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Reisejournalismus: Unterwegs mit dem Running Concierge

Reisejournalistin Françoise Hauser berichtet im Fachjournalist-Interview über ihr Metier

Reisejournalist – das ist für viele ein Traumberuf. Man denkt an Urlaub, exotische Länder und traumhafte Strände. Doch was steckt wirklich dahinter? Und: Wie sieht der Arbeitsalltag eines Reisejournalisten aus? Wir sprachen mit einer, die es wissen muss, denn Françoise Hauser gehört zu den Routiniers unter Deutschlands Reisejournalisten. Seit 14 Jahren beschreibt sie uns die Welt – vor allem die der Japaner und Chinesen. Dem Fachjournalist erklärt sie, warum ihr Geschäftsmodell wie ein Kreislauf funktioniert und der eigene E-Mail-Verkehr eine lohnenswerte Story sein kann.

Frau Hauser, geben Sie uns bitte mal ein Bild: Wie arbeitet ein Reisejournalist?

Jeder hat eine andere Methode. Wenn ich im Ausland unterwegs bin, verbringe ich viel Zeit draußen, versuche möglichst viel zu sehen und zu erleben, ich gönne mir relativ wenige Ruhepausen. Es gibt sicher auch andere, die das etwas ruhiger angehen und damit besser fahren. Es gibt keinen goldenen Weg, wie man eine fremde Kultur erfasst.

Laut der Karriereplattform Xing waren Sie lange in der Touristik tätig, erst 2000 sind Sie in den Journalismus gewechselt. Wie kam es dazu?

Nach meinem  Sinologie-Studium habe ich einige Jahre bei einem chinesischen Reiseveranstalter gearbeitet und nebenher erste Artikel für die Zeitschrift „touristik aktuell“ geschrieben. Das hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und in einen regelrechten Job verwandelt. In den ersten Jahren der Selbständigkeit hatte ich allerdings noch einen Teilzeitjob der Marke „ich war jung und brauchte das Geld“ …

Oha …

… ich habe im technischen Support einer großen IT-Firma gearbeitet. Das war eine anstrengende Zeit. Ich habe viel geschrieben, brauchte aber noch diesen Brotjob.

Inzwischen sind Sie eine renommierte Reisejournalistin und haben mehr als 20 Bücher veröffentlicht. Wahrscheinlich bringen Ihre Bücher am meisten ein, oder?

Nein. Die Bücher machen vielleicht zehn Prozent meiner Einnahmen aus, nur die wenigsten Autoren verdienen mit Büchern wirklich Geld. Der Rest teilt sich auf Artikel und meine Dozentenjobs auf; Letztere steuern derzeit rund 20 Prozent zum Einkommen bei. Das schwankt  von Jahr zu Jahr erheblich, je nach Auftragslage. Aber alle drei Bereiche funktionieren wie ein Kreislauf, so würde ich mein Geschäftsmodell beschreiben.

Wie bitte funktioniert dieser „Kreislauf“?

Die Reiseführer und Sachbücher verleihen mir eine gewisse „greifbare“ und langlebige Expertise. Wer eine Autorin oder Dozentin, sagen wir zum Reiseland China, sucht, stößt beim Googeln daher automatisch auf meinen Namen. Per Daumenkino kann jeder feststellen, ob ihm mein Stil gefällt. Zudem lässt sich über ein Buch die Breite und Tiefe des Fachwissens zu einem Land am überzeugendsten abbilden. So ergeben sich Aufträge als Journalistin und Dozentin. Diese unterstützen wiederum meine Glaubwürdigkeit als Autorin. Alle drei Elemente bedingen sich also gegenseitig.

Also sind Bücher für Reisejournalisten eine wichtige Ressource. Wie entwickelt man die?

Klassische Reiseführer, wie anfangs, schreibe ich nicht mehr. Ein ganzes Land zu beschreiben samt Vor-Ort-Tipps ist aufwendig, wird aber in der Reiseliteratur am schlechtesten bezahlt. Und die Arbeit ist undankbar, es ergeben sich ständig Änderungen. Es ist unglaublich, wie viele seltsame Leserbriefe man als Reiseführer-Autorin bekommt! Mein Schwerpunkt sind inzwischen unterhaltende Sachbücher wie „In 80 Fettnäpfchen um die Welt“. Selbstgewählte Themen umzusetzen ist definitiv erfüllender.

