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Von der Überschrift bis zum Stil: KI als Werkzeug für effizientes Schreiben

Die Zukunft des Journalismus ist da – und sie hat einen neuen Assistenten: ChatGPT und seine Chatbot-Kollegen haben das Potenzial, den Schreibprozess zu revolutionieren. Aber kann Künstliche Intelligenz (KI) tatsächlich den Journalismus effizienter machen und Texte aufpeppen?

Wie könnte man diesen Text anfangen? Schließlich geht es darum, wie sich Künstliche Intelligenz (KI) auf den Journalismus der Zukunft auswirkt – und wie Chatbots wie ChatGPT helfen können, Texte effizienter zu schreiben und besser zu machen.

Fragen wir also ChatGPT selbst, wie die ersten Sätze eines solchen Artikels aussehen könnten:

Willkommen in der Ära des Journalismus 2.0! Neben den herkömmlichen Werkzeugen stehen Ihnen nun auch Chatbots zur Verfügung, um Ihren journalistischen Arbeitsprozess zu optimieren. Einer der führenden Chatbots ist ChatGPT, basierend auf der bahnbrechenden GPT-3.5-Architektur. In diesem Artikel möchten wir Ihnen praxisnahe und umsetzbare Tipps geben, wie Sie ChatGPT und andere Chatbots erfolgreich in Ihrer journalistischen Arbeit einsetzen können.

Brauchbar, aber nicht sonderlich originell und ein bisschen altbacken. Womit wir mitten im Thema wären: KI basiert auf Wahrscheinlichkeiten. Chatbots werten dazu Milliarden von Texten aus. Sie berechnen, welche Wörter in einem bestimmten Kontext wahrscheinlich aufeinanderfolgen werden. Damit wird klar: KI tut sich mit Originalität und sprachlicher Eleganz schwer.

Texten, die von KI geschrieben werden, mangelt es an sprachlicher Raffinesse und Subtilität – ihnen fehlt der eigene Ton eines menschlichen Autors, der besondere Sound einer solchen Autorin. Etwas schmecken, riechen oder fühlen kann eine KI erst recht nicht.

Für Journalist:innen ergeben sich daraus drei wesentliche Punkte. In Stichworten zusammengefasst, sind dies die Aspekte Redigieren, Briefing und Persönlichkeit.

Das Redigieren

These 1: Die klassische Kunst des Redigierens gewinnt wieder an Bedeutung.

Lange bedeutete in vielen Redaktionen „Redigieren“, Texte an eine bestimmte Länge anzupassen, eine Überschrift hinzuzufügen und die schlimmsten Rechtschreib- und Grammatikfehler zu beseitigen. Doch das reicht nicht: Beim Redigieren geht es mindestens ebenso um die faktische Richtigkeit wie um die sprachliche Originalität. Journalist:innen müssen nun noch besser mit ihren Themen vertraut sein, um zu erkennen, ob die KI korrekte Fakten liefert oder Halluzinationen produziert.

Ein Beispiel: ChatGPT wurde angewiesen, die Sprachverarbeitung im menschlichen Gehirn zu erklären. Das Ergebnis:

Das Broca-Areal spielt eine wichtige Rolle bei der Sprachproduktion und der syntaktischen Verarbeitung. Es koordiniert die motorischen Bereiche im Frontallappen, die für die Artikulation der Worte verantwortlich sind. Das Broca-Areal interagiert eng mit dem Wernicke-Areal im Temporallappen.

Das ist faktisch korrekt und recht gut erklärt. Auf drei Absätze in diesem Stil (ohne größere faktische Fehler) folgte dann dieser Absatz:

Weitere wichtige Hirnareale in der Sprachverarbeitung sind das Sprachverständniszentrum im inferioren parietalen Lappen, das für die Verarbeitung der Bedeutung von Wörtern und Sätzen zuständig ist, und das prämotorische Areal, das für die Planung von Sprechbewegungen verantwortlich ist.

