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Was braucht es für ein gutes Sachbuch?

Fachbuch, Sachbuch oder Ratgeber sind wunderbare Medien, mit denen sich Fachjournalistinnen und -journalisten gleich in zweierlei Hinsicht positionieren können: Sie präsentieren ihre Schwerpunktthemen und beweisen gleichzeitig ihren professionellen Schreibstil. Wie dies bestmöglich gelingt und das Buch unverwechselbar wird, beschreibt Autorencoach Daniela Pucher.

Ein Buch „schreibt“ man nicht einfach. Der Grundsatz lautet: Erst denken, dann schreiben. Das kennst du bestimmt von deiner Arbeit: Bis du deinen Artikel tatsächlich schreiben kannst, musst du vorher eine Reihe anderer Dinge durchdenken: Was könnte ein gutes Thema sein? Was ein guter Aufhänger? Was wollen die Leserinnen und Leser wissen? Wie viel weiß ich selbst zu diesem Thema, was muss ich noch recherchieren? Welche Quellen kann ich anzapfen?

Erst denken, dann schreiben

So ist das auch bei Sachbüchern. Allerdings bewegst du dich hier in einer größeren Dimension. Ein Artikel in einer Zeitschrift hat vielleicht 10.000 Zeichen – ein durchschnittlich dickes Sachbuch das Dreißigfache und mehr. Und es ist immer gut, ein wenig unternehmerisch zu denken: Ich finde meine Idee toll – aber braucht der Markt ein Buch darüber? Wer ist die Zielgruppe? Wie könnte ich das Thema gestalten, damit es eine Lücke am Markt abdecken kann? Du siehst, hier geht es schon recht viel um die Überlegungen, die ins Marketing hineinreichen.

Ein Sachbuch konzipiere ich über das Spannungsdreieck Autor – Leser – Markt. Aus dem entwickle ich die Inhalte und den Charakter eines Buchs und konkretisiere somit die zunächst vage Idee, die am Anfang steht. Ich nehme an, die geistert gerade in deinem Kopf herum. Also, lass sie geistern und folge mir weiter.

1.  Du als Autorin bzw. Autor

Du hast eine Idee, doch das ist erst der Anfang, die Oberfläche. Du möchtest aber ein Buch, das für eine gute Reputation sorgt, dich bekannter macht, dich gut repräsentiert. Also musst du tiefer gehen. Du musst herausfinden, wie ein Buch zum Thema xy zu DEINEM Buch wird. Ein Buch, das deine Handschrift trägt, deinen speziellen Blick auf das Thema zeigt, deine Persönlichkeit und deine Professionalität erkennen lässt.

Du machst für dich also ein wenig Seelen-Striptease: Was fasziniert mich an meinem Thema? Was hat es mit meiner Persönlichkeit, meinen Interessen zu tun? Welche meiner Werte stecken dahinter? Welcher Typ bin ich: mehr der Helfertyp oder eher der Wissens-Guru? Was fühlt sich für mich sympathischer an, Ratgeber, Fachbuch (für ein Fachpublikum) oder Sachbuch (für ein breites Laienpublikum)?

Beispiel: Ich hatte einmal die Idee, ein Buch über Ghostwriting zu schreiben, weil ich damit mein Geld verdiente. Meine Faszination? Ich schreibe für mein Leben gern – und ich liebe es, Bücher zu konzipieren. Darin liegt meine Leidenschaft. Humor ist mir wichtig, also sollte es ein locker-flockiges Buch sein, das auch mal zum Lachen anregt. Ich wollte darüber schreiben, wie ich meine Bücher konzipiere und schreibe, und ich wollte andere mit meiner Begeisterung anstecken. Und natürlich wollte ich auch neue Kunden auf mich aufmerksam machen, ganz klar!

Überlege also strategisch: Du bist Fachjournalistin für Umweltthemen? In welche Richtung geht deine Leidenschaft: dass die Arbeit der NGO bewusster gemacht wird, dass die Welt die Hintergründe der heutigen Landwirtschaft besser versteht? Welche Inhalte muss dein Buch haben, damit du sagen kannst: Das bin ich, dafür stehe ich!

2. Deine Leserin bzw. dein Leser

Schon in der Konzeptphase in die Schuhe deines Publikums zu steigen, hat viele Vorteile. Wenn du erst bei der Veröffentlichung darüber nachdenkst, kann es sein, dass du komplett an deinen Leserinnen und Lesern vorbeigeschrieben hast. Dein erster Vorteil dieser Perspektive ist also: Du bringst für dein Publikum maximalen Nutzen, weshalb sie dein Buch gerne weiterempfehlen und du mehr verkaufen wirst. Der zweite Vorteil: Du kannst deine Idee weiter schärfen. Der dritte Vorteil: Du hast immer eine konkrete Person vor Augen, wenn du beim Manuskript ins Stocken kommst. Im Marketing und auch im Buchgeschäft sprechen wir hier von der „Persona“, die es zu entwickeln gibt, wobei ich bei Fach- und Sachbüchern weniger die demografische als die persönliche Charakterisierung wichtig finde: Aus welchem Grund sucht jemand ein Buch wie deines? Will er oder sie sich „aufschlauen“? Oder ein Problem gelöst, eine Frage beantwortet haben?

