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„Wir erzählen Business-Storys aus einer weiblichen Perspektive“

Es gilt als weibliches Pendant zum manager magazin: STRIVE wurde als Wirtschaftsmagazin nur für Frauen gegründet. Inzwischen hat es einen neuen Claim: „Für alle, die Wirtschaft neu denken“. Warum eine solche Zeitschrift gebraucht wird, inwiefern freie Fachjournalist:innen für die Redaktion unverzichtbar sind und wie sich das Start-up inzwischen weiterentwickelt hat, erzählt Chefredakteurin Susanna Riethmüller im Interview mit dem Fachjournalist.

Warum halten Sie ein Wirtschaftsmagazin, das sich explizit an Frauen richtet, für notwendig?

Weil es das in dieser Form noch nicht gab. Unsere Gründerin und Herausgeberin Katharina Wolff hat damit eine Lücke auf dem Zeitschriftenmarkt geschlossen.
Frauen, die sich für Wirtschaft interessieren und die Karriere machen oder machen wollen, sind beileibe keine seltene Spezies – und sie sind unsere Kernzielgruppe. Das sind sehr viele Frauen, für die es vor uns kein spezielles Produkt gab.
Man könnte sagen: Wir machen das Magazin, das wir selbst vermisst haben und lesen wollten. STRIVE wurde sozusagen aus einem eigenen Need heraus gegründet.

Sie haben 15 Jahre lang in großen Redaktionen gearbeitet, waren vor Ihrem Job bei STRIVE stellvertretende Chefredakteurin von ELLE und Harpers Bazaar. Woher rührt Ihre Affinität zu Wirtschaftsthemen?

Die Themen Frauen und Karriere, Leadership und Gleichstellung haben mich schon immer begleitet und beschäftigt. Enorm an Relevanz gewonnen hat das für mich 2013, als die damalige Facebook-Managerin Sheryl Sandberg ihr Buch „Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolgveröffentlichte. Auf einmal rückten weibliche Role Models in den Fokus, auch in den Medien.
Das Thema hat sich immer mehr „entnischt“. Das ging los bei der Frage, warum es so wenige Frauen ganz nach oben schaffen. Was ist strukturell, was individuell bedingt? Und es endete bei der Frage, wie Medien eigentlich über Frauen in der Wirtschaft berichten.
Frauen und Wirtschaft – dieses Thema hat meine Arbeit von da an stark beeinflusst.

Was machen Sie bei STRIVE anders als andere Wirtschaftsmagazine für Frauen?

Welche anderen? Es gibt kein anderes Wirtschaftsmagazin für Frauen, das den gleichen Fokus hat wie wir.
Was wir anders machen als andere Wirtschaftsmagazine: Wir schreiben Menschen nicht runter, weil wir glauben, dass Frauen nicht an dieser negativen Art des Journalismus interessiert sind. Wir erzählen Business-Storys aus einer weiblichen Perspektive, anhand von erfolgreichen Frauen und Männern. Die Leser:innen können dann für sich entscheiden, was sie sich rausziehen. Außerdem schreiben wir nicht nur über Unternehmen und Menschen, sondern machen viele nutzwertige Artikel, die die Leser:rinnen direkt in ihren Arbeitsalltag mitnehmen können.

Und was ich noch wichtig finde: Ein 116 Seiten langes Heft muss bei aller Seriosität auch Spaß machen und zwischendurch snackable zu konsumieren sein. 

Was macht Wirtschaftsjournalismus für Frauen besonders?

Themensetzung, Grafik, selbst die Anzeigen, wenn man auf die Gesamtwirkung eines Heftes schauen möchte – sie sind in den gängigen Wirtschaftsmagazinen nicht für Frauen gemacht, als Frau bin ich nicht gemeint.
Es gab vor uns keinen Wirtschaftsjournalismus für Frauen. Jetzt gibt es einen.

In welche Ressorts unterteilt sich Ihr Magazin und wie bereiten Sie dazu die Themen auf? 

Wir haben vier Ressorts – Wirtschaft, Karriere, Finanzen und Psychologie und Leben. Im Ressort Wirtschaft gibt es in jeder Ausgabe einen Schwerpunkt, im aktuellen Heft ist das zum Beispiel „Jobs der Zukunft“. Im Dossier gehen wir dann tief in dieses Thema rein, fragen die wichtigsten Expert:innen und sprechen mit gefragten Protagonist:innen der jeweiligen Branchen. Im Karriere- sowie im Finanzressort achten wir darauf, dass wir Themen angewandt erzählen, sodass unsere Leser:innen etwas mitnehmen können.

Und wir erzählen viele Geschichten über Role Models, erzählen, wie erfolgreiche Menschen in ihre Positionen gekommen sind, fragen nach ihrem Verständnis von Karriere und Leadership.

Was macht Ihre Arbeit für Sie so reizvoll?

