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So schreibt man Newsletter mit Nutzwert!

Profi-Tipps von Anne-Kathrin Gerstlauer.

Newsletter haben sich zu einem gängigen Marketinginstrument auch für Medienschaffende entwickelt – und werden sehr individuell gestaltet. Anne-Kathrin Gerstlauer betreibt mit „TextHacks – nie mehr mittelmäßige Texte ins Internet schreiben“ den größten Newsletter im Bereich Journalismus, PR und Marketing. Im Interview mit dem Fachjournalist gibt sie Tipps für das Aufsetzen und Schreiben von Newslettern.

Was machen Sie richtig? Warum wollen so viele Menschen Ihren Newsletter lesen?

Weil er sehr nutzwertig ist. Der knallharte Service steht für mich im Vordergrund. Meine Hacks präsentiere ich ohne Gelaber; ich versuche, mich sehr kurz zu halten, direkt auf den Punkt zu kommen. Außerdem: Ich halte nichts zurück, gebe mein ganzes Wissen weiter. Bei mir gibt es nicht „Und wenn du mehr wissen willst, buche meinen Online-Kurs!“ Die Leser:innen müssen etwas mitnehmen, wenn sie meinen Newsletter gelesen haben.

Ich bin auf einer sehr guten Welle geritten, war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und: Durch meine vorherigen Tätigkeiten als Chefredakteurin von watson.de und ZEIT Campus ONLINE hatte ich bereits eine gewisse Credibility mitgebracht. Ich gebe Tipps aus der Praxis.

Welches Ziel verfolgen Sie mit TextHacks?

Mir ging es darum, durch den Newsletter noch in andere Branchen als den Journalismus vorzustoßen. Auch Kund:innen aus Public Relations und Marketing zu gewinnen. Das hat sehr gut funktioniert.

Ich habe zwar über 6.000 Follower:innen auf LinkedIn, aber das bringt mir nicht so viel. Denn meine Posts werden längst nicht allen angezeigt, während TextHacks eine Öffnungsrate von 50 bis 75 Prozent hat. Und dadurch, dass Newsletter mundgerecht serviert direkt im Postfach der Leser:innen landen, sind sie einfach direkter und intimer. Ich habe mir eine sehr große Community aufgebaut. Mein Ziel waren 1.000 Subscriber – inzwischen sind es mehr als 9.000.

Ihre besten Tipps für jemanden, der neu einen Newsletter aufsetzen will?

Mache dir Gedanken über die folgenden Fragen:

  • Gibt es ein Thema, bei dem ich die Deutungshoheit habe?
  • Für wen möchte ich schreiben? Also: Wer ist meine Zielgruppe? Je nischiger das Thema, je klarer die Zielgruppe, desto besser!
  • Welches Problem haben diese Menschen?
  • Wie kann ich das lösen?
  • Welche Kategorien sollte mein Newsletter haben, wie sollte er aufgebaut sein?
  • Wie mache ich darauf aufmerksam, dass ich einen Newsletter herausgebe?
  • Und am wichtigsten, um zu wachsen: Warum sollten die Abonnent:innen meinen Newsletter an Freund:innen und Kolleg:innen weiterleiten? Viele Newsletter sind essaygelagert im besten Sinne. Aber damit ist es viel schwieriger, Reichweite aufzubauen, als mit einem serviceorientierten Newsletter wie meinem.

Wenn diese Fragen dann geklärt sind: Was sind die nächsten Schritte?

Entscheide dich schnell für das Tool, das dir am besten geeignet scheint, und mache dich sofort daran, die erste Folge zu schreiben und rauszuschicken. Einfach loslegen und am lebenden Objekt testen!

Klar ist sowieso, das hat mir Medien- und Digitalprofi Franziska Bluhm mit auf den Weg gegeben: Es werden nie so wenig Leute deinen Newsletter lesen wie den ersten.

Was gilt es beim Texte-Schreiben zu beachten?

  • Biete snackable Content. Bleibe bei einem Thema und fasse dich kurz. Überlege beim Überarbeiten bei jedem Wort: Kann ich das streichen? Wenn du zögerst: Sofort weg damit!
  • Überlege, wie du dein Thema strukturierst. Mache Unterpunkte, erstelle Listen, füge Zwischenüberschriften ein. Ich rate, immer mit den Zwischenüberschriften anzufangen, daran kann man sich beim Schreiben entlanghangeln.
  • Formuliere eine starke Betreffzeile – das ist einer der größten Hebel, ob die Mail geöffnet wird oder eben nicht.

Wie finde ich wirklich gute Themen für meinen Newsletter?

