragt. Von 320 angeschriebenen Sport-Pressesprechern nahmen 221 an der Befragung teil (69,1 Prozent). Insgesamt 178 Befragte beendeten die Umfrage komplett (55,6 Prozent). Damit ist diese Untersuchung die bislang umfangreichste und zugleich aktuellste Studie zur Profession Pressesprecher im Sport.

Facettenreiches Aufgabenprofil

Sir Alex Ferguson, Ex-Trainer von Manchester United, soll auf die Frage nach den Aufgaben des Pressesprechers seines Clubs einmal geantwortet haben: „Er hat nur eine Aufgabe – er soll mir die Bastarde von Journalisten vom Hals halten“ (Ferguson, A. zitiert nach Novak, M. 2012, S. 32). Wie facetten- und umfangreich das Aufgabenportfolio von Sportpressesprechern jedoch tatsächlich aussieht, zeigt die folgende Tabelle (Tab. 1).

Tab. 1: Sport-PR-Tätigkeiten durchschnittlicher zeitlicher Aufwand, (n=190)

Tab. 1: Sport-PR-Tätigkeiten durchschnittlicher zeitlicher Aufwand, (n=190)

Es sind also vor allem journalistisch-ausgerichtete Aufgaben, die von den Sport-Pressesprechern erledigt werden müssen. Das „Verfassen und Redigieren eigener Texte“ nimmt mit Abstand den größten Teil der wöchentlichen Arbeitszeit ein. Es folgen die „Kommunikation über organisationseigene Plattformen“, entweder bei der „Erstellung des Stadionheftes, der Vereins- oder Verbandszeitschrift“ und des „Jahrbuches“ oder bei der „Pflege der Homepage“.

Sportjournalistisches Know-how

Korrespondierend zum Aufgabenspektrum gehören insbesondere fachjournalistische Fähigkeiten zu den wichtigsten Voraussetzungen. Auf einer Skala von 1 = geringe Bedeutung bis 5 = hohe Bedeutung sollten die Befragten verschiedene praktische Kompetenzen beurteilen. Dabei wurde das „Schreiben von Texten“ mit 4,57 als wichtigste Fähigkeit eingestuft. Auch das „Redigieren von Texten“ wurde mit 4,09 recht hoch angesiedelt.

Tab. 2: Praktische Kompetenzen in der Sport-PR (Mittelwerte, n = 175)

Tab. 2: Praktische Kompetenzen in der Sport-PR (Mittelwerte, n = 175)

Karrierewege

Gemäß dem Aufgaben- und Kompetenzprofil verwundert es kaum, dass vor allem Ex-Sportjournalisten in der Sport-PR tätig sind. 41 Prozent der Befragten arbeiteten früher für Zeitungen oder Zeitschriften. Fast jeder Fünfte war vorher beim Radio oder Fernsehen. Rund 14 Prozent bringen Kenntnisse aus ihrer Zeit bei Presseagenturen oder Online-Medien mit (Abb.1).

Abb. 1: Frühere Berufe (Mehrfachantworten möglich, Angaben in

Abb. 1: Frühere Berufe (Mehrfachantworten möglich, Angaben in

Da es aber für einen Berufseinstieg in die Sport-PR weder reglementierte Vorgaben noch normierte Zulassungskriterien gibt, sind die Karrierewege vielfältig sein. In die Rubrik „Sonstiges“ (immerhin 25,3 Prozent) fallen all die Befragten, die zuvor noch in anderen als den hier konkret aufgeführten Jobs tätig waren. Einige davon besitzen fast gar keine Affinität zum gegenwärtigen Beruf. So betreiben auch ehemalige „Bankkaufmänner“, Versicherungsvertreter“, „Lehrer“, „Justitiare“, „Polizisten“ und „Museologen“ Sport-PR. Ein Quereinstieg aus diversen Berufsrichtungen ist also durchaus möglich. Ob dies jedoch auch in Zukunft noch so sein wird, darf angesichts zunehmender Professionalisierungstendenzen durchaus bezweifelt werden. Die weitere Akademisierung der PR-Branche im Allgemeinen und die Etablierung entsprechender Studienangebote (vgl. Bentele, G., Großkurth, L., Seidenglanz, R. 2009, S. 59) wird für Fachfremde den Einstieg in die Sport-PR künftig deutlich schwerer machen.

Kein Pflichtstudium

Die Akademisierung des Berufsfeldes Sport-PR fällt zwar im Vergleich zur PR im Allgemeinen (vgl. Bentele, G., Großkurth, L., Seidenglanz, R. 2009, S. 59) geringer aus. Trotzdem haben immerhin 61,8 Prozent der Sport-Pressesprecher ein Studium abgeschlossen. 2,8 Prozent sind zusätzlich promoviert. 15,7 Prozent brachen ihr Studium ab. 12,4 Prozent schafften den Sprung in die Sport-PR-Branche mit dem Abitur als letztem Bildungsabschluss. Immerhin 7,3 Prozent verfügen nur über einen Haupt- oder Realschulabschluss.

Bei den 143 Befragten, die ein Studium absolvierten, wählten die meisten das Fach Sportwissenschaft (27,9 Prozent), vor den Wirtschaftswissenschaften (14,6 Prozent) und der Kommunikationswissenschaft bzw. Journalistik (13,9 Prozent). Ein spezielles Public-Relations-Studium spielt für eine Karriere in der Sport-PR bisher kaum eine Rolle (2,1 Prozent).
Insgesamt wurden 30 verschiedene Studiengänge angegeben. Dieses recht breite Spektrum ist ein Beleg dafür, dass das Berufsfeld Sport-PR immer noch relativ wenige Konturen besitzt. Im Unterschied zu anderen Professionen kann bisher nicht klar abgegrenzt werden, welcher Studiengang wohl die sinnvollste Vorbereitung darstellt.