Wie lange arbeiten Sie im Schnitt für ein Reisebuch?

Normalerweise schreibe ich ein halbes bis ein Jahr an einem Buch, manchmal auch länger. Das passiert neben der regulären Arbeit, erfordert aber viel Disziplin. Sich abends ab und zu bei einem Glas Wein hinzusetzen, reicht nicht; man braucht Sitzfleisch und viel Konzentration, um ein Buch zu schreiben. Viele Anfänger unterschätzen den Aufwand und  scheitern  daran.

Sind Sie schon mal mit einem Projekt gescheitert?

Nicht wirklich gescheitert, aber natürlich läuft nicht immer alles so glatt, wie ich es mir wünsche. Meiner Erfahrung nach wird es schwierig, wenn man sein angestammtes Terrain verlässt. Nach meiner Ecuador-Reise fiel es mir vergleichsweise schwer, meine Ecuador-Texte zu verkaufen, weil ich nicht für Südamerika bekannt bin. Man kennt mich eher als die „Asien-Hauser“. Es war zäh, Veröffentlichungsmöglichkeiten zu finden, sodass es sich am Ende kaum gelohnt hat.

Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrung – haben Sie generelle Tipps für Reisejournalisten?

Um nochmals auf Reisebücher zurückzukommen: Hier zahlt es sich aus, mit einem Agenten zu arbeiten. So finden die Exposés den Weg auf den richtigen Schreibtisch und die Verträge werden professioneller gestaltet. Das heißt beispielsweise, man kommt auch mal in einen Bereich, wo ein Vorschuss gezahlt wird. Ein Agent sagt einem auch mal rechtzeitig: „Das ist eine Schnapsidee, das kriegen wir nie verkauft.“ Und bei seriösen Vertretern ihrer Zunft zahlt man nur eine Erfolgsprovision. Wenn sich das Buch nicht gut verkauft, bekommt auch der Agent nichts.

Der zweite Tipp betrifft die Reisekosten. Es kann sinnvoll sein, sich bei Fremdenverkehrsämtern, Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften vorzustellen und sich nach Unterstützungsmöglichkeiten zu erkundigen. Das klappt allerdings nur, wenn das Konzept Hand und Fuß hat und man sich bereits einen Namen erschrieben hat. Nicht zuletzt muss die Region natürlich auch ein Interesse an touristischer Berichterstattung haben.

Was ist für Sie generell „Best Practice“ beim Schreiben von Reisetexten?

Eine Geschichte mit einem Überraschungsmoment erzählen. Ich habe beispielsweise über einen „Running Concierge“ in Shanghai geschrieben. Das war der Mitarbeiter eines Hotels, dessen Aufgabe es war, joggende Gäste auf dem Bund (Anm. d. Red.: weitläufige Uferpromenade Shanghais) zu begleiten und darauf zu achten, dass sie unterwegs nicht verloren gehen. Früh morgens joggend erlebt man die Stadt natürlich ganz anders. Das war eine nette Geschichte, die sich gut verkauft hat.

Haben Sie journalistische Vorbilder?

Ganz klar Andreas Altmann und Bill Bryson. Bryson beschreibt die kulturellen Eigenheiten sehr humorvoll, ohne dass daraus Klamauk wird. Altmann ist ein unglaublich genauer Beobachter der Menschen und er formuliert sehr präzise, manchmal fast schon gnadenlos.

Viele andere Reise-Autoren schreiben eher über sich selbst. Diese Selbstbeweihräucherung ist langweilig. Es interessiert nicht wirklich, was der Schreiber in China macht – der Leser will die Chinesen und ihren Alltag besser verstehen! Letztlich ist der Schreiber nur die Brille, durch die der Leser die Welt erlebt.

Gut zu schreiben ist das eine. Seine Texte mehrfach zu verwerten, ist ebenso wichtig für freie Journalisten. Wie funktioniert das im Reisejournalismus?