Indem ich aus der Perspektive der Zielgruppe denke, mich frage, was die Leser:innen interessiert, wie ich ihre Probleme lösen kann. Das ist ein guter Ansatz. Ich frage auch ChatGPT nach Themen.

Man kann sich übrigens durchaus auch mal selbst wiederholen. Das Gehirn braucht viele Wiederholungen, um etwas zu verinnerlichen – und nicht alle Leute haben alle meine Texte gelesen. Damit meine ich nicht, eine komplette Folge zu copypasten, sondern einen Unteraspekt daraus zu nehmen und das Thema in eine neue Form zu gießen.

Meine erfolgreichsten Folgen sind meine Best Ofs, zum Beispiel 50 Hacks für 5.000 Subscriber.

Wie oft sollte man einen Newsletter verschicken?

TextHacks gibt es einmal die Woche, montags, aber man muss schauen, ob man das in der Frequenz leisten kann. Alle zwei Wochen geht ansonsten auch. Eine gewisse Regelmäßigkeit ist auf jeden Fall sinnvoll.

Wie schaffe ich es, regelmäßig zu schreiben?

Was total dabei hilft, diszipliniert zu bleiben: sich einen Content-Plan zu erstellen für die nächsten Wochen. Ich habe im Augenblick eine Liste von 42 Themen.

Oft höre ich als Ausrede, jemand hätte keine Zeit für einen Newsletter. Die Frage ist doch eher: Wofür will ich meine Zeit einsetzen? Dabei ist entscheidend, was ich mit einem Newsletter bezwecke. Für eine Ausgabe von TextHacks benötige ich einen halben bis einen ganzen Tag. Als Freelancerin würde ich das unter Akquisezeit verbuchen. Der Newsletter ist mein Hauptprodukt, in das ich die meiste Zeit stecke. Dazu einen Post auf LinkedIn zu erstellen, kostet mich dann noch mal fünf Minuten.

Anfänger:innen würde ich den Tipp geben, sich zunächst auf eine Plattform zu konzentrieren, sich entweder auf Social Media zu stürzen oder einen Newsletter zu schreiben.

Wie gehen Sie vor?

Ich produziere auch mal drei Folgen am Stück. Immer, wenn ich spontan eine Idee habe, schreibe ich sie mir auf.

Manchmal setze ich mich für eine Stunde hin und suche nach Themen. Es kann sein, dass ich den Artikel dann erst Monate später ausformuliere. Aber dann mache ich das auch in einem Zug. Ich schreibe nicht erst Stichworte auf und lege sie dann wieder zur Seite, um später noch etwas zu recherchieren.

Sie haben für TextHacks die Auszeichnung „Die Goldenen Blogger 2023″ erhalten. Vom Blog zum Newsletter – ist das ein naheliegender Schritt?

Ich glaube, ja. Im Endeffekt ist mein Newsletter so aufgebaut, dass er auch ein Blog sein könnte. Auch der Inhalt ist relativ ähnlich.

Wie du Blog-Leser:innen zu Newsletter-Abonennt:innen machst? Weise in deinem Blog darauf hin. Füge weit oben auf der Seite einen Anmelde-Button ein und erwähne, was es am Ende des Tages bringt, den Newsletter zu abonnieren.

Wie lang sollte ein Newsletter sein?

Meiner Meinung nach so kurz wie möglich. Starte zumindest lieber mit einem kürzeren Format.

TextHacks hat eine Lesezeit von drei Minuten. Es sind 6.000 Zeichen, gut aufgeteilt in verschiedene Kategorien. Der Vorteil für die Leser:innen: Wenn sie ein Teil nicht interessiert, können sie auf den nächsten klicken.

Zur Gestaltung: Sollte der Newsletter nur Text enthalten oder wie eine Website gestaltet sein?

Das Auge braucht immer einen Anker. Daher musst du darauf achten, deinen Text abwechslungsreich zu gestalten und gerne noch Elemente reinzupacken wie Bilder. Erstelle außerdem Zwischenüberschriften, hebe ein Zitat heraus, gliedere den Text mit vielen Absätzen. Es darf keine Bleiwüste sein! Da viele auf dem Handy lesen, überprüfe das am besten auf dem Handyscreen.

Welche Technik eignet sich am besten?

Ich verschicke meinen Newsletter über das Tool Substack aus den USA. Da entstehen mir keine Kosten. Ich habe einige Paid Subscriber, an denen die Plattform mitverdient.

Wie bewerbe ich meinen Newsletter?