Klingt beeindruckend, ist aber völliger Unsinn. Ein „Sprachverständniszentrum im inferioren parietalen Lappen“ lässt sich nicht identifizieren. Nun gut, das kann mal passieren. Also fragen wir ChatGPT, was damit gemeint ist:

Entschuldigung für die unklare Formulierung. Im inferioren parietalen Lappen gibt es mehrere Regionen, die an der Sprachverarbeitung beteiligt sind. Eine wichtige Region ist das sogenannte Wernicke-Gebiet, auch als Wernicke-Areal oder Wernicke-Zentrum bezeichnet. Es liegt normalerweise im posterioren Teil des oberen Schläfenlappens (Temporalparietalokzipitalbereich) auf der dominanten Hemisphäre des Gehirns, das heißt auf der linken Seite bei den meisten Menschen.

Das klingt erstaunlich fachkundig, ist aber noch größerer Unsinn. Selbst ein Laie sollte bemerken, dass das Wernicke-Areal nicht gleichzeitig im „inferioren parietalen Lappen“ und im „posterioren Teil des oberen Schläfenlappens“ lokalisiert sein kann. Das Wort „Temporalparietalokzipitalbereich“ ist eine völlig absurde Erfindung der KI, fast schon eine Parodie neurowissenschaftlicher Terminologie.

Die KI präsentiert den sinnvollen ersten Teil der Erklärung und den völlig abgedrehten zweiten Teil mit derselben Ernsthaftigkeit. Nur wer sich gut auskennt, erkennt, was richtig und was halluziniert ist. Journalist:innen dürften sich also in Zukunft nicht nur auf die KI verlassen, sondern müssen sich noch besser mit ihrem Thema auskennen. Sie müssen, was ihnen merkwürdig vorkommt oder zumindest überprüfenswert erscheint, auch überprüfen. Selbst wenn es auf den ersten Blick überzeugend wirkt.

Das Briefing

These 2: KI kann nur gute Ergebnisse erzielen, wenn sie mit den richtigen Eingaben (Prompts) gebrieft wurde.

Im Gegensatz zu einem menschlichen Autor oder einer Autorin, die eigene Gedanken zu entwickeln vermögen, ist ein Chatbot vollständig darauf angewiesen, präzise Anweisungen für die ihm gestellte Aufgabe zu erhalten. Wenn man zum Beispiel der KI den Auftrag gibt: „Schreibe einen Text mit Tipps, wie man als Calisthenics-Sportler Muskeln aufbauen kann“, wird sie einen irgendwie brauchbaren, aber ziemlich allgemeinen Text verfassen.

Für die journalistische Arbeit ist es jedoch wichtig, dass der Text genau auf die Zielgruppe und die Leserschaft zugeschnitten ist. Um den Chatbot dazu zu bringen, ist für die Prompts eine bestimmte Formel nützlich: die PADS-Formel.

    • P steht für Position. Mit dieser gibt man der KI eine Rolle vor, zum Beispiel als Redakteur:in einer Fitnesszeitschrift.
    • A steht für Aufgabe. Hier gibt man der KI klare, präzise und kurze Anweisungen, was sie textlich erledigen soll. Es ist wichtig, dabei möglichst eindeutige Formulierungen zu verwenden.
    • D steht für Details. Hier erfährt die KI weitere umfassende Einzelheiten. Man kann sogar den Chatbot selbst fragen, welche zusätzlichen Informationen er benötigt, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Mit anderen Worten: Man sollte mit dem Chatbot in einen Dialog treten.
    • S steht für Stil. An dieser Stelle gibt man der KI vor, in welchem Stil, auf welchem Sprachniveau und sogar in welcher Form (z. B. Blocktext, Post, Listicle etc.) der Text verfasst sein soll. Hilfreich sind Vorgaben wie: „Schreibe diesen Text im Stil der A.Z.“ oder „… im Stil der BILD-Zeitung“.