Auch bei der Frage, ob überhaupt studiert werden soll, sind sich die amtierenden Sport-Pressesprecher keineswegs einig. 28,7 Prozent halten ein Hochschulstudium für obligatorisch, 57,3 Prozent nicht; 14,0 Prozent haben dazu keine Meinung.

Viel Arbeit, wenig Geld

Die Möglichkeiten für professionelle PR hängen ganz wesentlich von den vorhandenen personellen Ressourcen ab (vgl. Bentele, G., Großkurth, L., Seidenglanz, R. 2009, S. 45). Überraschend ist, dass nur etwas mehr als die Hälfte aller Sport-Pressesprecher (54,5 Prozent) eine Festanstellung besitzt. Demgegenüber steht ein unerwartet hoher Anteil an freien (30,7 Prozent) oder sogar nur ehrenamtlichen Mitarbeitern (14,9 Prozent). Ein so hohes Aufkommen an „Freelancern“ und „Volunteers“ in der Funktion des Leiters einer PR-Abteilung deutet an, dass der Professionalisierungsgrad innerhalb der Sport-PR ziemlich gering ausfällt – zumindest bei vielen Vereinen und Verbänden.

Dieser Eindruck erhärtet sich beim Blick auf die Personaldecke: fast ein Drittel aller Sport-Pressesprecher verfügt weder über feste noch freie Mitarbeiter, ist also komplett auf sich allein gestellt. In weiteren 40 Prozent der Fälle hatten die Befragten einen oder zwei Kollegen.

Die erste Konsequenz einer solch defizitären Mitarbeiterausstattung heißt Mehrarbeit. Zwei Drittel aller Sport-Pressesprecher müssen regelmäßig Überstunden machen. Im Schnitt fallen in den Abteilungen rund 13 Stunden Zusatzarbeit pro Woche an.

Trotzdem sind die Verdienstmöglichkeiten eher niedrig und wenig zeitgemäß. Rund 15 Prozent der Befragten bekommt weniger als 2.000 Euro brutto im Monat. Ein Drittel erhält zwischen 2.001 und 4.000 Euro. Fast 14 Prozent liegt zwischen 4.001 und 6.000 Euro. Nur acht Prozent bringt es auf mehr als 6.000 Euro. Die übrigen 30 Prozent arbeiten auf Honorarbasis oder ehrenamtlich ohne Bezüge.

Wenige (Quoten-)Frauen

Jenseits aller nationalen Diskussionen um gesetzlich fixierte Frauenquoten in Führungsposition zeigt die Studie: Sport-PR ist klar männerdominiert. Nicht einmal ein Fünftel der Befragten ist weiblich. Im Vergleich zum Sportjournalismus ist aber eine Quote von 17,4 Prozent Sport-Pressesprecherinnen relativ hoch, denn im Verband Deutscher Sportjournalisten liegt aktuell der Anteil weiblicher Mitglieder bei nur 10,8 Prozent.

Fazit

Die Einsicht, dass eine sich dynamisch ausdifferenzierende Kommunikationsgesellschaft auch gut ausgebildete und angemessen bezahlte Kommunikationsmanager benötigt, hat sich längst noch nicht bei allen Sportorganisationen durchgesetzt. Das facettenreiche und anspruchsvolle Berufsfeld ist oftmals weder personell adäquat aufgestellt noch finanziell angemessen ausgestattet. Sport-PR ist eine „One-Man-Show“! Nicht immer, aber doch unerwartet oft!

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

 

Autor_SchaffrathDer Autor Prof. Dr. Michael Schaffrath ist Leiter des neu gegründeten Arbeitsbereichs Medien und Kommunikation an der Sportfakultät der TU München. Vorherige wissenschaftliche Stationen: Deutsche Sporthochschule Köln, TU Dresden sowie die Universitäten in Lüneburg, Gießen und Koblenz-Landau. Schaffrath ist Herausgeber der Schriftenreihe „Sportpublizistik“ sowie der Sammelbände „Sport-PR und PR im Sport“ und „Traumberuf Sportjournalismus“. Er ist Autor von zehn Fachbüchern und zahlreicher Aufsätze zu Themen der Sportkommunikation.
Kontakt: michael.schaffrath@tum.de

 

Literatur:

Bentele, G. (1994): Zukunftsperspektiven für Public Relations. In: Schulze-Fürstenow, G., Martini, B.-J.: Handbuch PR: Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikationsmanagement in Wirtschaft, Verbänden, Behörden. Neuwied: Luchterhand; Loseblattsammlung, S. 1-33.

Bentele, G., Großkurth, L., Seidenglanz, R. (2009): Profession Pressesprecher 2009. Vermessung eines Berufsstandes. Berlin: Helios Media

Luhmann, N. (1996): Die Realität der Massenmedien. 2. Aufl. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Novak, M. (2012): Vom Einzelkämpfer zum Full-Media-House, in: Bundesliga. Das offizielle Magazin, Nr. 5/2012, S. 30-35.

Schaffrath, M. (2009): Vermittelnd drin statt nur dabei, in: Schaffrath, M. (Hrsg.): Sport-PR und PR im Sport. Arbeitsweisen und Anforderungsprofile von Öffentlichkeitsarbeit in verschiedenen Berufsfeldern. Berlin, Münster: LIT Verlag, S. 5-28.

Schaffrath, M. (2012): Sport-PR als Beruf. Empirische Studie zum Aufgaben- und Anforderungsprofil von Pressesprechern im Sport. Berlin, Münster: LIT Verlag.

Wienand E. (2003): Public Relations als Beruf. Kritische Analyse eines aufstrebenden Kommunikationsberufes. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Kommentare sind geschlossen.