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Stipendien, Fördermittel, Preisgelder: Finanzierungsquellen für journalistische Projekte

Wer aufwendige Projekte plant, die über das reine Tagesgeschäft hinausgehen, hat oft ein Finanzierungsproblem. Viele kleinere Redaktionen können oder möchten Reise- und Recherchekosten nicht übernehmen. Die private Vorleistung ist riskant, oft unmöglich. Eine interessante Alternative sind Stipendien, Fördermittel und Preisgelder. Aber welche Programme gibt es überhaupt und worauf muss man bei der Antragstellung achten?

Zum Einstieg ein gelungenes Praxisbeispiel

Das Thema klang spektakulär: Bricht ein Modekonzern sein Nachhaltigkeitsversprechen? Die Testimonials, unter ihnen Kevin Kühnert, Linda Zervakis und Carolin Kebekus, waren Medienpromis und versprachen Aufmerksamkeit und Reichweite. Nur die Finanzierung der Recherche war, wie so oft, ungeklärt.

Als der Wirtschaftsjournalist Felix Rohrbeck und seine Kolleg:innen vom Hamburger Medien-Start-up Flip planten, das Recycling-Versprechen großer Modemarken zu überprüfen, setzten sie auf eine aufwendige Datenrecherche. Mit speziellen GPS-Trackern, die sie in die alten Sneaker prominenter Zeitgenoss:innen einbauen wollten, sollten deren Transportwege nachverfolgt werden – von der Recycling-Box oder der Rückgabe als Retoure bis zur Wiederverwertung. „Zudem war klar, dass wir die Ergebnisse, also wohin die Sneaker gereist sind, nicht nur in Textform, sondern auch auf einer interaktiven Karte veröffentlichen wollten“, erinnert sich Rohrbeck. Für dieses technische Setup benötigte man einen Etat. Die Crew von Flip machte sich auf die Suche nach geeigneten Fördermitteln.

Fündig wurden sie dank einer Ausschreibung des Vereins Fleiß und Mut e. V. Der förderte bis 2020 journalistische Recherchen aus dem Topf „Kartographen – Mercator Stipendien-Programm für JournalistInnen. Rohrbeck und seine Kolleg:innen bewarben sich, waren erfolgreich und bekamen 28.000 Euro. Die Mittel waren zweckgebunden und konnten zum Teil auch für die Technik genutzt werden, etwa für die GPS-Tracker. Zudem beriet ein Mitglied des Beirats von Fleiß und Mut, der stellvertretende ZEIT-Chefredakteur Moritz Müller-Wirth, das Team bei inhaltlichen Fragen.

Nicht zuletzt auch wegen der bereits vorab finanzierten Infrastruktur stiegen ZEIT und NDR als Partner bei der „Sneakerjagd“ ein und verschafften ihr so eine ordentliche Reichweite. Bis zu zehn Millionen Menschen erreichte das Projekt bisher über die TV-Ausstrahlung, den Print, den Podcast, die sozialen Medien und den eigenen Newsletter, weiß Rohrbeck. Die „Sneakerjagd“ ist damit ein gelungenes Beispiel für das Zusammenspiel eines gesellschaftlich relevanten Rechercheprojekts mit gemeinnützigen Fördermittelgebern.

Journalismus und Fördermittel

Wie gut Journalismus und Fördermittel zusammenspielen können, weiß auch der Journalist Günter Bartsch. Als Geschäftsführer des gemeinnützigen Netzwerks Recherche (NR) kennt er beide Welten, denn er kümmert sich mit seinem Team unter anderem auch um die hauseigenen Stipendien und Fellowship-Programme.

Diese Fördermittel bietet der gemeinnützige Verein zusammen mit Partnerorganisationen wie der OLIN gGmbH, Themenschwerpunkt ist hier Umwelt und Ökologie, oder der Schöpflin-Stiftung an. Mit Schöpflin hat man sogenannte Grow-Stipendien aufgelegt. „So fördern wir die Entwicklung neuer (digitaler) journalistischer Werkzeuge oder neuartiger lokaljournalistischer Projekte. Mit dem Stipendium ist kein hoher Geldbetrag, dafür aber ein hohes Renommee verbunden. Die Stipendiat:innen finden so mitunter weitere Geldgeber:innen“, sagt Bartsch.

