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Rezension von „Grenzüberschreitender Journalismus“: Gemeinsamkeit statt Konkurrenz

Einführung, Überblick und Tipps für den Cross-Border-Journalismus – dies leistet Brigitte Alfter mit ihrem Band „Grenzüberschreitender Journalismus. Handbuch zum Cross-Border-Journalismus“. Fallbeispiele zeigen notwendige Arbeits- und Recherchemethoden auf.

Steueroasen, Agrarsubventionen, Tabakschmuggel, Flüchtlingsströme, internationale Handelsabkommen: Eine Menge politischer und gesellschaftlicher Themen sind international, während Zeitungen, TV und Radio sowie die Erwartungshaltung des Publikums national geblieben sind. Diesem Problem versuchen Journalisten mit Cross-Border-Journalismus zu begegnen.

Stark vereinfacht lässt sich dieser als „Arbeit an komplexen, vielfach Korruption beinhaltenden internationalen Themen“ definieren, wie dies die deutsch-dänische Journalistin Brigitte Alfter in ihrem 204 Seiten umfassenden „Handbuch zum Cross-Border-Journalismus“ aufzeigt. Es besteht aus sieben Kapiteln (Kontext und Konturen des Cross-Border-Journalismus – Intensive oder lockere Zusammenarbeit? –  Ideen, Planung, Start – Arbeit im internationalen Team – Die ersten Schritte und die Recherche – Die Veröffentlichung –  Aufarbeitung), die allesamt um Fallstudien oder einmal mit einem Experteninterview sowie einem Literaturverzeichnis ergänzt werden. Laut Alfter hat der Cross-Border-Journalismus vier Hauptkennzeichen: „Journalisten aus verschiedenen Ländern recherchieren gemeinsam ein Thema, das in all ihren Ländern Aktualität hat. Sie sammeln und teilen Informationen und Dokumentationen, die sie gegenseitig kontrollieren und ergänzen, um das Ergebnis ihrer jeweiligen regionalen oder nationalen sowie vielleicht internationalen Zielgruppe zu vermitteln.“

Voraussetzung und Methoden des Cross-Border-Journalismus

Da stellen sich viele Fragen. Etwa: Welche Methoden müssen teilnehmende Journalisten beherrschen? Wie vermeidet man Probleme innerhalb des Rechercheteams? Anhand von sechs Fallstudien (ergänzt durch Interviews mit Beteiligten) nennt die Autorin und erfahrene Cross-Border-Journalistin Alfter die zu erfüllenden Voraussetzungen: „Ein grundlegendes Verständnis dieser Netzwerkstrukturen ist für die Praktiker des Cross-Border-Journalismus hilfreich.“  Eine Spielregel des Netzwerkens ist „geben, um zu nehmen“ – will heißen: Gemeinsamkeit statt Konkurrenz.

Drei Ratschläge erhält der Leser – Zielgruppe des Bandes sind Auszubildende, Journalisten und an der Cross-Border-Methode Interessierte – vom niederländisch-belgisch-dänischen Autorenteam Marlen Teugels, Joop Bouma und Brigitte Alfter: Das richtige Team wählen (ohne Grundvertrauen treten schnell Missverständnisse und Uneinigkeiten auf), für gute Kommunikation sorgen und daran denken, dass viele von den Teilnehmern in kleinen Ländern arbeiten. Die Kommunikationswerkzeuge sollten so einfach wie möglich sein; alle Teams sollten sich mit den gewählten Werkzeugen wohl fühlen; die Werkzeuge müssen der jeweiligen Recherche angepasst sein. Das gilt nicht zuletzt hinsichtlich Fragen der Sicherheit, aber auch Fragen der Form und der Formate der Kommunikation.

Eine Rollenverteilung (Wer soll wofür zuständig sein? Gibt es so viele verschiedene Teile der Recherche, dass es einzelner Koordination bedarf?) kann späteren Problemen vorbeugen: Wer hat wo Kompetenzen und kann wo eingesetzt werden? Beispiel Datenanalyse bei europäischen Agrarsubventionsdaten: Nicht jeder kann Datensätze analysieren – zumal der Zugang zu öffentlichen Daten von Land zu Land stark variiert. Wie sieht der Zeitplan aus? Ist ein gemeinsamer Artikel oder sind nationale Artikel geplant? Wer kontrolliert Fakten, wer redigiert? Ist dazu ein Medienjurist nötig? Wer kümmert sich um Fundraising?

Interkulturelle Unterschiede

Es gilt auch unterschiedliche journalistische Traditionen zu beachten: „Der Reporter-Journalist in den angelsächsischen Traditionen sieht sich als Vertreter der Bürger, Leser, Hörer, Zuschauer, und gemeinsam mit diesen steht er in einem Gegensatz zu gesellschaftlich-politischen Eliten, die es kritisch zu betrachten und gegebenenfalls bloßzustellen gilt, während der Publizist-Journalist der deutsch-kontinentaleuropäischen Tradition ein integrierter Teil der Gesellschaft und des politischen Lebens ist. Er sieht seine Aufgabe eher darin, öffentliche Debatten anzustoßen, um Lösungen für die gesamte Gesellschaft zu finden, unter anderem – aber längst nicht nur – durch die Kritik von Eliten und Enthüllungsjournalismus“, so die zitierten dänischen Medienforscher Gitte Mayer und Anker Brink-Lund.

Fazit

Kein Zweifel, die Einführung ist übersichtlich und liefert einen gut strukturierten Überblick über den Cross-Border-Journalismus. Von großem Nutzwert sind für die Hauptzielgruppe Journalisten auch die Checklisten am Ende jeden Kapitels. Ein bisschen mehr hätte man gerne über die Finanzierung solcher Projekte erfahren. Werden da normale Löhne bezahlt und wie funktioniert die Bezahlung, vor allem wenn Stiftungen die Projekte finanzieren? Und: Könnte man das Konzept Cross-Border-Journalismus auch für kleine „Grenzregionen“ (etwa Baden-Württemberg und Deutschschweiz) nutzen?

Für ein Handbuch fehlt weiter ein Kapitel, das größere Zusammenhänge, „ein großes Bild“, thematisiert: Warum bewirken viele der Enthüllungen (Subventionen an große Landwirtschaftsbetriebe und Agrarkonzerne) nichts oder nur wenig? Was sich auch darin zeigt, dass immer wieder dieselben Skandale auftreten. Ein „großes Bild“ sollte auch Selbstkritik enthalten: Dem Rezensenten war beispielsweise während der vielen Artikel über die via Cross-Border-Journalismus bekannt gewordenen Fußball-Leaks häufig unklar, ob die Spielerberater und Spieler korrupt handeln oder nur die Gesetze ausnutzen.

Cross_Border_Journalismus_CoverAutorin: Brigitte Alfter

Titel: Grenzüberschreitender Journalismus. Handbuch zum Cross-Border-Journalismus

Preis: EUR 24,50

Umfang: 204 Seiten

Erscheinungsjahr: 04/2017, 1. Auflage

Verlag: Herbert von Halem Verlag

ISBN: 978-3-86962-232-3

 

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Manfred_WeiseDer Rezensent Manfred Weise, geboren 1955, ist Soziologe und Politikwissenschaftler. Er lebt in der Schweiz  und arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen wie die „Neue Zürcher Zeitung“ und das „St. Galler Tagblatt“. Als Fachjournalist ist er auf die Bereiche IT, Telekommunikation und Sport spezialisiert.

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