Beispiel: Bei diesen Überlegungen begann meine Ghostwritingbuch-Idee zu wackeln. Wer würde es denn kaufen? Natürlich andere Ghostwriter oder solche, die es werden wollten. Wollte ich für die schreiben? Nein, dachte ich, ich schreib doch nicht für meine Konkurrenz! Vielmehr wollte ich angehende Autorinnen und Autoren ansprechen, die dann vielleicht auf die Idee kommen, ihr Buch von mir schreiben oder sich von mir coachen zu lassen. Die wiederum würden aber ein Buch über Ghostwriting kaum kaufen. Also besann ich mich auf das, was mir wichtig war (siehe oben), und verknüpfte das mit meinem Wunschpublikum: Ein Buch übers Sachbuchschreiben, gemacht für (angehende) Sachbuchautorinnen bzw. -autoren.

Damit aber nicht genug. Was unterscheidet denn ein Buch über Ghostwriting von einem über das Schreiben von Sachbüchern? Ich blieb weiterhin in den Schuhen meiner Leserinnen und Leser: Was möchten sie darüber wissen? Wo drückt der Schuh genau? Was wissen sie übers Buchschreiben – und was glauben sie zu wissen? Was brauchen sie an zusätzlichem Wissen, von dem sie gar nicht wissen, dass sie es wissen sollten? Ich sammelte die Inhalte aus Lesersicht und versuchte, daraus einen ersten roten Faden zu spinnen.

Wer also soll dein Buch lesen? Wen willst du auf dich aufmerksam machen? Diese Fragen können ein wenig tricky sein. Wenn du Redaktionen auf dich aufmerksam machen möchtest, so sind diese vielleicht nicht dieselben, die dein Buch kaufen würden. Aufmerksam machst du sie jedoch, wenn das Buch am Markt besprochen wird oder – im Idealfall – auf Bestsellerlisten landet.

3. Der Markt

Ganz gleich, ob du mit oder ohne Verlag publizieren willst: Was dein Buch braucht, ist ein leerer Platz auf dem Ladentisch. So, wie man bei wissenschaftlichen Arbeiten eine Wissenslücke zu füllen versucht und sich dabei auf bereits Vorhandenes bezieht, genauso machst du es nun auch.

Auch diese Denkübung hat mehr als einen Vorteil: Dein Buch füllt eine Marktlücke. Es bekommt schärfere Konturen und wird somit von Leserschaft und Buchhandel besser wahrgenommen. Dein Konzept bekommt vielleicht sogar den entscheidenden Twist, der es erst so richtig interessant macht.

Beispiel: Ich stellte fest, dass es bereits einige Bücher über das Buchschreiben gibt, auch über das Sachbuchschreiben. Was mir aber auffiel war, dass sie zwar viel Branchenwissen und Schreib-Know-how lieferten. Doch eine Frage beantworteten sie kaum, und zwar jene, die mir alle meine Kunden stellen: Womit fange ich an? Was ist der nächste Schritt? Und da war sie auch schon, die Marktlücke! Heraus kam eine 10-Schritte-Anleitung zum Sachbuchschreiben. Das passte wiederum gut zu meiner Persönlichkeit als Autorin, denn ich bin eher so der Hands-on-Typ. Ich adaptierte meinen roten Faden und entwickelte daraus eine brauchbare und für meine Leserinnen und Leser ansprechende Struktur.

Achte bei der Recherche nicht nur auf die Themen, die Konkurrenzwerke aufgegriffen haben, sondern auch auf die Art, wie diese Themen dargebracht werden. Lass dich vom typischen Käuferverhalten leiten: Interessierte sehen zuerst das Coverbild, dann Titel und Untertitel. Als Nächstes lesen sie den Klappentext (oder den Text auf der Rückseite) und werfen schließlich einen Blick ins Inhaltsverzeichnis. Vielleicht lesen sie noch ein Stück eines Kapitels, das sie besonders anspricht. Und dann wird gekauft oder auch nicht. In deinem Fall heißt es: Inwiefern ist dieses Buch ein Konkurrenzwerk? Und die wichtigste aller Fragen: Wie unterscheidet sich mein Buch von diesem? Unterscheidet es sich nicht deutlich genug, musst du nachbessern.

Ein Buch schreiben, so ganz nebenbei

Ganz easy also, nicht wahr? Oder auch nicht. Heute, drei Jahre nach dem Erscheinen meines Buchs, gebe ich zu: Ich habe allein für mein Konzept etwa zwei Jahre gebraucht (geschrieben war es dann viel schneller).