Man braucht Ideen, die sich öfter verwerten lassen. Ein konkretes Beispiel: Über meine Arbeit pflege ich E-Mail-Kontakt mit Menschen aus aller Welt. Daraus habe ich ein Stück über die verschiedenen E-Mail-Stile gemacht, die weltweit gepflegt werden. Diesen Text konnte ich sehr gut verkaufen. Reisemagazine haben ihn genommen, aber er lief auch in ähnlicher Form in einem Magazin für Personalmanagement, einer Zeitschrift für Bürokommunikation und bei Monster.de, weil das Thema „moderne Kommunikation über interkulturelle Grenzen hinweg“ sehr universell ist.

Was würden Sie jungen Journalisten, die das gerade Beschriebene reizt, empfehlen?

Neueinsteigern kann ich raten, sich nicht nur auf Reisejournalismus zu spezialiseren. Hier tummeln sich zu viele Amateure, die ihre Texte gratis anbieten, das drückt die Preise.

Man muss sich zusätzliche Standbeine aufbauen. Das können weitere Themenfelder sein oder eben Vorträge und Ähnliches. Bei mir sind es beispielsweise interkulturelle und journalistische Seminare. Der Besuch der Touristikmesse ITB in Berlin ist für Reisejournalisten ein Muss, um mit den Fachleuten aus der Branche ins Gespräch zu kommen. Ein Vorteil des Reisejournalismus ist der durchweg angenehme Umgangston, das macht es vielleicht Neueinsteigern leichter, gerade auf Messen, Kontakte zu knüpfen. Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist die Vereinigung deutscher Reisejournalisten, in der auch ich Mitglied bin und die Fremdenverkehrsämter.

Was sind gängige Anfängerfehler in Sachen Reisejournalismus?

Einige vergessen am Anfang, den Kunden im Blick zu haben. Man muss nicht auf den höchsten Gipfel von Papua-Neuguinea, weil da gar nicht so viele Touristen hin wollen. Es geht darum, dem Altbekannten etwas Neues abzugewinnen. Das geht meistens nur über Sachkenntnis. Das Bild vom rasenden Reporter rund um die Welt stimmt somit nicht. Es hilft, wenn man sich in einer Region besonders gut auskennt, die passenden Sprachkenntnisse mitbringt. Es ist ja kein Zufall, dass ich als Sinologin viel über Ostasien schreibe. Viele denken, man erlebt jeden Tag Neues und Spannendes und muss davon berichten. Ich meine, es ist eher die Kunst, viel über ein Land zu wissen und darüber  unbekannte Details zu entdecken. Hätten Sie gewusst, dass Tiger auf einer chinesischen Speisekarte für Katze steht?

Zum Abschluss: Wie sollte ein Neuling seine Texte an den Mann bringen?

Anfangs kommt man meist nicht drum herum, fertige Text anzubieten, die Abnehmer wollen schließlich wissen, ob ihnen Stil und Inhalt gefallen. Später reicht meist ein Anruf in der Redaktion. Je sachkundiger und besser geschrieben der Text ist, desto eher wird er gekauft. Außerdem schadet es nicht, wenn man seine Texte auch anständig in Druckqualität bebildern kann. Viele Anfänger unterschätzen allerdings die Macht der Kontakte: Wer sich auf Messen und Fachveranstaltungen vorstellt, tut sich später leichter, auch auf dem richtigen Schreibtisch zu landen.

Frau Hauser, vielen Dank für das Gespräch.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

HauserFrançoise Hauser hat Sinologie, Geographie und Angewandte Sprachwissenschaft studiert und schreibt als freie Journalistin seit vielen Jahren regelmäßig für diverse Magazine und Zeitungen, unter anderem für „Business Traveller“, „Welt“, „Spiegel Online“, „Focus Online“ sowie zahlreiche Fach- und Reisezeitschriften. Zudem ist sie regelmäßig als Dozentin für journalistische und interkulturelle Themen tätig, u. a. an der Donau Universität Krems, Österreich, und der Burda Journalistenschule. Für das Deutsche Journalistenkolleg hat sie den Studienbrief „Reisejournalismus“ verfasst. Françoise Hauser hat mehr als 20 Bücher zum Thema Asien und Humor veröffentlicht. Auch heute ist sie noch regelmäßig in Asien unterwegs. Als zweites Standbein schreibt sie viel über berufliche Themen und berichtet in ihrer monatlichen Glosse „Personalspitzen“ auf Monster.de aus der Welt der Bewerbungen.

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