Einerseits der Alltag des Magazinmachens. Die ganz klassischen Aspekte daran, alle zwei Monate eine Ausgabe abzuliefern.
Andererseits aber, dass wir eben kein klassischer Verlag sind. STRIVE ist ein Start-up. Wir konzentrieren uns zum Beispiel auf den digitalen Vertrieb, weil wir glauben, dass das Zukunft hat. Wir entwickeln uns schnell und probieren viel aus. Das gefällt mir sehr.

Haben Sie, wie man vermuten würde, vorwiegend weibliche Kollegen?

Im Verlag arbeiten tatsächlich vorwiegend Frauen zusammen. Bei den Autor:innen suchen wir immer den- oder diejenige aus unserem Netzwerk aus, die die größte Erfahrung auf dem Gebiet hat, das sie bearbeiten soll.

Mit welchen Expert:innen arbeiten Sie zusammen?

Wir arbeiten viel mit freien Autor:innen zusammen, Fachjournalist:innen für die jeweiligen Ressorts. Außerdem mit Profis aus der Wirtschaft und natürlich mit unabhängigen Expert:innen, die Themen für uns einordnen.

Ich finde das unglaublich toll, wenn Journalist:innen einen klaren Fokus haben – das ist ein guter Wettbewerbsvorteil. Die guten Fachjournalist:innen sind sehr gefragt und wirklich wichtig. Denn sie erfassen den Gesamtzusammenhang der Themen und können daher die richtigen Fragen stellen.
Die Unabdingbarkeit von Fachjournalist:innen spiegelt sich auch auf dem Zeitschriftenmarkt wider: Während es die generalistisch berichtenden Blätter zunehmend schwer haben, ist der Special-Interest-Journalismus weniger unter Druck.

Was auch an STRIVE zu sehen ist. Worauf beruht Ihr Erfolg?

Wir haben mit unserem Magazin eine Lücke geschlossen, und zwar im richtigen Moment. Und: Wir sind der nah an unserer Community dran. Über LinkedIn und Instagram bekommen wir viele Anregungen und auch viel Feedback. Wenn zum Beispiel in einem Artikel unsere Perspektive nicht weit genug war – oder, im Gegenteil, zu eng, – bekommen wir das unmittelbar gespiegelt. Daraus versuchen wir zu lernen. Es ist wichtig, das auszubalancieren, also natürlich auch Themen selbst zu setzen. Aber die Nähe zur Community ist uns sehr wichtig.

Ein weiterer Grund für unseren Erfolg ist sicher: Wir sind flexibel. Wir haben das Magazin relativ schnell in den Handel gebracht. Und sind als kleines Team in der Lage, sehr schnell zu reagieren. Wir probieren Dinge aus – und wenn eine Idee nicht funktioniert, verwerfen wir sie wieder.
Wir hatten zum Beispiel in den ersten Ausgaben ein Politikressort. Dann haben wir uns kritisch hinterfragt: Ist das etwas, das wir besser können als andere? Etwas, für das man uns kauft? Und dann haben wir das Politikressort abgeschafft.

Sie erfinden STRIVE immer wieder neu – im Kleinen, aber auch im Großen. Während Ihr Claim früher lautete: „Das Wirtschaftsmagazin für Frauen, heißt er heute „Das Magazin für alle, die Wirtschaft neu denken. Warum haben Sie sich zu dieser gravierenden Änderung entschlossen?

Sprache ist ein sehr machtvolles Tool. Sie kann inklusiv sein oder exklusiv, und wir wollen inklusiv sein. Das ist unser Anspruch.

Wichtig ist: Die STRIVE ist genau dieselbe wie vorher! Wir machen immer noch ein Wirtschaftsmagazin, das die Frauenperspektive in den Vordergrund stellt und weibliche Role Models sichtbar macht. Vorher waren ungefähr 30 Prozent Männer im Heft, jetzt sind ungefähr 30 Prozent Männer im Heft. Ich betone das, weil wir auch dazu viel Feedback von Leser:innen bekommen haben, die sich Sorgen gemacht haben, dass die STRIVE dieses Alleinstellungsmerkmal aufgibt. Ich kann alle beruhigen – das ist nicht der Fall: Wo STRIVE draufsteht, ist immer noch STRIVE drin.

Das Gespräch führte Ulrike Bremm.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Susanna Riethmüller ist Chefredakteurin des Wirtschaftsmagazins STRIVE. Die ausgebildete Journalistin arbeitet seit über 15 Jahren in großen Redaktionen und Newsrooms, sie war stellvertretende Chefredakteurin und Digitalchefin von ELLE und „Harper’s Bazaar“ und hat sieben Jahre in verschiedenen Positionen bei BILD.de gearbeitet, unter anderem im Gründungsteam des BILD.de-Ablegers STYLEBOOK.de. Susanna Riethmüller lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

 

 

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