Persönlichkeit

These 3: Eine KI kann menschlichen Input, persönliche Erfahrungen und einen eigenen Stil nicht ersetzen.

Überzeugend sinnliche Eindrücke zu vermitteln, ist einer KI unmöglich. Sie kann nicht beschreiben, wie etwas riecht, schmeckt, sich anfühlt, anhört und sich bewegt. Das können (vorerst) nur Menschen. Darstellungsformen wie Reportagen, Essays, Kolumnen und Glossen bleiben menschlichen Autor:innen vorbehalten.

Ebenso wenig ist die KI in der Lage, sprachliche Originalität zu produzieren. Neologismen klingen beispielsweise fast immer gewollt, meistens sind sie Unsinn. Anspielungen, literarische Zitate oder augenzwinkernde Bemerkungen, gar Ironie sind einer Künstlichen Intelligenz weitgehend fremd. Da das System nicht versteht, was es schreibt, sondern auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten formuliert, bleibt der KI all das verschlossen, was Menschen leisten können. Dazu gehören Hintergrundkenntnis, Weltwissen und die Fähigkeit, mittels Assoziationen elegant und klug von einem Gedanken in den nächsten zu gleiten.

Massentextproduktion wird wohl in Zukunft der KI überlassen werden. Ähnlich wie sich viele Menschen im Alltag von Fertiggerichten ernähren und sich hin und wieder ein gutes Essen in einem Sternerestaurant gönnen, werden diese Gourmetgerichte journalistischer Arbeit (hoffentlich) den Alltag vieler Leser:innen bereichern. Wenn die Leser:innen das wollen.

Wie KI das Schreiben leichter macht

Es gibt viele Möglichkeiten, wie Journalist:innen ihre Arbeit effizienter erledigen können, indem sie KI einsetzen.

Dazu gehören zum Beispiel:

  1. Ideen entwickeln: Für viele Themen kann man den Chatbot nach Text- und Themenideen fragen. Vieles davon muss am Ende aussortiert werden, entweder weil es Unsinn ist oder zu naheliegend, aber das eine oder andere erweist sich meist als brauchbar.
  2. Überschriften formulieren: Chatbots können Vorschläge für Überschriften machen. Das kann helfen, Schreibblockaden zu überwinden. Man kann den Chatbot beispielsweise anweisen: „Schlage mir zehn Überschriften für diesen Text vor.“ Oder sogar: „Schlage mir zehn Überschriften im Stil der BILD-Zeitung vor.“ So kommt man in eine gute Ausgangslage, um am Ende eine optimierte Überschrift zu finden.
  3. Texte in andere Darstellungsformen umwandeln: Es kann sehr hilfreich sein, einen bereits geschriebenen Artikel von ChatGPT oder einer anderen KI in einen Instagram-Beitrag oder eine andere Darstellungsform umzuwandeln. Die KI vermag dafür einen guten ersten Entwurf zu liefern. Natürlich sollte man diese Texte noch redigieren, um ihnen ein eigenes Flair, einen persönlichen Ton zu verleihen, aber der von der KI formulierte Ausgangstext erspart viel Arbeit.
  4. Sprachstil verändern: Die KI kann einem Text, der in seriöser Sprache verfasst ist, einen flapsigen Stil verleihen und umgekehrt. Das regt die eigene Kreativität an – und ein Text kann auf mehreren Kanälen verbreitet werden.

Fazit

Künstliche Intelligenz wie ChatGPT wird die journalistische Arbeit tiefgreifend verändern. Die damit verbundenen Gefahren können nicht geleugnet werden. Aber was hilft‘s? Letztendlich müssen Journalist:innen die neuen Instrumente nutzen und gleichzeitig versuchen, den menschlichen Wert ihrer Arbeit zu bewahren.

Die Frage bleibt: Werden Leser:innen in der Lage sein, menschlich verfasste Texte von künstlich verfassten Texten zu unterscheiden? Und wird ihnen das wichtig sein?