Bartsch und seine Kolleg:innen beraten aber auch zu Angeboten dritter Förderinstitutionen. Dafür haben sie eine – eigentlich selbsterklärende – Sammlung von Stipendien auf ihrer Site eingerichtet. „Die dort genannten Institutionen legen regelmäßig oder unregelmäßig Programme auf, fördern aber durchaus auch individuell. Wir können Menschen, die uns anrufen, im Hinblick auf für sie geeignete Programme beraten. Wir können aber auch auf Förderer hinweisen, die nicht auf dieser Liste stehen, oder Kontakte zu Stiftungen vermitteln, die Non-Profit-Journalismus unterstützen“, bietet Bartsch an.

Zu seinem Bedauern ist Journalismus in der deutschen Abgabenordnung nicht per se als gemeinnütziger Zweck anerkannt. Deshalb muss man ihn immer mit einem gemeinnützigen Thema – zum Beispiel Umweltschutz, Völkerverständigung, Bildung – verknüpfen, um eine Gemeinnützigkeit herzustellen und ihn so steuerbefreit fördern zu können.

Deshalb sieht sich das NR-Team auch als eine Art Interessenvertretung der „News Nonprofits“ und arbeitet daran, dass bestimmte Arten von Qualitätsjournalismus als gemeinnützig im steuerrechtlichen Sinne anerkannt werden. „Zum Glück hat ja auch die Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag bestimmt, dass sie Rechtssicherheit für den gemeinnützigen Journalismus schaffen will“, freut sich der NR-Geschäftsführer.

Welche Arten von Stipendien gibt es?

Nach den häufigsten Stipendienarten gefragt nennt er zunächst die klassischen Recherche-Stipendien und Recherche-Preise. Darum bewirbt man sich in der Regel mit einem speziellen Recherche-Projekt, bekommt im besten Fall die benötigte Förderung und veröffentlicht dann die daraus entstandene Geschichte, vielleicht auch in verschiedenen Medien. Einige Fördermittel werden nur einmal jährlich ausgeschrieben, bei anderen gibt es keine feste Einreichfrist.

Auch Preise können zur Finanzierung von Recherchen eingesetzt werden. Als konkrete Beispiele nennt Förderexperte Bartsch den Recherchepreis Osteuropa, der von n-ost ausgeschrieben und vom Diakonischen Werk Württemberg zusammen mit Renovabis, dem Osteuropa-Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland, finanziert wird, sowie den Otto Brenner Preis beziehungsweise die Recherche-Stipendien der Otto Brenner Stiftung.

In einer zweiten Kategorie siedelt der NR-Geschäftsführer die sogenannten Reisestipendien an. Dazu gehören etwa die der Karl-Gerold-Stiftung, benannt nach dem Gründer der Frankfurter Rundschau. Spielarten sind die Stipendien des IJP, des Vereins Internationale Journalisten-Programme, bei denen oft eine transatlantische Perspektive Voraussetzung der Förderung ist.

Eine dritte Variante sind Programme, mit denen man „in Residence“ arbeiten kann, also angebunden an eine feste Redaktion. Man muss sich nicht zwangsläufig mit einer Recherche bewerben, kann aber trotzdem in der Redaktion recherchieren. Für Fachjournalist:innen interessante Beispiele sind die Residence-Stipendien des Max Planck Instituts und des Wissenschaftszentrums Berlin. Wichtig ist hier, besonders für Nachwuchsjournalist:innen, vorab zu erfahren, ob man auch persönlich betreut wird oder nur eine finanzielle Zuwendung erhält.

Klassische Recherche-Stipendien, Reisestipendien und „Residence“-Stipendien seien die häufigsten Varianten in der Förderlandschaft, bilanziert Bartsch.

Auf was sollte man vor einer Bewerbung achten?

Ganz allgemein empfiehlt Bartsch, vor einer Bewerbung darauf zu achten, dass die Quellen der Finanzierung nicht die eigene journalistische Unabhängigkeit berühren. Woher kommt das Geld? Könnte die Herkunft der Förderung später mit dem Recherchethema kollidieren?

Als konkretes Beispiel nennt er den Journalistenpreis „Bezahlen mit der Karte im Alltag“ vom SCard-Service des Deutschen Sparkassenverlags. „Solche Preise haben das Ziel, dass zu ganz speziellen Themen publiziert wird. Sie sind sowohl thematisch zu spitz als auch zu sehr mit einem Geldgeber verbunden“, kritisiert er und fordert: „Es sollte eine Art Firewall geben, eine Jury oder eine Organisation, die zwischen dem Geldgeber und dem Stipendiaten steht.“ Auch die Förderprogramme der großen IT-Konzerne, die sich allerdings eher auf technische Innovationen fokussieren, könnten Konfliktpotenzial bergen. In Deutschland gehen etwa Google mit seiner Google News Initiative und Meta mit seinem Meta Journalism Project aktiv auf Medienhäuser und Journalist:innen zu und bieten Unterstützung bei Projekten an.

