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Ressort Wirtschaft & Finanzen: „Guter Journalismus muss informieren und inspirieren“

Interview mit dem freien Wirtschaftsjournalisten Daniel Schönwitz

Mit Themen wie Bitcoin und Börse kennt er sich bestens aus. Wirtschaftsjournalist Daniel Schönwitz (40) schreibt für Publikationen wie das „Manager Magazin“, die „ZEIT“, die „WirtschaftsWoche“ und „impulse“. Daneben spricht er auf Kongressen und Veranstaltungen wie dem „Deutschen Aufsichtsratstag“ und coacht als Schreibtrainer Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und PR-Berater. Wir wollten von ihm wissen, was ihn an Wirtschaft reizt, wo die Herausforderungen dieses Ressorts liegen und was er jungen Kollegen mit auf den Weg geben würde.

War Dagobert Duck Ihr Idol, als Sie ein Junge waren?

Nein, ich habe eher für den Fußballspieler Pierre Littbarski geschwärmt. Ich bin kein stark finanziell getriebener Mensch. In meinem Berufsleben ist Geld natürlich ein wichtiger Faktor – aber für mich persönlich ist es eher ein Mittel zum Zweck.

Was reizt Sie an Ihrem Ressort, der Wirtschaft? 

Die Beschäftigung mit Wirtschaftsthemen ist für mich intellektuell herausfordernd: Wirtschaft betrifft alle Bereiche unseres Lebens; sie ist die Grundlage unseres Wohlstandes und hat ganz viele politische und gesellschaftliche Implikationen. Durch die Ökonomisierung des Alltags sind Wirtschaftsjournalisten bei den Redaktionen gefragt.

Einerseits beeinflussen politische Entscheidungen die wirtschaftliche Entwicklung, andererseits wirken große Konzerne auch auf die Politik ein. Wie politisch muss man als Wirtschaftsjournalist sein?

Ich würde mich durchaus als politischen Menschen sehen. Natürlich braucht man als Wirtschaftsjournalist Kompetenzen im Bereich der Wirtschaft. Darüber hinaus aber auch ein politisches Denken, einen gesellschaftlichen Horizont, um Dinge einordnen zu können. Sonst verbleibt man in einer Binnenperspektive, à la „Wie ist die Börse heute gelaufen?“. Ich bin Volkswirt, schaue gerne über den Tellerrand und habe ein gesundes Halbwissen in vielen Bereichen.

Wo liegen die Herausforderungen für einen Wirtschaftsjournalisten im Allgemeinen und dann noch mal im Speziellen für einen freien Wirtschaftsjournalisten?

Die Herausforderung liegt darin, nicht im eigenen Saft zu schmoren: nicht quasi von Experte zu Experte in einem Fachjargon zu schreiben. Sondern Dinge so zu erklären, dass interessierte Laien sie verstehen. Mein Ziel ist, sie an das Thema Wirtschaft heranzuführen und am Ende des Tages zu Lesern zu machen. Dazu muss ich natürlich verständlich und lesenswert schreiben. Das habe ich schon begriffen, als ich bei der „WirtschaftsWoche“ für den Bereich Steuern und Recht zuständig war. Das sind Themen, die jeden von uns betreffen – also muss sie auch jeder mithilfe meiner Artikel verstehen können. Guter Journalismus, das ist mein Wahlspruch, muss informieren und inspirieren.

Freie Journalisten jedweder Couleur sollten engen Kontakt in die Redaktionen pflegen und regelmäßig Themen vorschlagen, um zu zeigen: Ich bin noch da! Obwohl sie außen stehen, müssen sie für die Redaktionen mitdenken, ein Gespür dafür haben, wie diese ticken, was für Themen sie brauchen. In den sechs Jahren als Redakteur in der Verlagsgruppe Handelsblatt habe ich etliche Leute kennengelernt, habe noch heute private Verbindungen zu einigen fest angestellten Journalisten.

Eine meinem Fachbereich, dem Interviewen von Prominenten, geschuldete Frage: Welchen Anteil an Ihrer Arbeit hat die Berichterstattung über Persönlichkeiten aus der Wirtschaft?