So viel dazu, dass ein erfahrener Autorencoach wie ich Buchkonzepte einfach so aus dem Ärmel schüttelt. Anfangs war es mir peinlich, das zuzugeben, aber es ist nun mal so, wie es ist: Unglücklicherweise steht auch einem Profi oft der Alltag im Weg. Ich denke, ich kann dir darüber nicht allzu viel Neues berichten: Auftraggeber drohen mit Auftrag. Die Familie wünscht deine Nähe. Du brauchst auch mal Pausen – und Bewegung! Was für dich und mich noch zusätzlich schwierig sein kann: Wir schreiben und recherchieren den ganzen lieben Tag – und dann sollen wir darüber hinaus noch weiter schreiben und recherchieren. Das führt uns mitunter ziemlich an unsere Grenzen.

Du brauchst also eine noch sorgfältigere Schreiborganisation, als du ohnehin schon hast. Eine umsichtige Planung, die den Umfang des Projekts berücksichtigt. Zu deiner Orientierung: Als erfahrene Ghostwriterin habe ich für die Gespräche mit meinen Autorinnen und Autoren und das Schreiben am Manuskript samt Endfertigung mit dem Verlag für einen 200 Seiten starken Ratgeber etwa 300 Stunden gebraucht. Allerdings ist es leichter, in den Köpfen anderer nach Wissen zu graben als im eigenen Kopf. Seien wir also vorsichtig und addieren noch einmal 100 Stunden. Da du auch Profischreiberin bzw. -schreiber bist, bist du vermutlich ebenso schnell. 400 Arbeitsstunden, das sind bei einer 40-Stunden-Woche 10 Wochen oder 2,5 Monate, wenn du ausschließlich am Buch arbeiten könntest. Was wohl reines Wunschdenken ist. Aber mit diesem Hinweis kannst du hoffentlich besser einschätzen, wie du dich organisieren musst, damit dein Buch in absehbarer Zeit fertig wird.

Ein gutes Konzept hilft dir, dein Buch auch zu Ende zu schreiben

Ich bin mit meinen Autorinnen und Autoren immer recht streng, wenn es ums Konzipieren geht. Denn viele wollen lieber gleich losschreiben, weil es ihnen in den Fingern juckt. Doch ich habe schon zu viele Ideen im Sande verlaufen sehen, weil genau diese wichtige Vorarbeit übersprungen wurde. Nicht zuletzt das große Arbeitsvolumen spricht dafür, Zeit und Inhalte gut zu planen.

  • Je konkreter deine Buchidee ist, desto besser ist sie in deinem Kopf verankert. Und je wohler sie sich in deinem Kopf fühlt, desto leichter fällt es dir, dranzubleiben.
  • Das Gute an der Konzeptarbeit: Sie lässt sich in kleinen Häppchen erledigen und oft auch nur im Kopf – auch in der U-Bahn – ein Stück weiterdenken. Anders als beim Schreiben am Manuskript bist du örtlich unabhängig – keine Ausreden also!
  • Versuche, möglichst täglich etwas für das Buch zu tun – und wenn es nur fünf Minuten sind. Je länger die Abstände zwischen zwei Arbeitseinheiten sind, desto aufwendiger wird es und desto schneller verliert das Projekt an Energie.

Was dir auch noch hilft – und du auch brauchst, falls du einen Verlag ansprechen möchtest: Schreibe zwei Texte. Zunächst einen „Werbetext“ für dein Buch – so, wie du ihn auf Buchrückseiten oder als Klappentext findest. Und schließlich einen Text, der einen potenziellen Verlag überzeugt – du beantwortest, welche Marktlücke existiert, wie dieses Buch die Marktlücke schließt, warum der Markt und die Leserinnen und Leser es brauchen, welche gesellschaftliche Relevanz es hat etc. Wie wär’s, wenn du dafür die Fünf-Finger-Technik anwendest? Ich mache das gerne so: Was sind meine vier bis fünf Kernaussagen zur Relevanz des Buchs?

Fazit

Wer überlegt, ein Sachbuch zu schreiben, sollte genügend Zeit einplanen und sich vor allem um ein professionelles Konzept kümmern. Die Persönlichkeit der Autorin bzw. des Autors, der Nutzen des Publikums und die Marktlücke sind die Eckpfeiler, mit denen es gelingt, aus einer Idee ein marktfähiges Konzept zu entwickeln, das nicht nur den Verlag, sondern auch die Leserinnen und Leser überzeugt.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Die Autorin Mag. Daniela Pucher ist Autorencoach und hat als Ghostwriterin, Co-Autorin oder Beraterin mehr als 40 Sachbüchern den Weg auf den Ladentisch ermöglicht. 2020 publizierte sie ihr erstes Buch unter eigenem Namen, „Zur Sache, Experten! Sachbuch schreiben und vermarkten. Eine 10-Schritte-Anleitung“, erschienen beim Springer Verlag. Darin beschreibt sie ihre Vorgehensweise und gibt auch viele praktische Anregungen zum Buchmarketing.

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