PS: Dieser Text ist natürlich ohne die Hilfe Künstlicher Intelligenz entstanden. Oder doch nicht?

Titelillustration: Esther Schaarhüls.

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Wie dieser Text wirklich entstanden ist:

Beim Verfassen und Bearbeiten dieses Artikels wurde KI eingesetzt. So ist dieser entstanden:

  1. Ich habe den gesamten Artikel diktiert und mit einem „Sprache-zu-Text-System“ niederschreiben lassen (Speechnotes.co).
  2. Die zitierten Passagen aus ChatGPT habe ich nachträglich eingebaut (Prompt in gekürzter Fassung: „Erkläre mir, wie die Sprachverarbeitung im Gehirn funktioniert. Nutze dazu eine wissenschaftliche Terminologie.“)
  3. Den gesamten Text habe ich durch ChatGPT sprachlich überarbeiten lassen. Besonders die Gliederung sollte klarer werden.
  4. Die ChatGPT-Fassung habe ich händisch überarbeitet. Dabei mussten einige schiefe Formulierungen korrigiert werden. Auch den etwas behäbigen Satzbau habe ich angepasst.
  5. Die überarbeitete Fassung habe ich von DeepLWrite erneut redigieren lassen (deepL.com/write). Die meisten Vorschläge habe ich allerdings verworfen. Neben einigen sachlichen Fehlern (aus „Redigieren“ wurde „Schreiben“) entbehrte die Fassung vor allem meinen persönlichen Stil. Es klang alles so, wie es eine Oberstudienrätin für Deutsch umformulieren würde.
  6. ChatGPT habe ich zum Schluss angewiesen, mir einen Teaser vorzuschlagen und zehn mögliche Überschriften. Die Ergebnisse habe ich nach meinen Vorstellungen bearbeitet. Ich habe mich bei den Überschriften eher für langweiligere entschieden, dafür aber SEO-gerecht. Der Teaser passte – mit einer Streichung und einigen Umformulierungen.
  7. Eine menschliche Redakteurin von Der Fachjournalist und eine weitere menschliche Fachkraft haben den Text nochmals redigiert.

Zusammenfassung

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus hat das Potenzial, den Schreibprozess effizienter zu gestalten. Chatbots wie ChatGPT können Texte verbessern, basierend auf Wahrscheinlichkeiten, welche Wörter in einem bestimmten Kontext aufeinanderfolgen. Dennoch fehlt KI oft Originalität und sprachliche Eleganz. Journalist:innen müssen die Kunst des Redigierens beherrschen und die Faktenlieferung von KI kritisch prüfen. KI benötigt klare Anweisungen, um maßgeschneiderte Texte zu erstellen. Trotzdem kann KI menschlichen Input und persönlichen Stil nicht ersetzen. Darstellungsformen wie Reportagen bleiben menschlichen Autor:innen vorbehalten. KI bietet Journalist:innen Möglichkeiten wie Ideenentwicklung, Überschriftenformulierung und Textanpassung. Es bleibt fraglich, ob Leser:innen zwischen menschlichen und KI-Texten unterscheiden können und welchen Wert sie darauf legen. Die Integration von KI erfordert einen sensiblen Umgang, um den menschlichen Wert der Arbeit zu bewahren.

Die Zusammenfassung ist 100 Prozent ChatGPT. Aber gut.


Foto: die arge lola

Der Autor Markus Reiter ist Schreibtrainer für Redaktionen und Unternehmen. Zudem berät er Verlage und Redaktionen beim Launch und Relaunch von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Auftritten. Er war unter anderem Reporter und stellvertretender Chefredakteur von Reader’s Digest Deutschland und Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Reiter arbeitet als Dozent in der Aus- und Weiterbildung von Journalist:innen an mehreren Journalisten-Akademien, für das Deutsche Journalistenkolleg ist er als Autor tätig.

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