Einen immer größeren. Ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, dem Leser die handelnden Personen vorzustellen, damit das Thema Wirtschaft nicht so abstrakt bleibt. Genauso wie ich die Bedeutung von wirtschaftlichen Prozessen auf den einzelnen Menschen aufzeigen möchte, und diese kritisch aus der Perspektive der Verbraucher hinterfrage.

Wo sehen Sie Ihre Verantwortung als Wirtschaftsjournalist? 

Unabdingbar ist es für mich, meine Leser korrekt zu informieren – gerade vor dem Hintergrund der Fake-News-Debatte. Die Fakten müssen stimmen! Dazu kommt vor allem Unabhängigkeit. Speziell in Magazin-Geschichten, in dem man tendenziös werden könnte, sollte man darauf achten, ausgewogen zu berichten. Das heißt nicht, dass man keine klaren Thesen entwickeln kann. Man muss sie allerdings gut begründen und auch Gegenstimmen zu Wort kommen lassen. Wir dürfen den Versuchen, den seriösen Journalismus zu diskreditieren, keine Angriffsfläche bieten!

Davon abgesehen: Als Journalist unabhängig von Unternehmen und Parteien zu sein ist für mich eine Haltungsfrage. Je länger man bei Firmenchefs zu Besuch ist, nur noch in Berliner Politkreisen – im Zentrum der Macht – oder in der Finanzbranche verkehrt, je dichter man an Bankern und Fondsmanagern dran ist, desto eher nähert man sich irgendwann deren Perspektive an. Also gilt: eine gewisse Distanz wahren, sich nicht vereinnahmen lassen. Das kann eine Herausforderung sein, zum Beispiel wenn man ständig  zum Business-Lunch eingeladen wird. Exklusive Fernreisen oder Autotests in Monaco hingegen, die Journalisten gewogen machen sollen, sind nach meinem Gefühl sowieso nicht mehr so ein Thema.

Immer mehr Medien haben mittlerweile ein eigenes Investigativ-Team. Wie wichtig sind investigative Recherchen für Sie?

Investigativ zu arbeiten – diese Aufgabe sehe ich eher innerhalb der Redaktionen. Denn solche Geschichten sind schwer planbar und mit einem hohen Zeitaufwand verbunden, der sich meist nicht in der Honorierung niederschlägt. Und man braucht dabei starken Rückhalt von der Rechtsabteilung, weil man naturgemäß jemandem auf die Füße tritt und die Urteile der Gerichte nicht immer nachvollziehbar ausfallen. Da muss man als freier Journalist aus reinem Selbstschutz eine gewisse Vorsicht walten lassen. Ich versuche allerdings, ungefähr einmal im Jahr investigativ zu recherchieren.

Sie sind seit 2010 selbstständig, wurden 2009 bei der Wahl zum Wirtschaftsjournalisten des Jahres als Mitglied eines Autorenteams der WirtschaftsWoche auf Platz 3 gewählt. Was würden Sie jungen Kollegen raten, die erst noch Fuß fassen wollen in Ihrem Ressort? Sollten sie sich spezialisieren?

Ich habe mich anfangs klar gelabelt als jemand, der Steuer- und Rechtsthemen bearbeitet. Mein Themenspektrum hat sich mittlerweile zwar erweitert, aber im Grunde stehe ich immer noch dafür. Als freier Journalist ist eine Spezialisierung sehr hilfreich. Denn so komplex, wie die Wirtschaft heute ist, kann man gar nicht in jedem Wirtschaftsbereich gleich versiert sein. Es kann also auch nicht jeder jedes Thema abdecken – infolgedessen beauftragen Redaktionen freie Journalisten am liebsten mit Geschichten aus deren Spezialgebieten.