Zunächst solltest du dafür deine Landingpage nutzen. Dort sollte stehen, was der Vorteil deines Newsletters ist, an welchem Tag er kommt. Schön ist ein Social Proof: Zitate von Abonnentinnen als Testimonials oder „Schon soundsoviele Menschen sind begeistert von dem Newsletter“. Das erzeugt den Gedanken: Wenn das so viele lesen, kann’s so schlecht nicht sein. All das animiert Leute, deinen Newsletter zu abonnieren.

Über soziale Netzwerke bewirbst du deinen Newsletter inhaltlich. Und zwar nicht über klassische Teaser, sondern indem du Content erstellst. Wenn ich beispielsweise zehn Hacks habe, erzähle ich drei als Minigeschichte auf LinkedIn. Einfach einen Link auf den Newsletter zu posten, wird vom Algorithmus nicht unterstützt und bringt nicht so viel Aufmerksamkeit. Damit erreichst du nur Leute, die dich eh schon kennen, und du wächst nicht weiter.

Sicher lässt sich auf dem Weg immer noch etwas optimieren …

Ja. Wichtig ist, sehr viel Zeit mit Testen zu verbringen: Was ist ein guter Tag, eine gute Uhrzeit, um den Newsletter zu verschicken? Welche Folgen wurden am meisten geöffnet, welche am wenigsten? Liegen Erfolg oder Misserfolg am Thema, an der Überschrift?

Wer sollte generell einen Newsletter einsetzen?

Jeder, der Reichweite aufbauen möchte, um in andere Zielgruppen zu kommen. Produkte zu verkaufen hat. Möglichst viele Leute erreichen möchte oder Leser zu bezahlten Abonnent:innen machen will.

Als Journalistin schreibe ich einen Newsletter, um mich als Expertin für mein Gebiet zu positionieren.

Lernen von den Besten: Wie finde ich als Newcomer:in interessante Newsletter?

LinkedIn ist für mich die entscheidende Plattform, um Leute zu finden, die etwas Ähnliches machen, ähnliche Zielgruppen bedienen. Mein Tipp: Vernetze dich mit ihnen, empfehlt euch gegenseitig! Darin liegt eine Chance, zusammen zu wachsen. Auf Substack, wo ich schreibe, kann ich andere Newsletter empfehlen. Und mir werden ebenfalls welche vorgeschlagen, die ich anwählen kann.

Wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, stößt man schnell auf Newsletter von Kolleg:innen. Die aktuell meistgelesenen sind neben TextHacks Social Media Best Practice von Andreas Rickmann, Einfach Medien machen vom medium magazin oder der Job-Newsletter von Oskar Vitlif, der jungen Journalist:innen Praktika, Volontariate und Jobs empfiehlt. Das Paradebeispiel in der Medienbranche ist der Social Media Watchblog. Sie sind eine der wenigen, die vom Newsletter leben können.

Inwiefern verdienen Sie mit Ihrem Newsletter Geld?

TextHacks ist kostenlos, bringt aber sehr viel Geld. Meine Zielgruppe ist sehr breit: vom Bundestagsabgeordneten bis zum pensionierten Lehrer – eigentlich alle, die Texte schreiben, und wenn es nur E-Mails sind. Es gibt so viele, die schreiben lernen wollen, viele Bubbles und Nischen. Meine Hauptzielgruppen stammen aus Journalismus, PR und Marketing.

Mir hat die Erweiterung meiner Kundengruppe über den Journalismus hinaus mega viel gebracht. Bei Corporate ist finanziell mehr drin für mein Business als im Journalismus. Einen Bonus obendrauf bekomme ich über Werbeanzeigen im Newsletter. Aber der Haupteffekt: Ich habe drei- bis fünfmal so viele Anfragen – das ist explodiert. Ich bin ausgebucht und konnte meine Preise extrem erhöhen. Ich habe mehr Anfragen, als ich annehmen kann, woran man sieht: Der Markt ist groß genug für alle.

Das Gespräch führte Ulrike Bremm.

Titelillustration: Esther Schaarhüls.

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Foto: Janina Steinmetz

Anne-Kathrin Gerstlauer arbeitet als Journalistin. Sie gibt Workshops und Seminare, berät Redaktionen und Unternehmen, wie sie ihre Inhalte digital und innovativ aufbereiten können, und ist Speakerin zu Themen wie Journalismus für Millennials. Als stellvertretende Chefredakteurin baute sie die Newspage watson.de für eine junge Zielgruppe auf. Zuvor launchte und leitete sie ZEIT Campus ONLINE. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Kölner Journalistenpreis und dem Dumont-Preis für Innovation, rangierte 2016 unter den „Top 30 bis 30“ des medium magazin. Mit ihrem Newsletter TextHacks erreicht sie mehr als 9.000 Abonnierende.

 

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