Dann solle man sich vor einer Bewerbung um Fördermittel immer einen möglichst realistischen Überblick über den zu leistenden Aufwand verschaffen, sagt Bartsch. Das beträfe den Antragsprozess, aber auch die zu liefernden Berichte und Sachmittelverwendungsnachweise. „Diesen Aufwand sollte man vorab realistisch einschätzen und erst dann entscheiden, ob eine Bewerbung finanziell wirklich sinnvoll ist, angesichts der Fördersumme. Es gibt ja Programme, die sehr akribisch festlegen, welche Sachkosten wie abrechenbar sind. Andere Programme fördern eher pauschal die Arbeitsleistung“, weiß Bartsch.

Wichtig ist ebenfalls, ob und – wenn ja – wie man das Stipendium oder auch das Preisgeld später versteuern muss. Das hängt individuell vom Stipendium und von der Situation der geförderten Person ab.

Die Top-Adressen für Stipendien und Förderungen

Als wichtigen Förder-Player auf EU-Ebene nennt Bartsch den Journalism Fund. Er vergibt gleich eine ganze Reihe von Recherchestipendien, die auch in der Höhe der Förderbeträge interessant sind, vor allem für Kolleg:innen, die „crossborder“, also grenzüberschreitend recherchieren möchten.

Wer ein größeres Projekt plant (wie die „Sneakerjagd“), solle zunächst die Programme großer Häuser prüfen, etwa die Schöpflin Stiftung, die Rudolf Augstein Stiftung oder die ZEIT-Stiftung.

Aber auch Parteistiftungen wie die Konrad Adenauer Stiftung oder die Friedrich Ebert Stiftung seine sehr aktiv in der Journalist:innen-Förderung, vorzugsweise mit studienbegleitenden Angeboten oder Studienstipendien.

Sinnvoll sei es in jedem Fall, auch noch einmal abseits der üblichen Verdächtigen zu recherchieren, sagt Bartsch. Er nennt das journalistische Förderprogramm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. „Dort gehören auch wir vom Netzwerk Recherche zu den Geförderten. Zusammen mit der Open Knowledge Foundation und ihrem Portal für Informationsfreiheit Frag den Staat entwickeln wir mithilfe der Fördergelder einen Auskunftsgenerator für Journalist:innen. Den können sie nutzen, wenn sie Anfragen an offizielle Stellen starten“, berichtet der NR-Geschäftsführer.

In dem Zusammenhang sei auch der Vorwurf geäußert worden, dass die Regierung hier Einfluss nimmt oder ihr genehme Projekte fördert. „Das ist aber nicht der Fall – was man an Projekten wie dem unseren erkennen kann. Denn das will ja Journalist:innen gerade dabei unterstützen, Ministerien und Behörden mit Fragen zu löchern“, betont Bartsch.

Fazit

Die Möglichkeit, sich Recherchen, Reisen und journalistische Projekte durch Förder- und Preisgelder und Stipendien finanzieren zu lassen, ist realistisch. Die Förderlandschaft und die Programme sind vielfältig, erfordern aber zumeist einen gemeinnützigen Bezug des geplanten Projekts.

Wichtig ist, vorab mögliche Konflikte zwischen der Fördermittelquelle und dem Thema der Recherche zu erkennen und realistisch abzuschätzen, ob der Aufwand – vom Schreiben des Antrags über die Erklärung der Sachmittelverwendung bis hin zum Versteuern – und der Ertrag in einem guten Verhältnis zueinander stehen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

© Eberhard Kehrer

 

Der Autor Gunter Becker schreibt seit Beginn der 1990er Jahre als freier Autor über elektronische Medien, Internet, Multimedia und Kino. Anfangs für die taz, dann für den Tagesspiegel und im neuen Millennium vorwiegend für Fachmagazine, wie ZOOM und Film & TV Kamera. Für das verdi-Magazin Menschen Machen Medien verfolgt er die Entwicklung nachhaltiger Filmproduktion, die Diversität in den Medien und neue Medienberufe.

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