Dennoch: Zu früh würde ich mich nicht auf einen Bereich festlegen, sondern mir erst relativ breit Wissen aneignen. Jungen Kollegen empfehle ich immer den Weg über die Festanstellung in einer Redaktion. So kann man Erfahrung sammeln, Kontakte knüpfen und sich ein Netzwerk aufbauen. Ich habe in diesen Lehrjahren viel von älteren Kollegen gelernt. Wenn ein junger Journalist nun aber eine tolle Idee für ein neues digitales Geschäftsmodell hat, soll er es um Gottes Willen nicht meiner Worte wegen sein lassen, sich damit selbstständig zu machen …

Welche Eigenschaften braucht man idealerweise als Wirtschaftsjournalist? Was hat Ihnen zu Ihrer Reputation verholfen? 

Die Kollegen wissen, dass ich komplexe rechtliche und finanzielle bzw. wirtschaftliche Sachverhalte allgemeinverständlich erklären kann – und optimalerweise so, dass der Leser Spaß hat bei der Lektüre. 

Sie sind nicht nur als schreibender Kollege unterwegs, sondern halten auch Vorträge oder arbeiten als Coach. Wie würden Sie Ihr Geschäftsmodell beschreiben? 

Im Kern bin ich ein klassischer Magazin-Journalist – und das mache ich mit großer Leidenschaft. Ich schreibe nicht so tagesaktuell, sondern beleuchte die Hintergründe und benenne Trends. Parallel zu meiner journalistischen Tätigkeit arbeite ich – wenn keine Interessenkonflikte entstehen – auch für Kunden außerhalb der Medienbranche.

Ich habe mir neben dem Magazin-Journalismus zwei weitere Standbeine geschaffen: Erstens die redaktionelle Betreuung und/oder Konzeption von Newslettern, Broschüren und Blogs. Beispielsweise bin ich freiberuflicher Chefredakteur der „BoardNews“, einem Newsletter für Aufsichtsräte. Und zweitens Moderationen von Events und Schreibtrainings für Juristen, Wirtschaftsprüfer und PR-Berater. In meinen Schreibtrainings lernen die Teilnehmer, verständlich, pointiert und lebendig zu schreiben – auch über komplexe Themen.

Sie werden regelmäßig zu Vorträgen über den Medienwandel eingeladen …

… ein Thema, das mich naturgemäß sehr beschäftigt. Das Vertrauen der Bürger in uns Journalisten sinkt; wir werden sehr kritisch gesehen. Die Redaktionen schrumpfen zusammen; das geht natürlich vielerorts mit einem gewissen Qualitätsverlust einher.

Ein zentraler Kritikpunkt lautet: „Ihr macht zu viel Meinung, präsentiert zu wenig Fakten.“ Ich werbe da um Verständnis: Nur Fakten abzudrucken, das reicht nicht mehr – die stehen schon im Netz. Wir Wirtschaftsjournalisten haben dabei eine große Aufgabe: Einerseits leben wir, wirtschaftlich gesehen, in der besten Phase, die wir jemals hatten. Andererseits spüren die Leser durch Globalisierung und Digitalisierung eine große Unsicherheit. Sie haben die Erwartung, dass ihnen die Zusammenhänge erklärt werden. Und dafür sind etablierte Medien und erfahrene freie Fachjournalisten die Richtigen.

Herr Schönwitz, vielen Dank für das Gespräch.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Daniel_SchönwitzDaniel Schönwitz (danielschoenwitz.de), geboren 1977 in Bobingen, arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist für renommierte Wirtschaftsmedien wie „Manager Magazin“, „impulse“ oder „WirtschaftsWoche“. Der Diplom-Volkswirt absolvierte die Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten (mit Stationen bei „Handelsblatt“, „WirtschaftsWoche“, „Euro“, „ZDF“, „Manager Magazin“) und wurde mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet. 2010 machte er sich mit einem Redaktionsbüro in Düsseldorf selbstständig. Er begeistert sich für Wirtschafts-, Polit- und Finanzthemen, wobei Corporate Governance, die Digitalisierung und der globale Steuerwettbewerb besondere Schwerpunkte bilden. Für seine Kunden beleuchtet er aktuelle Trends – am liebsten in Magazingeschichten oder Reportagen. Neben seiner journalistischen Tätigkeit arbeitet er als Schreibtrainer für Juristen, PR-Berater und andere Berufsgruppen.

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